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DOI: 10.1055/a-1341-9664
Psychosomatisch orientierte Diagnostik und Therapie bei Fertilitätsstörungen. Leitlinie der DGPFG (S2k-Level, AWMF-Registernummer 016/003, Dezember 2019)
Article in several languages: English | deutsch- Zusammenfassung
- I Leitlinieninformationen
- II Leitlinienverwendung
- III Methodik
- IV Leitlinie
Zusammenfassung
Ziel Das Ziel dieser offiziellen Leitlinie, die von der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) publiziert und koordiniert wurde, ist es, durch die Evaluation der relevanten Literatur einen konsensbasierten Überblick über die psychosomatisch orientierte Diagnostik und Therapie bei Fertilitätsstörungen zu geben.
Methoden Diese S2k-Leitlinie wurde durch einen strukturierten Konsens von repräsentativen Mitgliedern verschiedener Professionen im Auftrag der DGPFG entwickelt, aufbauend auf der Leitlinienversion von 2014.
Empfehlungen Es werden Empfehlungen zur psychosomatisch orientierten Diagnostik und Therapie bei Fertilitätsstörungen gegeben.
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I Leitlinieninformationen
Leitlinienprogramm der DGGG, OEGGG und SGGG
Informationen hierzu finden Sie am Ende der Leitlinie.
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Zitierweise
Psychosomatically Oriented Diagnostics and Therapy for Fertility Disorders. Guideline of the DGPFG (S2k-Level, AWMF Registry Number 016/003, December 2019). Geburtsh Frauenheilk 2021; 81: 749 – 768
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Leitliniendokumente
Die vollständige Langfassung und eine DIA-Version dieser Leitlinien sowie eine Aufstellung der Interessenkonflikte aller Autoren befinden sich auf der Homepage der AWMF: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/016-003.html
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Leitliniengruppe
Autor |
AWMF-Fachgesellschaft |
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Prof. Dr. sc. hum. Dipl.-Psych. Tewes Wischmann (federführend) |
Deutsche Gesellschaft für Psychomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe e. V. (DGPFG) |
Prof. Dr. med. Heribert Kentenich |
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin e. V. (DGGEF) |
Autor/in Mandatsträger/in |
DGGG-Arbeitsgemeinschaft (AG)/AWMF/Nicht-AWMF-Fachgesellschaft/Organisation/Verein |
---|---|
* Autor/in der Langfassung des Leitlinientextes. |
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PD Dr. Ada Borkenhagen* |
Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft (DPG) |
Prof. Dr. Matthias David* |
– |
Dr. Almut Dorn* |
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) |
Prof. Dr. Christoph Dorn* |
– |
Dr. Friedrich Gagsteiger |
Berufsverband der Frauenärzte (BVF) |
Dr. Maren Goeckenjan |
Deutsche Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (DGRM) |
Prof. Dr. Heribert Kentenich* |
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF) |
Prof. Dr. Annika Ludwig* |
– |
Dipl.-Psych. Anne Meier-Credner |
Verein Spenderkinder |
Michelle Röhrig |
Endometriose-Vereinigung |
Dr. Dipl.-Psych. Ingrid Rothe-Kirchberger |
Deutsche Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e. V. (DGPT) |
M. Sc. Psych. Maren Schick* |
Deutsche Gesellschaft für Medizinische Psychologie (DGMP) |
Prof. Dr. Stefan Siegel |
Deutsche Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft (DGSMTW) |
Dr. Andreas Tandler-Schneider |
Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren (BRZ) |
Dr. Petra Thorn* |
Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland (BKiD) |
Dr. Anna Julka Weblus* |
Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) |
Prof. Dr. Tewes Wischmann* |
Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) |
Die Moderation der Leitlinie wurde dankenswerterweise von Frau Dr. Monika Nothacker (AWMF-zertifizierte Leitlinienmoderatorin) übernommen.
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II Leitlinienverwendung
Fragestellung und Ziele
Diagnostik und Therapie von Fertilitätsstörungen haben die letzten Jahre europaweit zahlenmäßig immer mehr zugenommen. Die psychosozialen und psychosomatischen Aspekte von Fertilitätsstörungen stehen zunehmend im Fokus wissenschaftlicher Forschung, sie werden im Alltag hingegen kaum bzw. nicht adäquat berücksichtigt. Aus diesen Gründen ist eine Aktualisierung der AWMF-Leitlinie 016-003 (von 2014) in 2019/2020 erfolgt.
Ziel der Leitlinie ist es, aufgrund der aktuellen Literatur sowie von Expertenmeinungen Empfehlungen zu geben, um eine optimale psychosomatisch orientierte Betreuung von Frau und Mann (sowie dem Paar insgesamt) bei (unerfülltem) Kinderwunsch zu ermöglichen. Diese Betreuung betrifft die Phasen der Diagnostik, einer möglichen Therapie, die Erwägung von alternativen Perspektiven sowie die erfolgreiche Bewältigung der Fertilitätsstörung als Krise.
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Versorgungsbereich/Patientenzielgruppe
Alle Frauen, Männer sowie Paare mit ungewollter Kinderlosigkeit in ihrem reproduktiven Alter im ambulanten Versorgungssektor.
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Anwenderzielgruppe/Adressaten
Alle Ärzt*innen aus ambulanter und stationärer Versorgung, die an einer Betreuung und Therapie infertiler Frauen und Männer sowie Paaren mit Kinderwunsch beteiligt sind. Diese sind insbesondere Gynäkolog*innen, Androlog*innen, Ärzt*innen mit Schwerpunkt „Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin“ (Reproduktionsmediziner*innen). Gleichwertig sind betroffen Psycholog*innen, Ärztliche und Psychologische Psychotherapeut*innen, Psychiater*innen, Psychosomatiker*innen sowie weitere Berater*innen und Fachkräfte, die in der psychosozialen und psychosomatischen Betreuung von Einzelpersonen sowie von Paaren mit Fertilitätsstörungen beteiligt sind.
