Pneumologie 2021; 75(02): 81-83
DOI: 10.1055/a-1339-8893
Referiert – kommentiert

SARS-CoV-2 beim US-amerikanischen Militär und Erkenntnisse hieraus für die Zivilgesellschaft

Letizia AG, Ramos I, Obla A. et al.
SARS-CoV-2 Transmission among Marine Recruits during Quarantine.

N Engl J Med 2020;
383: 2407-2416
Kasper MR. et al.
An Outbreak of Covid-19 on an Aircraft Carrier.

N Engl J Med 2020;
383: 2417-2426
 

Ende 2020 wurden Studien zur Übertragung von SARS-CoV-2 während der Quarantäne von Rekruten vor dem militärischen Einsatz und zu einem SARS-CoV-2-Infektionsausbruch bei den Besatzungsmitgliedern des Theodor-Roosevelt-Flugzeugträgers veröffentlicht. Einige hier gewonnene Erkenntnisse lassen sich auf die Zivilgesellschaft übertragen.


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SARS-CoV-2-Transmission bei Rekruten während der Quarantäne

Grundsätzlich befinden sich die Rekruten der US-Marine zur SARS-CoV-2-Infektionsprävention i. S. einer Kontaktblase zunächst in einer häuslichen 2-wöchigen Quarantäne, an die sich im Ausbildungs-Campus eine weitere 2-wöchige Quarantäne unter Supervision anschließt. Die Mannschaftseinheiten (sog. „Züge“) bestehen hierbei aus 50 – 60 Rekruten.

Die „COVID-19 Health Action Response for Marines“ (CHARM) genannte Studie von Letizia et al. wurde im Bereich der Marine (Marine Corps Recruit Depot, Parris Island, South Carolina) durchgeführt. Die Teilnahme der Rekruten am eigentlichen Studienarm war freiwillig. Bei allen Studienteilnehmern wurden PCR (Polymerase Chain Reaktion)-Testungen zu Beginn (Tag 0), am 7. und 14. Tag während der überwachten Quarantäne durchgeführt. Bei positiver PCR folgten eine SARS-CoV-2-Sequenzierung und eine phylogenetische Analyse des Virus-Genoms, um mögliche Virusübertragungswege der Infizierten nachzuweisen.

Bei den Rekruten, die nicht an der Studie teilnahmen, erfolgte die PCR-Testung ausschließlich am Ende der 2-wöchigen überwachten Quarantäne (falls sie vorher keine Symptome entwickelten).

Alle Rekruten hatten während der überwachten Quarantäne präventive Maßnahmen in Form von Tragen einer doppellagigen Textilmaske, Einhalten der sozialen Distanz von mindestens 1,8 m und konsequenter Händedesinfektion zu beachten. Sie wohnten in Doppelzimmern, in denen sich Waschbecken befanden. Es waren Gemeinschaftsduschen vorhanden. In den gemeinsam benutzten Räumen, wie z. B. der Kantine, war eine durch Pfeile gekennzeichnete unidirektionale Bewegungsrichtung vorgegeben.

Täglich wurden Symptome anhand von Checklisten abgefragt und die Körpertemperatur gemessen. Auffälligkeiten waren umgehend dem Sanitätsbereich zu melden.

In den Studienarm wurden 1848 Rekruten eingeschlossen, und 1554 Rekruten befanden sich in der Vergleichsgruppe. Nach der Quarantäne zuhause wurden in der Studiengruppe zu Beginn der 2. Quarantänephase 16 Rekruten (0,9 %) PCR-positiv auf SARS-CoV-2 getestet, wobei 15 von ihnen asymptomatisch waren. Im weiteren Verlauf wurden 24 weitere Personen (1,3 %) am 7. Tag und 11 Personen (0,6 %) am 14. Tag PCR-positiv getestet. Lediglich 5 der insgesamt 51 Studienteilnehmer mit positiver PCR waren symptomatisch (d. h. 9,8 %). Auf der Basis der Quantifizierung des PCR-Testergebnisses war die Viruslast bei den symptomatischen vierfach höher als bei den asymptomatischen Infizierten.

Von den 1554 Rekruten der Vergleichsgruppe hatten am Ende der überwachten Quarantänephase 26 Personen (1,7 %) ein positives PCR-Testergebnis.

Damit waren in der Gesamtpopulation beider Gruppen 77 Rekruten PCR-positiv. Hiervon hatten 24 (31,2 %) einen ebenfalls infizierten Zimmernachbarn.

Bei 32 der 51 infizierten Studienteilnehmer gelang die komplette Sequenzierung und phylogenetische Analyse des viralen Genoms. In der molekulkarbiologischen Analyse der Genome fanden sich 6 unabhängige Übertragungscluster, wobei bevorzugt 2 Cluster (Cluster 2 und 5) in 2 Mannschaftseinheiten (Zug „F“ und „E“) auftraten. Es ließ sich zeigen, dass die Infektion während der überwachten Quarantäne bevorzugt bei Rekruten derselben Einheit mit gemeinsamer räumlicher Unterbringung erfolgte.


