Schlüsselwörter
pneumologische Rehabilitation - COPD - Asthma - Evidenz - Leitlinien
Keywords
pulmonary rehabilitation - COPD - asthma - evidence - guidelines
Abkürzungen
6MWD:
6 Minute Walk Distance (6-Minuten-Gehstrecke)
ACT:
Asthma Control Test: Fragebogen mit 5 Items, [5–25], Werte ≥ 20 Punkte sprechen für ein kontrolliertes Asthma
AECOPD:
akut exazerbierte COPD
AR/AHB:
Anschluss-Rehabilitation/Anschlussheilverfahren
ATS:
American Thoracic Society
CAT:
COPD-Assessment-Test: Fragebogen mit 8 Items zur COPD-Krankheitsbelastung, [0–40]; Verbesserungen (Abnahme des Scores) –2 Punkte oder mehr sind klinisch relevant
COPD:
chronic obstructive Pulmonary Disease (chronisch obstruktive Bronchitis mit oder ohne Lungenemphysem)
DGP:
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie
DRV:
Deutsche Rentenversicherung
ERS:
European Respiratory Society
FEV1
:
forciertes exspiratorisches 1-Sekunden-Volumen
FVC:
forcierte Vitalkapazität
GOLD:
Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease
IRENA:
Intensivierte Rehabilitationsnachsorge
KV:
Kassenärztliche Vereinigung
LTA:
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
LTOT:
long-term oxygen therapy
mMRC:
modified Medical Research Council dyspnoea score [0–4]
NET:
Nikotinersatztherapie
NIV:
nichtinvasive Beatmung
NVL:
Nationale Versorgungsleitlinie
ÖGP:
Österreichische Gesellschaft für Pneumologie
PEP:
positive expiratory Pressure
PR:
pneumologische Rehabilitation
RCT:
randomized controlled Trial (randomisierte kontrollierte Studie)
TEW:
Tabakentwöhnung
T-RENA:
trainingstherapeutische Rehabilitationsnachsorge
Nach Lektüre dieses Artikels sollen die Leser folgende Lerninhalte bezüglich der chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen kennen:
-
Indikationskriterien zur Rehabilitation bei Asthma und COPD,
-
Evidenz und Stellenwert in den evidenzbasierten Leitlinien,
-
Methoden und Ergebnisse der stationären pneumologischen Rehabilitation in Deutschland und in der internationalen Literatur.
Einleitung
Unter der Bezeichnung chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen werden die beiden Volkskrankheiten COPD und Asthma bronchiale zusammengefasst. Asthma und COPD betreffen in Deutschland jeweils 5–6 % der erwachsenen Bevölkerung [1]
[2], Bei 13 % der über 40-Jährigen findet sich eine COPD-typische Lungenfunktion [3], und laut statistischem Bundesamt lag die COPD 2018 in Deutschland auf Rang 4 (Männer) bzw. 8 (Frauen) der Todesfallstatistik [4].
Herr M., 56 Jahre, langjähriger Raucher, leidet seit 5 Jahren unter zunehmender Belastungsdyspnoe. Eine COPD ist seit 2 Jahren diagnostiziert und medikamentös therapiert. Trotzdem bereitet ihm seine Tätigkeit als Lkw-Fahrer insbesondere bei den Ladevorgängen erhebliche Probleme. Nach akuten Atemwegsinfekten, die jeweils zu einer deutlichen Verschlechterung mit Ruheatemnot führen, benötigt er oft mehrere Wochen, bis er seine Arbeit wieder ausüben kann. Ein Reha-Antrag wurde abgelehnt.
Definition der pneumologischen Rehabilitation
Definition der pneumologischen Rehabilitation
Die European Respiratory Society und die American Thoracic Society definieren pneumologische Rehabilitation (PR) [5] als komplexes Maßnahmenpaket für Menschen mit chronischen Erkrankungen der Atmungsorgane, die Symptome aufweisen und in ihren Alltagstätigkeiten eingeschränkt sind. PR basiert demzufolge auf einem umfassenden „Assessment“ (= biopsychosoziale rehabilitationsspezifische Diagnostik) und beinhaltet ein für jeden Patienten individuell erstelltes Therapieprogramm. Dieses besteht obligat, aber nicht ausschließlich aus körperlichem Training, Patientenschulung und Maßnahmen der Verhaltensmodifikation, um langfristige gesundheitsförderliche Verhaltensweisen zu bewirken.
Ziel ist die Verbesserung der physischen und psychischen Verfassung, insbesondere die Besserung von Symptomen, Befunden und sozialer Teilhabe. Hierfür ist ein multiprofessionelles Rehabilitationsteam erforderlich, in dem neben Ärzten regelhaft Sport-, Physio- und Ergotherapeuten, Krankenpflegepersonal, Psychologen, Sozialpädagogen, Ernährungsberater und andere Berufsgruppen interdisziplinär zusammenarbeiten.
Pneumologische Rehabilitation
Pneumologische Rehabilitation (PR) ist ein Maßnahmenpaket für Menschen mit chronischen Erkrankungen der Atmungsorgane, die Symptome aufweisen und in ihren Alltagsaktivitäten eingeschränkt sind. PR basiert auf einem umfassenden biopsychosozialen Assessment und beinhaltet ein individuell erstelltes Therapieprogramm, welches obligat, aber nicht ausschließlich aus körperlichem Training, Patientenschulung und Maßnahmen der Verhaltensmodifikation besteht, um langfristig gesundheitsförderliche Verhaltensweisen zu bewirken.
Generelle Indikationskriterien zur pneumologischen Rehabilitation bei COPD und Asthma
Generelle Indikationskriterien zur pneumologischen Rehabilitation bei COPD und Asthma
Die Indikation zur medizinischen Rehabilitation bei den chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen ist gegeben, wenn trotz adäquater kurativer Krankenversorgung alltagsrelevante körperliche oder psychosoziale Krankheitsfolgen drohen oder bestehen, die die Möglichkeiten zu normalen Aktivitäten und zur Teilhabe am normalen beruflichen und gesellschaftlichen Leben behindern und durch Rehabilitation voraussichtlich zu bessern sind [6]
[7]. Die Rehabilitation zielt also nicht nur auf die körperlichen Krankheitsaspekte, sondern immer auch auf die resultierenden psychischen und sozialen Krankheitsfolgen.
