Götzinger F.
et al.;
ptbnet COVID-19 Study Group.
COVID-19 in children and adolescents in Europe: a multinational, multicentre cohort study.
Lancet Child Adolesc Health 2020;
4: 653-661
DOI:
10.1016/S2352-4642(20)30177-2
Für ihre Untersuchungen nutzten die Wissenschaftler ein bereits etabliertes Forschungsnetzwerk (Pediatric Tuberculosis Network European Trials Group/ptbnet) aus pädiatrischen Infektionsspezialisten und pädiatrischen Pulmonologen. An der multizentrischen Kohortenstudie beteiligten sich 82 Institutionen in 25 europäischen Ländern. In die Analyse flossen die Daten von 582 Kindern und Jugendlichen im Alter unter 18 Jahre ein, bei welchen zwischen dem 01. und 24. April 2020 mittels RT-PCR eine SARS-CoV-2-Infektion bestätigt worden war. Virusnachweise in jeglichen Untersuchungsmaterialien (z. B. Respirationstrakt, Blut, Stuhl, Liquor) wurden akzeptiert. Die Untersuchung konzentrierte sich dabei primär auf im Klinikumfeld betreute Patienten. Die Wissenschaftler untersuchten den klinischen Verlauf der Infizierten und prüften, welche Faktoren für eine intensivmedizinische Behandlungspflicht prädisponierten.
Ergebnisse
Das mediane Alter der Studienpatienten betrug 5 Jahre (Variationsbreite 3 Monate bis 18 Jahre) und das Geschlechterverhältnis männlich zu weiblich 1,15. 29 % der Patienten waren jünger als 12 Monate. 363 Patienten (62 %) wurden in einer Klinik und 48 (8 %) auf einer Intensivstation behandelt. Ein Viertel der Kinder und Jugendlichen (n = 145) war gesundheitlich vorbelastet (chronische Lungenerkrankungen, Malignome, neurologische Störungen, angeborene Herzfehler, Chromosomenanomalien, chronische Nierenerkrankungen) und 5 % (n = 29) standen zum Zeitpunkt der COVID-19-Diagnose unter immunsuppressiver Therapie. Das häufigste Symptom stellte Fieber dar, gefolgt von Anzeichen einer oberen bzw. unteren Atemwegsinfektion sowie gastrointestinalen Beschwerden. 92 Patienten (16 %) waren asymptomatisch. 25 Patienten (4 %) mussten mechanisch beatmet werden (mediane Beatmungsdauer: 7 Tage), 19 (3 %) benötigten Inotropika, und in einem Fall (< 1 %) erfolgte eine extrakorporale Membranoxygenierung. Die multivariate Analyse ergab: Ein Alter unter einem Monat (Odds Ratio 5,06; 95 %-KI 1,72 – 14,87), männliches Geschlecht (Odds Ratio 2,12; 95 %-KI 1,06 – 4,21), Vorerkrankungen (Odds Ratio 3,27; 95 %-KI 1,67 – 6,42) sowie Anzeichen eines unteren Atemwegsinfekts bei der Erstvorstellung (Odds Ratio 10,46; 95 %-KI 5,16 – 21,23) stellten signifikante Risikofaktoren für eine intensivmedizinische Behandlungspflicht dar. Bezüglich der eingesetzten antiviralen Medikamente zeigte sich: 7 % der Patienten erhielten Hydroxychloroquin, 3 % Remdesivir, 1 % Lopinavir/Ritonavir und 1 % Oseltamivir. Immunmodulatorische Therapiestrategien umfassten die Behandlung mit Kortikosteroiden (4 %), intravenösen Immunglobulinen (1 %), Tocilizumab (1 %), Anakinra (1 %) sowie Siltuximab (< 1 %). Insgesamt 4 Kinder – alle älter als 10 Jahre – verstarben, woraus sich eine Fallsterblichkeit von 0,69 % errechnete. Nur 25 der bei Studienende überlebenden 578 Kinder und Jugendlichen (4 %) waren anhaltend symptomatisch oder benötigten eine respiratorische Unterstützung.
COVID-19 nimmt im Kindes- und Jugendalter meist einen leichteren Verlauf als im Erwachsenenalter und Todesfälle sind selten, schlussfolgern die Wissenschaftler. Dennoch entwickelt ein gewisser Anteil der Infizierten eine schwere Erkrankung mit Intensivbehandlungs- und Beatmungspflicht. Eine große Unsicherheit besteht im Hinblick auf die Therapieoptionen, meinen die Forscher. Weitere Daten zu antiviralen und immunmodulatorischen Wirkstoffen seien daher dringend erforderlich.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell