Pneumologie 2021; 75(03): 174-176
DOI: 10.1055/a-1329-3383
Pneumo-Fokus

Einfluss viraler Atemwegsinfektionen auf Tuberkulose und Lunge

Ong CWM. et al.
Epidemic and pandemic viral infections: impact on tuberculosis and the lung: A consensus by the World Association for Infectious Diseases and Immunological Disorders (WAidid), Global Tuberculosis Network (GTN), and members of the European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases Study Group for Mycobacterial Infections (ESGMYC).

Eur Respir J 2020;
56: 2001727
 

Die Tuberkulose (TB) ist immer noch eine der häufigsten tödlich verlaufenden Infektionskrankheiten. Die Syndemie von TB und Infektionen mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) ist relativ gut untersucht, kaum dagegen Interaktionen von TB und viralen Atemwegsinfektions-Epidemien und -Pandemien. Eine konsensusbasierte Publikation diskutierte den Kenntnisstand bezüglich Diagnose, Therapie und Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens.


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Im Zentrum der Übersichtsarbeit und 18 Konsensusstatements standen virale Infektionskrankheiten, die vorrangig die Lunge betreffen und eine systemische Immunsuppression hervorrufen: SARS (severe acute respiratory syndrome), MERS (Middle East respiratory syndrome), HIV, Influenza A(H1N1)pdm/09 und COVID-19. Basis der Statements von Catherine Wei Min Ong von der Nationalen Universität von Singapore und Kollegen war eine umfangreiche Literaturrecherche und Auswertung, deren ausführliche Ergebnisse neben den Statements in dem umfangreichen, frei verfügbaren Übersichtsbeitrag dargestellt sind.

18 Konsensusstatements

Ganz allgemein stellten die Experten fest:

  1. Große Tröpfchen erhöhen das Risiko für virale Atemwegsinfektionen durch eine direkte Übertragung.

  2. Virale Atemwegsinfektionen treten häufiger bei älteren Patienten (mit und ohne Komorbiditäten) und bei Kindern auf.

  3. Ältere Patienten entwickeln mit höherer Wahrscheinlichkeit ein akutes Atemnotsyndrom (acute respiratory distress syndrome, ARDS) als jüngere, und es gibt ein altersabhängiges Sterberisiko.

  4. Antikörper können Atemwegsviren neutralisieren und in der Folge das Risiko für wiederkehrende Infektionen verringern.

COVID-19-spezifische Aspekte umfassen die folgenden konsentierten Statements:

  1. Die Impfung mit Bacille Calmette-Guérin könnte einen Schutz gegen COVID-19 ermöglichen. Dies muss in randomisiert-kontrollierten Studien belegt werden.

  2. Eine schwere COVID-19-Erkrankung ist mit einer raschen Virusreplikation, einer massiven Zellinfiltration der Lunge und einer erhöhten proinflammatorischen Zytokin/Chemokin-Antwort assoziiert.

  3. Eine hohe initiale SARS-CoV-2-Last in den Atemwegen, ein Alter über 65 Jahren und Komorbiditäten der Infizierten sind mit einem ungünstigeren Verlauf von COVID-19 assoziiert. Entsprechend sollte Patienten mit diesen Risikofaktoren besondere Beachtung geschenkt werden.

  4. Auf ein besonders hohes Risiko für eine Intensivpflichtigkeit weisen folgende Parameter hin: Kombination von CT-Befunden (Milchglastrübung und Konsolidierungen), klinische Atmungsparameter (SpO2 und PaO2/FIO2) und Bluttests (C-reaktives Protein, Lymphozytenzahlen, Fibrinogen, D-Dimere, Interleukin-6).

Interaktionen von Infektionen haben die folgenden Statements zum Thema:

  1. Bei HIV-Infizierten ist die CD4-T-Zellzahl wesentlich für die Bestimmung der Ätiologie der Lungeninfektion.

  2. Eine durch eine TB induzierte zeitweise Immunsuppression kann die Anfälligkeit für Influenzaviren erhöhen.

  3. TB-Patienten weisen im Zusammenhang mit Influenza-Infektionen eine Exzess-Mortalität auf.

Die weiteren Statements beziehen sich wieder auf das Management der COVID-19-Erkrankung und die Infektionskontrolle auf Populationsebene:

  1. Chloroquin und Hydroxychloroquin haben das Potenzial, die Erfolgsrate der COVID-19-Therapie zu verbessern, was in randomisiert-kontrollierten Studien untersucht werden muss.

  2. Öffentliche und soziale Distanzmaßnahmen reduzieren das Risiko für eine SARS-CoV-2-Übertragung.

  3. Die geeignete Nutzung von Gesichtsmasken durch symptomatische Patienten und ihre Kontaktpersonen (chirurgische Masken für die Allgemeinbevölkerung, N95 für im Gesundheitswesen Tätige, wenn bei Aktivitäten Aerosole freigesetzt werden) reduzieren das SARS-Cov-2-Infektionsrisiko durch die Minimierung der Verbreitung von Infektionskernen in Tröpfchen von isolierten symptomatischen Patienten.

  4. SARS-CoV-2 bleibt in der Umwelt auf verschiedenen Oberflächen über Tage hinweg infektiös.

  5. Soziale Schutzmaßnahmen und spezifische nationale Notfallpläne können die durch Epidemien und Pandemien von viralen Atemwegsinfektionen entstehenden Belastungen des Gesundheitswesens und der Sozioökonomie reduzieren.

  6. Stigmatisierung und soziale Diskriminierung betreffen alle Gruppen von Virusinfizierten, aber ganz besonders Minderheiten.

  7. Eine späte Einführung eines nationalen Lockdowns kann alleine effektiv sein, um die Last von COVID-19 zu verringern, kann aber ernstzunehmende Einflüsse auf Gesellschaft und Ökonomie haben.

Fazit

Das Konsensuspapier stellt umfassend den aktuellen Kenntnisstand dar, der sich allerdings rasch weiter entwickelt. Die Autoren verweisen auch auf die Konsequenzen der COVID-19-Krise: Die dadurch zu erwartende ökonomische Krise wird die Möglichkeiten für das öffentliche Gesundheitswesen limitieren, und es sind neue Strategien im Gesundheitswesen zu diskutieren. In Ländern mit begrenzten Ressourcen drohen Unterernährung und eine Zunahme mangelernährungs-assoziierter Erkrankungen wie der TB.

Friederike Klein, München


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Publication History

Article published online:
16 March 2021

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