Pneumologie 2021; 75(07): 531-535
DOI: 10.1055/a-1362-4996
Fallbericht

Kongenitale Pulmonalarterienstenosen als seltene Ursache einer pulmonalen Hypertonie

Congenital Pulmonary Artery Stenoses as a Rare Cause of Pulmonary Hypertension
Z. Kovacs
1   Ruhrlandklinik, Abt. Pneumologie, Universitätsmedizin Essen, Universität Duisburg-Essen
,
S. Guth
2   Kerckhoff-Klinik, Abt. Thoraxchirurgie, Bad Nauheim
,
D. Fistera
1   Ruhrlandklinik, Abt. Pneumologie, Universitätsmedizin Essen, Universität Duisburg-Essen
,
C. Taube
1   Ruhrlandklinik, Abt. Pneumologie, Universitätsmedizin Essen, Universität Duisburg-Essen
,
C. B. Wiedenroth
2   Kerckhoff-Klinik, Abt. Thoraxchirurgie, Bad Nauheim
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Kongenitale Pulmonalarterienstenosen sind eine seltene Ursache der pulmonalen Hypertonie (PH). Die Erkrankung wird in ihrer Häufigkeit vermutlich unterschätzt, und sie sollte in der Abklärung einer PH bedacht werden.

Die Vorstellung einer 43-jährigen Patientin erfolgte zur Therapieoptimierung und Evaluation einer möglichen Lungentransplantation mit der Arbeitsdiagnose kongenitale Pulmonalarterienstenosen.

Die Patientin beklagte eine seit der frühen Kindheit bestehende Belastungsdyspnoe aktuell entsprechend WHO-FC-Klasse II–III.

Die Krankengeschichte zeigte die Erstdiagnose einer primären pulmonalarteriellen Hypertonie (IPAH) vor 17 Jahren. Es erfolgte eine PH-spezifische Medikation in wechselnden Kombinationen. Im Rahmen eines Zentrumswechsels erfolgte eine Reevaluation, und bei Nachweis eines typischen Mismatch mit normaler Ventilation, jedoch keilförmig gestörter Perfusion in der Lungenszintigrafie wurde eine chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) vermutet. Die Pulmonalis-Angiografie zeigte ausschließlich subsegmental gelegene Stenosierungen sowie Gefäßabbrüche mit korrespondierenden Minderperfusionen, passend zu einer CTEPH. Im Rahmen der ersten Intervention erfolgte aufgrund der ungewöhnlichen Morphologie der pulmonalarteriellen Läsionen eine Erweiterung der Diagnostik mittels optischer Kohärenztomografie (OCT). Bei der Patientin fand sich kein endoluminales Material, jedoch eine kräftige Gefäßwand. Damit wurde die Diagnose einer pumonalen Hypertonie bei kongenitalen Pulmonalarterienstenosen mit In-situ-Thrombosierung gestellt.


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Abstract

A 43-year-old female patient was admitted to our hospital with the diagnosis of congenital pulmonary artery stenosis with pulmonary hypertension (PH). 17 years ago, primary pulmonary hypertension was diagnosed, and alternating combinations of PH-targeted medications were administered.

When switching to another PH center 3 years ago, the patient was reevaluated and the VQscan showed mismatched perfusion defects leading to the suspicion of chronic thromboembolic pulmonary hypertension (CTEPH). Computed tomography, as well as conventional angiography of the pulmonary artery, demonstrated intraluminal abrupt vessel narrowing and subsegmental vascular obstructions corresponding to perfusion defects in the VQscan. Despite some unusual morphology, these findings were interpreted as a peripheral form of CTEPH. Therefore, balloon pulmonary angioplasty was considered.

To further evaluate the uncommon morphology, optical coherence tomography was used in the first intervention. No intraluminal webs or bands were found, just a thickening of the vascular wall. This led to the diagnosis of pulmonary hypertension caused by congenital pulmonary artery stenosis with in situ thrombosis.


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Kasuistik

Kongenitale Pulmonalarterienstenosen sind eine seltene Ursache für die Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie (PH) [1]. Die Erkrankung wird in ihrer Häufigkeit vermutlich unterschätzt, und sie sollte in der Abklärung einer PH bedacht werden [2] [3].

