Pneumologie 2021; 75(06): 453-456
DOI: 10.1055/a-1239-5969
Fallbericht

Seltene Differenzialdiagnose einer Belastungsdyspnoe

A Rarely Differential Diagnosis of Exertional Dyspnea
S. Albrecht
1   Ambulantes Lungenzentrum Essen, Essen, MVZ Ruhrlandklinik gGmbH
,
C. Taube
2   Klinik für Pneumologie, Universitätsmedizin Essen-Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum, Essen
,
C. Aigner
3   Klinik für Thoraxchirurgie und thorakale Endoskopie, Universitätsmedizin Essen-Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum, Essen
,
D. Theegarten
4   Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Essen, Essen
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Die Abklärung der Belastungsdyspnoe stellt eine wichtige und differenzialdiagnostisch vielfältige Aufgabe des Pneumologen dar. Wir berichten von einer zum Zeitpunkt der Erstvorstellung 70-jährigen Patientin mit einem nahezu den kompletten linken Hemithorax ausfüllenden Tumor. Histologisch konnte ein solitäres Pleurafibrom diagnostiziert werden.


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Abstract

The determination of exercise-induced dyspnea is an important multifaceted task for a differential diagnosis of the pulmonologist. We are reporting the case of a 70-year old female patient at the time of the first presentation with a tumor filling almost the entire left hemithorax. Histologically a solitary pleural fibroma could be diagnosed.


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Einleitung

Das solitäre Pleurafibrom stellt mit einer Inzidenz von 2,8 neuen Fällen pro 100 000 Einwohnern pro Jahr einen seltenen Tumor der Pleura dar. Es entwickelt sich in den meisten Fällen von der Pleura visceralis aus. Die operative R0-Resektion stellt die Therapie der Wahl dar. Berichtet wird von einer zum Diagnosezeitpunkt 70-jährigen Patientin, die 4 Jahre nach Erstdiagnose erneut an einem Rezidiv erkrankte.


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Anamnese

Die Patientin stellte sich erstmalig vor 6 Jahren aufgrund einer langsam progredienten Belastungsdyspnoe vor. Durch den Hausarzt war bereits eine thorakale Computertomografie veranlasst worden, die eine ausgedehnte thorakale Raumforderung zeigte. Husten bzw. Auswurf wurden verneint, ebenso thorakale Schmerzen, ein Gewichtsverlust oder Nachtschweiß. Ein Nikotinkonsum habe nie stattgefunden.

An Nebendiagnosen wurde eine arterielle Hypertonie genannt.


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Befunde

Im Rahmen der Erstvorstellung sahen wir eine 70-jährige Patientin in gutem Allgemein- sowie Ernährungszustand. Körpergröße 161 cm, Körpergewicht 61 kg entsprechend einem BMI von 23 kg/m2. Über der Lunge war ein vesikuläres Atemgeräusch, linksseitig aufgehoben, auszukultieren. Darüber hinaus fand sich linksseitig ein gedämpfter Klopfschall.

Laborchemisch zeigt sich ein unauffälliger Befund. Auch elektro- sowie echokardiografisch zeigte sich ein Normalbefund.

Die durchgeführte Ganzkörperplethysmografie zeigte eine geringe Lungenüberblähung.

Durchgeführt wurde im Rahmen der Erstvorstellung eine digitale Röntgen-Thorax-Untersuchung ([Abb. 1]), die eine ausgedehnte, nahezu vollständig die linke Thoraxseite ausfüllende Raumforderung zeigte. Pleurasonografisch fand sich keine Ergusskomponente. Die mitgebrachte thorakale Computertomografie ([Abb. 2]) zeigte eine glatt begrenzte, die linke Thoraxhälfte fast vollständig ausfüllende inhomogen-hypodense Raumforderung mit breitflächigem Kontakt des Tumors zur Pleura.

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Abb. 1 Thorakale Röntgenaufnahme im p. a. Strahlengang sowie linksanliegend: nach rechts verdrängte Mediastinalorgane. Zwerchfell rechts scharf begrenzt. Randsinus frei. Nachweis eines nahezu die linke Thoraxseite ausfüllenden Tumors.
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Abb. 2 Thorakale Computertomografie: Nachweis einer glatt berandeten, nahezu die linke Thoraxhöhle vollständig ausfüllenden inhomogen-hypodensen Raumforderung mit breitem flächigem Kontakt zur Pleura.

