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DOI: 10.1055/a-1340-5609
Dyspnoe und Komorbidität beim Lungenkarzinom: Warum die Anamnese so wichtig ist
Dyspnoea and Comorbidity in Lung Cancer-Patients: The Therapy Starts with Taking the Patients HistoryZusammenfassung
Ziel Dyspnoe ist ein häufiges und schwer beeinträchtigendes Krankheitssymptom bei Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkarzinom. Exogene wie endogene Faktoren tragen zum subjektiven Symptom Luftnot bei. Um eine effektive Therapie einleiten zu können, ist die Kenntnis von beeinflussbaren Faktoren essenziell. Mit dem Ziel, die Atemnot gezielter behandeln zu können, wurde in dieser Arbeit die Auswirkung von Begleitfaktoren und Komorbiditäten auf den Schweregrad von Luftnot bei Patienten mit Lungenkarzinom untersucht.
Methode Im Rahmen einer prospektiven, monozentrischen Beobachtungsstudie wurde der Schweregrad der Atemnot bei Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkarzinom anhand des mMRC-Scores abgefragt und standardisiert nach kardialer oder pulmonaler Komorbidität befragt. Zudem wurden Schmerzsymptomatik und psychische Belastung der Patienten durch die Tumorerkrankung anhand numerischer Ratingskalen (NRS) abgefragt.
Ergebnisse 25 (48,1 %) von 52 eingeschlossenen Lungenkarzinompatienten gaben mäßige bis starke Dyspnoe an. Vorbekannte COPD, kardiopulmonale Begleiterkrankungen, starke Schmerzen, eine obstruktive Ventilationsstörung in der Lungenfunktion sowie nachweisbare Pleuraergüsse korrelierten in der logistischen Regressionsanalyse mit dem Auftreten von Dyspnoeschweregraden ≥ 3 in der mMRC-Skala. In dieser Untersuchung war auch das niedrigere UICC-Stadium III bzw. eine M0-Situation mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer schweren Dyspnoe korreliert als ein höheres Stadium IV nach UICC.
Schlussfolgerung Unsere Untersuchung bestätigt die klinische Relevanz von Dyspnoe bei Lungenkarzinompatienten. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten dyspnoeischer Beschwerden wird durch Begleitsymptome wie starke Schmerzen und insbesondere durch das Vorhandensein von kardialen oder pulmonalen Komorbiditäten wesentlich beeinflusst. Eine effektive Behandlung von Luftnot sollte daher diese begleitenden Faktoren in der Therapie berücksichtigen.
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Abstract
Aim Dyspnoea is a frequent and compromising symptom in patients with advanced and metastatic lung cancer. Exogenous as well as endogenous factors contribute to development of shortness of breath. Knowledge of these influences is essential for effective treatment of this important symptom. In our study, we evaluated the influence of cofactors and comorbidity on development of dyspnoea in lung cancer patients for the purpose of effective therapy of shortness of breath in this target group.
Methods In this prospective monocentric study, we registered severity of dyspnoea in advanced lung cancer patients using the modified Medical Research Council-Scale (mMRC-scale). Patients’ history of COPD and cardiopulmonary comorbidity was recorded using a standardized questionnaire. Moreover, cofactors such as pain or cancer-induced mental stress were documented by visual rating scale.
Results 25 (48,1 %) of 52 recruited lung cancer-patients reported moderate or severe dyspnoea. In logistic regression analysis history of COPD or cardiopulmonary comorbidity, severe pain, airway obstruction or pleural effusion were associated with severe dyspnoea (mMRC-scale ≥ 3). Furthermore, in our study cohort lower cancer level III UICC and absence of metastasis correlated with severe dyspnoea.
Conclusions Our findings confirm the relevance of dyspnoea in patients with advanced lung cancer. Probability of occurrence is influenced by comorbidity and cofactors. The knowledge of these factors contributes to better understanding of occurrence and treatment of dyspnoea.
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Einleitung
Dyspnoe und die Angst zu ersticken sind von Tumorpatienten gefürchtete Krankheitssymptome. Im Besonderen trifft dies für Patienten mit der Diagnose eines Lungenkarzinoms zu.