Wichtige Indikationen sind persistierende Symptome, Gefährdung der Erwerbsfähigkeit oder Selbstversorgung, drohende Pflegebedürftigkeit sowie die Notwendigkeit von Reha-spezifischen nicht-medikamentösen Therapieverfahren, wenn diese ambulant nicht im erforderlichen Ausmaß durchgeführt werden können.
Dabei ist der unterschiedliche Leistungsrahmen der einzelnen Rehabilitationskostenträger zu berücksichtigen. So ist z. B. die Hauptaufgabe der Rehabilitation zulasten der Gesetzlichen Rentenversicherung die Sicherung bzw. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit [8]. Relevante Rehabilitationsaufgaben ergeben sich aber regelhaft auch bei nicht erwerbstätigen Patienten, z. B. bei Kindern, Schülern, Auszubildenden, Hausfrauen/-männern und Rentnern. Auch diesen soll durch Rehabilitation ermöglicht werden, selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Kostenträger sind hier zumeist die Gesetzlichen Krankenkassen, bei Berufserkrankungen die Gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft).
Take Home Message
Pneumologischen Rehabilitation ist bei chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen indiziert, wenn trotz adäquater ärztlicher Behandlung alltagsrelevante körperliche oder psychosoziale Krankheitsfolgen bestehen, die die Möglichkeiten zu normalen Aktivitäten und zur Teilhabe am normalen beruflichen und gesellschaftlichen Leben behindern.
Spezielle Indikationskriterien zur Rehabilitation bei COPD
Zur Diagnose und zur funktionellen Schweregradeinteilung der COPD ist stets eine Spirometrie erforderlich [9]. In Deutschland wird die Spirometrie pneumologischerseits zumeist mit einer Bodyplethysmografie kombiniert, die zusätzlich Hinweise auf ein Lungenemphysem ermöglicht.
Bis 2010 erfolgte die Graduierung der COPD primär spirometrisch in die vier funktionellen Schweregrade 1–4 (leicht – mittel – schwer – sehr schwer), welche ausschließlich auf dem FEV1-Wert (forcierte exspiratorische 1-Sekunden-Kapazität) nach Gabe eines inhalativen Bronchospasmolytikums im Vergleich zum Sollwert (FEV1 %pred.) beruhte (s. [Abb. 1]). Im GOLD-Report (Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease) [9] werden seit 2011 zusätzlich die Symptombelastung, die u. a. standardisiert mittels Fragebögen erfasst werden kann (CAT bzw. mMRC, s. [Abb. 1]), und die Exazerbationshäufigkeit im letzten Jahr zur Beurteilung mit herangezogen. Die Abfrage der COPD-Exazerbationen (AECOPD) im letzten Jahr ist wichtig, um das Risiko einzuschätzen (s. [Abb. 1]). Durch dieses „kombinierte Assessment“ ergeben sich neben den 4 spirometrischen GOLD-Schweregraden die 4 klinisch/prognostischen GOLD-Gruppen A–D. Auf Letzteren beruhen die GOLD-Empfehlungen zur medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapie.
Abb. 1 Kombiniertes, spirometrisches und klinisch/prognostisches Assessment der COPD nach GOLD (2020) [9].
Die Indikation zur Rehabilitation bei COPD besteht gemäß der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) COPD [7] von 2009 ab dem Schweregrad 2, d. h. ab einem mittelschweren Krankheitsstadium. Dies gilt explizit auch bei höherem Lebensalter und auch für Raucher, insbesondere wenn diese einwilligen, an einem Entwöhnungsprogramm teilzunehmen. In den aktuellen GOLD-Empfehlungen [9] wird die Indikation zur Rehabilitation bereits ab der COPD-Symptom-/Risikogruppe B angegeben, d. h. wenn zusätzlich zur Obstruktion eine entsprechende Symptomatik vorliegt.
Regelmäßige körperliche Aktivität wird für jeden COPD-Patienten empfohlen.
Die praktische und konsequente Umsetzung dieser evidenzbasierten Empfehlungen steht jedoch vielfach aus. Im Rahmen einer Befragungsstudie unter 590 Pneumologen [10] wurde der Anteil der COPD-2-Patienten, die an einer Rehabilitation teilgenommen haben, mit 2 % beziffert, bei COPD 3–4 mit 16 %. Das bedeutet: Gemessen an den evidenzbasierten Leitlinien, besteht eine erhebliche Unterversorgung. Die Übersicht listet weitere, in der NVL COPD genannte spezielle Indikationen zur Rehabilitation auf.
Wichtige spezielle Indikationen zur Rehabilitation bei COPD
-
persistierende COPD-Symptome trotz adäquater ambulanter ärztlicher Betreuung
-
Gefährdung der Erwerbsfähigkeit
-
drohende Pflegebedürftigkeit
-
alltagsrelevante psychosoziale Krankheitsfolgen
-
Depression
-
Ängste
-
Rückzugstendenzen
-
Notwendigkeit von Reha-spezifischen nicht-medikamentösen Therapieverfahren, wenn diese ambulant nicht im erforderlichen Ausmaß erfolgen können, z. B.
-
schwere medikamentös bedingte Folgekomplikationen
-
nach akutstationärer Behandlung wegen AECOPD (akut exazerbierte COPD)
(nach [7]
[11])
Take Home Message
Die Graduierung der COPD erfolgt spirometrisch und über die Symptombelastung sowie dem Exazerbationsrisiko. Durch dieses „kombinierte Assessment“ ergeben sich die 4 spirometrischen GOLD Schweregrade 1–4 und die 4 klinisch/prognostischen GOLD-Gruppen A–D. Auf Letzteren beruhen die GOLD-Empfehlungen zur medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapie. Laut GOLD besteht die Indikation zur Rehabilitation bei den COPD-Gruppe B–D.
Insbesondere die Anschlussrehabilitation (AHB) nach Krankenhausbehandlung wegen AECOPD ist von großer Relevanz, da hier erschreckend hohe Morbiditäts- und Mortalitätsraten zu verzeichnen sind, die durch PR verbessert werden können [12]
[13]. Daher empfiehlt die NVL [7], die Indikation zur Anschlussrehabilitation nach Hospitalisierung wegen AECOPD regelhaft zu prüfen. In der Realität dürfte der Anteil von Patienten, die nach AECOPD einer pneumologischen AHB zugeführt werden, jedoch unter 10 % liegen. Genaue Zahlen hierzu fehlen allerdings. Vergleichsweise besser funktioniert das Vorgehen nach akutem Myokardinfarkt. Mehr als die Hälfte der Patienten, die einen akuten Myokardinfarkt hatten, partizipierten an einer kardialen Rehabilitation. Frauen und ältere Patienten waren hier interessanterweise weniger häufig in einer kardialen Rehabilitation [14].
