Hintergrund
Das SARS-CoV-2-Virus wird vorwiegend über Aerosole übertragen, die durch die Atmung infizierter Patienten abgegeben werden. Hierbei spielen vor allem kleine Partikel (< 1 µm) eine Rolle, da sie lange im Schwebezustand bleiben und sich so in der Luft anreichern können [1]. Im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie kam es zu Versorgungsengpässen mit partikelfilternden Schutzmasken. Die EN 149 2009-08 ist die in Deutschland gültige europäische Norm [2]. Diese teilt die partikelfilternden Halbmasken in FFP (filtering face piece) in 3 Klassen ein. Dabei muss eine FFP1-Maske im entsprechenden Testverfahren der Norm mindestens 80 % der Partikel, eine FFP2-Maske mindestens 94 % der Partikel und eine FFP3-Maske mindestens 99 % der Partikel abfiltern [2]. Das Prüfverfahren für die Filterleistung regelt die DIN EN 13274-7:2019-09. Bei der Prüfung werden Aerosole mit einem Durchmesser von 0,06 – 0,1 µm und einer geometrischen Standardabweichung zwischen 2 und 3 verwendet. Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt beim Umgang mit infizierten Patienten mindestens die Anwendung von FFP-Masken der Stufe 2 [3]. Um partikelfiltrierende Halbmasken rechtmäßig in Europa in den Verkehr zu bringen, muss für diese ein Konformitätsbewertungsverfahren gemäß PSA (Persönliche Schutzausrüstung-)Verordnung (EU) 2016/425 durchgeführt werden [4]. Im Rahmen der Unterversorgung wurde mit der Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie (Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung – MedBVSV) die Möglichkeit geschaffen, bestimmte Schutzgüter ausnahmsweise auch dann auf dem deutschen Markt bereitzustellen, wenn sie die vorgesehenen Konformitätsbewertungsverfahren nicht vollständig durchlaufen haben. Dieses Verfahren ersetzt keine Konformitätsbewertung nach der PSA-Verordnung (EU) 2016/425. Deshalb dürfen an diese Produkte keine CE-Kennzeichnung aufgrund des beschleunigten Verfahrens angebracht werden [5]. Dieses Zulassungsverfahren war bis zum 1. 10. 2020 gültig. Durch die Möglichkeit dieses Verfahrens kam es zu einer Verfügbarkeit von partikelfilternden Halbmasken mit den jeweiligen Zulassungsnormen der Herkunftsländer. Daher findet man auf dem deutschen Markt aktuell Produkte mit der amerikanischen Zulassung (N95 [United States NIOSH-42CFR84]), der Zulassung Australiens und Neuseelands (AS/NZA 1716:2012), der japanischen Zulassung (JMHLW-Notification 214, 2018), der chinesischen Zulassung (KN95 [China GB2626-2006]) und der südkoreanischen Zulassung (KMOEL-2017- 64) [6]. In einer Meldung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) vom 31. 7. 2020 entsprechen in ca. 20 % des gelieferten Volumens die Schutzmasken nicht den (insbesondere bei FFP- Masken relativ hohen) Normanforderungen [7]. Die Rationale unserer Studie war es, die Filtrationsleistung von partikelfilternden Masken, die unsere Klinik auf unterschiedlichen Wegen erreicht haben, zu messen.
Methode
Der Einkaufleiter der Klinik hat am 25. 11. 2020 alle partikelfilternden Halbmasken identifiziert, von denen zum Stichtag noch mindestens 500 Einheiten verfügbar waren.
Filtrationsmessung
Die Filtrationsleistung wurde mittels radioaktiver Aerosole untersucht.
Zu diesem Zweck wurde isotonische Kochsalzlösung (0,9 %) mit 150 MBq 99mTc-Diethylentriaminpentaacetat (DTPA) pro ml mit einem Pari LC Sprint Star-Vernebler (Pari, Starnberg, Deutschland) in einer luftdichten Plastikbox (Iris 70 L, Modell Nr. 135455; IRIS Ohyama, Sendai, Japan) vernebelt. Nach einer Verneblungsdauer von 20 Sekunden wurden die Partikel mittels zweier Lüfter homogen in der Box verteilt und 30 Sekunden lang getrocknet. Wasser aus dem Partikel evaporiert innerhalb weniger Sekunden (< 5 Sekunden bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 50 % und < 10 Sekunden bei relativer Luftfeuchtigkeit von 90 %) [8]. Das vom Pari LC Sprint Star-Vernebler abgegeben Aerosol hat einen Mass Median Aerodynamic Diameter MMAD von 2,8 µm mit einer geometrischen Standardabweichung von 2 µm. Die zuvor beschriebene Evaporation führt somit zu einem Teilchenspektrum von 0,6 ± 0,4 µm MMAD. Die Box enthält eine Klemmvorrichtung für das Maskentuch (Maskenport) ([Fig. 1 c]) mit einer Fläche von 49 cm2 und für einen zweiten Referenzport ohne Filter. Die Testbox wurde mit insgesamt vier 22-mm-Anschlüssen versehen, die luftdicht in der Vorderseite der Box eingeklebt wurden ([Fig. 1 b, c]).