Das Vorhandensein von Luftnot mit dadurch bedingter Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit beeinträchtigt in ausgeprägtem Maße die Lebensqualität von Tumorpatienten [1]. Zudem gibt es Hinweise einer Korrelation von Prognose der Lungenkrebserkrankung mit dem Vorhandensein starker Luftnot [2].
Während die systematische Erfassung von Schmerz oder psychischer Belastung bei der Begleitung von Tumorpatienten zum Standard geworden ist, hat sich dennoch die Erfassung von Dyspnoe anhand von validierten Skalen selbst bei Krebspatienten noch nicht fest etabliert.
Über die Hälfte aller Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkarzinom geben dyspnoeische Beschwerden an [3]. Die Ursache von Luftnot bei Tumorpatienten ist multifaktoriell, dies muss im Rahmen einer effektiven Dyspnoebehandlung Berücksichtigung finden [4] [5].
Frühere Arbeiten an heterogenen Kollektiven von Patienten mit verschiedenen soliden Tumoren konnten einen Zusammenhang zwischen dem Symptom Luftnot und Komorbiditäten wie COPD oder kardiovaskulären Erkrankungen aufzeigen [6].
Unklar ist bislang allerdings die Gewichtung, die Komorbidität und Begleitsymptome beim Auftreten von Luftnot bei Lungenkarzinompatienten haben. Bisherige Daten stammen in erster Linie aus retrospektiven Registerauswertungen. Um eine gezielte und effiziente Behandlung der dyspnoeischen Beschwerden einzuleiten, ist dieses Wissen jedoch von großer Bedeutung.
In der vorliegenden prospektiven Beobachtungsstudie erfassten wir standardisiert bei 52 Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkarzinom vor Therapieeinleitung den Schweregrad vorhandener Luftnot und korrelierten das Ausmaß der Symptomatik mit Begleitsymptomen und Komorbidität.
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Methoden
Die Studie wurde von der Ethik-Kommission des Universitätsklinikums Frankfurt begutachtet und zustimmend bewertet (Geschäfts-Nr. 390/14).
Im Rahmen einer monozentrischen prospektiven Beobachtungsstudie erfassten wir im Zeitraum von April 2015 bis Januar 2018 das Leitsymptom Dyspnoe bei 52 Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkarzinom. Eingeschlossen wurden Therapie-naive Patienten und Patienten, die lediglich eine Lokaltherapie (Operation oder Bestrahlung) einer zerebralen Metastasierung erhalten hatten und bei denen eine Tumorausbreitung der Stadien III oder IV nach UICC (Union internationale contre le cancer) bei Diagnosestellung vorlag. Patienten mit bereits begonnener Systemtherapie oder stattgehabter thorakaler Tumoroperation wurden ausgeschlossen, um mögliche Operationsfolgen oder chemotherapeutische/medikamentöse Nebenwirkungen als Dyspnoeursache auszuschließen. Weitere Ausschlusskriterien waren hämodynamische oder respiratorische Instabilität sowie Desorientierung bzw. Bewusstseinsstörung.
Nach Vorliegen der schriftlichen Patienteneinwilligung wurden mit einem standardisierten Fragebogen die Symptome Dyspnoe, Schmerz, tumorbedinge psychische Belastung sowie das Vorhandensein von Komorbiditäten abgefragt. Zusätzlich wurden über die elektronische Patientenakte (System Orbis von Agfa) Lungenfunktionsparameter und die lokale Tumorausbreitung erfasst (erhoben über vorliegende bronchoskopische und radiologische Befunde).
Die Luftnot wurde anhand der modified British Medical Research Council-Skala (mMRC-Skala) vom Patienten selbst in die Schweregrade 1 – 5 eingestuft ([Tab. 1]) [7]. Die Abfrage von Schmerz und psychischer Belastung durch die Tumorerkrankung erfolgte anhand numerischer Ratingskalen (Schwere 1 – 10).
