Schlüsselwörter
Hypoglossus-Stimulation - Obstruktive Schlafapnoe - Neurostimulation - CPAP-Versagen - Schlafendoskopie
Key words
hypoglossal nerve stimulation - obstructive sleep apnea - neurostimulation - CPAP failure - sleep endoscopy
Einleitung
Die Stimulation des Nervus hypoglossus (HNS) zur Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) hat seit der ersten Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Schlafmedizin der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO) und ihrer Taskforce Neurostimulation [1] einen festen Stellenwert erhalten. In den vergangenen Jahren hat sich die Datenlage zu diesem Verfahren verfestigt, und es können solidere Aussagen zu Patientenselektion, Implantationstechnik, Versorgungspfaden, Langzeiterfahrungen und besonderen Therapieaspekten und Patientenkohorten getroffen werden. Mit diesem Positionspapier, das von der AG Schlafmedizin der DGHNO und der AG Apnoe sowie der AG Chirurgische Therapieverfahren der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und -medizin (DGSM) und am 27.11.2020 dem Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. und dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e. V. freigegeben wurde, soll die weitere Implementierung dieses Therapieverfahrens in die deutsche Versorgung definiert werden.
Zielsetzung
Ziele des Positionspapiers sind
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die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen interdisziplinären Versorgung unabhängig von Wohnort oder sozioökonomischer Situation,
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die Sicherung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der interdisziplinären Versorgung mit der Hypoglossusnerv-Stimulation,
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die Umsetzung einer evidenzbasierten Indikationsstellung,
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die Minimierung von Behandlungsrisiken und unerwünschten Behandlungsfolgen sowie
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die Vermeidung von OSA-assoziierten Komplikationen und Komorbiditäten sowie die Verbesserung der Lebensqualität bei Patienten mit PAP-Non-Adhärenz.
Verfügbare Stimulationsverfahren
Verfügbare Stimulationsverfahren
Aktuell stehen in Deutschland 3 Stimulationssysteme für die Behandlung von Patienten mit OSA zur Verfügung. Für eine detailliertere Beschreibung der technologischen Grundlagen sei auf Übersichten verwiesen [2]
[3].
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) führt in seinen am 05.03.2020 beschlossenen tragenden Gründen aus: „Weder bezüglich des Wirkprinzips (2.4.1.2) noch des Anwendungsgebiets (2.4.1.3) konnte ein wesentlicher Unterschied der gegenständlichen Methode gegenüber einer in der stationären Versorgung bereits eingeführten systematischen Herangehensweise festgestellt werden, sodass die Methode (hier der Fa. Nyxoah – Anmerkung der Autoren) im Ergebnis dieser Prüfung kein neues theoretisch-wissenschaftliches Konzept aufweist.“ [4].
Atmungsgesteuerte selektive Stimulationstherapie des Nervus hypoglossus (Fa. Inspire Medical Systems)
Bei der atmungsgesteuerten Stimulation wird über einen interkostalen Drucksensor das Atmungssignal detektiert und an den Impulsgenerator weitergeleitet. Dieser gibt daraufhin unter Berücksichtigung des Atmungszyklus bei Inspiration einen Impuls an die distalen protrahierenden Fasern des Nervus hypoglossus ab, wodurch ein Verschluss des Atemwegs verhindert werden soll. Das System erhielt im Oktober 2010 die CE-Kennzeichnung und wurde im April 2014 von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA sowie im Juni 2018 von der japanischen Aufsichtsbehörde PMDA zugelassen.