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Therapie und Verlauf

Nach Durchsicht der thorakalen Computertomografie wurde der Patientin empfohlen, sich stationär in einer thoraxchirurgischen Abteilung unter der Frage einer operativen Resektion aufnehmen zu lassen. Dies wünschte die Patientin zum damaligen Zeitpunkt aus privaten Gründen nicht. Eine Wiedervorstellung erfolgte im darauffolgenden Jahr aufgrund der anhaltenden Beschwerdesymptomatik. Eine zu diesem Zeitpunkt erneut veranlasste thorakale Computertomografie zeigte vergleichend zu der Voruntersuchung keinen Nachweis einer relevanten Befundänderung, insbesondere keinen Hinweis auf einen progredienten Befund der thorakalen Raumforderung. Zu diesem Zeitpunkt war die Patientin zu einer stationären Behandlung bereit, die dann veranlasst wurde. Hier wurde zunächst eine präoperative Diagnostik (Ganzkörperplethysmografie, Diffusionskapazität sowie transthorakale Echokardiografie) durchgeführt. Nach Vorstellung in der Tumorkonferenz wurde die Indikation zur operativen Resektion der tumorösen Raumforderung gestellt. Durchgeführt wurde eine große linksseitige Thorakotomie (5. und 7. ICR) mit extrapleuraler Auslösung des fast die gesamte linksseitige Thoraxhöhle ausfüllenden Tumors. Es zeigten sich Verwachsungen und eine Infiltration des Tumors im Bereich der Lingula (hier auch Nachweis eines großen Gefäßkonvolutes), des vorderen Mediastinums sowie des Zwerchfells (Absetzung mit einem Klammernahtgerät). Der Tumor hatte eine Größe von 50 × 30 cm und ein Gewicht von mehr als 2 kg.

Der histologische Befund beschreibt makroskopisch ein 2043 g schweres Tumorexzidat. Die Oberfläche des Präparates war teilweise höckerig, jedoch überwiegend glatt begrenzt. Auf lamellierenden Schnitten zeigte sich der Tumor als weißlich-faserig und mit einem wirbeligen Aufbau. Es stellten sich pseudozystische Areale ([Abb. 3]) dar.

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Abb. 3 Histologischer Schnitt des Operationspräparates.

Mikroskopisch ([Abb. 4] und [Abb. 5]) bestand der Tumor aus einer Wucherung spindelig atypischer Zellen, die in dichten Formationen angeordnet sind. Herdförmig waren Nekrosen entwickelt. Im Randbereich waren eine bindegewebige Kapsel und herdförmig auch breitere Kollagenfaserbündel zu erkennen.

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Abb. 4 Histologischer Schnitt des Operationspräparates.
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Abb. 5 Thorakale Röntgenaufnahme im p. a. Strahlengang sowie linksanliegend: Nachweis eines Rezidivs des Pleurafibroms im Bereich des linken Lungenoberlappens.

Zusammenfassend wurde ein solitär fibröser Tumor beschrieben, entsprechend einem Pleurafibrom mit einer leicht erhöhten Proliferationsaktivität (10 %).

Da eine Rezidivneigung des Tumors bekannt ist, wurde in den folgenden Jahren eine regelmäßige Tumornachsorge durchgeführt. 4 Jahre nach Erstvorstellung stellte sich bildmorphologisch ([Abb. 5]) dann im Verlauf erstmalig ein progredient wachsendes Rezidiv dar, sodass eine Indikation zur Re-Thorakotomie gestellt wurde. Hier konnte durch eine atypische Keilresektion aus dem linken Lungenoberlappen eine vollständige Resektion eines Rezidivs des Pleurafibroms erreicht werden.

Die Patientin befindet sich derzeit in weitergehender regelmäßiger Tumornachsorge bei subjektivem Wohlbefinden und ohne den Nachweis eines Rezidivs.