Die Indikation zur Rehabilitation soll insbesondere nach Hospitalisierung wegen AECOPD regelhaft geprüft und entsprechend umgesetzt werden.
Die geringe AHB-Rate nach AECOPD führt indirekt zu erheblichen, aber z. T. vermeidbaren finanziellen Belastungen insbesondere der gesetzlichen Krankenversicherung, die fast zwei Drittel (64 %) der direkten Kosten der COPD trägt [15]. Denn von den Gesamtkosten der COPD entfallen 26 % auf Akutkrankenhausbehandlungen, und Studien belegen, dass PR nach AECOPD die hohen Raten an Rehospitalisationen signifikant reduziert. Hingegen entfallen nur 1,5 % der Gesamtkosten auf Rehabilitation. 12 % der Kosten sind durch vorzeitige Rentenzahlungen bedingt [15].
Die Vermeidung von Krankenhausaufnahmen nach akuten Exazerbationen können auch durch moderne, z. T. aber aufwendige digitale Konzepte deutlich verbessert werden. Die Aufnahme mit COPD-Exazerbationen konnte so in einer Studie auf 3,8 % reduziert werden, im Vergleich zu 11,9 % in der Kontrollgruppe [21].
Der größte direkte Kostenblock der COPD entfällt auf die Akutkrankenhausbehandlungen. Auf die Rehabilitation entfallen weniger als 2 % der Gesamtkosten. Eine AHB wird, gemessen an den gültigen Leitlinien, zu selten genutzt.
Spezielle Indikation zur pneumologischen Rehabilitation bei Asthma bronchiale
Eine PR wird in der aktuellen NVL Asthma [6] mit höchstem Empfehlungsgrad angeraten, wenn trotz adäquater ambulanter Therapie körperliche, psychische oder soziale Krankheitsfolgen persistieren, welche alltagsrelevante Aktivitäten bzw. die Teilhabe am beruflichen und privaten Leben behindern. Weitere in der NVL genannte Indikationskonstellationen zur Rehabilitation bei Asthma sind in der Übersicht aufgelistet.
Spezielle Indikationen zur pneumologischen Rehabilitation bei Asthma
-
persistierende asthmatische Beschwerden und Einschränkung der Lungenfunktion
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Gefährdung der Berufs- und Erwerbsfähigkeit, eines geeigneten und angemessenen Schulabschlusses bzw. einer Berufsausbildung
-
drohende Pflege- und Hilfsbedürftigkeit
-
Notwendigkeit von Reha-spezifischen nicht-medikamentösen Therapieverfahren, wenn diese ambulant nicht im erforderlichen Ausmaß erfolgen können, z. B.
(nach [6])
In den aktuellen Asthma-Leitlinien ist das Erreichen eines „kontrollierten“ Asthma bronchiale das wichtigste Behandlungsziel [6]
[16]. Der Grad der Asthmakontrolle kann z. B. mittels des international validierten Asthmakontrolltests (ACT) erfasst werden.
Fehlende Asthmakontrolle, d. h. ein ACT-Score < 20 Punkte, ist ein wichtiges Kriterium für einen Reha-Bedarf.
Evidenz der pneumologischen Rehabilitation bei den chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen
Evidenz der pneumologischen Rehabilitation bei den chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen
COPD
Die Effektivität der pneumologischen Rehabilitation bei COPD ist durch RCTs (randomized controlled trials) und Metaanalysen auf höchstem Evidenzgrad belegt ([Tab. 1]). Dies gilt sowohl für die „stabile“ COPD [17] als auch für den Zustand nach AECOPD [18]. Die Rehabilitation wird für alle COPD Patienten GOLD B-D empfohlen, regelmäßige körperliche Aktivität für alle COPD Patienten.
Tab. 1
Effekte der pneumologischen Rehabilitation bei COPD nach GOLD (2016).
Reha-Effekte
|
Evidenzgrad
|
Besserung der körperlichen Leistungsfähigkeit
|
A
|
Verminderung der Atemnot
|
A
|
Besserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität
|
A
|
Reduktion der Anzahl und Dauer von Krankenhausaufenthalten
|
A
|
Reduktion von COPD-assoziierter Angst und Depression
|
A
|
Kraft- und Ausdauertraining der oberen Extremität verbessert die Funktion der Arme
|
B
|
positive Effekte eines Trainingsprogramms überdauern die Trainingsperiode
|
B
|
verbessert das Überleben
|
B
|
Atemmuskeltraining kann hilfreich sein, insbesondere in Kombination mit einem allgemeinen körperlichen Training
|
C
|
schnellere Erholung nach Krankenhausaufenthalt bei COPD-Exazerbation
|
A
|
verstärkt die Wirkung von langwirkenden Bronchodilatatoren
|
B
|
Evidenzgrade:
A: randomisierte, kontrollierte Studien, große Datengüte
B: randomisiert, kontrollierte Studien, begrenzte Datengüte
C: nicht randomisierte, kontrollierte Studien
Beobachtungsstudien
Die Effektivität der Rehabilitation bei COPD ist auf höchstem Evidenzlevel belegt (s. [Tab. 1]). Dies gilt sowohl für die „stabile“ COPD als auch für den Zustand nach AECOPD.
Rehabilitation bei Asthma bronchiale
Nationale und internationale Leitlinien bzw. Empfehlungen zur pneumologischen Rehabilitation [5]
[8]
[19]
[20] listen regelhaft Asthma als Indikation auf, wobei zumeist dargelegt wird, dass die Evidenz bei Asthma niedriger als bei COPD ist. Tatsächlich wurden bisher nur 2 RCTs [21]
[22] und eine Metaanalyse [23] publiziert, jeweils mit methodischen Limitationen, sodass sie keinen Eingang in die internationalen evidenzbasierte Asthma-Leitlinien fanden. De facto sind aber in fast allen PR-Programmen in Europa und in den USA Asthmatiker inkludiert [24]. In Deutschland ist Asthma sogar die häufigste Indikation zur PR. Im internationalen Schrifttum finden sich zwar einige Beobachtungsstudien [25]
[26], im Gegensatz zur überzeugenden Evidenz bei COPD fehlten bisher aber methodisch geeignete randomisierte Studien zum multimodalen Gesamtpaket „Rehabilitation bei Asthma bronchiale“, insbesondere auch unter den Bedingungen in Deutschland. Gut belegt war aber auch schon bisher die Effektivität der einzelnen Therapiekomponenten der Rehabilitation wie Patientenschulung [27], Atemphysiotherapie [28] oder Trainingstherapie [29]
[30]. Von einem additiven Effekt dieser Therapiekomponenten im Rahmen eines multimodalen Reha-Programms war auszugehen. Die Asthma-Leitlinie der Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (DGP, ÖGP) [16] von 2018 listet die in der Übersicht zusammengefassten dargestellten Effekte im Sinne einer „best available Evidence“ auf.
Effekte der pneumologischen Rehabilitation bei Asthma bronchiale
-
Verbesserung der klinischen Leitsymptome (Atemnot, Husten, Auswurf)
-
Verbesserung der allgemeinen und krankheitsbezogenen Lebensqualität
-
Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit
-
Verbesserung der beruflichen und privaten Partizipationsfähigkeit (z. B. Erhalt der Erwerbsfähigkeit, Verringerung von Arbeitsunfähigkeitstagen)
-
geringerer akutmedizinischer Ressourcenverbrauch (Krankenhaustage, Notfallbehandlungen)
-
Verringerung psychosozialer/familiärer Auswirkungen
(nach [16])
Zwei deutsche Studien aus den Jahren 2015 und 2017 konnten zudem zeigen, dass der Grad der Asthmakontrolle und die Lebensqualität direkt im Anschluss, aber auch 6 Monate und 1 Jahr nach einer 3-wöchigen stationären Reha signifikant höher war als vor Reha-Beginn [31]
[32]. Retrospektive Daten von knapp 400 Asthmapatienten zeigen zudem, dass besonders schwere Asthmatiker von dem in Deutschland üblichen stationären Reha-Konzept deutlich profitieren können [33]. Seit Anfang 2021 liegen zudem die Ergebnisse des deutschen EPRA-RCT (Effektivität pneumologischer Rehabilitation bei Asthma) [34] vor, in das 412 Patienten mit nicht kontrolliertem Asthma eingeschlossen wurden. Diese Daten belegen erstmals in einem randomisierten Studiendesign, dass PR bei Asthma zu einer signifikanten und anhaltenden Verbesserung der Asthmakontrolle (primärer Outcome-Parameter) führt ([Abb. 2]). Ähnliche Ergebnisse fanden sich explorativ u. a. auch für Lebensqualität, Leitsymptome und psychische Belastung. Auch 1 Jahr nach Reha-Ende fanden sich noch signifikante Verbesserungen aller erfassten Outcome-Parameter.
Abb. 2 EPRA-Studie (Effektivität pneumologischer Rehabilitation bei Asthma [34]). Mittelwerte und 95 %-Konfidenzintervalle des primären Endpunkts Asthmakontrolle (Summenscore des Asthmakontrolltests, ACT). Werte von 5–19 kennzeichnen ein nicht kontrolliertes Asthma, Werte von 20–25 sprechen für gute Asthmakontrolle. Adjustierte Mittelwertdifferenz zu T3 = 4,71 [3, 99, 5, 43], p < 0,01, Cohen’s d (Effektstärkemaß) = 1,25 (starker Effekt).
Das Evidenzlevel der pneumologischen Rehabilitation bei Asthma war bis 2020 niedriger als bei COPD. Gut belegt waren aber die positiven Effekte zentraler Reha-Komponenten, wie z. B. der Patientenschulung. Zwischenzeitlich liegt aber aus der deutschen Rehabilitation eine randomisierte Studie vor, die belegt, dass PR die Asthmakontrolle und weitere Outcome-Parameter verbessert.
Eine erneute COPD-Exazerbation mit Krankenhauseinweisung führte schließlich zur Anschlussrehabilitation (COPD GOLD 3, Gruppe D) mit den Schwerpunkten Patientenschulung, Tabakentwöhnung, Erlernen atemphysiotherapeutischer Selbsthilfetechniken (Lippenbremse, atemerleichternde Körperstellungen) und Trainingstherapie. Herr M. konnte das Rauchen einstellen, die 6-Minuten-Gehstrecke wurde um 78 Meter gesteigert, und der CAT-Score verbesserte sich um 4 Punkte.
Die Komponenten der pneumologischen Rehabilitation
Die Komponenten der pneumologischen Rehabilitation
Zur Therapiesteuerung und zur sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung ist eine umfassende internistisch-pneumologische Diagnostik erforderlich. Zudem werden im „Reha-Assessment“ systematisch alltagsrelevante „biopsychosoziale“ Beeinträchtigungen von Aktivitäten und Teilhabe erfasst, d. h. die körperlichen, psychischen und sozialen Auswirkungen der Erkrankung. Einen besonderen Stellenwert nehmen psychische Krankheitsfolgen wie Angst und Depression ein, die bei pneumologischen Rehabilitanden eher häufiger als bei anderen somatischen Indikationsgruppen sind. Die einschlägigen Leitlinien fordern ein routinemäßiges entsprechendes Screening im Rahmen der Reha, u. a. mittels entsprechender Fragebögen [5].
Grundlage der Rehabilitation ist das biopsychosoziale Assessment.
Bei COPD und insbesondere bei Asthma bronchiale spielt die medikamentöse Therapie auch in der Rehabilitation eine maßgebliche Rolle und muss regelhaft überprüft und ggf. auch angepasst werden. Diesbezüglich muss hier auf die einschlägigen Leitlinien verwiesen werden, da eine Darstellung den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. Im Folgenden werden daher nur die Reha-spezifischen Therapiekomponenten abgehandelt.
Bei COPD und Asthma spielt die medikamentöse Therapie auch in der Rehabilitation eine wichtige Rolle und wird regelhaft überprüft und ggf. angepasst.
In der praktischen Durchführung variieren die therapeutischen Inhalte in Abhängigkeit von dem für jeden Patienten individuell formulierten Rehabilitationsziel, d. h. die jeweiligen therapeutischen Komponenten sind nicht starr vorgegeben, sondern abhängig von den zwischen Patient und Arzt zu vereinbarenden Therapiezielen.
In Deutschland erfolgt die PR zumeist stationär über 3 Wochen. In den meisten anderen Ländern wird sie ambulant, zumeist 2–3 ×/Woche, aber über einen deutlich längeren Zeitraum durchgeführt.
Die wichtigsten Inhalte der pneumologischen Rehabilitation sind in der Übersicht zusammengefasst.
