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DOI: 10.1055/a-1265-7209
Zerebrale Bildgebung bei Patienten mit COVID-19 und neurologischer Symptomatik: Erste Erfahrung aus 2 norddeutschen Universitätskrankenhäusern
Article in several languages: English | deutschZusammenfassung
Ziel Beschreibung von klinischen und radiologischen Befunden von Patienten mit COVID-19 und neurologischen Symptomen an 2 deutschen Universitätskrankenhäusern.
Material und Methoden Einschluss aller Patienten mit COVID-19 und zerebralen neurologischen Symptomen. Retrospektive Durchsicht der Krankenunterlagen hinsichtlich der neurologischen Symptome und COVID-19 sowie der Befunde der zerebralen Bildgebung (CT und MRT).
Ergebnisse 12 Patienten (4 Frauen, Alter 68 ± 12 Jahre) konnten eingeschlossen werden. Drei Patienten zeigten akute Befunde. Zwei der Patienten hatten akute und subakute zerebrale Ischämien, 1 Patient hatte zusätzliche intrakranielle Blutungen und mutmaßlich eine zentrale pontine Myelinolyse. Ein Patient hatte eine mutmaßlich COVID-19-assoziierte Pansinusitis.
Schlussfolgerung Auffälligkeiten in der zerebralen Bildgebung bei Patienten mit COVID-19 und neurologischen Symptomen sind eher selten und unspezifisch. Allerdings sind zerebrale Ischämien bei Patienten mit COVID-19 anzutreffen und es sollte ein besonderes Augenmerk auf Symptome von zerebralen Ischämien gelegt werden.
Kernaussagen:
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Ca. 20 % der Patienten mit COVID-19 entwickeln neurologische Symptome.
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Die Befunde der zerebralen Bildgebung bei COVID-19 sind unspezifisch und heterogen.
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Am häufigsten sind aber zerebrale Ischämien und Blutungen anzutreffen.
Zitierweise
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Jensen-Kondering U, Neumann A, Margraf N et al. Cerebral Imaging in Patients with COVID-19 and Neurological Symptoms: First Experience from two University Hospitals in Northern Germany. Fortschr Röntgenstr 2021; 193: 667 – 671
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Einleitung
Im Dezember 2019 wurden die ersten Fälle einer Lungenentzündung mit einem neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) in Wuhan/China identifiziert, von wo aus eine weltweite Verbreitung des Virus erfolgte. Das durch SARS-CoV-2 hervorgerufene Krankheitsbild COVID-19 ist typischerweise gekennzeichnet durch eine Infektion der Atemwege mit Husten und Fieber, aber auch andere Organsysteme werden teilweise bereits frühzeitig infiziert [1] [2]. Eine erste große retrospektive Analyse aus Wuhan hat dokumentiert, dass ca. ein Drittel (36,4 %) der an COVID-19 erkrankten Patienten neurologische Auffälligkeiten zeigt [3]. Das neuroinvasive Potenzial der Coronaviren ist bekannt und bereits infolge der Pandemie mit SARS-CoV-1 und dem MERS-CoV konnten neurologische Symptome bei erkrankten Patienten beobachtet werden [4] [5]. Bis Ende Juni 2020 wurden kumulativ 193 243 Infizierte in Deutschland und 3146 (108,6 pro 100 000 Einwohner) in Schleswig-Holstein gemeldet (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html; Zugriff 27.06.2020). Insgesamt wurden an den beiden Campi des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein bis zu diesem Zeitpunkt 68 Patienten stationär behandelt. Wir berichten über unsere erste Erfahrung mit zerebraler Bildgebung bei Patienten mit COVID-19 und neurologischen Symptomen.
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Material und Methoden
Es wurden retrospektiv alle Patienten mit einer Infektion mit SARS-CoV-2 eingeschlossen, die aufgrund einer klinischen Indikation eine zerebrale Bildgebung erhalten haben. Die bildgebenden Befunde wurden hinsichtlich des Nachweises von Haupt- und Nebenbefunden beurteilt. Als Hauptbefunde wurden akute Pathologien, welche die Symptomatik erklären oder mutmaßlich während der Infektion bzw. in deren Folge aufgetreten sind, gewertet. Als Nebenbefunde wurden alle pathologischen Befunde gewertet, die als vorbestehend eingeordnet wurden. Zusätzlich wurden demografische Daten sowie klinische Informationen hinsichtlich der SARS-CoV-2-Infektion erhoben.