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Diskussion

Das solitäre Pleurafibrom stellt mit einer Inzidenz von 2,8 Fällen pro 100 000 pro Jahr [1] einen seltenen Tumor der Pleura dar. Es kann sowohl von der Pleura visceralis (⅔ der Fälle) wie auch der Pleura parietalis (⅓ der Fälle) ausgehen. In dem oben genannten Fall ging das Pleurafibrom von der Pleura visceralis aus. Männer sind genauso häufig wie Frauen betroffen, und die Altersverteilung zeigt einen Gipfel in der 6. bis 7. Lebensdekade, wobei eine breite Streuung der Altersverteilung gegeben ist. In der Literatur wird hier eine Spanne zwischen dem 5. und 87. Lebensjahr angegeben [2]. Die Erstbeschreibung dieses seltenen Tumors der Pleura, der nur 5 % der tumorösen Veränderungen der Pleura ausmacht, geht auf Klemperer et al. im Jahr 1931 zurück. Seit dieser Zeit sind in der Literatur erst 900 Fälle bis zum Jahr 2005 beschrieben [3]. Risikofaktoren, die zu einer erhöhten Prädisposition führen, sind nicht bekannt. Eine bestimmte Beschwerdesymptomatik liegt zum Zeitpunkt der Diagnosestellung meist nicht vor, oft wird bildmorphologisch der Verdacht auf die Erkrankung als ein Zufallsbefund gestellt. Uncharakteristische Beschwerden können eine Belastungsdyspnoe, ein thorakales Engegefühl oder Husten sein. Die Symptome der Beschwerdesymptomatik korrelieren mit der Größe des Tumors und dem Ausmaß der intrathorakalen Verdrängung der Lunge durch den Tumor. Die hypertrophe pulmonale Osteoarthropathie, deren Ursache nicht bekannt ist, stellt das häufigste paraneoplastische Syndrom bei Patienten mit einem solitären fibrösen Tumor dar. Bei der hypertrophen Osteoarthropathie treten beidseitige arthritisartige Schmerzen und Schwellung der Gelenke sowie Schmerzen im Bereich der langen Röhrenknochen, insbesondere der unteren Extremität, auf. Selten liegt auch eine endokrine Paraneoplasie im Sinne gehäufter Hypoglykämien vor.

Differenzialdiagnostisch kommen alle anderen Tumoren des Brustkorbes ([Tab. 1]) in Betracht, wobei bildgebend häufig die Diagnose bzw. der Verdacht der Diagnose gestellt werden kann. Eine präoperative histologische Sicherung mittels einer Nadelbiopsie, die einfach durchzuführen ist, wird im Allgemeinen als nicht notwendig erachtet. Neben funktionsanalytischen Untersuchungen stellt die bildgebende Diagnostik (thorakale Computertomografie) die präoperative Untersuchung der Wahl dar.

Tab. 1

Differenzialdiagnosen pleuraler Tumoren.

Benigne Pleuratumore

Maligne Pleuratumore

Sekundäre Pleuratumore

  • Lipome

  • Benignes fibröses Pleurameotheliom

  • Fibrome

  • Angiome

  • Neurinome

  • Chondrome

  • Mesotheliom

  • Lymphome

  • Fibrosarkom

  • Angiosarkom

  • Liposarkom

  • Pleurakarzinose

  • Lymphangiosis carcinomatosa

Die Behandlung der Wahl des solitären Pleurafibroms stellt die operative Resektion mit einer vollständigen Entfernung des Tumors in einer R0-Resektion dar. Dies kann in Abhängigkeit der Größe des Tumors videoassistiert oder aber durch eine Thorakotomie mit ggf. einer Rippen(-teil)resektion erfolgen. In dem beschriebenen Fall musste aufgrund der Größe des Tumors die 5. Rippe teilreseziert werde. Da ein Drittel der solitären Pleurafibrome von der Pleura parietalis (Brustwand, Zwerchfell und Mediastinum) ausgehen, ist in einem solchen Fall eine extrapleurale Resektion im Gesunden durchzuführen. Die perioperative Mortalität wird in der Literatur zwischen 0 % und 2 % benannt [4]. In einer Multizenter-Studie aus dem Jahr 2018 mit 78 Patienten wurde bei 11 Patienten über perioperative Komplikationen, die eine Blutung (n = 11), eine prolongierte Fistelung (n = 3), anhaltende Interkostalneualgien (n = 1), eine Sepsis (n = 1) und allergische Reaktionen (n = 1) beinhalteten, berichtet. Die Gesamtmortalität lag hier bei 0 % und die mittlere Krankenhausverweildauer bei 6 Tagen (Spanne 3 – 25 Tage) [5].