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Verabschiedung und Gültigkeitsdauer
Die vorliegende Version 4.0 der Leitlinie wurde in der Konsensuskonferenz am 09.12.2019 verabschiedet. Bei dringendem Bedarf kann eine Leitlinie früher aktualisiert werden, bei weiterhin aktuellem Wissensstand kann ebenso die Dauer auf maximal 5 Jahre verlängert werden (somit maximal gültig bis einschließlich 8. Dezember 2024).
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III Methodik
Grundlagen
Die Methodik zur Erstellung dieser Leitlinie wird durch die Vergabe der Stufenklassifikation vorgegeben. Das AWMF-Regelwerk (Version 1.0) gibt entsprechende Regelungen vor. Es wird zwischen der niedrigsten Stufe (S1), der mittleren Stufe (S2) und der höchsten Stufe (S3) unterschieden. Die niedrigste Klasse definiert sich durch eine Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen, erstellt durch eine nicht repräsentative Expertengruppe. Im Jahr 2004 wurde die Stufe S2 in die systematische evidenzrecherchebasierte (S2e) oder strukturelle konsensbasierte Unterstufe (S2k) gegliedert. In der höchsten Stufe S3 vereinigen sich beide Verfahren.
Diese Leitlinie entspricht der Stufe: S2k.
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Empfehlungsgraduierung
Die Evidenzgraduierung nach systematischer Recherche, Selektion, Bewertung und Synthese der Evidenzgrundlage und eine daraus resultierende Empfehlungsgraduierung einer Leitlinie auf S2k-Niveau ist nicht vorgesehen. Es werden die einzelnen Statements und Empfehlungen nur sprachlich – nicht symbolisch – unterschieden ([Tab. 3]).
Beschreibung der Verbindlichkeit |
Ausdruck |
---|---|
starke Empfehlung mit hoher Verbindlichkeit |
soll/soll nicht |
einfache Empfehlung mit mittlerer Verbindlichkeit |
sollte/sollte nicht |
offene Empfehlung mit geringer Verbindlichkeit |
kann/kann nicht |
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Statements
Sollten fachliche Aussagen nicht als Handlungsempfehlungen, sondern als einfache Darlegung Bestandteil dieser Leitlinie sein, werden diese als „Statements“ bezeichnet. Bei diesen Statements ist die Angabe von Evidenzgraden nicht möglich.
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Konsensusfindung und Konsensusstärke
Im Rahmen einer strukturierten Konsenskonferenz nach dem NIH Typ (S2k/S3-Niveau) stimmen die berechtigten Teilnehmer der Sitzung die ausformulierten Statements und Empfehlungen ab. Der Ablauf war wie folgt: Vorstellung der Empfehlung, inhaltliche Nachfragen, Vorbringen von Änderungsvorschlägen, Abstimmung aller Änderungsvorschläge. Bei Nichterreichen eines Konsensus (> 75% der Stimmen) Diskussion und erneute Abstimmung. Abschließend wird abhängig von der Anzahl der Teilnehmer die Stärke des Konsensus ermittelt ([Tab. 4]).
Symbolik |
Konsensusstärke |
prozentuale Übereinstimmung |
---|---|---|
+++ |
starker Konsens |
Zustimmung von > 95% der Teilnehmer |
++ |
Konsens |
Zustimmung von > 75 – 95% der Teilnehmer |
+ |
mehrheitliche Zustimmung |
Zustimmung von > 50 – 75% der Teilnehmer |
– |
kein Konsens |
Zustimmung von < 51% der Teilnehmer |
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Expertenkonsens
Wie der Name bereits ausdrückt, sind hier Konsensusentscheidungen speziell für Empfehlungen/Statements ohne vorige systemische Literaturrecherche (S2k) oder aufgrund von fehlenden Evidenzen (S2e/S3) gemeint. Der zu benutzende Expertenkonsens (EK) ist gleichbedeutend mit den Begrifflichkeiten aus anderen Leitlinien wie „Good Clinical Practice“ (GCP) oder „klinischer Konsensuspunkt“ (KKP). Die Empfehlungsstärke graduiert sich gleichermaßen wie bereits im Kapitel Empfehlungsgraduierung beschrieben ohne die Benutzung der aufgezeigten Symbolik, sondern rein semantisch („soll“/„soll nicht“ bzw. „sollte“/„sollte nicht“ oder „kann“/„kann nicht“).
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IV Leitlinie
1 Definition und Eingrenzung
Die nachfolgenden Leitlinien beziehen sich auf die psychosomatisch orientierte Diagnostik und Therapie der ungewollten Kinderlosigkeit. Unter Infertilität wird laut WHO das Ausbleiben einer Schwangerschaft nach mindestens 12 Monaten regelmäßigem, ungeschütztem Geschlechtsverkehr verstanden. Es kann davon ausgegangen werden, dass bei Entstehung, Verlauf, Diagnostik und Therapie der ungewollten Kinderlosigkeit biologische, psychologische und soziale Faktoren eine Rolle spielen. Im Folgenden werden die Begriffe Fertilitätsstörungen bzw. Subfertilität synonym für Sterilität bzw. Infertilität angewendet, da bei den meisten Paaren keine definitive und dauerhafte Infertilität vorliegt.
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2 Psychosomatische Diagnostik
Psychopathologische Auffälligkeiten liegen bei Frauen und Männern mit unerfülltem Kinderwunsch nicht gehäuft vor; auch dann nicht, wenn keine organische Ursache für die Kinderlosigkeit festgestellt werden konnte.
