Schlüsselwörter frühes Mammakarzinom - Prävention - Therapie - Prognose - Immuntherapie - digitale Medizin
Einführung
Die Behandlung von Patientinnen mit einem frühen Mammakarzinom hat sich in den letzten Jahren insbesondere bei Patientinnen mit HER2-positivem Tumor durch die Einführung von T-DM1 und Pertuzumab verändert. Auch bei den HER2-negativen, hormonrezeptorpositiven Tumoren könnten bald CDK4/6-Inhibitoren hinzukommen, wobei die Patientinnenpopulation unklar ist, da eine der adjuvanten Studien per Pressemeldung ein negatives Studieneergebnis (PALLAS) und eine andere Studie ein positives Studienergebnis ebenfalls per Pressemeldung angekündigt hat (MonarchE). Eine weitere Studie in der Indikation rekrutiert noch (NataLEE). Bis ggf. weitere größere Veränderungen in der (neo-)adjuvanten Situation klinisch umgesetzt werden, gibt es für viele klinische Fragestellungen in der Zwischenzeit interessante weitere Einblicke in die Wirkweise bestehender Therapien. Diese Übersichtsarbeit soll die aktuellen Publikationen und Veröffentlichungen der internationalen Kongresse zusammenfassen.
Prävention
Nutzung des Wissens um Risikofaktoren für die Prävention
Epidemiologische Studien und die Erfassung von genetischen und anderen Risikofaktoren werden immer detaillierter und umfangreicher, sodass eine relativ gute Einschätzung erfolgen kann, wie hoch das individuelle Brustkrebsrisiko ist. Bis zum 85. Lebensjahr wird 1 von 8 Frauen an einem Mammakarzinom erkranken. Auch wenn die Mortalität wegen der verbesserten Früherkennung und Therapie sinkt, ist die Inzidenz des Mammakarzinoms nicht gesunken, ggf. sogar in den westlichen Industrienationen gestiegen. Bei allen wissenschaftlichen Anstrengungen der letzten Jahrzehnte stellt sich die Frage, inwieweit das Wissen genutzt werden kann, um die Inzidenz des Mammakarzinoms tatsächlich zu senken (primäre Prävention).
Bei den genetischen Risikofaktoren wird zurzeit zwischen hochpenetranten, mittelgradig penetranten und niedrig penetranten genetischen Veränderungen unterschieden. Die meisten hoch- oder mittelgradig penetranten Gene werden bereits heute im Rahmen von sogenannten Panel-Gen-Untersuchungen als Teil der prädiktiven genetischen Diagnostik untersucht. Hierbei werden zusätzlich zu BRCA1 und BRCA2, die nach wie vor am wichtigsten für die Planung einer individuellen Prävention sind, weitere Gene wie PALB2, CHEK2, ATM und andere genotypisiert [1 ], [2 ], [3 ], [4 ], [5 ], [6 ], [7 ], [8 ]. Da diese Genveränderungen jedoch nur sehr selten in der allgemeinen Bevölkerung vorhanden sind, ist es schwer vorstellar, dass eine breite Genotypisierung
dieser Gene zu einer Senkung der Erkrankungsraten beitragen kann.
Zusätzlich zu den hoch- und mittelgradig penetranten Genen sind in über 150 genomischen Regionen weitere Risikovarianten identifiziert worden [9 ], [10 ], [11 ], [12 ], [13 ], [14 ], [15 ], [16 ], [17 ], [18 ], [19 ], [20 ], [21 ], [22 ], [23 ], [24 ], [25 ], [26 ]. Auch wenn diese niedrig penetranten Risikovarianten relativ häufig in der Bevölkerung vorkommen, haben sie einzeln nur einen geringen Effekt auf das individuelle
Brustkrebsrisiko. Alle genetischen Risikovarianten zusammen erklären ungefähr 40% des erhöhten familiären Brustkrebsrisikos.