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SARS-CoV-2-Infektionsausbruch bei den Besatzungsmitgliedern eines Flugzeugträgers

Kasper et al. analysieren den SARS-CoV-2-Ausbruch im Frühjahr 2020 auf dem Flugzeugträger „Theodor Roosevelt“ mit einer Besatzung von 4779 vorwiegend jungen Soldaten (78,3 % männlich). Insgesamt 69 % der Besatzungsmitglieder waren jünger als 30 Jahre und kein Besatzungsmitglied war älter als 65 Jahre.

Da die Soldaten auf dem Flugzugträger häufig in beengten Raumverhältnissen (z. B. im Maschinenraum) arbeiten, es beim Sport in der Turnhalle des Schiffes und beim Essen in Kantinen zu Körperkontakt kommt und die meisten Besatzungsmitglieder in eng benachbarten offenen Kojen schlafen, sind sie grundsätzlich einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt.

Alle Soldaten befanden sich vor dem Einsatz auf dem Flugzeugträger in einer 14-tägigen Quarantäne unter häuslichen Bedingungen. Während des Aufenthaltes auf dem Kriegsschiff galten folgende Dienstvorschriften zur Infektionsprophylaxe: Tragen von Masken, soziale Distanz soweit möglich, Arbeit in möglichst kleinen Gruppen, strenge Händehygiene und regelmäßige Reinigung von gemeinsam genutzten Räumlichkeiten.

Nach einer Einsatzdauer des Flugzeugträgers von 13 Tagen stellten sich 3 Besatzungsmitglieder dem medizinischen Dienst wegen unspezifischer Symptome vor. Die daraufhin gestellte Verdachtsdiagnose einer SARS-CoV-2-Infektion wurde jeweils mit PCR bestätigt. Weil die in den folgenden 24 Stunden durchgeführte Kontaktverfolgung ca. 400 enge Kontakte ergab, machte der Flugzeugträger im Hafen der US-Marinebasis Guam (im westpazifischen Ozean) fest. Hier befindet sich ein Basiskrankenhaus mit 42 Betten. Zwischen dem 23. März und dem 18. Mai 2020 wurde mit PCR bei 1271 Soldaten (26,6 % der Besatzung) eine SARS-CoV-2-Infektion nachgewiesen.

Die Soldaten mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion wurden vorwiegend im Basiskrankenhaus isoliert und Kontaktpersonen mit negativem PCR-Test im Bereich der Militärbasis an Land oder in benachbarten Hotels unter Quarantäne gestellt.

Zum Zeitpunkt des SARS-CoV-2-Nachweises waren 77 % der Infizierten beschwerdefrei. Auch im weiteren Verlauf blieben 55 % der Infizierten asymptomatisch. Infizierte mit Symptomen wiesen überwiegend einen milden Krankheitsverlauf auf. Wegen einer stärkeren Symptomatik wurden lediglich 23 Besatzungsmitglieder (1,7 %) im Krankenhaus und 4 Patienten (0,3 %) auf der Intensivstation behandelt; ein Patient starb infolge der Infektion.

Soldaten, die in beengten Räumlichkeiten (z. B. in Reaktor-, Ingenieur-, Versorgungs- und Waffenabteilungen) arbeiteten, waren signifikant häufiger mit SARS-CoV-2 infiziert als die Kollegen, die in Bereichen mit größerem Abstand untereinander (z. B. an Deck) tätig waren. Offiziere infizierten sich seltener als rangniedrigere Soldaten.

Komorbiditäten wie z. B. Asthma bronchiale, chronische Bronchitis, Hypertonie und Lebererkrankungen waren Risikofaktoren für die Hospitalisation.

Bei Krankheitsbeginn waren die vorherrschenden Symptome Husten (32,8 %), Kopfschmerzen (31,0 %), Beeinträchtigung von Geschmack oder Geruch (24,1 %), seltener Dyspnoe (7 %); letztere trat im gesamten Krankheitsverlaufes bei 20,3 % der infizieren Besatzungsmitglieder auf. Bei hospitalisierten Patienten führten die Symptome Husten (68 %), Schmerzen (58 %) und Fieber (32 %).

Kommentar

Mittels molekularbiologischer und virologischer Analyseverfahren wurden in den beiden Studien nicht nur für den militärischen, sondern auch den zivilen Bereich wichtige Erkenntnisse gewonnen. Die konsequente Anwendung von präventiven Maßnahmen, d. h. in erster Linie Einhalten von „social distancing“, und zusätzlich die Durchführung von molekulardiagnostischen Verfahren, ist die wesentliche Voraussetzung, der Pandemie effektiv entgegenzuwirken.