Die statistischen Auswertungen erfolgten mit der Statistik-Software „BiAS. für Windows“ (epsilon Verlag) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Biostatistik und mathematische Modellierungen des Universitätsklinikums Frankfurt. Das Hauptprüfziel, die Charakterisierung des Einflusses von Begleiterkrankungen auf den Schweregrad der Dyspnoe, wurde mit dem Wilcoxon-Mann-Whitney-U-Test analysiert. Zur Untersuchung des Einflusses einzelner dichotomer und quantitativer Patientencharakteristika auf die dichotome Variable „starke Atemnot (mMRC-Skala 3 – 5)“ wurde eine univariate logistische Regression durchgeführt und die daraus resultierenden Odds Ratios mit den zugehörigen 95 %-Konfidenzintervallen berichtet. Alle statistischen Tests wurden zweiseitig und mit einem Signifikanzniveau von alpha = 5 % (ohne Adjustierung) durchgeführt.
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Ergebnisse
Im Zeitraum April 2015 bis Januar 2018 wurden 52 Patienten rekrutiert. Alle rekrutierten Probanden willigten in die Studienteilnahme ein und wurden in die Studie eingeschlossen.
Das Alter der Patienten war nicht normalverteilt. Im Median lag das Alter der Patienten bei 64,5 Jahren (41 – 90 Jahre). 25 (48 %) Patienten waren männlich, 27 (52 %) Patienten weiblich. [Abb. 1] zeigt die Altersverteilung der eingeschlossenen Patienten.


12 Patienten (23,1 %) befanden sich im Stadium 3 nach UICC, 40 Patienten (76,9 %) im Stadium 4.
[Tab. 2] fasst Tumorentität, Tumorstadium und -ausbreitung unserer Studienkohorte zusammen.
Tumoreinflussgröße |
Total (N = 52) n (%) |
|
Tumorhistologie |
SCLC |
16 (30,8) |
NSCLC |
36 (69,2) |
|
Adenokarzinom |
30 (57,7) |
|
Plattenepithelkarzinom |
5 (13,9) |
|
großzelliges neuroendokrines Karzinom |
1 (2,8) |
|
Tumorlokalisation |
Rechts |
33 (63,5) |
Links |
17 (32,7) |
|
Mediastinum |
2 (3,9) |
|
T-Stadium |
T1 |
6 (11,5) |
T2 |
13 (25,0) |
|
T3 |
9 (17,3) |
|
T4 |
24 (46,2) |
|
N-Stadium |
N0 |
4 (7,7) |
N1 |
1 (1,9) |
|
N2 |
28 (54,0) |
|
N3 |
19 (36,5) |
|
M-Stadium |
M0 |
12 (23,1) |
M1 |
40 (76,9) |
|
pulmonale Metastasierung |
22 (55,0) |
|
Bronchoskopisch sichtbarer Tumoreinbruch |
Ja |
15 (28,9) |
Nein |
22 (42,3) |
|
keine Endoskopie durchgeführt |
15 (28,9) |
|
Tumorbedingte Stenosierung |
Ja |
20 (38,5) |
|
1 (5,0)[*] |
|
|
4 (20,0)[*] |
|
|
15 (75,0)[*] |
|
Nein |
17 (32,7) |
|
Unbekannt |
15 (27,9) |
SCLC = small cell lung cancer; NSCLC = non small cell lung cancer
* Prozentangabe bezogen auf die Untergruppe
Bei der Erfassung von Komorbiditäten gaben 26 (50 %) Patienten eine kardiovaskuläre Vorerkrankung an.
Bei der im Rahmen der Basisdiagnostik durchgeführten Lungenfunktionstestung konnte bei 34 Patienten (65,4 %) eine obstruktive und bei 7 Patienten (13,5 %) eine restriktive Ventilationsstörung nachgewiesen werden. Bei nachgewiesener Obstruktion (FEV1/FVC < 0,7) lag der Median der FEV1 bei 55,5 % der Altersnorm (23,7 – 93,1 %). Dabei zeigten Männer häufiger lungenfunktionell eine Obstruktion: Bei 19 von 25 (76 %) untersuchten Männern wurde eine bronchiale Obstruktion nachgewiesen. Bei den untersuchten Frauen fiel dies bei 15 Patientinnen (57,7 %) auf. [Abb. 2] zeigt die Verteilung der Schweregrade der Obstruktion bei Männern und Frauen.