Eine verhaltensbedingte – und damit potenziell psychosozial (mit)bedingte – Fertilitätsstörung ist bei 5% bis maximal 10% aller Paare festzustellen.
Für viele Paare stellen das Erleben der Fertilitätsstörung sowie auch die psychischen Auswirkungen einer reproduktionsmedizinischen Behandlung eine erhebliche emotionale Belastung dar. Dabei erleben sich Frauen und Männer gleichermaßen belastet.
Der direkte Einfluss von Alltagsstress auf eine Fertilitätsstörung bzw. auf den Erfolg einer IVF-/ICSI-Behandlung ist allerdings nach den Ergebnissen größerer Studien und den von Metaanalysen als eher vernachlässigbar zu bezeichnen (s. a. Abschnitt 3.1). Eine Verallgemeinerung dieser Befunde auf nicht in Behandlung befindliche Paare ist nur eingeschränkt möglich (s. AWMF-LL 015-085).
Konsensusstärke: +++
Da ungewollte Kinderlosigkeit in der Regel beide Partner eines Paares belastet, sollte sich ein psychosomatisch orientiertes Beratungsangebot explizit an das Paar mit unerfülltem Kinderwunsch wenden.
Die bisherigen Beratungsangebote sollten erweitert werden, um auch den männlichen Partner, Paare mit Migrationshintergrund sowie alle sozialen Milieus anzusprechen (s. a. Abschnitt 4.1.5).
Diese Beratungsangebote sollten entstigmatisierend und proaktiv angeboten werden sowie niedrigschwellig (finanziell und organisatorisch) zur Verfügung stehen.
In der psychosomatisch orientierten Beratung des Paares sollten auch die Lebensstil- und Verhaltensfaktoren, die sich nachweislich fertilitätseinschränkend auswirken, proaktiv angesprochen werden.
Konsensusstärke: +++
3.1 Prognostische Kriterien für das Eintreten von Schwangerschaften bei ungewollt kinderlosen Paaren
Das Alter der Frau, die Dauer des unerfüllten Kinderwunsches und verhaltensbedingte Faktoren sind wesentliche prognostische Voraussetzungen für den Eintritt einer Schwangerschaft.
Das Eintreten einer Schwangerschaft nach reproduktionsmedizinischen Maßnahmen kann nicht aufgrund allgemeiner oder spezifischer psychosozialer Faktoren (wie z. B. Ängstlichkeit, Depressivität oder spezifische partnerschaftliche Aspekte) vorhergesagt werden.
Psychischer Stress als eine mögliche Folge von Fertilitätsstörungen ist gesichert. Erhöhte Depressivitäts- und Ängstlichkeitswerte können sich durch psychische Belastungen während oder nach erfolgloser reproduktionsmedizinischer Behandlung ergeben.
Psychischer Stress als ursächlich für Infertilität wird weiterhin diskutiert. Der direkte Einfluss von Alltagsstress auf eine Fertilitätsstörung bzw. auf den Erfolg einer IVF-/ICSI-Behandlung ist als eher vernachlässigbar einzuschätzen (s. a. Abschnitt 2.1).
Konsensusstärke: +++
Die psychosozialen Faktoren sollten im Kontext der reproduktionsmedizinischen Maßnahmen stärker Berücksichtigung finden und zusätzlich in begleitenden psychosomatisch orientierten Beratungen fokussiert werden.
Konsensusstärke: +++
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3.2 Schwangerschaftsverlauf, Gesundheit der Kinder und Familiendynamik nach erfolgreicher assistierter Reproduktion
Das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen ist nach ART gegenüber Spontankonzeption erhöht. Im Verlauf der Schwangerschaft ist mit einer höheren Wahrscheinlichkeit mit einer Präeklampsie (1,5-fach), Placenta praevia (3-fach), Totgeburt (2,5-fach), einem niedrigen Geburtsgewicht (1,7-fach) und einer Wachstumsrestriktion (1,5-fach) zu rechnen.
Als Ursachen für die vermehrten Schwangerschaftskomplikationen und neonatalen Komplikationen werden hauptsächlich die Subfertilität als Hintergrundrisiko, aber auch ein direkter Einfluss der Kinderwunschbehandlung diskutiert.
Mehrlingsschwangerschaften weisen ein hohes Risiko an Schwangerschaftskomplikationen und Frühgeburtlichkeit mit daraus folgenden neonatalen und postnatalen Komplikationen auf. Dies gilt auch für Einlingsschwangerschaften nach angelegter Mehrlingsschwangerschaft („vanishing twin“).
Im Vergleich zum Risikofaktor Mehrlingsschwangerschaft scheint die Art der Konzeption ein geringerer Einflussfaktor zu sein, so dass er bei Zwillingsschwangerschaften Signifikanz verliert.
Konsensusstärke: +++
Kinderwunschpaare sollen über das erhöhte Risiko von Schwangerschaftsrisiken aufgeklärt werden.
Mehrlingsschwangerschaften sollen nach Möglichkeit vermieden werden, auch wenn es dem expliziten Wunsch des Paares entspricht. Dieses betrifft auch die Problematik des „vanishing twin“.
Über die erhöhten Risiken bei Mehrlingen soll vor Beginn einer Kinderwunschbehandlung eingehend aufgeklärt werden. Paare können dahingehend beraten werden, dass, wenn eine Zwillingsschwangerschaft eingetreten ist, die Schwangerschaftsrisiken nicht höher zu sein scheinen als nach Spontankonzeption von Zwillingen.