Anamnese

Die Vorstellung einer 43-jährigen Patientin erfolgte zur Therapieoptimierung und Evaluation einer möglichen Lungentransplantation mit der Arbeitsdiagnose kongenitale Pulmonalarterienstenosen.

Die Patientin beklagte eine seit der frühen Kindheit bestehende Belastungsdyspnoe mit Zunahme in den letzten Jahren, aktuell entsprechend WHO-FC-Klasse II–III, daneben rechtsthorakale Schmerzen mit Palpitationen. Synkopen und Hämoptysen wurden verneint.

Die körperliche Untersuchung zeigte einen Halsvenenpuls und eine gering ausgeprägte Lippenzyanose.

In der Krankengeschichte fand sich vor 17 Jahren die Erstdiagnose einer primären pulmonalen Hypertonie. Es wurde eine PH-spezifische Medikation in wechselnden Kombinationen (Sildenafil, Treprostinil, Macitentan und Selexipag) eingesetzt. Im Rahmen eines Zentrumswechsels erfolgte eine Reevaluation, und bei Nachweis eines typischen Mismatch-Befundes in der Lungenszintigrafie mit normaler Ventilation und keilförmig gestörter Perfusion ([Abb. 1]) wurde eine chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) vermutet. Hinweise auf eine Thrombophilie oder ein thromboembolisches Geschehen ergaben sich nicht. Die Pulmonalis-Angiografie zeigte ausschließlich subsegmental gelegene Stenosierungen sowie Gefäßabbrüche mit korrespondierenden Minderperfusionen ([Abb. 2]), passend zu einer CTEPH. Aufgrund der peripheren Lokalisation kam eine pulmonale Endarteriektomie nicht infrage, jedoch fanden sich Zielgebiete für eine pulmonale Ballonangioplastie. Im Rahmen der ersten Intervention erfolgte aufgrund der vergleichsweise ungewöhnlichen Morphologie der pulmonalarteriellen Läsionen eine Erweiterung der Diagnostik mittels optischer Kohärenztomografie (OCT). Hier zeigen sich bei CTEPH typischerweise endoluminal gelegene, netzwerkartige Narbenfasern ([Abb. 3]). Bei der Patientin fand sich kein endoluminales Material, jedoch eine kräftige Gefäßwand ([Abb. 4]). Damit wurde die Diagnose einer pulmonalen Hypertonie bei kongenitalen Pulmonalarterienstenosen mit In-situ-Thrombosierung gestellt. Die weitere Diagnostik erbrachte keinen Hinweis auf eine syndromale Erkrankung (wie z. B. Williams-Beuren-Syndrom oder Rötelnembryopathie). Aufgrund von Komplikationen und ausbleibender Besserung wurde die interventionelle Therapie beendet. Die Patientin wurde weiterhin mit Rivaroxaban antikoaguliert, die Therapie mit Tadalafil wurde beendet.

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Abb. 1 Lungenszintigrafie mit keilförmig gestörter Perfusion.
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Abb. 2 Pulmonalis-Angiografie mit ausschließlich subsegmental gelegenen Stenosierungen sowie Gefäßabbrüchen.
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Abb. 3 Diagnostik mittels optischer Kohärenztomografie (OCT): bei CTEPH typischerweise endoluminal gelegene, netzwerkartige Narbenfasern (kurze Pfeile). Die langen Pfeile weisen auf die Gefäßwand hin.
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Abb. 4 Diagnostik mittels optischer Kohärenztomografie (OCT): kein endoluminales Material, kräftige Gefäßwand (lange Pfeile).

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Klinische Untersuchung

Zur Risikostratifizierung erfolgte die Bestimmung der funktionellen Parameter. Mit einer Gehstrecke von 470 m (77 %) im 6-Minuten-Gehtest und typischem pulmonalvaskulärem Muster in der Spiroergometrie (VO2-Peak von 11,5 ml/min/kg [45 %], steiler VE/VCO2-Slope, reduziertes PETCO2, pathologische AaDCO2, siehe [Abb. 5]) zeigte sich eine mittelschwere Einschränkung unter Belastung.

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Abb. 5 Spiroergometrie mit typischem pulmonalvaskulären Muster.