Bei den nicht genetischen Risikofaktoren hat die mammografische Dichte den größten Effekt auf das Brustkrebsrisiko. Eine hohe mammografische Dichte (> 50%) liegt bei ca. 20% der Frauen vor. Diese haben eine ca. 3-fach erhöhte Inzidenz an Brustkrebserkrankungen [27 ], [28 ]. Ähnlich wie bei einigen genetischen Veränderungen ist dieses Risiko nicht für alle molekularen Subtypen gleich [29 ], [30 ]. Auch korreliert die mammografische Dichte mit einigen genetischen und nicht genetischen Risikofaktoren [29 ], [30 ], [31 ], [32 ], [33 ], [34 ], [35 ], [36 ]. Zu den wenigen relevanten protektiven Faktoren
gehören eine frühe erste Geburt, langes Stillen und ggf. auch Sport [37 ].
Wie oben schon für die genetischen Risikofaktoren erwähnt, kommen die Risikofaktoren, die einen großen Effekt auf das Erkrankungsrisiko haben, eher selten vor, und die Risikofaktoren, die einen niedrigen Effekt haben, kommen in der Bevölkerung häufig vor. Dies bedeutet, dass eine deutliche Risikoerhöhung nur für wenige Individuen in einer Population zutrifft ([Abb. 1 ]). Es gibt mehrere Modelle, die versuchen, die genetischen und nicht genetischen Risikofaktoren in Risikomodelle zu integrieren, die das individuelle Risiko besser beziffern können. Diese sind jedoch noch nicht in Studien oder Behandlungskonzepte integriert [34 ], [36 ], [38 ], [39 ], [40 ].
Abb. 1 Risikoverhältnis und Häufigkeit verschiedener Faktoren, die das Risiko für eine Brustkrebserkrankung erhöhen oder erniedrigen.
Neoadjuvanz
Monitoring der neoadjuvanten Therapie bei Patientinnen mit HER2-positiven Mammakarzinom
Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom gehören zu den Patientinnen, bei denen eine pathologische Komplettremission (pCR) sehr stark mit einer guten Prognose nach einer neoadjuvanten Therapie korreliert [41 ], [42 ], [43 ]. Vor diesem Hintergrund ist es von hohem Interesse, die Patientinnen frühzeitig während der neoadjuvanten Therapie zu identifizieren, um ggf. eine deeskalierte Therapie bis zur Operation fortzusetzen. In diesem Kontext wurde die kürzlich berichtete PHERGAIN-Studie durchgeführt [44 ]. Das Studiendesign ist komplex und in [Abb. 2 ] dargestellt. Die HER2-positiven Patientinnen erhielten entweder eine Standardbehandlung mit 6 Zyklen Taxan, Platin, Trastuzumab und Pertuzumab (TCHP) oder eine an das Ansprechen angepasste Therapie, die darauf ausgerichtet war zu prüfen, ob einer Gruppe von
Patientinnen die Chemotherapie erspart werden kann und eine alleinige Therapie mit Trastuzumab und Pertuzumab ausreicht. Dieses Ansprechen wurde durch eine PET-Untersuchung vor und nach 2 Zyklen der Therapie gemessen. Alle Patientinnen erhielten initial eine Therapie mit 2 chemotherapiefreien Zyklen mit Pertuzumab und Trastuzumab und setzten diese Therapie bis zur OP fort, wenn sich nach 2 Zyklen ein Therapieansprechen in der PET zeigte. Konnte kein Ansprechen gesehen werden, so erhielten diese Patientinnen bis zur Operation noch 6 Zyklen einer Therapie mit TCHP. Die Ergebnisse in Bezug auf die pCR-Raten in diesen Armen sind in [Abb. 3 ] dargestellt. Patientinnen, die eine Therapie mit 6 Zyklen TCHP unabhängig von der Beurteilung nach 2 Wochen erhalten hatten, erreichten in 57,7% der Fälle ein pCR [44 ]. Dies entspricht ungefähr auch Real-World-Ergebnissen aus Deutschland (52,8% [45 ]). Erfolgte eine chemotherapiefreie Therapie mit Trastuzumab und Pertuzumab nach einem Ansprechen nach 2 Zyklen, konnte in 37,9% der Fälle eine pCR verzeichnet werden. Bei den Patientinnen, die mit einer chemotherapiefreien Therapie begonnen hatten und dann nach 2 Zyklen auf TCPH gewechselt hatten, konnte in 25,9% der Fälle eine pCR gesehen werden [44 ]. Die pCR-Rate in der Gruppe, die unabhängig vom Ansprechen 6 Zyklen TCHP erhalten hatten und nach 2 Zyklen kein Ansprechen im PET aufwiesen, betrug nur 10%. Allerdings waren in dieser Gruppe nur 10 Patientinnen.