Konsensusstärke: +++
Das Fehlbildungsrisiko ist nach IVF und ICSI durchschnittlich um das 1,3-Fache erhöht (ca. jede 12. Schwangerschaft) gegenüber Spontankonzeption (ca. jede 15. Schwangerschaft).
Konsensusstärke: +++
Kinderwunschpaare sollen über das erhöhte Fehlbildungsrisiko nach IVF und ICSI aufgeklärt werden.
Konsensusstärke: +++
Die Risiken für eine hypertensive Schwangerschaftserkrankung, eine Frühgeburtlichkeit und ein niedriges Geburtsgewicht sind nach Eizellspende gegenüber einer herkömmlichen IVF-Therapie erhöht.
Konsensusstärke: +++
Über die erhöhten Risiken nach Eizellspende (gegenüber einer herkömmlichen IVF-Therapie) sollte beraten werden und diese sollten bei der Betreuung von Schwangeren nach Eizellspende berücksichtigt werden.
Konsensusstärke: +++
Das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen ist bei Leihmutterschaft vergleichbar mit der konventionellen ART, aber höher als nach Spontankonzeption.
Konsensusstärke: +++
Kinder nach ART entwickeln sich ähnlich wie spontan konzipierte Kinder, vorausgesetzt, sie werden zeitgerecht und mit normalem Geburtsgewicht geboren. Das Gesamtrisiko für Malignome scheint nach den neueren Studien nicht relevant erhöht zu sein. Eine in einigen Studien gefundene erhöhte neurologische Morbidität scheint am ehesten auf die erhöhte Mehrlingsrate zurückzuführen sein. Trotz einer möglichen leichten Erhöhung des relativen Risikos bleibt das absolute Risiko für das einzelne Kind niedrig.
Die Daten zu kardiovaskulären Risikofaktoren sind aufgrund der geringen Kohortengrößen und der heterogenen Studien vorsichtig zu bewerten. In einigen Studien wurde ein höherer Blutdruck bei Kindern und Jugendlichen nach ART gefunden, während andere dies nicht bestätigen.
Erste Daten zur Pubertätsentwicklung und Surrogatparameter für die Fertilität bei Jungen, die nach einer ICSI konzipiert worden sind, lassen vermuten, dass mit einer schlechteren Fertilität im späteren Leben gerechnet werden muss.
Weitere Daten zur langfristigen Gesundheit der Kinder und Jugendlichen werden benötigt.
Konsensusstärke: +++
Kinderwunschpaare sollen über die insgesamt niedrigen bisher bekannten absoluten Risiken zu Gesundheit und Entwicklung der (Einlings-)Kinder nach ART aufgeklärt werden.
Aufgrund der erhöhten Risiken der Mehrlingsschwangerschaften, die insbesondere aus der erhöhten Frühgeburtlichkeit der Mehrlinge resultieren, sollen die Paare über diese Risiken aufgeklärt werden.
Das Mehrlingsrisiko nach ART soll minimiert werden („single embryo Transfer“).
Konsensusstärke: +++
Die Kinder nach Gametenspende scheinen sich normal zu entwickeln.
Zur psychosozialen Entwicklung von Kindern nach Leihmutterschaft gibt es bisher noch keine ausreichende Evidenz.
Konsensusstärke: +++
Frauen (und ihren Partnern oder Partnerinnen), die nach Kinderwunschbehandlung einen Abort erlitten haben, sollte eine psychosomatische Unterstützung niedrigschwellig angeboten werden.
Konsensusstärke: ++
Nach einer langen Dauer des unerfüllten Kinderwunsches ist es denkbar, dass eine große Angst um die Schwangerschaft und das Kind besteht. Zudem idealisieren die Paare möglicherweise die Elternschaft und haben somit hohe Ansprüche an sich als Eltern.
Die bestehenden Daten zeigen, dass das Risiko einer postpartalen Depression nach ART nicht erhöht ist. Die Daten zur schwangerschaftsbezogenen Angst sind uneinheitlich. Einige Studien deuten auf eine größere schwangerschaftsbezogene Angst hin, die andere jedoch nicht bestätigen.
Konsensusstärke: +++
Es zeigen sich keine Unterschiede hinsichtlich der Familiendynamik nach assistierter Reproduktion im homologen System im Vergleich zu Spontankonzeption.
Mehrlingselternschaft kann ein erhöhtes psychosoziales Risiko (sowohl für die Eltern als auch für die Kinder) darstellen, insbesondere bei höhergradigen Mehrlingen.
Konsensusstärke: +++
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3.3 Psychische Folgen ungewollter Kinderlosigkeit
Die langfristige Entwicklung der psychosozialen Situation von Paaren nach erfolgloser reproduktionsmedizinischer Behandlung zeigt, dass der unerfüllte Kinderwunsch oft noch eine große Rolle im Leben der Paare spielt. Infertilität wird von vielen Betroffenen als belastende Episode im Leben empfunden. Die meisten Paare bewältigen langfristig die Situation und sind in ihrem psychischen Wohlbefinden später nicht mehr beeinträchtigt.
In der Lebensqualität und der Lebenssituation zwischen Kinderlosen und Personen mit Kindern nach Kinderwunschbehandlung bestehen langfristig nur geringe Unterschiede. Ungewollte Kinderlosigkeit bleibt jedoch für einige Betroffene ein Lebensereignis, welches immer wieder Gefühle des Bedauerns auslösen (z. B. in Lebensphasen wie Klimakterium oder Übergang Gleichaltriger in die Großelternschaft) und erneute Adaptationsleistungen erfordern kann.
