ergopraxis 2021; 14(01): 8-9
DOI: 10.1055/a-1300-4614
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10 Jahre
wären laut Bündnis in etwa nötig, um eine flächendeckende hochschulische Ausbildung für alle Therapieberufe umzusetzen.

Akademisierung gefordert – Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen

Die primärqualifizierende hochschulische Ausbildung für die angehenden Therapeuten in Deutschland zu etablieren – das ist das Ziel des „Bündnisses Therapieberufe an die Hochschulen“. Es hat sich 2019 gegründet und zu ihm gehören acht große Verbände der Heilmittelbranche: Deutscher Verband der Ergotherapeuten (DVE), Deutscher Bundesverband für Logopädie (dbl), Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten (IFK), Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK), Verband Physikalische Therapie (VPT), Verbund für Ausbildung und Studium in den Therapieberufen (VAST), Fachbereichstag Therapiewissenschaften und der Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe (HVG).

Auf seiner Internetseite www.buendnis-therapieberufe.de sind weitere Informationen zum Bündnis zu finden, zum Beispiel die kürzlich erschienene Stellungnahme zum Eckpunktepapier „Gesamtkonzept Gesundheitsfachberufe“ (ERGOPRAXIS 4/20, S. 8). Darin erklären die Bündnispartner unter anderem, warum die vollständige Akademisierung für eine gute zukünftige Klientenversorgung wichtig ist und welche Bedeutung sie für die Attraktivität der Heilmittelberufe hat.

mru


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Andreas Pfeiffer ist neuer SHV-Vorsitzender – Spitzenverband der Heilmittelerbringer

Seit dem 1. Januar 2021 hat der Spitzenverband der Heilmittelerbringer (SHV) einen neuen Vorsitzenden: Andreas Pfeiffer (Deutscher Verband der Ergotherapeuten, DVE) hat das Amt von Ute Repschläger (Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten, IFK) übernommen.

Pfeiffer blickt motiviert auf das kommende Jahr: „Wir werden das Wahljahr 2021 nutzen, um unsere aktuellen berufspolitischen Forderungen in die Politik einzubringen. Wir wollen die Politik davon überzeugen, dass im Heilmittelbereich weiter Handlungsbedarf besteht!“ Zu den Vorhaben des SHV zählen zum Beispiel eine angemessene Vergütung der Heilmittelerbringer und der Abbau von Bürokratie. Mehr Informationen zum Verband und seinen Zielen sind unter www.shv-heilmittelverbaende.de einzusehen.

mru


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„Der politische Wille fehlt“ – Akademische Ausbildung

Seit 2009 ist es möglich, eine grundständige Ausbildung in der Ergo-, Physiotherapie und Logopädie auf Hochschulebene zu erproben. Dies macht die Modellklausel in den Berufsgesetzen möglich. Bislang war sie bis 2021 befristet. Im Referentenentwurf zum Gesundheitsversorgungsentwicklungsgesetz (GVWG) ist nun beschrieben, dass sie bis Ende 2026 verlängert werden soll – nicht unbedingt ein Grund zur Freude, meint Prof. Dr. habil. Bernhard Borgetto. Er ist der 1. Vorsitzende des Hochschulverbunds Gesundheitsfachberufe (HVG) und hat ergopraxis erklärt, warum die Verlängerung der Modellklausel ohne eine Reform der Berufsgesetze die Modellstudiengänge gefährdet.

Herr Borgetto, die Modellklausel soll um weitere fünf Jahre verlängert werden. Wie schätzt der HVG diesen Umstand ein?