Die R0-Resektion ist sicherlich als der wichtigste prognostische Faktor zu nennen, der über den weitergehenden Verlauf des Patienten entscheidet. In der Literatur wird hier ein 90 %-ige Heilung genannt. Rezidive treten am häufigsten innerhalb der ersten 2 Jahre nach Operation auf, können jedoch auch nach Jahren wieder auftreten. In einem Einzelfall ist ein Rezidiv 20 Jahre nach der primären Operation beschrieben. In unserem Fall trat das Rezidiv 4 Jahre nach der R0-Resektion auf und konnte videoassistiert erneut R0-reseziert werden.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Chick JF, Chauhan NR, Madan R. Solitary fibrous tumors of the thorax: nomenclature, epidemiology, radiologic and pathologic findings, differential diagnoses, and management. AJR Am J Roentgenol 2013; 200: W238-W248
  • 2 Briselli M, Mark EJ, Dickersin GR. Solitary fibrous tumors of the pleura: eight new cases and review of 360 cases in the literature. Cancer 1981; 47: 2678-2689
  • 3 Klemperer P, Coleman BR. Primary neoplasms of the pleura. A report of five cases. Am J Ind Med 1992; 22: 1-31
  • 4 Rena O, Filosso PL, Papalia E. et al. Solitary fibrous tumour of the pleura: surgical treatment. Eur J Cardiothorac Surg 2001; 19: 185-189
  • 5 Diebold M, Soltermann A, Hottinger S. et al. Prognostic value of MIB-1 proliferation index in solitary fibrous tumors of the pleur implementes in a new score. Respir Res 2017; 18: 210

Korrespondenzadresse

Sven Albrecht
Ambulantes Lungenzentrum Essen
MVZ Ruhrlandklinik gGmbH
Am Handelshof 1
45127 Essen
Deutschland   

Publication History

Received: 23 June 2020

Accepted: 12 August 2020

Article published online:
14 September 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Chick JF, Chauhan NR, Madan R. Solitary fibrous tumors of the thorax: nomenclature, epidemiology, radiologic and pathologic findings, differential diagnoses, and management. AJR Am J Roentgenol 2013; 200: W238-W248
  • 2 Briselli M, Mark EJ, Dickersin GR. Solitary fibrous tumors of the pleura: eight new cases and review of 360 cases in the literature. Cancer 1981; 47: 2678-2689
  • 3 Klemperer P, Coleman BR. Primary neoplasms of the pleura. A report of five cases. Am J Ind Med 1992; 22: 1-31
  • 4 Rena O, Filosso PL, Papalia E. et al. Solitary fibrous tumour of the pleura: surgical treatment. Eur J Cardiothorac Surg 2001; 19: 185-189
  • 5 Diebold M, Soltermann A, Hottinger S. et al. Prognostic value of MIB-1 proliferation index in solitary fibrous tumors of the pleur implementes in a new score. Respir Res 2017; 18: 210

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Abb. 1 Thorakale Röntgenaufnahme im p. a. Strahlengang sowie linksanliegend: nach rechts verdrängte Mediastinalorgane. Zwerchfell rechts scharf begrenzt. Randsinus frei. Nachweis eines nahezu die linke Thoraxseite ausfüllenden Tumors.
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Abb. 2 Thorakale Computertomografie: Nachweis einer glatt berandeten, nahezu die linke Thoraxhöhle vollständig ausfüllenden inhomogen-hypodensen Raumforderung mit breitem flächigem Kontakt zur Pleura.
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Abb. 3 Histologischer Schnitt des Operationspräparates.
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Abb. 4 Histologischer Schnitt des Operationspräparates.
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Abb. 5 Thorakale Röntgenaufnahme im p. a. Strahlengang sowie linksanliegend: Nachweis eines Rezidivs des Pleurafibroms im Bereich des linken Lungenoberlappens.