Bei 20 (38,5 %) Studienpatienten war bei Erstvorstellung eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) vorbekannt.
Die Vitalkapazität der 7 Patienten mit restriktiver Ventilationsstörung lag im Median bei 59,6 % der Altersnorm (55,1 – 76,3 %). Von diesen 7 Patienten hatten 3 (42,9 %) einen in CT-Thorax oder Pleurasonografie nachgewiesenen Pleuraerguss.
[Abb. 3] zeigt die Ergebnisse der Erfassung der Dyspnoeschweregrade nach der mMRC-Skala.


Fasst man die Schweregrade 1 – 2 als leichte und 3 – 5 als schwere Luftnot zusammen, so gaben 27 Patienten (51,9 %) leichte und 25 Patienten (48,1 %) mäßige bis starke Dyspnoe an.
Bei der Erfassung der Schmerzintensität wurden folgende Werte auf der numerischen Ratingskala (NRS) von 1 – 10 erhoben: Leichte Schmerzen (NRS 1 – 3) haben 39 Patienten (75,0 %), 6 Patienten (11,5 %) mittelgradige Schmerzen (NRS 4 – 6) und 7 Patienten (13,5 %) starke Schmerzen (NRS 7 – 10) angegeben.
Die Ergebnisse der vom Patienten angegebenen psychischen Belastung durch die Tumorerkrankung, ebenfalls auf einer numerischen Skala von 1 – 10, zeigt [Abb. 4].


Sonografisch oder computertomografisch wurden bei 18 Patienten (36,7 %) Pleuraergüsse mit mehr als 200 ml Volumen detektiert, bei 31 (63,3 %) Patienten fanden sich keine oder nur kleine Pleuraergüsse. Bei 3 Patienten konnten keine Angaben zu Pleuraergüssen erfasst werden.
Mittels logistischer Regressionsanalyse wurde der Effekt der Einflussgrößen auf die Entwicklung schwerer Dyspnoe (mMRC-Skala 3 – 5) untersucht.
Hierbei konnten wir in der univariaten logistischen Regressionsanalyse für Alter, Geschlecht, Tumorart, radiologische Lokalisation, pulmonale Filae, T- und N-Stadium, Histologie, Tumoreinbruch und Stenosierung sowie deren Lokalisation, psychische Belastung, restriktive Ventilationsstörungen, keine statistisch auffällige Beeinflussung zum Signifikanzniveau von 5 % nachweisen.
Bei vorbekannter COPD, bei kardiopulmonalen Begleiterkrankungen, bei starken Schmerzen (NRS > 6), bei obstruktiver Ventilationsstörung bzw. bei entsprechend der Lungenfunktion höhergradigen Obstruktionsschweregraden 3 und 4 sowie bei Pleuraergussnachweis konnte eine statistisch auffällige Risikoerhöhung für das Auftreten schwerer Dyspnoe nachgewiesen werden (p-Wert ≤ 0,05).
Es korrelierte sowohl bei Männern wie auch bei Frauen die lungenfunktionell nachgewiesene Obstruktion mit dem Auftreten von Luftnot. Dabei zeigte das Geschlecht als eigener Einflussfaktor in der logistischen Regression keinen eigenen Einfluss auf die Symptomentwicklung (p-Wert 0,59).
Von 20 Patienten, bei denen die COPD-Erkrankung bekannt war, gaben 17 (85 %) mäßige bis starke Luftnot an. Bei 15 Patienten mit nachgewiesener Obstruktion war die COPD nicht bekannt, hier gaben 6 Patienten (40 %) die Symptome stärkerer Dyspnoe an. Dabei zeigte sich das Auftreten der Symptome bei Patienten mit vorbekannter Erkrankung stadienunabhängig verteilt. Wurde die Erkrankung im Rahmen der Lungenfunktionsdiagnostik erstmals diagnostiziert, dann zeigten eher Patienten mit stärkerer Obstruktion auch eine stärkere Luftnot.