Komponenten pneumologischer Rehabilitation
-
Rehabilitationsorientierte Diagnostik („Reha-Assessment“) als Voraussetzung für eine individuelle Therapie
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Leistungsbeurteilung („sozialmedizinische Begutachtung“)
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Überprüfung und ggf. Optimierung der Pharmakotherapie
-
Patientenschulung
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atemphysiotherapeutische Maßnahmen
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Bewegungs-/Trainingstherapie
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Atemmuskeltraining
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Atemmuskulaturerholung durch nichtinvasive Beatmung
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Sauerstofflangzeittherapie
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Diagnostik, Therapie und Schulung bei schlafbezogenen Atmungsstörungen
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Allergologische und umweltmedizinische Diagnostik und Beratung
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psychosoziale Diagnostik, Therapie und Beratung
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Ernährungsberatung und Schulung
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Tabakentwöhnung
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Sozialberatung
-
Ergotherapie mit Hilfsmittelberatung und -versorgung
Die jeweiligen therapeutischen Komponenten (Übersicht s. o.) variieren abhängig von den zwischen Patient und Arzt zu vereinbarenden Therapiezielen.
Körperliche Trainingstherapie
Körperliches Training ist eine Kernkomponente der pneumologischen Rehabilitation [5]. Durch Training können die körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität gesteigert sowie die Krankenhausbehandlungstage reduziert werden. Insbesondere kann die Abwärtsspirale aus Dyspnoe mit konsekutiver Inaktivität und resultierender Dekonditionierung sowie weiterer Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit unterbrochen werden. Hierbei müssen aber die spezifischen Erfordernisse der unterschiedlichen Erkrankungen berücksichtig werden.
So müssen bei COPD u. a. ventilatorische und respiratorische Limitierung, dynamische Überblähung, erhöhte Atemarbeit, Atemmuskel- und Skelettmuskeldysfunktion sowie die regelhaft bestehenden Komorbiditäten beachtet werden. Die Trainingssteuerung, die bei schwerer eingeschränkten COPD-Patienten sehr individuell erfolgen muss, wird weniger über die Herzfrequenz als vielmehr über die Atemnot (modifizierte Borg-Skala [35]; [Tab. 2]), das Atemmuster (Atemfrequenz) und die Sauerstoffsättigung gesteuert [36].
Tab. 2
Trainingssteuerung über die Borg-Skala. Als optimaler Bereich für das Training von COPD-Patienten gelten Werte auf der Borg-Skala von 4–6, zu Beginn eines Trainingsprogramms auch Borg 3.
Borg-Skala
|
Wie anstrengend finden Sie die Belastung?
|
Kommentare zur Trainingssteuerung
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0
|
keine Anstrengung
|
|
0,5
|
sehr, sehr leicht
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1
|
sehr leicht
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2
|
leicht
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3
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mäßig anstrengend
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Optimale Intensitäten für Wiedereinsteiger – alle Gesundheitswirkungen werden erzielt.
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4
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etwas anstrengend
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5
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anstrengend/schwer
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Fortgeschrittene können auch erfolgreich bei höheren Intensitäten trainieren – zusätzliche Fitnesswirkung
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6
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7
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sehr anstrengend/schwer
|
Zu hohe Intensitäten – geringe Gesundheitswirkungen, erhöhte Verletzungsgefahr.
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8
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9
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sehr, sehr anstrengend/schwer
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10
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maximal anstrengend
|
Als optimaler Bereich für das Training von COPD-Patienten gelten Werte auf der Borg-Skala von 4–6, zu Beginn eines Trainingsprogramms auch Borg 3.
Bei Asthma ist die Peak-Flow-Messung zur Erfassung der variablen Obstruktion angezeigt. In den pneumologischen Reha-Leitlinien [5]
[20] werden mindestens 3 Trainingseinheiten pro Woche empfohlen, insgesamt aber mindestens 20. Das Training sollte ein Ausdauertraining der oberen und unteren Extremitäten umfassen.
Beim Ausdauertraining ist die klassische Trainingsform die Dauermethode, bei welcher mit gleichbleibender Intensität über die Trainingsdauer trainiert wird. Insbesondere schwergradig eingeschränkte COPD-Patienten profitieren aber von einem Intervalltraining [37], welches auch diesen oft noch ein effektives Ausdauertraining ermöglicht. Hierbei wechseln in rascher Folge kurze, höher intensive Belastungsphasen (z. B. 30 Sekunden) mit deutlich weniger intensiven Phasen (z. B. 30 Sekunden) ab. Dies verringert die COPD-typische Belastungsdyspnoe, welche durch die dynamische Lungenüberblähung bedingt ist. So ermöglicht Intervalltraining eine längere Trainingsdauer. Das Intervalltraining per se ist nicht effektiver als die Ausdauermethode, es steigert aber den Anteil der Patienten mit schwerer COPD, die ein effektives Ausdauertraining durchführen können.
Neben dem Ausdauertraining ist ein individuell dosiertes Krafttraining unabdingbar. Neuere Methoden wie die neuromuskuläre Elektrostimulation [38] oder das Ganzkörpermuskelvibrationstraining [39] spielen vorwiegend bei Patienten mit schwerer COPD eine zunehmende Rolle.
Beim Asthma ist insbesondere das Vermeiden einer anstrengungsinduzierten Obstruktion wichtig. Dies beinhaltet eine leitliniengemäße Medikation, im Bedarfsfall kann und soll ein kurzwirkendes Bedarfsdosieraerosol unmittelbar vor dem Sport angewendet werden. Zudem ist ein Aufwärmen vor dem Training erforderlich. Klinisch bewährt hat sich hierbei ein intervallartiges Aufwärmen, welches aus einem Wechsel zwischen Gehen und Laufen im Verhältnis 5:1 besteht, z. B. 50 Sekunden Gehen und 10 Sekunden so schnell wie möglich Laufen. Das Aufwärmen sollte mit dem Gehen beginnen und enden. Unter dieser Prämisse können fast alle Asthmatiker körperlich mit gutem Benefit trainieren.
Bei COPD-Patienten mit schwerer respiratorischer Insuffizienz ist eine Sauerstoffgabe Voraussetzung für eine sichere Trainingstherapie. Bei Hinweisen für eine erschöpfte Atempumpe ist die Indikation für eine nichtinvasive Beatmung (NIV) zu prüfen. In Einzelfällen ist auch ein Training unter NIV möglich und sinnvoll [40].