Unter gesundheitspolitischer Sicht lassen sich auf der Basis der Ergebnisse der beiden Studien wissenschaftlich fundierte Empfehlungen zur effektiven Bekämpfung der Pandemie auch für Bereiche des zivilen Lebens ableiten.


Der Studie von Letizia et al. liegt im Wesentlichen die Frage zugrunde, welchen Stellenwert Quarantäne als Maßnahme der SARS-CoV-2-Infektionsprävention zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit militärischer Einheiten vor ihrem Einsatz v. a. in Zeiten der Pandemie hat. Eine zeitlich vorgeschaltete Quarantäne soll zu einem deutlich reduzierten Expositionsrisiko der beim sich anschließenden Einsatz teilnehmenden Personen führen. Auch wenn die besagte vorgeschaltete Quarantäne inzwischen nicht nur beim Militär, sondern auch im zivilen Leben, wie z. B. beim Profi-Mannschaftsport (Basketball oder Fußball) zur Anwendung kommt, ist sie in vielen zivilen Berufssparten und im Freizeitbereich allerdings nicht praktikabel.


Die Studienergebnisse von Letizia et al. zeigen unmissverständlich, dass die PCR als diagnostisches Verfahren zum Nachweis von SARS-CoV-2-Infektionen vor, während und am Ende einer Quarantäne von zentraler Bedeutung ist. Quarantäne ohne begleitendes PCR-Screening stellt keinen verlässlichen Infektionsschutz dar. Weil die Mehrheit der Rekruten mit positivem PCR-Test während der 14-tägigen Quarantäne asymptomatisch blieb, ist auch die alleinige Evaluation von Symptomen zur Diagnose einer SARS-CoV-2-Infektion unzureichend.


Die Studie zeigt darüber hinaus, dass es auch während einer überwachten Quarantäne v. a. bei fehlender sozialer Distanz (d. h. gemeinsame Einheit und gemeinsame räumliche Unterbringung) gehäuft zur SARS-CoV-2-Infektion kommt.


Die Studienergebnisse von Kasper et al. bieten relevante Erkenntnisse bzgl. eines SARS-CoV-2-Massenausbruches bei jungen und gesunden Soldaten im klar definierten Lebensraum des Flugzeugträgers. Die fehlende räumliche Distanz z. B. während der Arbeit, des Essens, der sportlichen Aktivität und des Schlafes, ist der wichtigste Risikofaktor für einen SARS-CoV-2-Massenausbruch. „Social distance“ erweist sich auch in dieser Studie als der entscheidende Faktor bei der Infektionsprävention. V. a. asymptomatische Infizierte tragen entscheidend zur raschen Ausbreitung der Infektion mit SARS-CoV-2 bei.


Diese im Militärbereich gewonnenen Erkenntnisse zur Transmission von SARS-CoV-2 gelten ebenfalls für die Übertragungswege in der Zivilbevölkerung. So finden sich vergleichbare Situationen im zivilen Leben, in denen sich Menschen auf engem Raum begegnen, wie z. B. in Clubs, in Gemeinschaftsschlafsälen, beim Mannschaftssport, in Pflegeeinrichtungen, in der Fleischverarbeitungsindustrie und in Gefängnissen. Ebenfalls hier kommt es zu massenhaften SARS-CoV-2-Infektionen.


Schließlich zeigt die Studie eindrucksvoll, dass die SARS-CoV-2-Infektion bei der Mehrheit junger und gesunder Menschen zu keiner relevanten Erkrankung führt. Bei symptomatischen Patienten ist der Krankheitsverlauf meistens milde.


Vor dem Hintergrund der hier vorgestellten Studien bleiben die Ergebnisse zukünftiger Studien v. a. zur Zeitdauer der natürlichen Immunität und Immunität nach Impfung, zum Stellenwert der patientennahen Antigen-Schnelltests im Vergleich zur PCR und zur Auswirkung der inzwischen aufgetretenen Mutationen von SARS-CoV-2 abzuwarten.

Fazit

Sowohl in Quarantäne als auch im Arbeits- und Freizeitbereich ist unzureichende räumliche und soziale Distanz der entscheidende Risikofaktor für die SARS-CoV-2-Infektion. Bei jungen und gesunden Erwachsenen verläuft die SARS-CoV-2 oft asymptomatisch. In der Diagnostik kommt der PCR eine entscheidende Bedeutung zu. Vor und am Ende einer Quarantäne empfiehlt sich eine PCR durchzuführen, v. a. um asymptomatische SARS-CoV-2-Infektionen zu diagnostizieren.


Autorinnen/Autor

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Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer
Pneumologische Praxis und pneumologischer Konsildienst im Klinikum Agnes Karll Laatzen, Klinikum Region Hannover
bernd.schoenhofer@t-online.de

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Publication History

Article published online:
12 February 2021

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Prof. Dr. med. Bernd Schönhofer
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