Aus vorangegangenen Untersuchungen [5] ergab sich, dass ein vollständiger konzentrischer Kollaps auf Weichgaumenebene in der medikamenteninduzierten Schlafendoskopie (MISE) mit einem wesentlich höheren Nichtansprechen einherging. Da ein solcher komplett konzentrischer Weichgaumenkollaps in 20–25 % der Schlafapnoe-Patienten mit CPAP-Unverträglichkeit auftritt [6]
[7], muss dieses Muster explizit präoperativ mittels MISE ausgeschlossen werden. Daten aus einer Studie mit einem anschließenden randomisierten Therapieentzug [7] zeigten ein gutes Therapieansprechen im Falle eines BMI < 32 kg/m2 und eines AHI zwischen 20 und 50/h. Ergebnisse von multizentrischen internationalen Kohorten- und Registerstudien, also nichtrandomisierten Studien, zeigen jedoch, dass die Indikationskriterien weiter gefasst werden müssen (AHI zwischen 15 und 65/h, BMI bis 35 kg/m²), ohne dass die Erfolgsraten sich verringern und die Nutzung hoch ist [8]
[9]
[10]
[11]. In Analysen der Registerstudie ADHERE wird die Rate von Komplikationen bzw. unerwünschten Ereignissen mit 2 bzw. 6 % angegeben [9]. Weitere Untersuchungen an Patienten mit einem BMI zwischen 32 und 35 kg/m² zeigten ein genauso gutes Ansprechen auf die Therapie wie unter 32 kg/m² [12].
Bei Implantation wird zur Positionsoptimierung der Stimulationssonde mittels Neuromonitoring der Anteil des N. hypoglossus identifiziert, der für die Protrusion der Zunge und für die Mundbodenaktivierung relevant ist [13]
[14]
[15]. Vier Wochen nach der Implantation wird die Stimulation erstmals im Wachzustand aktiviert, damit der Patient sich daran gewöhnen kann. Acht Wochen nach der Implantation wird polysomnografisch die Feinjustierung der Stimulation im Schlaflabor vorgenommen, sodass eine maximale Reduktion der Atmungsstörungen erreicht wird. Ab diesem Zeitpunkt sollten jährliche klinische und polygrafische Kontrollen erfolgen. Bei Bedarf ist eine neue individuelle Anpassung der Stimulation unter polysomnografischen Bedingungen notwendig. Der Impulsgenerator enthält eine Lithium-Primärzelle, welche nach etwa 10 Jahren erschöpft ist und dann ausgetauscht werden muss.
Kontinuierliche Stimulationstherapie des Nervus hypoglossus (Fa. LivaNova, früher ImThera Medical)
Bei der kontinuierlichen Stimulation wird auf die Respirationsdetektion verzichtet. Die Stimulationssonde besitzt vielmehr 6 ringförmig angeordnete Kontakte, welche jeweils einzelne Faseranteile des gesamten N. hypoglossus abwechselnd stimulieren sollen. Sie wird daher am Hauptstamm des N. hypoglossus angebracht. Der Impulsgenerator wird unterhalb des Schlüsselbeins implantiert. Nach 4–6 Wochen erfolgt die polysomnografische kontrollierte Einstellung des Systems. Dabei soll durch die Auswahl der den Atemweg am besten stabilisierenden Kontakte und deren alternierende Aktivierung mit der notwendigen Impulsstärke über eine Tonisierung des oberen Luftwegs eine Normalisierung der nächtlichen Atmung erreicht werden. Der Impulsgenerator enthält einen Akkumulator, welcher regelmäßig aufgeladen werden muss. Die Lebensdauer des Impulsgenerators wird durch den Hersteller mit 15 Jahren angegeben. Im Gegensatz zum atmungsgesteuerten Stimulationssystem ist eine Schlafendoskopie zur Indikationsstellung nicht notwendig [16]
[17]. Das ImThera-Medical-aura6000-System erhielt im März 2012 die CE-Kennzeichnung. Eine FDA-Zulassungsstudie („THN3“) wird aktuell durchgeführt.
Bilaterale, kontinuierliche Hypoglossusnerv-Neurostimulation (Fa. Nyxoah S. A.)