Das Reha-Setting bietet den Vorteil, dass das Training regelhaft durch physiotherapeutische und psychoedukative Maßnahmen ergänzt wird. Zudem kann das Training zielgruppenspezifisch erfolgen, z. B. durch Aufteilung in Kleingruppen mit unterschiedlichen Diagnosen und Krankheitsschweregraden. Durch die Arztverfügbarkeit und die Möglichkeit zu kurzfristigen diagnostischen und therapeutischen Interventionen ist fast immer auch ein Training bei Patienten mit fortgeschrittenen Krankheitsschweregraden, respiratorischer Globalinsuffizienz oder gravierenden Komorbiditäten möglich. Somit ist im Rahmen der pneumologischen Rehabilitation eine Trainingstherapie auch bei schwerkranken Patienten möglich und führt insbesondere bei diesen zu sehr guten Erfolgen [41].
Take Home Message
Die Trainingssteuerung bei COPD erfolgt v. a. über die Borg-Skala ([Abb. 3]), das Atemmuster (Atemfrequenz) und die Sauerstoffsättigung. Neben dem Ausdauertraining, welches bei stärker eingeschränkten COPD-Patienten mittels Intervallmethode durchgeführt werden kann, ist ein individuell dosiertes Krafttraining angezeigt. Beim Asthma ist das Vermeiden einer anstrengungsinduzierten Obstruktion wichtig (suffiziente Medikation, gezieltes Aufwärmen vor dem Training, ggf. Peak-Flow-Kontrolle).
Atemphysiotherapie
Ziele sind
-
die Reduzierung der Lungenüberblähung mit Senkung der Atemarbeit,
-
die Kräftigung der Atemmuskulatur,
-
die Steigerung der Thoraxbeweglichkeit und
-
die Verbesserung der Sekretelimination [28].
Durch exspiratorische Stenosen werden der intrabronchiale Druck erhöht und die Ausatmung verlängert. Die am häufigsten angewandte Methode ist die Lippenbremse, bei der die Ausatmung gegen den Widerstand der locker aufeinanderliegenden Lippen erfolgt. Sie sollte regelhaft bei Belastungen eingesetzt werden, um die dabei auftretende Überblähung und damit die Atemnot zu reduzieren. Sie ist bei Atemnot in Ruhe ebenfalls effektiv und kann auch bei Asthma erfolgreich eingesetzt werden.
Atemerleichternde Stellungen wie die Vorwärtsbeugung des Oberkörpers und Abstützung der Arme (z. B.) auf den Oberschenkeln (Kutschersitz) entlasten den Thorax vom Gewicht des Schultergürtels und verbessern das Längen-Spannungs-Verhältnis des Zwerchfells.
Die Koppelung von Atmung und Aktivität erleichtert Belastungen im Alltag und in der Trainingstherapie.
Zur Verbesserung der Sekretelimination dienen spezielle Hustentechniken („Huffing“) und diverse Atemphysiotherapiegeräte („oszillierende PEP-Techniken; PEP = positive expiratory Pressure) wie „VRP1 Flutter“ (vario-resistance pressure) oder „RC-Cornet“. Auch die Inhalation hyperosmolarer Salzlösung wirkt mukolytisch und wird insbesondere bei Bronchiektasen eingesetzt.
Bei Asthmatikern mit dysfunktionellen Atemformen (z. B. Hyperventilationsneigung) konnten positive Effekte spezieller Atemphysiotherapieverfahren (z. B. Buteyko) in randomisierten Studien belegt werden [28]
[42]
[43]. Im Rahmen dieser Studien wurden durch die Vermittlung einer bewusst verlangsamten, flachen Nasenatmung unter Einbeziehung von Entspannungselementen Verbesserungen der klinischen Symptomatik, der Asthmakontrolle und der Lebensqualität, eine Verringerung von Angst- und Depressions-Scores sowie der Bedarfsmedikation dokumentiert. Die physiotherapeutische Atemtherapie ist insbesondere bei Asthmatikern mit Mukostase und dysfunktionellen Atemformen als flankierende Maßnahme sehr hilfreich.
Take Home Message
Bei der COPD sind die „Lippenbremse“ und die atemerleichternden Körperhaltungen wichtige Methoden der Atemphysiotherapie, bei Asthmatikern mit dysfunktionellen Atemformen (z. B. Hyperventilationsneigung) sind oft spezielle atemphysiotherapeutische Techniken wie die Buteyko-Atemtherapie sehr hilfreich.
Patientenschulung/Patientenverhaltenstraining
Patientenschulung im Rahmen der Rehabilitation zielt neben Wissensvermittlung immer auch auf das Einüben von praktischen Fertigkeiten und auf förderliche Verhaltensmodifikation.
Ziel ist die aktive Teilnahme des Patienten am Krankheitsmanagement. Dies beinhaltet das Überwachen der Symptomatik und die adäquate Selbstanpassung der medikamentösen Therapie an den jeweiligen Krankheitsschweregrad („ärztlich begleitetes Selbstmanagement").
Zentrale Schulungsinhalte sind die Kenntnis der Medikamente, v. a. aber deren korrekte Anwendung (praktisches Training der Inhalationstechnik). Zudem soll der Patient lernen, Notfallsituationen und Exazerbationen zu vermeiden bzw. rechtzeitig zu erkennen und zu beherrschen (Notfallplan, Notfall-Set, Mitgabe von entsprechenden Medikamenten, insbesondere für einen Kortisonstoß).
Patientenschulung kann in der Rehabilitation sehr zielgruppenspezifisch erfolgen, d. h. „modular strukturiert“ [44]. Verschiedene, unabhängig miteinander kombinierbare Schulungsmodule werden dabei für jeden Patienten zu einem individuellen, bedarfsgerechten Kurrikulum kombiniert (s. u.: Übersicht „Patientenschulungsprogramm“). Dieses besteht z. B. aus einem Wochenkurs für Asthmatiker bzw. COPD-Patienten, welcher bedarfsweise durch praktische Schulungsmodule (Anwendungsschulung der inhalativen Medikamente, Peak-Flow-Meter-Schulung) und „Spezialschulungsmodule“ ergänzt wird.
Standardisierte Schulungsprogramme für „Asthma“ bzw. „COPD“ bleiben aber bei manchen Patienten mit „Sonderproblemen“ unvollständig. Diese sind in pneumologischen Rehabilitationseinrichtungen überproportional vertreten, weshalb hier zusätzlich spezielle Programme vonnöten sind. Dies betrifft z. B. Patienten mit Indikation zur Sauerstofflangzeittherapie, Heimbeatmung oder mit Allergien. In diesen Spezialschulungsmodulen werden spezielles Wissen und Fertigkeiten vermittelt und praktisch trainiert, die für diese Patientengruppen von hoher Relevanz sind, allgemeine Grundlagenkurse jedoch überfrachten würden. Beispiele hierfür sind das Allergiker-Karenztraining oder das Schulungsprogramm zur Langzeitsauerstofftherapie (s. Übersicht).
