Pneumologie 2021; 75(03): 172
DOI: 10.1055/a-1296-5846
Pneumo-Fokus

Unsichere Evidenzbasis für Tocilizumab bei COVID-19-Pneumonie

Salvarani C. et al.
Effect of Tocilizumab vs Standard Care on Clinical Worsening in Patients Hospitalized With COVID-19 Pneumonia: A Randomized Clinical Trial.

JAMA Intern Med 2020; e206615
 

In retrospektiven Studien hatte die Therapie von Patienten mit einer Pneumonie durch eine Coronavirus-Erkrankung (COVID-19) mit Tocilizumab viel versprechende Ergebnisse bei guter Sicherheit gezeigt. In Italien wurde der frühe Einsatz von Tocilizumab zur Verhinderung einer Verschlechterung einer COVID-19-Pneumonie prospektiv und randomisiert mit dem Standardvorgehen verglichen – mit enttäuschendem Ergebnis.


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Die prospektive, offene, klinische Studie war in 24 Kliniken in Italien durchgeführt worden. Wie Carlo Salvarani von der Abteilung für Rheumatologie, Azienda USL-IRCCS di Reggio Emilia, und Kollegen berichten, waren erwachsene Patienten mit COVID-19-Pneumonie rekrutiert worden, die zwischen 31. März und 11. Juni 2020 stationär behandelt werden mussten. Die COVID-19-Erkrankung musste durch einen Polymerase-Kettenreaktions(PCR)-Test auf Basis eines nasopharyngealen Abstrichs bestätigt worden sein, die COVID-19-Pneumonie war bei den Patienten radiologisch, aufgrund eines Partialdruckverhältnisses des arteriellen Sauerstoffs zu Anteil des inhalierten Sauerstoffs (PaO2/FiO2) von 200 – 300 mmHg und durch einen inflammatorischen Phänotyp (Fieber, erhöhtes C-reaktives Protein) dokumentiert.

Die Patienten erhielten entweder innerhalb von 8 Stunden nach der Randomisierung Tocilizumab i. v. (8 mg/kg bis maximal 800 mg), gefolgt von einer zweiten Dosis nach 12 Stunden oder eine supportive Standardtherapie nach den Protokollen der jeweiligen Klinik. Bei klinischer Verschlechterung konnten die Patienten der Kontrollgruppe Tocilizumab als Notfallmedikation erhalten.

Primärer zusammengesetzter Endpunkt der Studie war das Eintreten eines der folgenden Ereignisse: Aufnahme auf die Intensivstation mit invasiver mechanischer Beatmung, Tod jeder Ursache oder klinische Verschlechterung in Form eines PaO2/FiO2-Verhältnisses von < 150 mmHg. Aufgrund der langsamen Rekrutierung wurde eine ursprünglich nicht geplante Interimsanalyse auf Basis eines Drittels der eigentlich geplanten Patienten durchgeführt.

Ergebnisse

Insgesamt waren 126 Patienten randomisiert worden, 60 in die Tocilizumab- und 66 in die Kontrollgruppe. Im Kontrollarm hatten 12 Patienten nach klinischer Verschlechterung 2 Dosen Tocilizumab erhalten, ein weiterer zusätzlich Steroide, ein Patient nur eine Dosis Tocilizumab und Steroide und ein Patienten nur Steroide.

Das mediane Alter der Patienten lag bei 60,0 Jahren (Interquartil range [IQR] 53,0 – 72,0 Jahre). Die Mehrzahl der Patienten war männlich (61,1 %). 3 Patienten zogen ihr Einverständnis in die Studie zurück, damit blieben 123 Patienten für die Intention-to-Treat-Analyse übrig.

Eine klinische Verschlechterung innerhalb von 14 Tagen nach Randomisierung zeigte sich bei jeweils 17 Patienten in beiden Studienarmen (Rate Ratio [RR] 1,05; 95 %-Konfidenzintervall KI 0,59 – 1,86). Die Mortalitätsrate war niedrig: Nach 14 Tagen war nur 1 Patient verstorben, nach einem Monat 3: 2 Patienten im Tocilizumab- und ein Patient in Kontrollarm. Intubiert werden mussten 6 und 5 Patienten in diesen beiden Gruppen. Die Studie wurde wegen der geringen Aussicht auf einen Unterschied zwischen den beiden Gruppen vorzeitig beendet.

Fazit

Stationär behandelte erwachsene Patienten mit einer COVID-19-Pneumonie und einem PaO2/FiO2-Verhältnis von 200 – 300 mmHg entwickelten in dieser Studie mit Tocilizumab nicht seltener einen Krankheitsprogress als Patienten unter supportiven Standardtherapie. Die Autoren empfehlen, eine verblindete und placebokontrollierte Studie zur selben Fragestellung durchzuführen und Tocilizumab auch für andere Krankheitsstadien zu untersuchen, bspw. bei einem PaO2/FiO2-Verhältnis < 200 mmHg.

Friederike Klein, München


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Publication History

Article published online:
16 March 2021

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