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DOI: 10.1055/a-1295-7189
DMT und Ayahuasca
[Abb. 1] zeigt die Strukturformel, die Anwendungsarten und die handelsüblichen Formen von DMT (Dimethyltryptamin).
Substanz
Tryptaminhaltige Pflanzen wurden über mehrere 1000 Jahre von südamerikanischen Ureinwohnern bei religiösen Ritualen und zu medizinischen Zwecken eingenommen. Ziel dabei war die Provokation visionärer Erlebnisse als Kontaktaufnahme mit einer jenseitigen Welt, z. B. um die Zukunft vorherzusagen. Ein Wirkstoff in entsprechenden Pflanzen ist Dimethyltryptamin, abgekürzt DMT. Das in den Pflanzen vorkommende DMT wurde 1931 erstmals auch synthetisch hergestellt. Das Halluzinogen DMT ist der chemischen Struktur nach verwandt mit anderen Halluzinogenen wie Psilocin (Psilocybe-Pilze) und Bufotenin sowie mit Serotonin, einem Botenstoff (Transmitter) im Gehirn. Wie andere Halluzinogene wirkt auch DMT als Agonist am 5-HT2A-Rezeptor des serotonergen Transmittersystems. DMT bindet auch an andere Rezeptoren des serotonergen System sowie an den Sigma-1-Rezeptor. In sehr geringen Mengen wird DMT auch vom menschlichen Organismus hergestellt. DMT wird im Organismus zu Indolessigsäure abgebaut.
In den 1960er Jahren war DMT in der Alternativkultur phasenweise populär. Attraktiv erschien die kürzere Wirkungsdauer von DMT im Vergleich zum LSD bei z. T. intensiverem Erleben.
DET (Diethyltryptamin), 5-MeO-DMT (5-Methoxy-N,N-dimethyltryptamin) und DPT (Dipropyltryptamin) sind Beispiele für weitere halluzinogene Tryptamindrogen.
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Anwendungsweise
Bei der Beschreibung der Anwendung ist die Einnahme der synthetischen Droge DMT von derjenigen von DMT-haltigen Pflanzen zu trennen. DMT kann durch intramuskuläre oder intravenöse Injektion, oral (nur wirksam bei gleichzeitiger Einnahme von MAO-Hemmern, s.u.), aber auch gemischt mit Tabak oder Marihuana durch Rauchen aufgenommen werden. Durch diese Rauchmischungen soll der abstoßende Geschmack von DMT („wie brennender Kunststoff“) gemildert werden. Diese Mischungen werden dann wie ein „Joint“ oder in kleinen Pfeifen geraucht. Synthetisches DMT wird auch als kristallines Pulver in kleinen Pfeifen geraucht. Erschwert wird das Rauchen durch die Tatsache, dass der Rausch so schnell einsetzt, dass die Kontrolle über den Körper bereits nach einigen Sekunden verloren geht. Zur Risikominderung sollten bei der Einnahme von Halluzinogenen nüchterne Personen zugegen sein und auf den Berauschten aufpassen.
Ayahuasca
Eine Pflanze, deren Blätter DMT enthält, ist z. B. Psychotria viridis, ein tropischer Strauch, der aus dem Amazonasregenwald stammt. Bei oraler Einnahme würde das DMT bei der Magen-Darm-Passage inaktiviert. Interessanterweise war bereits in vorkolumbianischer Zeit den Indios bekannt, dass durch Mischung von Psychotria viridis mit der Liane Banisteriopsis caapi in einem Trank die psychotrope Wirkung erhalten bleibt. Für diesen Trank gibt es verschiedene Namen wie Ayahuasca und Yagé. Die Schamanen, die diese Mischung zu sich nehmen, um Visionen zu erleben, werden Ayahuasqueros genannt. In Südamerika existieren immer noch religiöse Gruppen, die diese Zubereitungen für ihre Rituale benutzen. Heute weiß man, dass die Liane Harmalin enthält, das ein MAO-Inhibitor ist, also ein Stoff, der den Abbau von DMT hemmt. Analog wurde übrigens auch die Kombination von synthetischem DMT und MAO-Hemmern (z. B. β-Carboline wie Harmin oder Harmalin) entwickelt. Mischungen aus den reinen Chemikalien DMT und z. B. Harmin, als Ayahuasca-Präparat, nennen sich „Pharmahuasca“.
DMT wurde nicht nur in Psychotria viridis, sondern auch in zahlreichen anderen Pflanzen nachgewiesen, z. B. in dem in Südamerika vorkommenden Anadenanthera-Baum, dem Cohoba-Baum und dem Virola-Baum. In den indianischen Kulturen Südamerikas wurden und werden aus Bestandteilen solcher Pflanzen halluzinogen wirksame Schnupfpulver zubereitet. Traditionell wird das Pulver von einem assistierenden Stammesbruder durch ein langes Rohr in die Nasenlöcher gepustet.
Nach dem Ayahuasca-Prinzip, nämlich der Kombination von DMT-haltigen Pflanzen mit als MAO-Hemmer wirksamen Stoffen, wurden auch andere Pflanzen gemeinsam zubereitet (sogenannte Ayahuasca-Analoge).
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Wirkung
Akute psychische Wirkung
Typisch für die intramuskuläre und stärker noch die intravenöse Einnahme von synthetisch hergestelltem DMT ist das innerhalb von wenigen Min. nach Aufnahme schlagartige Eintreten eines halluzinogen Rausches. Dieser klingt nach 15–30 (bis zu 45) Min. wieder ab. Beim Rauchen von DMT soll die Wirkung noch rascher einsetzen und kürzer anhalten. Da sich das Zeitgefühl im DMT-Rausch verändert, erlebt der Konsument subjektiv den Rausch als länger. Nach oraler Einnahme, z. B. als Ayahuasca-Trank, ist der Wirkungseintritt langsamer, der Rausch weniger intensiv, die Dauer des Rausches länger (bis zu mehrere Stunden).