Für eine restriktive Ventilationsstörung konnten wir keinen Zusammenhang mit dem Auftreten von Luftnot nachweisen (p = 0,084). Von 7 Patienten mit restriktiver Ventilationsstörung zeigte nur 1 Patient Symptomatik mäßiger bis starker Dyspnoe.
Darüber hinaus korrelierte eine M0-Situation und damit ein niedrigeres UICC-Stadium III in unserer Auswertung mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer schweren Dyspnoe bei einem p-Wert von 0,05 (siehe [Tab. 3]).
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Diskussion
Die in die Studie eingeschlossenen Patienten befanden sich bei Diagnosestellung in einem fortgeschrittenen Tumorstadium, zu einem großen Teil bereits mit Nachweis einer Fernmetastasierung. Die Verteilung Männer zu Frauen wich in unserer Kohorte, ebenso wie die Verteilung der Tumorentitäten, leicht von aktuellen Krebsregisterdaten ab, was wir in erster Linie auf die niedrige Fallzahl von nur 52 eingeschlossenen Tumorpatienten zurückführen. In unserer Studie wurden etwa gleich viele Männer (n = 25) wie Frauen (n = 27) eingeschlossen. Die Inzidenz der Krebsneuerkrankungen in Deutschland lag 2016 nach den Daten des Robert Koch-Institutes bei 31,4/100 000 bei Frauen und 57,5/100 000 bei Männern. Andere Registerdaten geben bei 492 096 Krebsneuerkrankungen in Deutschland einen absoluten Frauenanteil von 233 572 (47,46 %) zu 258 524 Männer (52,54 %) an [8].
Das 95 %-Konfidenzintervall für den Frauenanteil liegt für unsere Untersuchung zwischen 37,6 % und 66,0 %. Das Intervall liegt damit im Bereich der zu erwartenden Verteilung in Deutschland. Dies bestätigt eine geringe Fallzahl als Ursache für den bei uns höheren Frauenanteil in unserer Untersuchung.
Eine Geschlechterstratifizierung war im Rekrutierungsdesign nicht festgelegt worden, auf der anderen Seite wurde ein möglicher Geschlechterbias durch die nahezu gleiche Verteilung der beiden Gruppen möglicherweise reduziert.
Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 69 (Frauen) bzw. 70 Jahren (Männer) [9]. Das mediane Erkrankungsalter der Patienten lag in unserer Arbeit bei 64,5 Jahren und ist damit repräsentativ für das nationale Kollektiv der Lungenkrebspatienten. Nach wie vor liegt beim größten Teil der Patienten bei Erstdiagnose bereits ein fortgeschrittenes Stadium (UICC III oder IV) vor, wie es bei den in unserer Studie rekrutierten Patienten Einschlusskriterium war. Ein Lungenkrebsscreening, das der Frühdiagnose von Lungenkarzinomen dienen soll, ist noch nicht flächendeckend empfohlen, wird aber aktuell für Risikopatienten beruhend auf den aktuellen Daten des NELSON-Trials zunehmend diskutiert [10].
Wir konnten mit unserer standardisierten Erfassung von Dyspnoe mittels der mMRC-Skala zeigen, dass dyspnoeische Beschwerden bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose des Tumors ein klinisch relevantes Problem sind. Nahezu die Hälfte aller befragten Patienten gaben mäßige bis sogar starke Dyspnoe an. Dies bestätigt die Daten anderer Beobachtungsstudien: In der retrospektiven Auswertung von Ban et al., in der bei NSCLC-Patienten eines Lungenkrebsregisters der mMRC-Schweregrad untersucht wurde, zeigte sich, dass 56,7 % der Patienten Luftnot angaben [2]. Andere Arbeiten konnten zeigen, dass die Bedeutung im Endstadium sowohl maligner wie auch nicht maligner Grunderkrankungen prozentual noch weiter deutlich zunimmt [11]. Dabei scheinen Lungenkarzinompatienten, insbesondere mit vorhandener pulmonaler Metastasierung, besonders von Dyspnoe betroffen zu sein [12]. Im Gegensatz zur klinischen Bedeutung steht jedoch die bislang fehlende Stringenz einer strukturierten Dyspnoe-Erfassung [13].