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Ergebnisse
Zwölf Patienten (4 Frauen, 8 Männer, durchschnittliches Alter 68 ± 12 Jahre) konnten eingeschlossen werden ([Tab. 1a]). Zwei der Patienten wurden nach Ende der Infektion untersucht. Drei Patienten zeigten einen milden, 5 einen moderaten und 4 einen schweren Krankheitsverlauf von COVID-19 (mild: keine Hospitalisierung, Hospitalisierung ohne Sauerstoffgabe, moderat: Sauerstoffgabe notwendig, schwer: intensivmedizinischer Aufenthalt). Eine MRT-Untersuchung wurde bei 2 Patienten durchgeführt, eine CT-Untersuchung bei 7 Patienten (eine davon mit zusätzlicher CT-Angiografie), 3 weitere Patienten erhielten sowohl eine CT- als auch eine MRT-Untersuchung. Die MRT-Untersuchungen erfolgten alle mit i. v.-Kontrastmittel.
Bei einem Patienten mit schwerem Verlauf von COVID-19 konnte eine Hirnstammläsion gefunden werden, die als mutmaßliche zentrale pontine Myelinolyse gewertet wurde ([Abb. 1]). Zwei der Patienten zeigten akute und subakute ischämische Infarkte ([Abb. 2]). Ein Patient wies zusätzlich ein Mischbild aus subarachnoidalen und parenchymalen Blutungen auf ([Abb. 3]). Ein Patient zeigte eine Sinusitis, die bei Kopfschmerzen, Bildbefund und positiver PCR auf SARS-CoV-2 aus dem Nasen-Rachen-Abstrich als mutmaßlich COVID-19-assoziiert gewertet wurde ([Abb. 4]). Keiner der Patienten wies akute entzündliche intrakranielle Veränderungen auf. Bei den übrigen Patienten konnten bildmorphologisch keine akuten Befunde erhoben werden. Die häufigsten Nebenbefunde waren eine mikroangiopatische Vorschädigung des Marklagers (n = 4) und alte embolische und mikroangiopatische Infarkte (n = 2). Bei 6 Patienten trat die neurologische Symptomatik mit Beginn der übrigen Symptomatik, bei 4 im Verlauf des stationären Aufenthalts und bei 2 Patienten Wochen später auf. Acht Patienten zeigten eine vollständige Regredienz der neurologischen Symptome, 1 Patient wurde soporös entlassen, 3 Patienten verstarben ([Tab. 1b]).
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Diskussion
Erste bildgebende Befunde über eine Serie von 58 Patienten mit COVID-19 und schwerem Verlauf wurden von Helms und Mitarbeitern publiziert [6]. Bei 8 von 13 Patienten (62 %) fand sich im MRT eine meningeale Kontrastmittelaufnahme und bei 3 Patienten (23 %) eine zerebrale Ischämie.
Kandemili und Mitarbeiter berichten über Patienten mit schwerem Verlauf von COVID-19 in der Türkei [7]. Bei 10/27 Patienten (37 %) fanden sich kortikale Signalveränderungen in der FLAIR-Wichtung, die von kortikalen Diffusionsstörungen, leptomeningealem Enhancement oder kortikalen Blooming-Artefakten begleitet waren.
Radmanesh berichtet von 242 Patienten (von insgesamt 3661 Patienten; 6,6 %) mit neurologischen Symptomen aus New York, die ganz überwiegend mittels CT untersucht wurden. 13 Patienten (4,5 %) zeigten akute oder subakute Infarkte und 11 Patienten (3,8 %) intrakranielle Blutungen. Die überwiegende Mehrzahl der Patienten zeigte keine spezifischen Veränderungen, insbesondere keine meningeale Kontrastmittelaufnahme [8].
Auffällig ist die hohe Prävalenz von zerebralen Ischämien, die in Assoziation mit COVID-19 auftreten. Fallserien aus Frankreich [9], den USA [10] und Italien [11] zeigen ein deutlich schlechteres klinisch-neurologisches Outcome und eine erhöhte Mortalität bei Patienten mit COVID-19 und zerebralen Ischämien im Vergleich zu Patienten ohne COVID-19 und zerebralen Ischämien. Zudem wurde COVID-19 als unabhängiger Risikofaktor für zerebrale Ischämien identifiziert [12].
Wie in anderen Kollektiven ist auch in unserer Kohorte die Häufigkeit von neurologischen Symptomen mit ca. 18 % niedriger als von Mao und Mitarbeitern berichtet. Ein Grund dürfte sein, dass wir hier lediglich Patienten mit einer neurologischen Symptomatik eingeschlossen haben, die zu einer zerebralen Bildgebung führte. In unserer Kohorte zeigten 2 Patienten zerebrale Ischämien (ca. 17 %) und 1 Patient (ca. 8 %) intrakranielle Blutungen. Die meisten Patienten wiesen allerdings keine akuten Pathologien auf, was die Lage in der Literatur widerspiegelt.