Im Unterschied zu den beiden vorab beschriebenen Verfahren handelt es sich beim Nyxoah-Genio-SystemTM um einen teilimplantierbaren Neurostimulator, bei dem die Stimulationselektroden in Form von Klappkontakten bilateral auf den Hypoglossusnerven platziert werden [18]. Durch eine distale Positionierung auf den Endästen der Nerven wird eine Protrusion der Zunge und damit eine Öffnung des Atemwegs erreicht werden, ähnlich der selektiven Stimulation. Eine Einheit zur Steuerung und Energieabgabe wird extern über ein Pflaster jeweils vor dem Zubettgehen angebracht. Die Energieabgabe erfolgt dann transkutan an die implantierte Stimulationselektrode. Die Stimulation erfolgt phasisch und asynchron und wird ebenfalls unter polysomnografischer Kontrolle nach erfolgter Einheilung individuell eingestellt. Die externe Steuereinheit („Aktivierungschip“) wird täglich über eine USB-Ladestation aufgeladen. Vor der Behandlung muss ein vollständiger konzentrischer Kollaps auf Weichgaumenebene mittels MISE ausgeschlossen werden. Das Nyxoah-Genio-System erhielt im März 2019 die CE-Kennzeichnung. Aktuell läuft eine FDA-Zulassungsstudie („DREAM“-Study) an 22 Zentren.
Evidenzlage
Hinsichtlich der klinischen Evidenz zur Hypoglossusnerv-Stimulation sollte aufgrund unterschiedlicher Verfahrensweisen der verschiedenen Stimulationssysteme sowie unterschiedlicher technischer Reife eine differenzierte Betrachtung erfolgen.
So liegen für die atmungsgesteuerte Hypoglossusnerv-Stimulation über 100 Veröffentlichungen aus einem Nachsorgezeitraum von bis zu 60 Monaten vor. Basis der Marktzulassungen waren Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit der HNS, die in den Jahren 2010–2013 in Europa und den USA durchgeführt wurden. Als Studie mit dem höchsten Evidenzgrad ist die STAR-Studie zu nennen, die als kontrollierte Untersuchung die Sicherheit und Wirksamkeit in einer selektierten Population von 126 Patienten mit mittel- bis schwergradiger OSA über einen Nachsorgezeitraum von 5 Jahren evaluierte [7]
[19]
[20]
[21]. Bei dieser Studie handelt es sich um eine Kohortenstudie mit randomisiertem Therapieentzug von selektierten Kohorten-Studienteilnehmern. Aktuell sind die Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Therapieentzugsstudie mit 89 Probanden (EFFECT) in der Begutachtung, bei der im untertherapeutischen Stimulationsbereich ein Wiederauftreten der Tagesschläfrigkeit und des Schweregrads im AHI aufgezeigt wird [22]. In weiteren Kohortenstudien konnten zudem die Sicherheit und Wirksamkeit des Verfahrens in der Routineversorgung bestätigt werden [8]
[23]
[24]
[25], wobei sich die Ergebnisse in den 2- und 3-Jahres-Kontrollen stabil zeigten [24]. Für das deutsche Versorgungssystem liegen zudem monozentrische 4-Jahres-Daten vor [25]. Die Anwendung der Stimulationstherapie kann bei Respondern zu einer Normalisierung der schlafbezogenen Lebensqualität führen, und die Patientenzufriedenheit bei Versorgung mit atmungsgesteuerter Stimulation ist als hoch anzusehen [26]
[27]. Patientenalter und Voroperationen am oberen Atemweg beeinflussen die Wirksamkeit des Verfahrens nicht [28]
[29]. In ersten retrospektiven Vergleichsstudien zeigte sich eine deutliche Überlegenheit der atmungsgesteuerten Stimulation gegenüber chirurgischen Interventionen am oberen Atemweg [30]
[31]
[32]. In ersten Untersuchungen konnten zudem weitergehende Effekte auf den Glukosemetabolismus und die Herzfrequenzvariabilität nachgewiesen werden [33]
[34]. Mit einer prospektiven Vergleichsstudie im Sinne eines Wartearm-Designs konnte im direkten Vergleich von grundsätzlich qualifizierten Implantationskandidaten ein klarer Therapieeffekt gegenüber Nichtbehandlung gezeigt werden [11].
Für die kontinuierliche Hypoglossusnerv-Stimulation mit dem ImThera-System liegen erste Ergebnisse aus prospektiven Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit vor, die eine Reduktion des OSA-Schweregrads dokumentieren [16]
[35]. Ende 2020 werden die Ergebnisse einer aktuell in Europa und den USA durchgeführten randomisiert-kontrollierten Studie mit 135 Patienten (THN3) erwartet.