Die Verlängerung der Modellklausel muss man im Zusammenhang mit der anstehenden Reform der Berufsgesetze der Therapieberufe sehen. In dieser würde die Akademisierung – zumindest für einen längeren Zeitraum – verbindlich geregelt werden. Das heißt, es würde über die Frage entschieden werden, ob eine hochschulische Ausbildung als Zugang zum Beruf überhaupt eine dauerhafte Möglichkeit neben der berufsfachschulischen Ausbildung wird (die sogenannte Teilakademisierung) oder ob die hochschulische Ausbildung der alleinige Zugang zum Beruf wird (die sogenannte Vollakademisierung). Die Modellklausel dient dazu, die hochschulische Ausbildung zu erproben und zu evaluieren. Dies ist geschehen, die Evaluationen sind positiv und die primärqualifizierenden Studiengänge können als zielführend für eine zukunftsfähige und wissenschaftsbasierte Ausbildung angesehen werden.

Ein noch wichtigerer Zusammenhang besteht mit der Einführung der an sich begrüßenswerten Schulgeldfreiheit und der Ausbildungsvergütungen im Rahmen der berufsfachschulischen Ausbildung. Diese bringen die primärqualifizierenden therapeutischen Studiengänge in eine möglicherweise existenzbedrohende Schieflage, da sie hinsichtlich der finanziellen Anreize nicht mehr mit den berufsfachschulischen Ausbildungen konkurrieren können.

Worin liegen Ihrer Meinung nach die Gründe, warum es zu einer erneuten Verlängerung gekommen ist?

Das ist im Einzelnen schwer zu sagen. Es heißt, die Zeit sei zu kurz, um die Reform der Berufsgesetze noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Deshalb sei es nötig, die Modellklausel zu verlängern, ansonsten gäbe es keine gesetzliche Grundlage mehr für die Weiterführung der Modellstudiengänge. Aber ein Blick auf das aktuelle Gesetzgebungsverfahren zum Infektionsschutz zeigt doch: Wenn der politische Wille vorhanden ist, dann kann ein Gesetz auch ganz schnell verabschiedet werden. Die letzte Reform der Berufsgesetze liegt – trotz anhaltender Proteste und vorliegender Reformvorschläge – fast ein halbes Jahrhundert zurück. Es liegt doch alles vor: positive Studiengangsevaluationen, eine Transformationsstrategie und die Willensbekundung aller berufs- und wissenschaftspolitischen Akteure, sogar die der Lehrerverbände der Berufsfachschulen.

Welche Vorgehensweise schlägt der HVG vor, um eine zukunftsweisende Ausbildungslandschaft für Heilmittelerbringer zu ermöglichen?

Die Ausbildung der Therapieberufe – übrigens nicht nur für den ambulanten Sektor, sondern auch für die stationäre Rehabilitation – muss vollständig an die Hochschulen verlagert werden. Dabei sollte eine dem bisherigen Umfang entsprechende praktische Ausbildung in Verantwortung der Hochschulen erfolgen, und es müssen die Wissenschaftsentwicklung, Theoriebildung und Forschung der Therapieberufe ermöglicht werden. Dazu werden Studiengänge wie die primärqualifizierenden Modellstudiengänge benötigt. Duale Studiengänge, bei denen die praktische Ausbildung durch Ausbildungsverträge geregelt in der Verantwortung von Krankenhäusern liegt, können dies weniger gut leisten.

In einer Übergangszeit sollten Hochschulen und Berufsfachschulen miteinander in hochschulischen Studiengängen kooperieren, damit man das Personal und das Know-how der Berufsfachschulen an die Hochschulen transferieren kann. Und nicht zuletzt sollte man sicherstellen, dass man bereits ausgebildeten Therapeuten verkürzte Möglichkeiten zur wissenschaftlichen Nachqualifikation anbietet.

Die Fragen stellte Julia Mischner.

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Prof. Dr. habil. Bernhard Borgetto von der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) setzt sich für eine ausschließlich hochschulische Ausbildung ein. Abb.: HAWK [rerif]

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Article published online:
04 January 2021

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Prof. Dr. habil. Bernhard Borgetto von der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) setzt sich für eine ausschließlich hochschulische Ausbildung ein. Abb.: HAWK [rerif]