Die ungewollte Kinderlosigkeit wird zu einer andauernden Belastung, wenn die Fähigkeiten zur Entwicklung neuer Lebensperspektiven eingeschränkt sind. Diese Fähigkeiten werden von der psychischen Prädisposition sowie dem Verlauf der Infertilitätskrise, den Kinderwunschmotiven und der Kinderwunschintensität, der Partnerschaftszufriedenheit und der Ursachenzuschreibung beeinflusst. Als ungünstiger Prognosefaktor hat sich eine starke soziale Isolierung erwiesen.
Konsensusstärke: +++
Ungewollt kinderlos gebliebene Paare bzw. Frauen sollten über die überwiegend günstige Prognose bezüglich der Lebensqualität und Partnerschaft informiert werden, aber auch über mögliche Risikofaktoren (z. B. soziale Isolierung) und Schutzfaktoren (z. B. frühzeitige Entwicklung neuer Lebensziele und -konzepte). Bei ungünstigen Verläufen sollte auf entsprechende psychosomatisch orientierte Beratungsmöglichkeiten hingewiesen werden.
Konsensusstärke: +++
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4.1 Diagnostische Maßnahmen aus psychosomatischer Sicht
Eindeutige psychologische Kontraindikationen einer reproduktionsmedizinischen Behandlung liegen aus wissenschaftlicher Sicht (noch) nicht vor. Einzelfallentscheidungen sollten auf der Basis der reproduktiven Autonomie des Paares und des Kindeswohls interdisziplinär betrachtet werden.
Konsensusstärke: +++
Das Erst- und das Abschlussgespräch sollten mit dem Paar geführt werden (sofern es sich nicht um eine alleinstehende Frau mit Kinderwunsch handelt; s. Abschnitt 4.3.5).
Psychosomatisch orientierte Beratung sollte fakultativ sein und zu jedem Zeitpunkt der medizinischen Diagnostik und Therapie niedrigschwellig in Anspruch genommen werden können. Vor Behandlung mit Gametenspende bzw. Embryospende/-adoption soll ein psychosomatisches Beratungsangebot erfolgen. Dessen (Nicht-)Inanspruchnahme soll dokumentiert werden.
Das Angebot sollte auch für Paare/Einzelpersonen offenstehen, die sich (noch) nicht oder nicht mehr in reproduktionsmedizinischer Therapie befinden.
Eine psychosomatisch orientierte Diagnostik soll grundsätzlich im Erstgespräch (mit dem Paar) durchgeführt werden (s. a. BÄK 2018):
Weiterhin sollte sie insbesondere in folgenden Situationen eingesetzt werden:
-
als Beratungs- bzw. begleitende Gespräche vor invasiven medizinischen Eingriffen (z. B. Übergang von IUI zu IVF, vor einer Behandlung im Ausland o. ä.),
-
vor Gametenspende bzw. Embryonenspende/-adoption,
-
vor Fetozid,
-
bei chronischer Erkrankung eines Partners,
-
bei Mehrlingsschwangerschaft,
-
bei erfolgloser reproduktionsmedizinischer Behandlung (Nichteintritt der Schwangerschaft, Fehl- bzw. Totgeburt) sowie
-
im Abschlussgespräch.
Konsensusstärke: ++
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4.2 Therapie
Die ärztliche Betreuung im Rahmen der Infertilitätstherapie soll entsprechend der „Psychosomatischen Grundversorgung“ durchgeführt werden. Die psychosozialen Aspekte sollen verstärkt in die Infertilitätsbehandlung mit einbezogen werden.
Bei Maßnahmen der assistierten Reproduktion soll dem psychosozialen Beratungsbedarf Raum gegeben werden. Eine niedrigschwellige psychosomatisch orientierte Beratung soll – unabhängig von der reproduktionsmedizinischen Behandlung – jederzeit ermöglicht werden.
Die Beratungserfordernisse steigen bei der Verwendung von fremden Gameten (s. Empfehlungen E16 – E19) bzw. Embryonen (s. Empfehlung E22).
Konsensusstärke: +++
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4.3 Beratung und Psychotherapie
Die wenigen Studien zu den Effekten psychosozialer Interventionen bei subfertilen Frauen und Männern unterstreichen die Notwendigkeit weiterer methodisch hochwertiger Forschung auf dem Gebiet psychosozialer Beratung und Therapie bei Fertilitätsstörungen.
Die aussagekräftigen Studien dieser Übersicht (überwiegend bezogen auf die Verhaltenstherapie und kombinierte Behandlungen) zeigen vorwiegend positive Wirkungen psychosozialer Interventionen auf die Reduktion psychischer Belastungen einer reproduktionsmedizinischen Behandlung, sind allerdings uneindeutig bezüglich der Erhöhung von Schwangerschaftsraten in Subgruppen.
Auch für das wachsende Angebot an internetbasierten Unterstützungsprogrammen fehlt bisher eine ausreichende wissenschaftliche Evaluierung.
Konsensusstärke: +++
Alle Personen, die sich für eine Kinderwunschbehandlung entscheiden, sollen die Möglichkeit zur Information, Aufklärung und Beratung im Sinne emotionaler Unterstützung und Hilfe bei der Problembewältigung erhalten.
Ein behandlungsunabhängiges Beratungsangebot sollte sich an alle Frauen und Männer richten, insbesondere bei früheren negativen Erfahrungen mit der Subfertilität oder mehreren erfolglosen Behandlungsversuchen.
Die psychosomatischen Interventionen sollten primär auf die Vermittlung von Informationen, eine Verbesserung der psychischen Befindlichkeit und eine Reduktion von Stress abzielen.
Konsensusstärke: +++
4.3.1 Prävention von Fertilitätsstörungen
Höheres Alter, Übergewicht, Untergewicht und Rauchen, sexuell übertragbare Krankheiten sowie Essstörungen gehören zu den Faktoren mit eindeutig negativem Einfluss auf die Fertilität.