Das Nyxoah-Genio-System wurde bisher in 2 kleineren Fallserien im Rahmen der Produktentwicklung untersucht. Ergebnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit aus einer Machbarkeitsstudie an 27 Patienten mit einer Nachverfolgung von 6 Monaten wurden Ende 2019 veröffentlicht, die das vorhandene Potenzial des Verfahrens zeigen konnten [18].
Indikationsstellung
Beurteilung PAP-Non-Adhärenz
Entscheidend für ein gutes Therapieansprechen ist bei der Hypoglossusnerv-Stimulation eine genaue Evaluation der Kandidaten. Aktuell wird die Behandlung regelhaft als Zweitlinientherapie nach einer Überdruckbeatmung (Positive Airway Pressure, PAP) durchgeführt. Daher sind neben einer Evaluation auf Eignung für die Stimulationstherapie auch die Gründe der Non-Adhärenz der Erstlinientherapie PAP im Screening darzulegen. Bei Vorliegen von Kontraindikationen zur PAP-Therapie müssen diese vor dem Einsatz der Stimulationstherapie ebenfalls entsprechend dokumentiert werden [36]. Sinnvollerweise erfolgt neben der Erörterung der Optimierungsmaßnahmen auch die generelle Abwägung von anderen Behandlungsmaßnahmen.
Interdisziplinärer Entscheidungsprozess unter Verantwortung der implantierenden Klinik
Die Versorgung mit der Hypoglossusnerv-Stimulation erfolgt in der Regel in interdisziplinären Behandlungsteams, bestehend aus HNO-Heilkunde und Schlafmedizin. Für eine gute Patientenversorgung mit entsprechendem Therapieansprechen und hoher Nutzung sind ein standardisierter Behandlungsablauf und eine gute Kommunikation der verschiedenen Beteiligten unabdingbar. Somit müssen gewisse Anforderungen an Behandlungszentren gestellt werden (s. Punkt 6, [Tab. 1]).
Tab. 1
Strukturelle Anforderungen an ein Behandlungszentrum.
chirurgisches Team, erfahren in Kopf- und Halschirurgie und 24h-Bereitschaft
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schlafmedizinisches Team, erfahren in der Versorgung von Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe
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Erfahrung in der endoskopischen Beurteilung von anatomischen Auffälligkeiten des oberen Atemwegs (insbesondere Nasopharynx, Velopharynx, Oropharynx inkl. Tonsillen, Zungenbasis, Hypopharynx und Epiglottis)
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Kenntnisse in der Auswertung und Interpretation schlafmedizinischer Diagnostik; Möglichkeit zur Durchführung von Polygrafien oder Polysomnografien, ggf. in Kooperation im multidisziplinären Team
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Kenntnisse in der Durchführung der medikamenteninduzierten Schlafvideoendoskopie und der Interpretation der Befunde hinsichtlich Eignung für die Hypoglossusnerv-Stimulation
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Durchführung der Implantation mithilfe einer optischen Vergrößerung sowie intraoperativem Neuromonitoring nach Training und Zertifizierung durch die Herstellerfirmen
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Gewährleistung einer adäquaten postoperativen Überwachung bei erhöhtem postoperativem Risiko bei Patienten mit mittel- bis schwergradiger OSA, niederschwelliger Zugriff auf eine Intermediate Care Unit und/oder Intensivstation
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Aktivierung und Titration der Patienten mit qualifizierten technischen Assistenten
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Vorhalten von Ressourcen für die langfristige Nachbetreuung der Patienten, die mit einem Stimulationssystem versorgt wurden, ggf. in Kooperation mit zuweisenden Schlaflaboren und niedergelassenen Ärzten
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Erfahrung in der Durchführung der transnasalen Endoskopie zur postoperativen Optimierung der Stimulation
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zeitnahe Erreichbarkeit für implantierte Patienten
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Leitung des Implantationszentrums idealerweise durch einen HNO-ärztlichen Kopf-Hals-Chirurgen mit schlafmedizinischer Expertise (BUB-Kurs, Zusatzbezeichnung Schlafmedizin und/oder Qualifikationsnachweis Somnologie DGSM)
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Idealerweise finden Vorgespräch, Schlafendoskopie, Implantation und Therapieeinstellung sowie Kontrollen in einer HNO-Klinik mit schlafmedizinischer Expertise oder innerhalb eines schlafmedizinischen Zentrums unter Führung des implantierenden Arztes statt. Eine Behandlung kann darüber hinaus auch in standortübergreifenden Teams durchgeführt werden, wenn Verantwortlichkeiten und Kommunikation vorher definiert wurden und regelmäßig gemeinsame Besprechungen der Patienten stattfinden. In jedem Fall hat die implantierende Klinik eine zentrale Rolle und Verantwortung bei der Patientenidentifikation und Therapieeinstellung und sollte somit in der Lage sein, schlafmedizinische Befunde und die Dokumentation der PAP-Non-Adhärenz interpretieren zu können.
