Neuroradiologie Scan 2020; 10(04): 253-254
DOI: 10.1055/a-1299-0832
Aktuell
Zerebrovaskulär

Astronauten im Weltall – Hirnveränderungen bei langem Aufenthalt

Kramer LA. et al.
Intracranial Effects of Microgravity: A Prospective Longitudinal MRI Study.

Radiology 2020;
295: 640-648
 

    Ein längerer Aufenthalt im Weltraum verursacht bei Astronauten Sehprobleme, die nach ihrer Rückkehr noch Jahre anhalten können. Wahrscheinlich ist die chronische Exposition gegenüber erhöhtem Hirndruck während der Raumfahrt eine Ursache, wobei es strukturellen Veränderungen des Gehirns sowohl der weißen Substanz als auch des Ventrikelvolumens kommt.


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    Um mehr darüber zu erfahren, führten Wissenschaftler der Universität von Texas in Kooperation mit der NASA bei 11 Astronauten mit einem Durchschnittsalter von 45 Jahren eine Gehirn-MRT-Untersuchung durch, bevor sie zur Internationalen Raumstation aufbrachen. Weitere Untersuchungen erfolgten einen Tag nach der Rückkehr und dann in Abständen von 30, 90, 180 und 360 Tagen. 10 der 11 Astronauten waren Männer. Die Zeit zwischen der MRT vor dem Flug und dem Start betrug 530 Tage, und die durchschnittliche Dauer der Raumfahrt betrug 171 Tage.

    Intrakranielle Volumetrie und aquäduktale CSF-Hydrodynamik (peak-to-peak CSF-Geschwindigkeitsamplitude und aquäduktales Schlagvolumen) wurden für jede Phase quantifiziert. Bestimmt wurden qualitative und quantitative Veränderungen der morphologischen Struktur der Hypophyse vor und nach dem Flug (Tag 1).

    Am Tag 1 nach dem Flug zeigten die MRT-Scans erhöhte mittlere Volumina im Gehirn (28 ml; p < 0,001), der weißen Substanz (26 ml; p < 0,001), im lateralen Ventrikel (2,2 ml; p < 0,001) sowie erhöhte mittlere summierte Werte von Gehirn und Liquor (33 ml; p < 0,001) mit entsprechender Erhöhungen des mittleren aquäduktalen Schlagvolumens (14,6 μl; p = 0,045) und der mittleren peak-to-peak CSF-Geschwindigkeit (2,2 cm/s; p = 0,01). Der mittlere summierte Wert von Gehirn- und Liquorvolumen war 360 Tage nach der Raumfahrt noch erhöht (28 ml; p < 0,001). Die Wissenschaftler konstatierten, dass die Veränderungen von lateralem Ventrikelvolumen und aquäduktalem Schlagvolumen, denen des Normaldruckhydrozephalus ähnelten.

    6 von 11 (55 %) Astronauten zeigten Anzeichen einer Deformation der Hypophyse eine Tag nach dem Flug, im Vergleich zur Untersuchung vor dem Abflug. Die durchschnittliche Hypophysenhöhe im Bereich der Mittellinie verringerte sich von 5,9 mm auf 5,3 mm (p < 0,001). Während sich vor dem Weltraumaufenthalt die Kuppel der Hypophyse überwiegend konvex zeigte, war sie nach dem Weltraumaufenthalt abgeflacht oder konkav.

    Fazit

    Ein langer Aufenthalt im Weltraum war mit einer deutlichen Hypophysenverformung, einer erhöhten Hydrodynamik der aquäduktalen Zerebrospinalflüssigkeit und einer Erhöhung der Werte von Gehirn- und Liquorvolumen assoziiert. Die summierte volumetrische Expansion von Gehirn und Liquor war auch nach einem Jahr nachweisbar, was auf dauerhafte Veränderungen deutet, schreiben die Autorinnen und Autoren.

    Richard Kessing, Zeiskam


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    Publication History

    Article published online:
    16 November 2020

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