Bislang gibt es kaum kontrollierte Studien, die den Einfluss gezielter präventiver Maßnahmen belegen können.
Das Wissen um grundlegende physiologische Fakten zur Fertilität und Reproduktivität in der Allgemeinbevölkerung ist als gering einzuschätzen.
Konsensusstärke: +++
Informationsmaterialien zur Fertilität sowie zu Diagnostik/Therapie von Fertilitätsproblemen sollen zielgruppenspezifisch bereitgestellt werden.
Eine Aufklärung über die Altersabhängigkeit der Fertilität und fertilitätsbezogene Risikofaktoren soll erfolgen.
Konsensusstärke: +++
Menschen mit Krebserkrankungen haben oft eine gute Überlebensprognose nach Abschluss der Krebsbehandlung.
Maßnahmen der Fertilitätsprotektion können Kryokonservierung von Eizellen, Vorkernstadien, Embryonen und Eierstockgewebe, Samenzellen und Hodengewebe sein sowie die Gabe von GnRH-Analoga.
Das Netzwerk „Fertiprotekt“ hält Materialien zur Information bereit und erfasst die durchgeführten Maßnahmen zur Fertilitätsprotektion in Deutschland.
Konsensusstärke: +++
Allen von einer Krebserkrankung betroffenen Patientinnen/Patienten im reproduktiven Alter, Kindern sowie deren Eltern soll frühzeitig eine Beratung zur Fertilitätsprotektion auf bio-psychosozialer Grundlage angeboten werden.
Informationen zu den Möglichkeiten und den Grenzen der Fertilitätsprotektion sollten den betroffenen Patientinnen und Patienten mündlich und schriftlich (z. B. „Die blauen Ratgeber“) niedrigschwellig zur Verfügung gestellt werden, um eine Entscheidungsfindung im Sinne eines „informed consent“ zu ermöglichen.
Konsensusstärke: +++
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4.3.2 Kinderwunsch bei später Elternschaft
Aus psychologischer Sicht können Vorteile bei später Elternschaft identifiziert werden, während die medizinischen Risiken einer Mutterschaft ab dem 40. Lebensjahr bzw. einer Vaterschaft ab dem 50. Lebensjahr nicht unterschätzt werden sollten.
Eine auch am Kindeswohl orientierte Beratung sollte die psychosozialen Risiken für die mittel- und langfristige Kindes- und Familienentwicklung (auch bereits geborener Kinder) bei später Elternschaft aktiv thematisieren.
Dieses Beratungsangebot betrifft alle Behandlungsmöglichkeiten bei spätem Kinderwunsch und die Familienbildung mit Gametenspende bzw. Embryonenspende/-adoption. Dieses psychosomatisch orientierte Beratungsangebot sollte sich explizit auch an die Partner – sofern vorhanden – richten.
Konsensusstärke: +++
Frauen und Männer vor später Elternschaft sollen die Möglichkeit zur umfassenden und differenzierten Information, Aufklärung und Beratung bezüglich der Chancen und der Risiken von medizinischer wie auch psychosozialer Seite erhalten.
Sie sollten niedrigschwellig bereits vor Inanspruchnahme von ART psychosomatisch orientierte Beratung aufsuchen können (auch während bzw. nach erfolgter Familienbildung).
Die Inanspruchnahme einer Kryokonservierung von Gameten zur späteren Familienbildung sollte zentral (z. B. FertiProtekt bzw. DIR) dokumentiert werden.
Konsensusstärke: +++
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5 Paare mit Migrationshintergrund in der Reproduktionsmedizin
Während viele Paare selbst- und partnerbezogene Motive für den Kinderwunsch erkennen lassen, ist der Kinderwunsch von Paaren aus besonders pronatalistisch geprägten Ländern oft zusätzlich stark von sozialen Motiven geprägt.
Der Druck, der auf vielen Paaren mit Migrationshintergrund lastet, sollte sich eine erwünschte und erwartete Schwangerschaft nicht einstellen, scheint besonders groß zu sein und kann zu verstärkter psychischer Belastung beider Partner führen.
Konsensusstärke: +++
Vor genauen Erläuterungen der Abläufe reproduktionsmedizinischer Maßnahmen sollte sich der/die behandelnde Arzt/Ärztin einen Überblick über das vorhandene Wissen des jeweiligen Paares zu biologischen Abläufen und Sexualität verschaffen.
Auch Paare mit Migrationshintergrund sollten detailliert über die Ursachen von Kinderlosigkeit informiert werden, um zumindest einen Teil möglicherweise vorhandener Schuld- und Schamgefühle in Zusammenhang mit ungewollter Kinderlosigkeit abbauen zu helfen.
In der Subfertilitätsberatung und der Aufklärung über reproduktionsmedizinische Behandlungsmöglichkeiten sollten spezifische Herangehensweisen sowie kultursensitive Ansätze genutzt werden, um sozialen und kulturellen Besonderheiten im Umgang mit von Subfertilität betroffenen Migrantinnen bzw. Paaren mit Migrationshintergrund gerecht zu werden.
Obwohl es wichtig ist, sich über kulturelle und religiöse Besonderheiten der Paare im Klaren zu sein, sollte man als Behandelnder unvoreingenommen alle Behandlungsmöglichkeiten darstellen und das Gegenüber durch Fragen dazu auffordern, die persönliche Sichtweise, Bedenken und Fragen darzulegen.