Die Beeinträchtigung durch Luftnot bei Tumorpatienten ist grundsätzlich lange erkannt, was sich in verschiedenen Empfehlungen und Leitlinien zur Behandlung von Dyspnoe in palliativer Situation widerspiegelt. So widmet die 2020 aktualisierte S3-Leitlinie für Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin einen großen Abschnitt explizit der Therapie der Luftnot bei Palliativpatienten [14].
Einen direkten Zusammenhang zwischen Tumorausbreitung und dem Auftreten von Luftnot konnten wir in unserer Arbeit nicht nachweisen. Im Gegenteil zeigte sich ein leicht erhöhtes Risiko für stärkere Luftnot bei den Patienten, die ein niedrigeres Tumorstadium 3 nach UICC zeigten. Der p-Wert erreichte mit 0,05 knapp das vorher festgelegte Signifikanzniveau. Diese Korrelation lässt sich mit unserer Untersuchung nicht aufklären, möglicherweise käme eine Untersuchung mit höherer Fallzahl hier zu einem anderen Ergebnis.
Sicher lässt die Größe der Studienkohorte nicht den Umkehrschluss zu, dass die Tumorsituation keinerlei Einfluss auf die Entstehung von Luftnot hat. So sind sicher in Einzelfällen minimal-invasive lokale Tumorkontrollmaßnahmen wie endoskopische Stent-Implantation bei zentral stenosierenden Prozessen gerechtfertigt, um Kurzatmigkeit zu bessern [15]. Darüber hinaus muss bedacht werden, dass die Pleuraergüsse, für die wir einen Einfluss auf die mMRC-Skala nachweisen konnten, auch als zumindest suspekt-maligne gewertet werden und damit in das Stadium der Tumorausbreitung einbezogen werden müssen. In unserer Arbeit wurde nicht in allen Fällen eine zytologische Sicherung diesbezüglich unternommen.
Wir konnten jedoch deutlich zeigen, dass Begleitfaktoren wie starke Schmerzen ebenso wie das Vorliegen von Komorbiditäten einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung von Luftnot haben und dies insbesondere in der Phase der Erstdiagnose ursächlich überwiegen könnte. In dem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass zwar lungenfunktionell bei einem großen Anteil der Patienten (n = 34, 65,4 %) insbesondere obstruktive Ventilationsstörungen nachweisbar waren, während jedoch nur 20 Patienten (38,5 %) angaben, an COPD erkrankt zu sein. Dementsprechend erhielten die nicht diagnostizierten Patienten auch keine leitliniengerechte Therapie. Aus internationalen Registern wissen wir, dass die Unterdiagnose von COPD ein weltweites Problem ist [16]. Bei Lungenkrebspatienten ist aufgrund der häufigen Raucheranamnese der Anteil von COPD-Patienten noch deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung. Auch hierzu vorliegende Beobachtungsdaten ermittelten einen Anteil von über 50 % der Lungenkrebspatienten mit COPD-Komorbidität. In einer 2018 von Yi et al. publizierten großen retrospektiven Registeranalyse lag der Anteil von COPD-Patienten bei Lungenkrebspatienten im Stadium III und iV bei 50,5 %, auch in dieser Arbeit ließ sich bereits ein Einfluss auf die Häufigkeit von dyspnoeischen Beschwerden durch obstruktive Lungenerkrankung nachweisen [17]. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer adäquaten Abklärung von pulmonalen Begleiterkrankungen bei Erstdiagnose eines Lungenkarzinoms. Diese sollte eine lungenfunktionelle Diagnostik beinhalten, um die Indikation für eine broncholytische Inhalationstherapie frühzeitig zu stellen und dyspnoeische Beschwerden dadurch zu verbessern.
Möglicherweise wird die Etablierung eines Lungenkrebsscreenings für Risikopatienten (insbesondere langjährige Raucher) zu einer frühzeitigeren Diagnose eines bis dahin nicht festgestellten Lungenemphysems oder obstruktiver Ventilationsstörungen führen. Ruparel et al. konnten im Rahmen einer Querschnittsanalyse einer Lungenkrebsscreeningstudie für Risikopatienten bei 57 % lungenfunktionell eine Obstruktion, passend zu einer COPD-Diagnose feststellen. Bei 67 % der gescreenten Patienten war die Diagnose bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Bei einem Drittel dieser Patienten war bereits ein manifestes Lungenemphysem nachweisbar [18].
