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DOI: 10.1055/a-1340-1915
SARS-CoV-2: Übertragung in häuslicher Quarantäne
Viele Menschen in Innenräumen bedeuten ein erhöhtes Risiko für eine Übertragung von SARS-CoV-2 (Abk. für Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2). Eine systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse untersuchte die Evidenz für die SARS-CoV-2-Übertragung in Haushalten in Abhängigkeit von verschiedenen Einflussfaktoren und im Vergleich zu den Erfahrungen mit anderen Coronaviren.
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Zachary J. Madewell, Biostatistiker von der Universität in Florida in Gainesville, und Kollegen recherchierten in der Datenbank PubMed alle relevanten Publikationen bis zum Stichtag 19. Oktober 2020. Voraussetzung für die Berücksichtigung der Publikationen in ihren Analysen war, dass es sich um Originaldaten handelte, anhand derer sich auch Raten einer Zweitinfektion in Haushalten abschätzen ließen. Dazu mussten u. a. ausreichend viele Testungen durchgeführt worden sein. Eine Einschränkung hinsichtlich des Studiendesigns gab es nicht.
Die Metaanalyse erfolgte durch Modellierung mit der Maximum-Likelihood-Methode, um eine Punktschätzung und ein 95%-Konfidenzintervall (KI) für eine zweite Infektion in jeder Subgruppe errechnen zu können. Waren für eine Fragestellung 10 und mehr Publikationen verfügbar, wurden Funnel-Plots zur Analyse eingesetzt.
Hauptziel der Studie war die Bestimmung der SARS-CoV-2-Zweitinfektion nach einem Indexfall im eigenen Haushalt. Einbezogen in die Analysen wurden Faktoren wie Symptomstatus des Indexfalls, Kontakte mit Erwachsenen oder Kindern, Beziehung zu Indexfall, Indexfall Erwachsener oder Kind, Geschlecht des Indexfalls, Geschlecht des Kontakts, Zahl der Kontakte des Haushalts u. a .m.
Ergebnisse
Die Autoren fanden 54 relevante Studien mit zusammen 77 758 Teilnehmern, die über Zweitinfektionen in Haushalten berichteten. Die geschätzte Zweitinfektionsrate nach einem Indexfall im Haushalt betrug 16,6% (95%-KI 14,0%–19,3%). Diese Rate ist höher als die Raten, die für SARS-CoV- (7,5%; 95%-KI 4,8%–10,7%) und MERS-CoV-Infektionen (4,7%; 95%-KI 0,9%–10,7%) unter allerdings nicht gut vergleichbaren Bedingungen berichtet wurden.
Hatte der Indexfall mit SARS-CoV-2-Infektion Symptome, war die Übertragungsrate um ein Vielfaches höher als bei symptomlosen Indexfällen (18,0% vs. 0,7%). Die Zweitinfektionsrate war zudem bei Erwachsenen Indexpatienten deutlich höher als bei Kindern (28,3% vs. 16,8%) und bei Partnern höher als bei anderen Familienkontakten (37,8% vs. 17,8%). Interessanterweise ergab sich auch ein höheres Risiko für eine Übertragung in Haushalten mit einem einzigen Kontakt gegenüber Haushalten mit 3 und mehr Kontakten (41,5% vs. 22,8%).
Die Autoren meinen, dass die Verbreitung von SARS-CoV-2 nicht verhindert werden kann, wenn Personen mit Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion oder einer bestätigten SARS-CoV-2-Infektion unter den aktuellen Bedingungen in häusliche Quarantäne gehen. Zu prüfen wäre ihrer Ansicht nach die Wirksamkeit von Masken daheim, vermehrtem Lüften, der freiwilligen Isolation von Infizierten in separaten Einrichtungen oder einer antiviralen Prophylaxe.
Friederike Klein, München
Die hohe Kontagiosität von COVID-19 war seit den ersten Berichten aus China klar, sie war deutlich höher als bei Influenza und nur vergleichbar mit der Kontagiosität von Masern, die klassisch als die am meisten ansteckende Erkrankung angesehen wird. Während man in der frühen Zeit der Pandemie die Übertragung vom Tier auf Mensch in der ersten Ausbruchstelle im Tiermarkt in Wuhan angenommen hat, stellte sich anhand der Übertragung in Familien heraus, dass die Ansteckung von Mensch zu Mensch den Hauptweg der Ausbreitung darstellt. Seit einigen Wochen ist endgültig geklärt, dass die Übertragung weniger durch Schmierinfektion als aerogen erfolgt, als Tröpfcheninfektion. Diese gefährdet besonders Menschen, die in geschlossenen Räumen ohne Maskenschutz sehr nahe zueinander und über lange Zeit exponiert werden. Besonders kleine Partikel, etwa 5 (bis zu 100 µm), „Aerosol“ genannt, bleiben mehrere Stunden in der Luft schweben und erreichen größere Entfernungen als die auf viel größeren Tröpfchen abgemessene Abstandsregelung von 1,5 m. Aerosolpartikel verbreiten auch die Viren.
Das sind alles ideale Voraussetzungen für die Übertragung der Infektion von einem erkrankten Familienmitglied („Index case“) auf die ganze Familie. Es war anzunehmen, dass die Übertragung unter Familienmitglieder eine treibende, vielleicht auch die wichtigste Quelle der Ausbreitung der Pandemie ist.
Am 18. 12. 2020 wurden in PubMed eine nicht mehr übersehbare Anzahl von 59 443 Publikationen über COVID-19 gelistet, darunter viele Kasuistiken und narrative Reviews zu den bekannten und noch zu etablierenden Übertragungswegen. Die exakte Kenntnis der Übertragungswege erlaubt es, mit möglichst gezielten und effektiven Maßnahmen die Pandemie einzudämmen. Das systematische Review und die Metaanalyse von Madewell et al. in JAMA kommen daher gerade zurecht.
Viele für die Eindämmung der Pandemie wichtigen Fragen sollten dabei beantwortet werden: Übertragung durch ältere oder jüngere Personen, asymptomatische versus symptomatische Personen, Intensität des Kontaktes in der Familie, Männer und Frauen, die Schwere der Erkrankung des Indexfalles.
Das wichtigste Ergebnis der Metaanalyse ist, dass die Übertragungsrate in der Familie 16,6% beträgt und damit eher niedriger ist als der Verfasser aufgrund seiner Tätigkeit in der pneumologischen Praxis eingeschätzt hat. Ich sah Cluster aus dem familiären Umfeld, z. B. 2–3 weitere Ansteckungen in einer 5-köpfigen Familie durch ein Familienmitglied.
Besonders hervorzuheben ist das Ergebnis, dass Schlafen im gleichen Schlafzimmer eines der wichtigsten Übertragungsrisiken ist. Diese Erkenntnis kann sicher auch auf andere virale Infektionen wie Influenza übertragen werden und hat sofort nutzbare praktische Konsequenzen: Für die Dauer der Infektiosität bei symptomatischen Patienten soll einer der Partner aus dem Schlafzimmer ausziehen. Entsprechend kann jetzt jeder Arzt – evidenzbasiert – seine Patienten beraten.
Es ist auch wichtig zu wissen, dass asymptomatische Fälle („positiv getestet) weniger häufig die Krankheit übertragen. Bemerkenswert ist, dass COVID-19 deutlich stärker kontagiös ist als andere bekannte Coronaviren.
Autorinnen/Autoren
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Publication History
Article published online:
19 April 2021
© 2021. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
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