Wegen der nicht selten vorhandenen sprachlichen Verständigungsprobleme mit Migrantinnen und ihren Partnern sollten reproduktionsmedizinische Zentren über entsprechende Informationsmaterialien in verschiedenen Sprachen verfügen und ggf. auch auf die Hinzuziehung von Dolmetscher/inne/n bestehen. Auf die Nutzung von Laien als Dolmetscher/innen sollte wenn möglich verzichtet werden.
Konsensusstärke: +++
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6 Familienbildung mithilfe Dritter
Es gibt keine Hinweise auf eine nachteilige Entwicklung von Kindern, die mithilfe einer donogenen Insemination gezeugt wurden und in heterosexuellen Familien aufwachsen, sofern diese Kinder über die Konzeption aufgeklärt wurden und die Samenspende nicht anonym erfolgt war.
Mit Samenspende in Deutschland gezeugte Personen haben das Recht, Kenntnis über ihre genetische Herkunft zu erlangen.
Konsensusstärke: +++
Eine frühzeitige altersgerechte Aufklärung der Kinder (im Kindergartenalter) sollte erfolgen, nicht zuletzt, um ein belastendes Familiengeheimnis und einen Vertrauensbruch innerhalb der Familie zu vermeiden.
Im Rahmen des Kontaktes zwischen Kind und Spender und/oder Halbgeschwister sollten die Beteiligten eine psychosomatisch orientierte Beratung wahrnehmen können, um sich angemessen vorbereiten und diesen Kontakt bei Bedarf begleiten lassen zu können.
Konsensusstärke: +++
Die Motivation zur Elternschaft von lesbischen Paaren unterscheidet sich kaum von heterosexuellen Paaren. Lesbische Paare sind vor die Aufgabe gestellt, die Mutterschaft und die Bedeutung des Spenders/genetischen Erzeugers für die zukünftige Familie zu bestimmen.
Die Entwicklung von Kindern in lesbischen Familien ist unauffällig, auch deren psychosexuelle Entwicklung.
Konsensusstärke: ++
Kinder lesbischer Eltern sollten frühzeitig über ihre Zeugungsgeschichte aufgeklärt werden und bei Interesse den Spender/genetischen Erzeuger kennenlernen können, unabhängig davon, ob die Eltern die Behandlung im medizinischen, im privaten System oder im Ausland durchgeführt haben.
Konsensusstärke: ++
Zur Familienentwicklung bei alleinstehenden Frauen nach Kinderwunschbehandlung gibt es zurzeit nur wenige Daten. Erste Studien deuten an, dass sich die Kinder dieser „Solo-Mütter“ ebenso gut entwickeln wie diejenigen, die mit einem Elternpaar aufwachsen, und dass auch die „Solo-Mütter“ keinerlei Auffälligkeiten aufzeigen. Aussagekräftige Langzeitstudien stehen jedoch noch aus.
Konsensusstärke: +++
Bei „Solo-Müttern“ sollte der besondere Beratungsbedarf bezüglich psychosozialer Versorgung, Absicherung und rechtlicher Situation des Kindes beachtet werden.
Konsensusstärke: +++
Die Befruchtung mit dem Samen eines den Wunscheltern bekannten Mannes verändert die traditionellen und genetischen Verwandtschaftsverhältnisse.
Wissenschaftliche Erkenntnisse vor allem der langfristigen Auswirkungen dieser Form der Familienbildung liegen nicht vor.
Konsensusstärke: +++
Ein Angebot einer ausführlichen psychosomatisch orientierten Beratung aller Beteiligten bei dieser Form der Familienbildung soll erfolgen.
Konsensusstärke: ++
Studiendaten zeigen auf, dass Männer bereit sind, Samen zu spenden, auch wenn sie für die so gezeugten Kinder identifizierbar sind.
Aufgrund der Regelungen des Samenspenderregistergesetzes können Männer, die im medizinischen System spenden, nicht mehr für Unterhaltszahlungen o. ä. herangezogen werden.
Konsensusstärke: +++
Männer, die im medizinischen System spenden, sollen über die gesetzlichen Regelungen, insbesondere über das Auskunftsrecht des Kindes sowie dessen mögliche Kontaktaufnahme informiert werden.
Auch sollen sie über die möglichen Konsequenzen aufgeklärt werden, die DNA-Testverfahren und Gendatenbanken bieten.
Konsensusstärke: +++
Co-Elternschaft ist eine Familienform, für die bislang kaum Erfahrungswerte und keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen.
Konsensusstärke: +++
Die Beteiligten bei Familienbildung im Sinne der Co-Elternschaft sollten sich im Vorfeld zu allen (potenziellen) Implikationen ausführlich beraten lassen (auch zur juristischen Zuordnung der Elternschaft).
Konsensusstärke: +++
Die bisher vorliegenden Studien zeigen bei Kindern nach Embryonenspende/-adoption eine unauffällige Entwicklung.
Konsensusstärke: +++
Kinder nach Embryonenspende/-adoption sollten frühzeitig altersgerecht aufgeklärt werden und das Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung umsetzen können.
Eine psychosomatisch orientierte Beratung sowohl der abgebenden als auch der annehmenden Eltern soll angeboten werden. Wie bei Familienformen nach Gametenspende sollten die Beteiligten vor einer Kontaktaufnahme zwischen Kind (und Familie) und Spender/in (und Familie) auf eine psychosoziale Begleitung niedrigschwellig zurückgreifen können.
Konsensusstärke: ++
Nach prospektiven Vergleichsstudien entwickeln sich Kinder nach Eizellspende ähnlich unauffällig wie Kinder nach Spontankonzeption bzw. konventioneller ART und haben in der Regel eine stabile Eltern-Kind-Bindung. Langfristige Studien stehen noch aus.
Konsensusstärke: +++
Kinder nach Eizellspende sollen das Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung umsetzen können und sollten frühzeitig altersgerecht aufgeklärt werden.
Wie bei allen Familienformen nach Gametenspende bzw. Embryonenspende/-adoption sollten die Beteiligten vor einer Kontaktaufnahme zwischen Kind (und Familie) und Spender/in (und Familie) auf eine psychosomatisch orientierte Begleitung zurückgreifen können.
Konsensusstärke: +++
Die vorliegenden Studien weisen für Kinder nach Leihmutterschaft unter gesetzlich geregelten Bedingungen eine unauffällige Entwicklung auf. Sie haben, wie auch Kinder nach Gametenspende bzw. Embryonenspende/-adoption, Interesse an der Leihmutter, daher sollte dieser Kontakt möglich sein.
Auch für die Leihmutter selbst, ihre Kinder und die Wunscheltern, so die wenigen Studien, scheint diese Familienform dann nicht mit Problemen behaftet zu sein, wenn sie unter regulierten Bedingungen stattfindet.
Langfristige Studien stehen noch aus.
Konsensusstärke: +++
Kinder nach Leihmutterschaft sollten frühzeitig altersgerecht aufgeklärt werden.
Konsensusstärke: +++
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7 Geschlechtsinkongruenz und Fertilität
Viele Transpersonen haben im Laufe des Lebens einen Kinderwunsch.
Einige Transpersonen streben eine körperliche Veränderung entsprechend der Geschlechtsidentität mittels hormoneller und/oder operativer Behandlung an.
Die meisten hormonellen und vor allem die operativen geschlechtsangleichenden Therapieoptionen bringen eine Einschränkung oder einen zum Teil irreversiblen Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit mit sich.
Die (Langzeit-)Effekte der geschlechtsangleichenden hormonellen Behandlung auf die Fertilität sind unklar.
Es gibt keinen Hinweis auf eine Gefährdung des Wohlergehens der Kinder, die mit einem Transelternteil aufwachsen.
Konsensusstärke: +++
Transpersonen sollten Zugang zu allen Behandlungsoptionen der Reproduktionsmedizin haben.
Vor dem Beginn einer geschlechtsangleichenden Behandlung sollen alle Transpersonen bezüglich der möglichen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit und über Möglichkeiten der Fertilitätsprotektion und der Familienbildung beraten werden.
Bei Transmännern, die ihre reproduktiven Organe behalten, sollte eine Beratung bezüglich der Kontrazeption erfolgen.
Kinder, die nach Geschlechtsangleichung gezeugt werden, sollten sowohl über die Gründe, Art und Umstände der Zeugung als auch über die Geschlechtsidentität der Eltern altersgerecht informiert werden.
Es sollte ein wertschätzender Umgang mit Verwendung der gewünschten Anrede gepflegt werden. Im Rahmen von medizinischen Beratungen und/oder Behandlungen sollten geschlechtsneutrale Begriffe verwendet werden.
Medizinisches Personal sollte im Hinblick auf spezielle Belange von Transpatientinnen und Transpatienten geschult werden.
Konsensusstärke: ++
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8 Reproduktionsmedizinische Behandlung im Ausland
Es liegen bislang kaum wissenschaftliche Erkenntnisse zu Paaren und Individuen vor, die sich einer Subfertilitätsbehandlung im Ausland unterziehen. Einzelfallbeschreibungen und klinische Erfahrungen zeigen jedoch auf, dass diese Paare einen hohen medizinischen, juristischen und psychosozialen Beratungsbedarf haben.
Konsensusstärke: ++
Paare und Individuen, die eine in Deutschland verbotene Subfertilitätsbehandlung im Ausland beabsichtigen, sollten sowohl auf medizinische als auch psychosoziale Beratung in Deutschland zurückgreifen können. Daher ist es erforderlich, dass diese Beratung straffrei durchgeführt werden kann.
Wunscheltern sollten auf die unterschiedlichen juristischen Regelungen zur Subfertilitätsbehandlung im Ausland und deren Implikationen für die Familienbildung hingewiesen werden.
Konsensusstärke: ++
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9 Medien zur Information und Aufklärung
Informationsmaterialien über den Ablauf und die technischen Aspekte der Kinderwunschbehandlung helfen wahrscheinlich bei der Bewältigung der Infertilität und der Kinderwunschbehandlung. Diese Informationen können in Form von Broschüren oder Aufklärungsfilmen, aber auch in Online-Angeboten vermittelt werden. Die Effektivität dieser Formen psychosozialer Intervention sollte evaluiert werden.
Konsensusstärke: +++
Informationen zur Bewältigung der Infertilität und der Kinderwunschbehandlung sollten in aktueller Form allen Personen mit Kinderwunsch niedrigschwellig zur Verfügung gestellt werden.
Von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten sollte auf die Vorzüge des Internet (z. B. niedrigschwellige Verfügbarkeit nationaler und internationaler Leitlinien und Informationsportale) und dessen Nachteile (z. B. kaum Möglichkeiten zur Validierung anderer Informationen verfügbar) hingewiesen werden.
Konsensusstärke: +++
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10 Selbsthilfegruppen
Auch wenn zurzeit keine wissenschaftliche Evaluation der Wirksamkeit von Selbsthilfegruppen bei unerfülltem Kinderwunsch vorliegt, sollten Paare/Individuen über dieses psychosoziale Unterstützungsangebot und entsprechende Anlaufstellen informiert werden.
Konsensusstärke: +++
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The literature is listed in the long version of this guideline./Die Literatur ist der Langversion zu entnehmen.
Correspondence/Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 10 December 2020
Accepted after revision: 21 December 2020
Article published online:
13 July 2021
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