Abb. 2 Studiendesign der PHERGAIN-Studie. C: Carboplatin; D: Docetaxel; EBC: früher Brustkrebs, early breast cancer; ETx: endokrine Therapie (Letrozol postmenopausal/Tamoxifen prämenopausal) adjuvante ETx bis zu 3 Jahre postoperativ; PET: 18 F-Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomografie/Computertomografie; H: Trastuzumab s. c.; HER2: humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2; iDFS: invasives rückfallfreies Überleben; MRT: Magnetresonanztomografie; P: Pertuzumab i. v.; R: Randomisation; TCHIP: Trastuzumab, Pertuzumab, Docetaxel und Carboplatin. † Alle hormonrezeptorpositiven Patienten erhalten ETx gleichzeitig mit PH (außer bei Chemotherapie) Ansprechen im PET: RECIST-Ansprechen nach Zyklus 2 mit SUVmax -Reduktion ≥ 40%. pCR: pathologische Komplettremission (ypT0/isN0). Modifiziert nach [44 ].
Abb. 3 Ergebnisse der PHERGAIN-Studie in Bezug auf eines der primären Studienziele. * Diese Patienten erhielten TCHP. a Logistisches Regressionsmodell adjustiert um Hormonstatus, basierend auf dem Wald-Test. PET: 18 F-Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomografie/Computertomografie; pCR: pathologische Komplettremission. Modifiziert nach [44 ].
Die klinische Relevanz dieser Studie wird bei der Betrachtung der Nebenwirkungsraten deutlich. In der Gruppe der Patientinnen, die unabhängig von der PET-Beurteilung 6 Zyklen TCHP erhalten hatten, lag die Rate von Grad-3/4-unerwünschten Ereignissen bei 58,8% und in der chemotherapiefreien Gruppe bei 3,1% der Patientinnen [44 ].
Auch wenn die pCR-Rate der Patientinnen im chemotherapiefreien Behandlungsarm ca. 20% unter der von den Patientinnen lag, die PET-unabhängig TCHP erhalten hatten, ist der Ansatz der PHERGAIN-Studie wegweisend, um künftige Behandlungskonzepte zu planen. Es bleibt abzuwarten, wie die Langzeitprognose der verschiedenen Behandlungsarme aussieht. Diese Ergebnisse werden in der Zukunft berichtet werden.