Eine mögliche Limitation unserer Studie ist neben der relativ kleinen Patientenkohorte, dass die psychische Belastung nur eindimensional mittels einer numerischen Ratingscala erhoben werden konnte. Die Skala dient dem psychoonkologischen Screening und ist nicht geeignet, die multidimensionalen, in die Lebensqualität eingreifenden Aspekte und die einhergehenden Symptome, bedingt durch die Krebserkrankung, zu erfassen. Henoch et al. konnten in einer prospektiven Arbeit bei 20 Patienten anhand semi-strukturierter Interviews diese multidimensionale Bedeutung von Dyspnoe bei Lungenkarzinompatienten erfassen [3]. Klinisch relevant, im Rahmen unserer Untersuchung jedoch nicht standardisiert erfasst, ist die Frage, inwieweit die Dyspnoe Erstsymptom der Tumorerkrankung war.
Eine Follow-up-Erfassung der Symptomatik, insbesondere nach erfolgter Intervention (wie Anpassung einer antiobstruktiven Therapie) fehlt in unserer Untersuchung. Eine aktuelle Arbeit zu dieser Thematik ergab, dass offenbar eine Besserung der Symptomatik nach medikamentöser Intervention nicht zwangsläufig erwartet werden kann. Gottlieb et al. zeigten interessanterweise, dass die Lebensqualität bei Lungenkrebspatienten mit COPD-Diagnose durch die Anpassung einer adäquaten broncholytischen Therapie nicht relevant beeinflusst wurde [19].
Zur Fragestellung der Bedeutung von Dyspnoe und dem Zusammenhang von Komorbidität bei Lungenkarzinompatienten liegen uns in erster Linie Daten aus retrospektiven Registeranalysen vor.
Wir konnten mit unserer Arbeit erstmals prospektive Daten zu dieser Fragestellung liefern. Als weitere Stärke kann das homogene Patientenkollektiv, das wir untersucht haben, angesehen werden.
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Fazit und Ausblick
Dyspnoe ist bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ein klinisch relevantes Symptom bei Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkarzinom. Insbesondere Begleiterkrankungen wie COPD, aber auch kardiale Komorbidität und Begleitsymptome wie starker Schmerz beeinflussen die Wahrnehmung des subjektiven Symptoms Dyspnoe relevant.
Eine standardisierte Erfassung des Leitsymptoms Luftnot sollte daher ebenso erfolgen wie die strukturierte Abfrage von Begleitsymptomen und relevanten Vorerkrankungen. Bei Nachweis obstruktiver Ventilationsstörungen sollte die Evaluation einer entsprechenden anti-obstruktiven inhalativen Therapie nicht vergessen werden.
Die Entwicklung standardisierter Fragebögen und die Etablierung in Aufnahmeprotokollen könnten in Zukunft helfen, einen Fokus auf das Symptom Luftnot zu entwickeln und die Behandlung unter Berücksichtigung der genannten Faktoren zu optimieren.
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Interessenkonflikt
Prof. Rohde berichtet, Forschungsunterstützung von der DFG, der EU, dem BMBF und der Firma Gilead erhalten zu haben. Er hat von den Firmen AstraZeneca, Boehringer, Bayer, Berlin-Chemie, Grifols, Insmed, MSD, Novartis, Pfizer, GSK, Roche Honorare für Vorträge und von den Firmen Boehringer, GSK, Novartis, Pfizer, Roche, Sanofi und Insmed Honorare für Beratungstätigkeiten erhalten.
Dr. Grünewaldt hat Vortrags- und Beraterhonorare folgender Firmen erhalten: Novartis, GSK, AstraZeneca, Boehringer, Sanofi, Roche; zudem Forschungsunterstützung der Firma TNI.
Frau Lehn und Herr Sützle geben keine Interessenkonflikte an.
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Literatur
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Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 07 November 2020
Accepted: 16 December 2020
Article published online:
17 February 2021
© 2021. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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