Patientenschulungsprogramm
Aufbau eines modular strukturierten Patientenschulungsprogramms im Rahmen der pneumologischen Rehabilitation am Beispiel des Bad Reichenhaller Modells:
1. Intensivkurse „Asthma bronchiale“ bzw. „COPD“
separate Kurse zur Vermittlung der relevanten Kenntnisse und Fertigkeiten für ein krankheitsadäquates Verhalten
2. Praktische Übungskurse durch das Pflegepersonal
3. Spezialtrainingsmodule: unterschiedliche individuell notwendige Schulungsthemen
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Allergiker-Karenzschulungsprogramm
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Modul Sauerstofflangzeittherapie
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Modul Schlafapnoe
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Modul Lungengerüsterkrankungen (interstitielle Lungenerkrankungen)
Take Home Message
Patientenschulung zielt neben Wissensvermittlung immer auf das Einüben von praktischen Fertigkeiten und eine förderliche Verhaltensmodifikation. Ziel ist die aktive Teilnahme des Patienten an der Krankheitsbewältigung, einschließlich der Selbstanpassung der medikamentösen Therapie an den jeweiligen Krankheitsschweregrad.
Tabakentwöhnung (TEW)
Rauchen ist der Hauptrisikofaktor für das Entstehen und Fortschreiten der COPD. Umgekehrt sind positive Effekte auf die Mortalität, den Lungenfunktionsverlauf und die Symptomatik nach TEW gesichert [45]. Da rauchende COPD-Patienten eine besonders hohe Nikotinabhängigkeit aufweisen, ist die Beendigung des Tabakrauchens für sie besonders schwierig [45]. Daher sollte eine TEW-Strategie angewandt werden, die sowohl medikamentöse als auch psychosoziale Unterstützung umfasst [45].
Abhängig vom Grad der Tabakabhängigkeit, der z. B. mittels Fagerström-Test ermittelt werden kann, können zusätzlich medikamentöse Entwöhnungshilfen indiziert sein. Hier kommen v. a. die Nikotinersatztherapie (NET; NET-Pflaster, bei stärkerer Abhängigkeit ggf. in Kombination mit NET-Spray oder -Kaugummi) oder die Gabe von Vareniclin zum Einsatz [45].
Die TEW ist aber nicht nur bei der COPD eine zentrale Maßnahme, denn das Rauchen ist auch eine häufige Ursache für ein unkontrolliertes Asthma. Die Rehabilitation bietet sehr gute Rahmenbedingungen für die TEW, und Langzeitdaten zur Effektivität liegen auch aus Deutschland vor [46]
[47].
Die Tabakentwöhnung ist eine Basismaßnahme in der Reha und umfasst sowohl medikamentöse als auch psychosoziale Unterstützung.
Psychosozialer Support
Psychologische Interventionen sind Kerninhalte aller PR-Programme und für das übergeordnete Reha-Ziel der sozialen (Re-)Integration unerlässlich. In der aktuellen ATS-ERS-Leitlinie zur PR wird explizit ein routinemäßiges Screening bezüglich Angst und Depression empfohlen [5]. Depressionen und Angsterkrankungen sind bei COPD- und Asthmapatienten überdurchschnittlich häufig und beeinflussen deren Prognose negativ. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass PR per se positive Effekte auf Angst und Depressionen hat [48]
[49]
[50]. Entsprechende Daten liegen auch aus der deutschen pneumologischen Rehabilitation vor [51].
Die Pneumologische Rehabilitation hat bei COPD-Patienten nachgewiesene positive Effekte auf Angst und Depression.
Ernährungstherapie/Ernährungsberatung
Bei Asthma und COPD sind bezüglich der Ernährungstherapie und -beratung krankheitsspezifische Besonderheiten zu beachten. Beim Asthma bronchiale spielen Nahrungsmittelallergien bzw. -intoleranzphänomene eine Rolle. Eine höhergradige Adipositas verschärft bei allen Atemwegserkrankungen das Ausmaß der Belastungsdyspnoe und muss multimodal angegangen werden. Andererseits stellt bei der COPD insbesondere die pulmonale Kachexie [52] einen prognostisch negativen Faktor dar. Durch eine gezielte Ernährungstherapie kann bei kachektischen Patienten, neben einer Zunahme von Körpergewicht und Muskelmasse, insbesondere auch eine Verbesserung der Atemmuskelkraft, der Gehstrecke und der Lebensqualität erreicht werden.
Notwendig ist aber stets die Kombination der optimierten Ernährungstherapie mit körperlichem Training, was im Rahmen der Rehabilitation gewährleistet ist.
Zur Nahrungsergänzung gibt es wenig valide Daten. Es gibt erste Hinweise, dass Kreatin und Q10 (Ubiquinone) zu einer Steigerung der Gehstrecke bei COPD Patienten mit LTOT führen können [53].
Take Home Message
Bei der Ernährungsberatung spielen beim Asthma bronchiale Nahrungsmittelallergien bzw. -intoleranzphänomene eine besondere Rolle und bei der COPD insbesondere die pulmonale Kachexie.
Sozialmedizinische Begutachtung, Berufs- bzw. Sozialberatung
Eine Kernaufgabe der Rehabilitation stellt die sozialmedizinische Begutachtung dar, welche spezielle pneumologische und sozialmedizinische Kenntnisse voraussetzt. Aufgaben der Sozial- bzw. Berufsberatung sind u. a. die individuell angepasste Einleitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) wie innerbetriebliche Umsetzungen oder Umschulungen. Insbesondere für ältere Patienten spielt die allgemeine Sozialberatung eine wichtige Rolle (z. B. Anträge auf Pflegegrade, Schwerbehinderung, Hilfsmittelversorgung, Beratung über soziale Dienste und Einrichtungen).
Nachsorge
Studien, auch aus Deutschland [54], belegen, dass der Effekt der pneumologischen Rehabilitation durch entsprechende Nachsorgeprogramme verstetigt werden kann. Seit 2018 gibt es auch für pneumologische Rehabilitanden über die Deutsche Rentenversicherung strukturierte ambulante Nachsorgeprogramme (IRENA, T-RENA), wenngleich diese noch nicht flächendeckend verfügbar sind. Informationen hierzu finden sich unter www.nachderreha.de. Deutschlandweit hat immerhin die Anzahl der „Lungensportgruppen“ in den letzten Jahren deutlich zugenommen, wenngleich wir auch hier von einer flächendeckenden Versorgung noch weit entfernt sind.