Die medikamenteninduzierte Schlafendoskopie spielt eine zentrale Rolle in der Evaluation der Eignung spezieller Therapiealternativen, insbesondere in Bezug auf die atmungsgesteuerte Neurostimulation [5]
[6]. Dabei kann die Eignung eines Patienten zur Hypoglossusnerv-Stimulation überprüft werden sowie generelle Behandlungsalternativen bei PAP-Non-Adhärenz oder PAP-Non-Compliance beleuchtet werden [36]. Entsprechend muss innerhalb des Behandlungsteams entsprechende Expertise in der Durchführung und Beurteilung der Schlafendoskopie vorhanden sein. Zur Infrastruktur und Technik der Durchführung der Schlafendoskopie soll an dieser Stelle auf die einschlägige Literatur verwiesen werden [37]
[38].
Bei externen Zuweisungen sind Standards für die Durchführung der präoperativen Diagnostik zu vereinbaren und deren Einhaltung regelmäßig zu kontrollieren. Wird die Therapieeinstellung nicht durch das implantierende Zentrum durchgeführt, so sind die entsprechenden Kontrollen verantwortungsvoll zu übertragen, um auch ggf. bei technischen Problemen frühzeitig zu intervenieren. Daher steht die implantierende Klinik im Mittelpunkt der Therapieverantwortung und ist bei Therapieproblemen Hauptansprechpartner. Ergebnisse der Behandlung sollen in den regelmäßigen gemeinsamen Besprechungen evaluiert und diskutiert werden.
Die Patientenaufklärung sollte anhand zertifizierter Aufklärungsbögen erfolgen und muss durch einen Arzt der die Implantation durchführenden Fachabteilung erfolgen.
Leitlinie
Zur Hypoglossusnerv-Stimulation zur Behandlung der OSA liegt die aktuelle Leitlinienempfehlung der Fachgesellschaft DGSM e. V. aus dem Jahr 2020 vor.
S3-Leitlinie „Nicht-erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ – Teilaktualisierung Kapitel „Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Erwachsenen“
Basierend auf der zum Zeitpunkt der Leitlinienerstellung verfügbaren Literatur, primär zur atmungsgesteuerten Stimulationstherapie, empfiehlt die S3-Leitlinie, dass Neurostimulationsverfahren bei Patienten mit CPAP-Unverträglichkeit bzw. -ineffektivität mit einem AHI 15–65/h und einem BMI bis 35 kg/m2 sowie bei fehlenden anatomischen Auffälligkeiten und mittel- bis schwergradiger OSA erwogen werden sollten (Evidenzlevel 1b, Empfehlungsgrad B, einstimmiger starker Konsensus) [39].
Klinische Praxis
Die Hypoglossusnerv-Stimulation wird aktuell in Deutschland in ca. 35 Schwerpunktkliniken mit entsprechender Infrastruktur und Zertifizierung durch die Herstellerfirmen durchgeführt.