Echokardiografisch fanden sich Zeichen einer mäßigen Rechtsherzbelastung (PAPs 54 mmHg). Das BNP war mit 94 pg/ml altersentsprechend leicht erhöht. Hämodynamisch konnten ein mittlerer rechtsatrialer Druck von 12 mmHg, ein Herzindex von 2 l/min/m2 und eine gemischt-venöse Sättigung von 64 % dokumentiert werden. In Zusammenschau der Befunde bestand ein mittleres Risiko [4] (KKK-Risikostratifizierung modifiziert nach Leuchte HH et al.) bez. der geschätzten 1-Jahres-Mortalität. Nach dem REVEAL-Score [5] bestand eine LOW-Risk-Konstellation mit 7 Punkten.

Entsprechend der Vorbefunde wurde damit ein stabiler klinischer und hämodynamischer Verlauf über 2 Jahre erhoben. Somit ergab sich keine Indikation für eine Therapieeskalation.


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Diskussion

Der Fall zeigt eindrücklich, wie schwierig und langwierig die Diagnosestellung von kongenitalen Pulmonalarterienstenosen sein kann. Besonders hervorzuheben ist die Anamnese der bereits seit früher Kindheit bestehenden Belastungseinschränkung. Die weiterführende bildgebende Diagnostik wies auf das Vorliegen einer CTEPH hin, welche jedoch mittels OCT [6] ausgeschlossen werden konnte.

Bei nativen Gefäßstenosen sollten syndromale Krankheitsbilder wie Williams-Beuren (WBS)-, Alagille-, Noonan-Syndrom und Rötelnembryopathie ausgeschlossen werden [1]. Vorangegangene Operation nach einem angeborenen Herzfehler inkl. pulmonalarterieller Rekonstruktion bilden u. a. die Ursachen erworbener Stenosen [1]. Im jungen Erwachsenenalter kommen systemische Inflammationserkrankungen wie Takayasu-Arteriitis und M. Behçet mit dem Bild einer pulmonalen Arteriitis infrage [2]. In unserem Fall lag keine der o. g. Erkrankungen vor, im kardialen MRT konnte lediglich eine leichtgradige Aortenisthmusstenose bestätigt werden. Obwohl beide Stenoseformen selten sind, sind kombinierte Fälle sowohl syndromal (WBS) als auch ohne syndromale Erkrankung beschrieben [7].

Das klinische Spektrum der Stenosierung kann von Beschwerdefreiheit bis zu Zeichen einer rechtsventrikulären Dekompensation reichen.

Eine kausale medikamentöse Behandlung peripherer Stenosen ist nicht möglich [1]. Mit Ballonangioplastie sowie der Stentimplantation stehen interventionelle Therapiemöglichkeiten zur Verfügung [8]. Die besten Ergebnisse werden bei isolierten zentralen Stenosen erreicht, die am schwierigsten zu behandelnde Subgruppe bilden die peripheren Pulmonalstenosen im Bereich der Segment- und Subsegmentarterien [1].

Nach den aktuellen ESC-Leitlinien bilden angeborene periphere Pulmonalstenosen die Gruppe 4.2.4 [9].

Bei Progredienz wäre im vorliegenden Fall eine Listung zur Lungentransplantation die einzige verbleibende Therapieoption.