Als halluzinogene Dosis werden (bei intramuskulärer Applikation) 0,7–1,0 mg/kg Körpergewicht angegeben. Beim Rauchen werden für eine vergleichbare Wirkung Dosen von z. B. 20–30 mg DMT angegeben. Die psychischen Veränderungen im Rausch sind durchaus mit denjenigen eines LSD-Rausches vergleichbar, z. B. in Bezug auf Intensivierung der Wahrnehmung, Halluzinationen und Fokussierung auf das eigene Erleben mit Rückzug von der Außenwelt. Der Rausch ist jedoch kürzer, die Wahrnehmungsveränderungen sind intensiver. Typisch soll eine begleitende affektive Labilität mit Wechsel von Euphorie und Dysphorie sein. Insbesondere sind auch die körperlichen Begleiterscheinungen deutlicher ausgeprägt als nach LSD-Einnahme (s.u.).
Wie auch sonst bei Halluzinogenen wird der Rausch teilweise als bereichernd beschrieben. Andere Konsumenten haben allerdings paranoide und erschreckende Erlebnisse. Die Rauscherlebnisse können so überwältigend sein, dass die psychische Kontrolle verloren geht und die Betroffenen den Eindruck haben, wahnsinnig zu werden oder im Sterben zu liegen („bad trip“).
Auch bei Einnahme von Ayahuasca-Mischungen wird ein typischer halluzinogener Rausch erzeugt. Nach anfänglicher Übelkeit tritt eine Benommenheit ein, wobei der Konsument lebhafte halluzinatorische Szenen und Erlebnisse wahrnimmt. Je nach Dosierung (die schwer zu berechnen ist) können diese Zustände von einer leichten Trance bis zu einer vollständigen Vereinnahmung des Benutzers reichen. Die Wirkung hält durch die MAO-hemmenden Zusätze dosisabhängig ca. 3–4 Stunden an.
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Körperliche Wirkung
Beobachtet werden Zeichen der sympathomimetischen Überaktivität wie Blutdruckerhöhung und weite Pupillen (Mydriasis). Darüber hinaus wurde über (extrapyramidale) Bewegungsstörungen und Krampfanfälle berichtet. Insbesondere bei oraler Einnahme (Ayahuasca-Trank) sind Übelkeit und Erbrechen typische Nebenwirkungen. Wahrscheinlich tritt bei wiederholtem Konsum keine Toleranzbildung auf. Eine körperliche Abhängigkeit kommt wohl nicht vor. Ob sich eine psychische Abhängigkeit entwickelt und wie hoch das Risiko für das Auslösen einer die Intoxikation überdauernden Psychose ist, lässt sich zur Zeit nicht verlässlich beantworten.
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Herstellung
Die vollsynthetische Herstellung von DMT erfordert fundierte Labor- und Chemiekenntnisse. DMT wird illegal nicht in denselben Mengen hergestellt wie z. B. LSD oder Amphetamine. Die Nachfrage nach dieser Droge hält sich mutmaßlich durch die extrem starke Wirkung in Grenzen. Über das Ausmaß des Konsums von DMT in Deutschland liegen keine aktuellen epidemiologischen Zahlen vor.
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Drogenscreening-Untersuchungen
DMT wird in üblichen Drogenscreening-Untersuchungen nicht nachgewiesen.
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Zusätzliche Informationen
DMT ist in Deutschland nach Anlage I des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) nicht verkehrsfähig. Da DMT dem BtMG unterstellt ist, sind die Zubereitung, die Weitergabe und der Handel mit DMT-haltigen pflanzlichen Drogen, also z. B. dem Ayahuasca-Trank, strafbar.
Probleme können wegen der Einnahme von bestimmten MAO-Hemmern, z. B. Harmalin, auftreten, da sich diese nicht mit Tyramin in Lebensmitteln vertragen. Nach der MAO-Hemmer-Einnahme kann der Genuss von tyraminreicher Nahrung, z. B. von Rauchfleisch, gereiftem Käse und bestimmten Rotweinsorten Bluthochdruckkrisen hervorrufen. Zudem kann durch die Wechselwirkung von MAO-Hemmern mit antidepressiven Medikamenten, die die Serotoninwiederaufnahme in die Nervenzellen hemmen, ein Serotoninsyndrom ausgelöst werden. Dies kann unter Umständen lebensbedrohlich sein. Typische Symptome des zentralen Serotoninsyndroms sind Fieber, neurologische Symptome wie erhöhte Spannung der Muskulatur (Hyperrigidität) und Muskelzittern (Tremor) sowie psychische Auffälligkeiten wie Desorientierung und Verwirrtheitszustände.
Ein zentrales Serotoninsyndrom kann auch bei Wechselwirkung von MAO-Hemmern mit anderen Drogen, die das serotonerge System beeinflussen, z. B. MDMA (Ecstasy), auftreten.
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Das Drogentaschenbuch
Norbert Scherbaum
6. unveränderte Auflage 2019
232 S., 69 Abb.
ISBN: 9783132431829
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Zitierweise für diesen Artikel
Dieses Buchkapitel wurde erstveröffentlicht in: Scherbaum N. Das Drogentaschenbuch. 6. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2019: 54−58.
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Publication History
Article published online:
03 May 2021
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