In der Routineversorgung erfolgt die Behandlung mit der Hypoglossusnerv-Stimulation bei Patienten mit OSA in der Regel gemäß den folgenden Kriterien:
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Apnoe-Hypopnoe-Index 15–65/h
-
Body-Mass-Index ≤ 35 kg/m2
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Anteil zentraler Apnoen am Gesamt-AHI ≤ 25 %
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Ausschluss konzentrischer Kollaps auf Höhe des Weichgaumens mittels medikamenteninduzierten Schlafendoskopie bei Verwendung der atmungsgesteuerten und bilateralen Hypoglossusnerv-Stimulation
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PAP-Non-Adhärenz, Non-Compliance gemäß Punkt 4
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Nichtvorliegen von neuromuskulären Erkrankungen
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Vorliegen entsprechender Patientenmotivation
Anforderungen an Behandlungszentren
Anforderungen an Behandlungszentren
Die Behandlung mittels Hypoglossusnerv-Stimulation soll in Schwerpunktzentren mit schlafmedizinischer Expertise und entsprechender Infrastruktur erfolgen. Versorgungspfad und Verantwortlichkeiten sollen bei Initiierung des Behandlungsprogramms definiert und regelmäßig auf Effektivität überprüft werden.
Strukturelle Anforderungen zur Durchführung der Behandlung
Die folgenden strukturellen Anforderungen sollen von den Zentren erfüllt werden. Sie dienen der Sicherstellung einer hohen Prozess- und Ergebnisqualität und der Minimierung von Behandlungskomplikationen ([Tab. 1]).
Nachsorge bereits implantierter Patienten
Von besonderer Bedeutung ist die Sicherstellung einer langfristigen Versorgung der Patienten mit einem Hypoglossusnerv-Stimulationssystem. Die Nachsorge kann prinzipiell sowohl in der implantierenden Klinik als auch im Schlaflabor sowie ggf. bei niedergelassenen Fachärzten mit entsprechender schlafmedizinischer Qualifikation durchgeführt werden. Das Behandlungszentrum, in dem die Implantation durchgeführt wird, muss eine zeitnahe Erreichbarkeit im Falle von technischen Komplikationen sicherstellen. Es wird empfohlen, eine regelmäßige Sprechstunde zur Betreuung von Patienten mit implantiertem Hypoglossusnerv-Stimulationssystem einzurichten. Bei Nachbetreuung außerhalb des Zentrums muss dieses durchgehend über den weiteren Verlauf zwecks Qualitätssicherung informiert werden (siehe 6.).
Qualitätssicherung und Versorgungsforschung
Qualitätssicherung und Versorgungsforschung
Zur Sicherstellung einer hohen Behandlungsqualität sollen Zentren, die Behandlungen mit der Hypoglossusnerv-Stimulation durchführen, Therapieeffekte konsequent dokumentieren und regelmäßig auswerten ([Tab. 2]). Hierzu sind neben Post-Market-Studien der Herstellerfirmen auch unabhängige Analysen gefordert, die von den Behandlungszentren unter Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben erhoben werden. Als minimale Variablen sollten Patienten-, Effekt- und Nutzungsaspekte dokumentiert werden.
Tab. 2
Empfohlene Variablen zu Patienten-, Effekt- und Nutzungsaspekten in der Nachsorge.
Variable
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Präimplantation
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Implantation
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Posttitration
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12-Monats-Kontrolle
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anthropometrische Daten (Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht)
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X
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|
X
|
X
|
Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI)
|
X
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|
X
|
X
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Oxygen-Desaturation-Index (ODI 4 %)
|
X
|
|
X
|
X
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Epworth-Sleepiness-Scale (ESS)
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X
|
|
X
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X
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Nebenwirkungen und Komplikationen
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X
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X
|
X
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Therapieadhärenz (Nutzungsstunden pro Nacht)
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X
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X
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Die HNS zur Behandlung der OSA besitzt als Zweitlinientherapie nach PAP-Versagen einen mittlerweile gut charakterisierten und durch Leitlinien gefestigten Stellenwert. Zu beachten ist, dass die vorhandenen 3 Systeme sich in der technischen Ausgestaltung des ähnlichen Grundprinzips, Indikationsstellung und vor allem Evidenz teilweise deutlich unterscheiden. Mit der implantierenden Klinik in der Hauptverantwortung kann dieses Verfahren sehr gut interdisziplinär eingesetzt und nachgesorgt werden, wobei Qualitätsanforderungen im gesamten Betreuungsprozess zu fordern sind.