Es werden verschiedene Schädigungsmechanismen des ZNS diskutiert. 1.) Direkte Neuroinvasion durch SARS-CoV2. 2.) Sekundäre zerebrale Schädigung durch Ischämien und Blutungen, bedingt durch mögliche Endotheldysfunktion und systemische Hyperkoagulabilität und möglicherweise durch Thrombosen der kleinen Hirnvenen bedingte zerebrale Blutungen [13]. 3.) Indirekte Schädigung durch Zytokine und postinfektiöse Antikörper [14]. Eine klare Aufklärung der Schädigungsmuster und die Klärung, welche der Mechanismen vorherrschen und in welcher Häufigkeit sie vorkommen, ist bisher nicht möglich. Neuropathologische Korrelationsstudien werden notwendig sein, um dies aufzuklären und eine Kausalität zwischen der Infektion und den Schädigungsmustern zu beweisen [15].
Wir können die erste deutsche Fallserie aus einer wenig betroffenen Region präsentieren. Wir konnten COVID-19-Patienten mit neuroradiologischer Bildgebung mit mildem, moderatem und schwerem Verlauf nach durchgemachter Infektion und neuaufgetretener neurologischer Symptomatik einschließen. Zusammenfassend sind die Befunde zurzeit noch heterogen und unspezifisch. Weitere Untersuchungen auch im Langzeitverlauf sind notwendig, um potenzielle Residuen und Spätschäden zu detektieren. Dazu wurde eine populationsbasierte Kohortenstudie von uns aufgelegt www.covidom.de.
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References
- 1 Guan W, Ni Z, Hu Y. et al. Clinical characteristics of coronavirus disease 2019 in China. New England Journal of Medicine 2020; 382: 1708-1720
- 2 Puelles VG, Lütgehetmann M, Lindenmeyer MT. et al. Multiorgan and Renal Tropism of SARS-CoV-2. N Engl J Med 2020;
- 3 Mao L, Jin H, Wang M. et al. Neurologic Manifestations of Hospitalized Patients With Coronavirus Disease 2019 in Wuhan, China. JAMA Neurol 2020; 77 (06) 683-690
- 4 Tsai LK, Hsieh ST, Chang YC. Neurological manifestations in severe acute respiratory syndrome. Acta Neurol Taiwan 2005; 14: 113-119
- 5 Kim JE, Heo JH, Kim HO. et al. Neurological Complications during Treatment of Middle East Respiratory Syndrome. J Clin Neurol 2017; 13: 227-233
- 6 Helms J, Kremer S, Merdji H. et al. Neurologic Features in Severe SARS-CoV-2 Infection. N Engl J Med 2020; 382 (23) 2268-2270
- 7 Kandemirli SG, Dogan L, Sarikaya ZT. et al. Brain MRI Findings in Patients in the Intensive Care Unit with COVID-19 Infection. Radiology 2020; 297: 201697
- 8 Radmanesh A, Raz E, Zan E. et al. Brain Imaging Use and Findings in COVID-19: A Single Academic Center Experience in the Epicenter of Disease in the United States. AJNR Am J Neuroradiol 2020;
- 9 Escalard S, Maïer B, Redjem H. et al. Treatment of Acute Ischemic Stroke due to Large Vessel Occlusion With COVID-19: Experience From Paris. Stroke 2020;
- 10 Yaghi S, Ishida K, Torres J. et al. SARS-CoV-2 and Stroke in a New York Healthcare System. Stroke 2020; 51 (07) 2002-2011
- 11 Benussi A, Pilotto A, Premi E. et al. Clinical characteristics and outcomes of inpatients with neurologic disease and COVID-19 in Brescia, Lombardy, Italy. Neurology 2020;
- 12 Belani P, Schefflein J, Kihira S. et al. COVID-19 Is an Independent Risk Factor for Acute Ischemic Stroke. AJNR Am J Neuroradiol 2020;
- 13 Wu Y, Xu X, Chen Z. et al. Nervous system involvement after infection with COVID-19 and other coronaviruses. Brain Behav Immun 2020;
- 14 Nicholson P, Alshafai L, Krings T. Neuroimaging Findings in Patients with COVID-19. AJNR Am J Neuroradiol 2020;
- 15 Solomon IH, Normandin E, Bhattacharyya S. et al. Neuropathological Features of COVID-19. N Engl J Med 2020;
Correspondence
Publication History
Received: 18 July 2020
Accepted: 04 September 2020
Article published online:
19 November 2020
© 2020. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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References
- 1 Guan W, Ni Z, Hu Y. et al. Clinical characteristics of coronavirus disease 2019 in China. New England Journal of Medicine 2020; 382: 1708-1720
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