Arthritis und Rheuma 2020; 40(06): 452
DOI: 10.1055/a-1247-3833
Kinderrheumatologie kompakt

SARS-CoV-2-assoziiertes Hyperinflammations-Syndrom bei Kindern und Jugendlichen

Prasad Thomas Oommen
 

Das multisystemische inflammatorische Syndrom bei Kindern (MIS-C) in Assoziation zu SARS-CoV-2 ist ein potenziell lebensbedrohliches Krankheitsbild, das Ähnlichkeiten zum Kawasaki-Syndrom aufweist. Insbesondere die eingesetzten therapeutischen Strategien wie intravenöse Immunglobuline, Steroide oder Zytokin-blockierende Therapien wie IL-6- oder IL-1-Blockade sind der Behandlung des Kawasaki-Syndroms entlehnt. Andererseits scheint die betroffene Patientengruppe sich im Hinblick auf Alter und ethnischen Hintergrund von Kindern mit Kawasaki-Syndrom zu unterscheiden. Auch die vom inflammatorischen Gewebeschaden betroffenen Organe unterscheiden sich und umfassen bei MIS-C neben schweren kardialen Beteiligungen, vor allem gastrointestinale Organe, hämatologische, mukokutane Beteiligungen sowie das respiratorische System.


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Nach ersten Berichten zum Auftreten eines schweren inflammatorischen Syndroms im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 aus Italien [1] und Großbritannien [2] wurde im April 2020 vom Center for disease control and Prevention (CDC) in den USA eine Studie initiiert, die im Speziellen schwere COVID-19-Verläufe bei Kindern und Jugendlichen erfassen sollte, die Overcoming COVID-19-Studie [3]. Hieraus resultierte eine Arbeit um Feldstein et al., die mit 186 MIS-C Fällen die klinischen Charakteristika der bisher größten Gruppe dieser Art publiziert hat [4]. Etwa gleichzeitig wurde von Pouletty et al. eine kleinere europäische Kohorte publiziert, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen klassischem Kawasaki-Syndrom und dem beschriebenen Krankheitsbild darstellt, das hier Kawa-COVID-19 genannt wird [5].

Das Kawasaki-Syndrom ist eine in der pädiatrischen Rheumatologie gut bekannte Entität mit den klassischen klinischen Leitsymptomen von Fieber über 5 Tagen, verbunden mit Konjunktivitis, Enanthem, Extremitätenbeteiligung, Exanthem und Lymphknotenvergrößerungen. Mit dem Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie im Frühjahr 2020 wurde vermehrt vom Auftreten eines dem Kawasaki-Syndrom verwandten Krankheitsbildes bei Kindern berichtet. Aus der insbesondere im Frühjahr besonders hart von SARS-CoV-2 betroffenen Provinz Bergamo wurden von einem mit COVID-19 in Zusammenhang gebrachten Hyperinflammations-Syndrom mit Zytokinsturm bei Kindern berichtet, das einem Makrophagen-Aktivierungssyndrom ähnelte. Aufgrund des Kawasaki-Phänotyps mit hohem Fieber und ausgeprägten Zeichen der humoralen Entzündungsreaktion mit multiplen Organbeteiligungen wurde eine historische „klassische“ Kawasaki-Kohorte, die sich zwischen Januar 2015 und Februar 2020 vorgestellt hatte, mit den Kindern, die sich von Februar bis April 2020 in Folge einer SARS-CoV-2-Infektion vorgestellt hatten, verglichen. In diesem und weiteren Vergleichen dieses neuen Hyperinflammations-Syndroms konnten einige distinkte Unterschiede der sich präsentierenden Patientengruppe einerseits und des Krankheitsverlaufs andererseits gezeigt werden. So konnten sowohl die Beschreibungen aus der italienischen, französischen als auch der US-amerikanischen Gruppe folgende Charakteristika der „neuen“ Kohorte herausarbeiten, wodurch eine zumindest phänoypische Unterscheidung zum klassischen Kawasaki-Syndrom gelang: Die Gruppe der Patienten war im Median älter (7,5–10 Jahre) als Kinder mit Kawasaki-Syndrom. In der britischen Gruppe waren 6/8 Kindern afrokaribischer Abstammung; in der US-amerikanischen Gruppe gab es eine deutliche Häufung bei afroamerikanischen und hispanischen Patienten. Zudem fand sich sowohl bei der US-amerikanischen als auch den europäischen Kohorten eine gewisse Häufung an Kindern mit Übergewicht.

Bei den meisten Patienten konnte eine SARS-CoV-2-Infektion entweder durch Nachweis einer RT-PCR, eine positive Serologie oder einen gesicherten Haushaltskontakt einer mit SARS-CoV-2-infizierten Person belegt werden. Im Hinblick auf den klinischen Verlauf präsentierten sich in allen Kohorten akut erkrankte, zumeist vormals gesunde Kinder, die häufig rasch intensivpflichtig wurden und einer typischen inflammatorischen Beteiligung von mindestens 4 Organsystemen. Anders als beim klassischen Kawasaki-Syndrom standen hier Beteiligungen des gastrointestinalen Systems im Vordergrund, gefolgt von kardialen, hämatologischen, mukokutanen und seltener respiratorischen Affektionen. Die kardiale Beteiligung umfasste neben den Kawasaki-typischen entzündlichen Veränderungen der Koronarien vielmehr einen kardiogenen, vasoplegischen Schock mit raschem und hohem Katecholaminbedarf. Diese Komplikation war gekennzeichnet von erhöhten nt-BNP und Troponin-T-Spiegeln. Therapeutisch wurden in Anlehnung an die Therapie des Kawasaki-Syndroms intravenöse Immunglobuline, Aspirin, Steroide und in Einzelfällen auch IL-6- oder IL-1-blockierende Therapien erfolgreich eingesetzt.

FAZIT

MIS-C beschreibt ein SARS-CoV-2-assoziiertes potenziell lebensbedrohliches Hyperinflammations-Syndrom bei Kindern und Jugendlichen. Zu bedenken sind der rasche Übergang in einen kardiogenen Schock und eine daher erforderliche frühe Behandlung des klassisch nachweisbaren Zytokinsturms. Ein interdisziplinärer therapeutischer Ansatz, der neben infektiologischem und intensivmedizinischem Management auch Immuntherapien wie frühe Immunglobulin-Gaben und Steroide umfasst, ist für diese Patienten unerlässlich.


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Publication History

Article published online:
10 December 2020

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