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Interessenkonflikt

Z. Kovacs hat Beratungshonorare von GSK erhalten.
S. Guth hat Vortragshonorare von Actelion, Bayer, GSK, MSD und Pfizer erhalten.
D. Fistera hat Vortragshonorare von Acetilon und Beratungshonorare von GSK erhalten.
C. B. Wiedenroth hat Vortrags- und/oder Beratungshonorare von Actelion, AOP Orphan Pharmaceuticals AG, Bayer AG, BTG, MSD, und Pfizer erhalten.
Prof. C.Taube erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Bertram H, Schneider M, Horke A. Krankheitsbezeichnung: Periphere Pulmonalarterienstenosen. AWMF online; 2018 AWMF-Register Nr. 023/035 Klasse S2k
  • 2 Tonelli AR, Ahmed M, Hamed F. et al. Peripheral pulmonary artery stenosis as a cause of pulmonary hypertenison in adults. Pulm Circ 2015; 5: 204-210
  • 3 Grosse-Brockhoff F. Periphere Pulmonalstenose. Schweiz. Kard. Ges., Sitzung 10. Juni 1960, Zermatt. Cardiologia 1961; 38: 142-150
  • 4 Leuchte HH, Ten Freyhaus H, Gall H. et al. Pulmonal artierelle Hypertonie: Risikostratifizierung und Verlaufskontrollen bei PAH-Patienten – Empfehlungen der KKK. Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: S19-S25
  • 5 Benza RL, Gomberg-Maitland M, Miller DP. et al. The REVEAL Registry risk score calculate newly diagnosed with pulmonary arterial hypertension. Chest 2012; 141: 354-362
  • 6 Domingo N, Grignola JC, R.Aguilar R. et al. In Vivo Assessment of Pulmonary Arterial Wall Fibrosis by Intravascular Optical Coherence Tomography in Pulmonary Arterial Hypertension. Open Respir Med J 2013; 7: 26-32
  • 7 Kahr PC, Gupta SK, Kothari SS. et al. Classical Supravalvar Aortic Stenosis and Peripheral Pulmonary Stenosis Images Paediatr. Cardiol 2014; 16: 1-4
  • 8 Inglessis I, Landzberg MJ. Interventional catheterization in adult congenital heart disease. Circulation 2007; 115: 1622-163
  • 9 Galiè N, Humbert M, Vachiery J. et al. 2015 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary Hypertension. Eur Heart J 2016; 37: 67-119

Korrespondenzadresse

Dr. Zsofia Kovacs
Ruhrlandklinik, Abt. Pneumologie
Universitätsmedizin Essen
Universität Duisburg-Essen
Tüschener Weg 40
45239 Essen
Deutschland   

Publication History

Received: 27 December 2020

Accepted: 18 January 2021

Article published online:
08 March 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Bertram H, Schneider M, Horke A. Krankheitsbezeichnung: Periphere Pulmonalarterienstenosen. AWMF online; 2018 AWMF-Register Nr. 023/035 Klasse S2k
  • 2 Tonelli AR, Ahmed M, Hamed F. et al. Peripheral pulmonary artery stenosis as a cause of pulmonary hypertenison in adults. Pulm Circ 2015; 5: 204-210
  • 3 Grosse-Brockhoff F. Periphere Pulmonalstenose. Schweiz. Kard. Ges., Sitzung 10. Juni 1960, Zermatt. Cardiologia 1961; 38: 142-150
  • 4 Leuchte HH, Ten Freyhaus H, Gall H. et al. Pulmonal artierelle Hypertonie: Risikostratifizierung und Verlaufskontrollen bei PAH-Patienten – Empfehlungen der KKK. Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: S19-S25
  • 5 Benza RL, Gomberg-Maitland M, Miller DP. et al. The REVEAL Registry risk score calculate newly diagnosed with pulmonary arterial hypertension. Chest 2012; 141: 354-362
  • 6 Domingo N, Grignola JC, R.Aguilar R. et al. In Vivo Assessment of Pulmonary Arterial Wall Fibrosis by Intravascular Optical Coherence Tomography in Pulmonary Arterial Hypertension. Open Respir Med J 2013; 7: 26-32
  • 7 Kahr PC, Gupta SK, Kothari SS. et al. Classical Supravalvar Aortic Stenosis and Peripheral Pulmonary Stenosis Images Paediatr. Cardiol 2014; 16: 1-4
  • 8 Inglessis I, Landzberg MJ. Interventional catheterization in adult congenital heart disease. Circulation 2007; 115: 1622-163
  • 9 Galiè N, Humbert M, Vachiery J. et al. 2015 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary Hypertension. Eur Heart J 2016; 37: 67-119

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Abb. 1 Lungenszintigrafie mit keilförmig gestörter Perfusion.
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Abb. 2 Pulmonalis-Angiografie mit ausschließlich subsegmental gelegenen Stenosierungen sowie Gefäßabbrüchen.
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Abb. 3 Diagnostik mittels optischer Kohärenztomografie (OCT): bei CTEPH typischerweise endoluminal gelegene, netzwerkartige Narbenfasern (kurze Pfeile). Die langen Pfeile weisen auf die Gefäßwand hin.
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Abb. 4 Diagnostik mittels optischer Kohärenztomografie (OCT): kein endoluminales Material, kräftige Gefäßwand (lange Pfeile).
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Abb. 5 Spiroergometrie mit typischem pulmonalvaskulären Muster.