Neoadjuvante Platintherapie anstelle einer Anthrazyklintherapie in Zeiten von Pertuzumab
In der BCRIG006/TRIO-Studie konnte gezeigt werden, dass in der Behandlung des frühen HER2-positiven Mammakarzinoms das Anthrazyklin durch Carboplatin ersetzt werden kann, um eine kardiale Toxizität zu vermeiden, ohne eine geringere Effektivität der Therapie zu riskieren [46 ], [47 ]. Jedoch werden immer noch häufig Anthrazykline in der Behandlung des frühen, HER2-positiven Mammakarzinoms eingesetzt. Die TRAIN-2-Studie hat diese Fragestellung wieder aufgegriffen in einer Zeit, in der die doppelte Blockade mit Trastuzumab und Pertuzumab eine häufig genutzte Anti-HER2-Therapie in der Neoadjuvanz darstellt, mit der exzellente pCR-Raten auch im Real-World-Setting erreicht werden können [45 ], [48 ]. Die TRAIN-2-Studie randomisierte HER2-positive Patientinnen in eine Behandlung mit 9 Zyklen Paclitaxel/Trastuzumab/Carboplatin/Pertuzumab (PTCPtz) vs. eine
Behandlung mit 3 Zyklen FEC, gefolgt von 6 Zyklen PTCPtz. Die pCR-Raten in beiden Randomisationsarmen waren vergleichbar hoch mit 68 vs. 67% [49 ]. Nun sind die 3-Jahres-Überlebensraten gezeigt worden, in die 438 Patientinnen eingeschlossen waren. Das eventfreie Überleben hat sich nicht zwischen den Randomisationsarmen unterschieden. Die Hazard Ratio lag bei 0,9 (95%-KI: 0.50 – 1,63) [50 ]. Bemerkenswert sind auch die Ergebnisse der Patientinnen mit einem positiven Lymphknotenstatus. Sie lagen bei 92,7% im anthrazyklinhaltigen und 93,7% im anthrazyklinfreien Behandlungsarm. In Bezug auf die Toxizität konnte ein LVEF-Abfall unter 50% oder ein LVEF-Abfall von mindestens 10% in 36% der Patientinnen gesehen werden, die Anthrazykline erhielten, und nur in 22% der Patientinnen, die anthrazyklinfrei behandelt worden waren. Dieser Unterschied war statistisch signifikant (p = 0,0016) [50 ]. Somit bestätigen diese Daten, dass auch unter Hinzunahme von Pertuzumab der Ersatz von Anthrazyklinen durch Carboplatin vor dem Hintergrund der Vermeidung von kardialer Toxizität gerechtfertigt sein kann.
Neoadjuvante CDK4/6-Inhibitortherapie
Der Einsatz endokrin basierter Therapie in der neoadjuvanten Situation stellt für eine gewisse Patientinnenpopulation eine Alternative zur Chemotherapie dar und wird derzeit in Studien intensiv untersucht [51 ], [52 ], [53 ]. Insbesondere kann in einer neoadjuvanten Studie untersucht werden, wie durch CDK4/6-Inhibitoren gewisse Resistenzmechanismen überwunden werden. Zu Abemaciclib lagen aus der Neo-Monarch-Studie hierzu bereits Daten vor, die gezeigt haben, dass Abemaciclib in der Neoadjuvanz zu einem deutlichen Zellzyklusarrest führt [54 ]. In diesem Zusammenhang wurde nun die FELINE-Studie berichtet, die Ribociclib in der Neoadjuvanz untersucht hat [55 ]. Randomisiert wurden Patientinnen mit primärem, HER2-negativem, HR-positivem Mammakarzinom in 3 Randomisationsarmen mit einer Therapiedauer von jeweils
6 Monaten:
Letrozol-Monotherapie,
Letrozol + kontinuierliches Ribociclib,
Letrozol + intermittierend pausierendes Ribociclib.
Das primäre Studienziel war die Frequenz eines PEPI-Score von Null (0) nach der neoadjuvanten Therapie [56 ]. Interessanterweise unterschied sich die Frequenz der Patientinnen mit einem PEPI-Score von 0 zwischen der Letrozol-Monotherapie und den Armen mit einer CDK4/6-Therapie nicht. Der Anteil lag im Letrozol-Monotherapie-Arm bei 25,8% und in den Ribociclib-Armen zusammen bei 25,4% (p = 0,96). Jedoch konnte gezeigt werden, dass nach 14 Tagen Therapie bei den mit Ribociclib behandelten Patientinnen in 91,9% der Fälle ein kompletter Zellzyklusarrest erreicht werden konnte, während dies nur bei 51,7% der Patientinnen unter einer Letrozol-Monotherapie nachweisbar war (p < 0,0001). Dieser Unterschied wurde bis zur Operation kleiner (71,4% nach 6 Monaten Ribiciclib-haltiger Therapie und 61,3% nach 6 Monaten Letrozol-Monotherapie, p = 0,4225). Somit gibt die FELINE-Studie interessante Einblicke, wie sich der Zellzyklusarrest beim Vergleich
einer endokrinen Monotherapie mit einer CDK4/6-Inhibitortherapie + ET verhält.
Lokoregionäre Therapien
Operation des Primärtumors im Rahmen der Primärbehandlung auch bei M1 bei Erstdiagnose?
Ungefähr 6 – 10% der Patientinnen mit einer neuen Diagnose von Brustkrebs haben bereits bei Diagnosestellung Fernmetastasen. Für diese Patientinnen stellt sich die Frage, ob im Rahmen der ersten Behandlung auch eine Operation des Lokalbefundes erfolgen sollte. Einige retrospektive Untersuchungen hatten dies impliziert, jedoch waren die Analysen nicht balanciert. Patientinnen, welche eine Operation erhalten hatten, waren in der Regel jünger, hatten kleinere Tumoren, hatten häufiger eine hormonrezeptorpositive Erkrankung und eine weniger weit fortgeschrittene Tumorerkrankung [57 ]. Zwei prospektiv randomisierte Studien ergaben widersprüchliche Ergebnisse [58 ], [59 ]. In diesem Zusammenhang wurde die neue E2108-Studie berichtet [57 ]. Diese Studie hatte 256 Patientinnen randomisiert, welche auf eine primäre systemische Therapie keinen Progress gezeigt
hatten. 131 dieser Patienten erhielten die systemische Therapie weiter, und 125 Patienten erhielten nach initialer systemischer Therapie einer Operation. Das Gesamtüberleben, welches das primäre Studienziel darstellte, unterschied sich nicht zwischen beiden Randomisationsarmen. Die Hazard Ratio lag bei 1,09 (90%-KI: 0,80 – 1,49). Das progressionsfreie Überleben unterschied sich ebenfalls nicht. In Bezug auf die lokoregionären Rezidive zeigten sich in dem Arm mit der Operation in 10,2% der Fälle und in den Randomisationsarmen ohne Operation in 5 und 20,6% der Fälle ein lokoregionäres Rezidiv bzw. ein Progress. Dies wirkte sich jedoch nicht auf die Lebensqualität aus. Die Autoren der Studie schlussfolgerten, dass bei einer guten Kontrolle der Erkrankung durch eine systemische Therapie eine Operation erst dann erfolgen könnte, wenn der Lokalbefund fortschreitet.
Adjuvanz
T-DM1 zur Vermeidung der adjuvanten Chemotherapie?
Das Antikörper-Medikament-Konjugat (antibody drug conjugate, ADC) T-DM1 ist sowohl bei Patientinnen mit fortgeschrittenem HER2-positivem Mammakarzinom als auch in der post-neoadjuvanten Situation im klinischen Einsatz [60 ], [61 ]. Hierdurch ist natürlich die Frage entstanden, ob T-DM1 ggf. in Kombination mit Pertuzumab eine Therapie, die eine konventionelle Chemotherapie beinhaltet, ersetzen könnte. Eine Studie, die in diesem Zusammenhang bereits in der neoadjuvanten Situation durchgeführt worden war, ist die KRISTINE/TRIO-021-Studie. In dieser neoadjuvanten Studie war eine Therapie mit TCHP mit einer Therapie mit T-DM1 + Pertuzumab verglichen worden. Die Therapie mit TCHP führte zu einer signifikant höheren pCR (56%) verglichen mit 44% im T-DM1 + Pertuzumab-Arm [62 ]. In Bezug auf die Prognose zeigten sich im T-DM1 + Pertuzumab-Arm mehr Ereignisse als im TCHP-Arm, am ehesten
durch präoperative Progresse [63 ].
In diesem Zusammenhang ist die Kombination von T-DM1 + Pertuzumab nun auch in der adjuvanten Situation im Rahmen der KAITLIN-Studie untersucht worden [64 ]. In der KAITLIN-Studie wurde bei einem hauptsächlich nodal-positiven HER2-positiven Kollektiv von primären Mammakarzinompatientinnen nach der Operation eine Therapie mit AC-THP verglichen mit einer Therapie mit T-DM1 + Pertuzumab. Insgesamt 1846 Patientinnen wurden in die Studie eingeschlossen. Bei beiden Therapien unterschied sich das invasive rückfallfreie Überleben (primäres Studienziel) nicht. Die Hazard Ratio betrug 0,97 (95%-KI: 0,71 – 1,32). Es muss angemerkt werden, dass das invasive rückfallfreie 3-Jahres-Überleben mit 94,1% im AC-THB-Arm und 92,8% im AC-TDM1/P-Arm für das in die Studie eingebrachte Hochrisiko-Kollektiv sehr gut war. Die Grad-3/4-Nebenwirkungen waren in beiden Armen vergleichbar. Im AC-THP-Arm lag diese Rate bei 55,4%, und im AC-TDM1/P-Arm erlitten 51,8% der
Patientinnen Grad-3/4-Nebenwirkung. Die Autoren schlussfolgerten, dass eine Behandlung mit AC-THP weiterhin die Standardbehandlung für Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom ist.
Konsolidierte Daten aus der MINDACT-Studie zur Therapieentscheidung in der Adjuvanz
Neben der TailorX-Studie, die einen 21-Gen-Score in Bezug auf die Entscheidungsfindung bei HER2-negativen, hormonrezeptorpositiven Patientinnen untersucht hat [65 ], [66 ], ist die MINDACT-Studie die zweite große Studie, die in dieser Population sich mit der Frage beschäftigt, ob und welchen Patientinnen eine Chemotherapie erspart werden kann. Die MINDACT-Studie basiert ihre genomischen Analysen auf einem 70-Gen-Risiko-Score [67 ]. Das Studiendesign ist in [Abb. 4 ] dargestellt und [Abb. 5 ] zeigt einen Vergleich der Studienkollektive von TailorX und MINDACT. Das primäre Studienziel der MINDACT-Studie wurde erreicht [67 ], welches so definiert war, dass Patientinnen, die mit einem hohen klinischen Rückfallrisiko aufgrund der genomischen Beurteilung keine Chemotherapie erhalten hatten,
ein besseres metastasenfreies 5-Jahres-Überleben als 92% haben sollten. Die metastasenfreie 5-Jahres-Überlebensrate lag damals bei 94,7% (95%-KI: 92,5 – 96,2%) [67 ]. Nun sind Langzeit-Nachbeobachtungsdaten nach 8,7 Jahren vorgestellt worden. Mit den nun reiferen Daten konnte die primäre Analyse bestätigt werden. Die metastasenfreie 5-Jahres-Überlebensrate lag bei 95,1% (95%-KI: 93,1 – 96,6%) [68 ].
Abb. 4 Studiendesign der MINDACT-Studie. HER2: humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2; HR: Hormonrezeptor; TNBC: triple-negativer Brustkrebs. Modifiziert nach [68 ].
Abb. 5 Vergleich der Studienkollektive von TailorX und Mammaprint. HER2: humaner epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor 2; HR: Hormonrezeptor; TNBC: triple-negativ. Modifiziert nach [68 ].
Auch die Betrachtung der 4 Gruppen, die in der MINDACT-Studie beobachtet worden waren, konnte die Ergebnisse der primären Analyse bestätigen ([Abb. 6 ]). Patientinnen, die eine gute Prognose nach beiden Beurteilungsmethoden hatten (klinisch und genomisch) haben ohne Chemotherapie eine exzellente Prognose. Patientinnen, die klinisch und genomisch eine schlechte Prognoseeinschätzung haben, hatten auch trotz einer Chemotherapie eine ungünstige Prognose. Beide Gruppen mit diskordanter Prognoseeinschätzung hatten eine ähnliche Prognose; somit kann für diese Gruppe eine Chemotherapie vermieden werden.
Abb. 6 Überlebensraten in den 4 Gruppen der MINDACT-Studie. c: klinisch; g: genomisch; H: High; L: Low. Modifiziert nach [68 ].
Biomarker
T-DM1 zur Vermeidung der adjuvanten Chemotherapie?
Die Einführung von T-DM1 nach einer neoadjuvanten Anti-HER2-Therapie ohne pCR hat eine deutliche Verbesserung der Therapieergebnisse für diese Patientinnen bedeutet [61 ]. Die Studie, welche diese Ergebnisse lieferte (KATHERINE), hatte ein sehr umfangreiches translationales Forschungsprogramm prospektiv in die Studiendurchführung integriert. Dies bietet die Möglichkeit, die Resistenzmechanismen verschiedener Anti-HER2-Therapien zu untersuchen, um Patientinnen zu identifizieren, die ggf. besonders gut auf eine adjuvante Therapie mit T-DM1 nach suboptimalem neoadjuvantem Therapieansprechen reagieren. Nun wurde eine Analyse vorgestellt, die Tumorproben vor der neoadjuvanten Therapie und nach der neoadjvuanten Therapie untersucht hatte. Der PI3K-Signalweg und die Genexpressionsprofile der Immun-Signalwege standen hierbei im Fokus [69 ]. Untersucht werden sollte, ob PIK3CA-Mutationen einen Einfluss auf die Prognose
der Studienpatientinnen hatte. In der Gesamtpopulation konnte kein Einfluss auf das invasive rückfallfreie Überleben gesehen werden. In allen Gruppen waren die Hazard Ratios ähnlich ([Abb. 7 ]) und lagen bei den Patientinnen mit nicht mutierten Tumoren bei 0,48 (95%-KI: 0,35 – 0,65) und bei den mutierten Patientinnen bei 0,54 (95%-KI: 0,32 – 0,90) [69 ]. Somit ist eine post-neoadjuvante Therapie unabhängig vom PIK3CA-Mutationsstatus.
Abb. 7 Therapieeffekt von T-DM1 in der KATHERINE-Studie nach PIK3CA-Mutationsstatus. KI: Konfidenzintervall; HR: Hazard Ratio; IDFS: invasives rückfallfreies Überleben; T-DM1: Trastuzumab-Emtansin [69 ].
Für die immunologischen Analysen wurden die Proben zum Zeitpunkt der Operation untersucht, in Bezug auf die Expression von HER2, PD-L1, CD8- und T-Zell-Effektor-Molekülen. Keine dieser Genexpressions-Signaturen konnte eine Gruppe von Patientinnen identifizieren, in denen T-DM1 eine andere Effektivität als in anderen Subgruppen hatte.
Interessant war, dass eine hohe HER2-Expression nach neoadjuvanter Anti-HER2-Therapie einen Hinweis für eine Resistenz für adjuvantes Trastuzumab gab. Bei Patientinnen mit einer hohen HER2-Expression nach der neoadjuvanten Therapie war das Risiko für ein Rückfallereignis doppelt so hoch verglichen mit Patientinnen mit einer niedrigen HER2-Expression (Hazard Ratio: 2,02; 95%-KI: 1,32 – 3,11). Bei Patientinnen, die adjuvant T-DM1 erhalten hatten, war dies nicht der Fall (Hazard Ratio: 1,01; 95%-KI: 0,56 – 1,83) [69 ].
Ausblick
Auch wenn es momentan wenig Daten zur Verbesserung der Therapie von Patientinnen mit triple-negativem Tumor gibt, versucht man nun, Studienergebnisse aus der fortgeschrittenen Therapiesituation in die Behandlung des frühen Mammakarzinoms zu übertragen. Der ADC Sacituzumab Govitecan, welcher beim TNBC in der metastasierten Situation eine deutliche Wirksamkeit gezeigt hatte [70 ], wird momentan in ein größeres Studienkonzept für HER2-negative Patientinnen in der postneoadjuvanten Situation integriert (SASCIA-Studie [71 ]). Die Studienergebnisse der großen adjuvanten CDK4/6-Inhibitorstudien werden des Weiteren für interessante Ergebnisse sorgen, die eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, die klinische Routine in naher Zukunft zu verändern.