Ambulanter Lungensport wird 1- oder 2-mal pro Woche angeboten und ist kostenträgerseitig als „Rehabilitationssport“ verordnungsfähig. Er kann vom behandelnden Arzt auf dem KV-Formblatt Nr. 56 (z. B. bei COPD für bis zu 120 Übungsstunden) zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden. Lungensport kann und sollte aber bereits während der Rehabilitation zulasten des Rentenversicherungsträgers als Reha-Nachsorge direkt von dort initiiert werden (Formular G850). Weitere Informationen sind zu finden unter www.lungensport.org.
Take Home Message
Seit 2018 kann auch nach einer pneumologischen Rehabilitation über die DRV ein multimodales ambulantes Nachsorgeprogramme (IRENA) angeboten werden, welches aber noch nicht flächendeckend verfügbar ist. „Lungensport“ kann und sollte jedoch als Rehabilitationssport nach der Reha verordnet werden.
Die Teilnahme am ambulanten Lungensport im Anschluss an die Rehamaßnahme wurde seitens der Reha-Klinik verordnet. Innerbetrieblich konnte vereinbart werden, dass Fahrten mit Ladetätigkeiten auf ein Minimum reduziert werden. Die Entlassung aus der Rehabilitationsklinik erfolgte für diese Tätigkeit als arbeits- und leistungsfähig. Aufgrund der mittelfristig weiterhin gefährdeten Erwerbsfähigkeit wurde aber empfohlen, die Indikation für ein vorgezogenes Wiederholungsheilverfahren nach 1–2 Jahren zu prüfen.
Zusammenfassung
Pneumologische Rehabilitation (PR) ist eine evidenzbasierte interdisziplinäre Behandlung für Patienten mit chronischen Erkrankungen der Atmungsorgane, die Symptome aufweisen und in ihren Berufs- und Alltagstätigkeiten eingeschränkt sind. Ziele sind, neben der Sicherung der familiären, sozialen und beruflichen Teilhabe, u. a. die Verbesserung von Symptomen, körperlicher Leistungsfähigkeit, Lebensqualität sowie die funktionelle Optimierung. Dabei kommt ein für jeden Patienten individuell erstelltes Therapieprogramm zum Einsatz, bei dem ein multiprofessionelles Rehabilitationsteam aus Ärzten, Psychologen, Pflegepersonal, Sozialpädagogen, Physio-, Sport- und Ergotherapeuten sowie Ernährungsberatern interdisziplinär zusammenarbeitet.
Obligate nicht-medikamentöse Therapiekomponenten sind Patientenschulung, Medizinische Trainingstherapie, Atemphysiotherapie, Ergotherapie, Hilfsmittelberatung, psychologische Hilfen, Ernährungsberatung, Tabakentwöhnung sowie Sozial- und Berufsberatung. Zudem erfolgt regelhaft eine Überprüfung und ggf. Optimierung der medikamentösen Therapie.
Die Indikation zur Rehabilitation besteht, wenn trotz adäquater kurativer Krankenversorgung alltagsrelevante körperliche oder psychosoziale Krankheitsfolgen bestehen, die die Möglichkeiten zur normalen Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben einschränken und durch Rehabilitation voraussichtlich zu bessern sind. Die Effektivität der pneumologischen Rehabilitation bei chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen ist insbesondere bei der COPD durch randomisierte, kontrollierte Studien und Metaanalysen auf höchstem Evidenzlevel belegt. Daher gilt PR in allen COPD-Leitlinien als essenzielle Komponente des Langzeitmanagements. Wiewohl die Evidenz für das Asthma bronchiale bisher aufgrund fehlender randomisierter Studien niedriger als bei COPD war, sind in fast allen PR-Programmen regelmäßig und in großer Anzahl Asthmatiker inkludiert. Die Anfang 2021 publizierte deutsche EPRA-RCT belegt aber zwischenzeitlich auf hohem Evidenzlevel die Effektivität einer 3-wöchigen stationären PR bei Asthma bronchiale u. a. bezüglich Asthmakontrolle und Lebensqualität.
Fazit
Durch das komplexe Angebot der pneumologischen Rehabilitation können bei Asthma- und COPD-Patienten die körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität verbessert, die Teilhabe am sozialen wie beruflichen Leben erhalten und eine aktive Förderung der „Selbsthilfe“ erreicht werden. Zudem kann der akutmedizinische Ressourcenverbrauch gesenkt werden. Bei der COPD können durch Rehabilitation direkt nach Exazerbation zudem die schlechte Überlebensprognose verbessert und das Risiko der Notwendigkeit einer erneuten notfallmäßigen Klinikaufnahme verringert werden. PR ist daher eine essenzielle Komponente eines evidenzbasierten Langzeitmanagements sowohl des Asthma bronchiale als insbesondere auch der COPD.
In der deutschen Versorgungsrealität kommt PR aber nur bei einem kleinen Bruchteil der Patienten zur Anwendung. Trotz sehr guter Evidenz der pneumologischen Rehabilitation, insbesondere bei der COPD, ist ihr Anteil an allen Rehabilitationsleistungen auffallend niedrig. Er beträgt nicht einmal 3 % aller über die Deutsche Rentenversicherung bewilligten Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation.
Trotz gesicherter Evidenz und hohen Empfehlungsgraden in den Leitlinien kommt pneumologische Rehabilitation, zum Nachteil der Erkrankten, nur bei einem kleinen Bruchteil der Patienten zur Anwendung, bei der sie leitliniengemäß indiziert wäre.
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Pneumologische Rehabilitation ist bei Patienten mit chronischen Erkrankungen der Atmungsorgane angezeigt, die trotz adäquater ärztlicher Behandlung Symptome aufweisen und in ihren Erwerbs- und Alltagstätigkeiten eingeschränkt sind.
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Die Effektivität ist insbesondere bei der COPD, seit 2021 aber auch beim Asthma bronchiale, auf höchstem Evidenzlevel belegt.
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Pneumologische Rehabilitation ist leitliniengemäßer Bestandteil des Langzeitmanagements von COPD und Asthma.
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Trotz gesicherter Evidenz kommt pneumologische Rehabilitation derzeit nur bei einer Minderheit der Patienten zur Anwendung, bei denen sie leitliniengemäß indiziert wäre.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Konrad Schultz, Bad Reichenhall.