Abb. 1 Versuchsaufbau der verschließbaren Testbox. Port 1 dient der Aerosolverneblung. Die radioaktiven Partikel, die über Port 2 (Maskenport) und Port 3 (Referenzport) durch das Betätigen der Lunge strömen, werden am Ausgang der Box durch partikeldichte Filter abgefangen. Port 4 dienst der freien Luftzirkulation (Druckausgleich) beim Betätigen der künstlichen Lunge.
Port 1 wird zum Anschließen des Pari-Verneblers verwendet. Port 2 war innen an den Ausgang der Aufspannvorrichtung angeschlossen (Maskenport), und Port 3 war innen mit dem ungefilterten Referenzport verbunden. Von außen waren die Ports 2 und 3 mit einer künstlichen Zweikammer-Lunge (dual adult test lung model 5600i; Michigan Instruments, Kentwood, MI, USA) verbunden, deren Kammern blockiert waren und sich synchron bewegten ([Fig. 1 a])
Port 4 war nur mit einem Filter ausgestattet und diente dem Druckausgleich bei der Betätigung der künstlichen Lunge. Nach Trocknung der Partikel wird die künstliche Lunge jeweils 10-mal innerhalb von 50 Sekunden mit jeweils einem Liter Hubvolumen betätigt. Das radioaktive Aerosol wird am Maskenport und am Referenzport mittels Filtern aufgefangen (Iso-Gard #19212, Teleflex Medical GmbH, Felbach, Germany). Zuvor konnte mittels zweier hintereinander geschalteter Filter gezeigt werden, dass die gesamte Radioaktivität der Partikel im ersten Filter verbleibt. Die Radioaktivität in den Filtern wird mit einer Gammakamera (ECAM Scintron; Medical Imaging Electronics GmbH, Seth, Deutschland) über jeweils eine Minute gemessen. Die Hintergrundaktivität wird dabei jeweils vom Messergebnis des Maskenports und des Referenzports abgezogen. Das Verhältnis von Maskenport zu Referenzport (M/R) entspricht dem Prozentrang der Partikel, die die Maske passiert haben, 1-M/R entspricht der Filterleistung in Prozent. Von jedem Maskentyp wurden insgesamt drei Masken geprüft. Der beschriebene Versuchsaufbau wurde bereits zuvor verwendet und publiziert [9].
Statistik
Die deskriptive Statistik und die grafische Darstellung der Messergebnisse erfolgte mit SPSS (Version 26, IBM, Armonk, USA). Auf eine statistische Untersuchung der Unterschiede wurde verzichtet, da alleine das Erreichen des kritischen Schwellenwertes der ISO EN 149 A1:2009 für FFP2-Masken von 94 % entscheidend für die Bewertung ist.
Ergebnisse
Zum Stichtag (26. 11. 2020) wurden 15 verschiedene partikelfiltrierende Halbmasken identifiziert, von denen mindestens 500 Exemplare verfügbar waren, die in zufälliger Reihenfolge mit den Buchstaben A – O gekennzeichnet wurden.
Boxplots aus den jeweils 3 Messungen pro Maske sind in [Abb. 2] dargestellt:
Abb. 2 Filtrationsleistung der jeweiligen Maske in %. Die rote Linie liegt bei 94 %, was der Mindestleistung einer FFP2-Maske nach EN 149 entspricht.
Die [Abb. 3 – 7] zeigen die Masken mit Verpackung, die auf den Masken abgedruckte Norm bzw. CE-Kennung, den Herstellernachweis sowie die individuellen Messergebnisse:
Abb. 3 Masken mit Verpackung, Norm bzw. CE-Kennung, Herstellernachweis sowie individuelle Messergebnisse.
Abb. 4 Masken mit Verpackung, Norm bzw. CE-Kennung, Herstellernachweis sowie individuelle Messergebnisse.
Abb. 5 Masken mit Verpackung, Norm bzw. CE-Kennung, Herstellernachweis sowie individuelle Messergebnisse.
Abb. 6 Masken mit Verpackung, Norm bzw. CE-Kennung, Herstellernachweis sowie individuelle Messergebnisse.
Abb. 7 Masken mit Verpackung, Norm bzw. CE-Kennung, Herstellernachweis sowie individuelle Messergebnisse.
Diskussion
Die Messungen zeigten, dass 5 von 15 Masken (33 %) die FFP2-Norm nicht erfüllt haben. Auf all diesen Masken oder Verpackungen war entweder die Europäische Din EN 149 oder die Chinesische Norm GB 2626- 2006 aufgedruckt, 2 Masken waren sogar mit beiden Normen versehen. Die Kennzeichnung KN gemäß GB 2626- 2006 garantiert dabei eine Filterleistung von mindestens 95 %. Vier der Masken hatten ein CE-Zeichen, wobei 2-mal die 4-stellige Nummer der Prüfstelle fehlte. Nach Anhang VII 6.1. der Verordnung (EU) 2016/425 ist der Hersteller verpflichtet, die CE-Kennzeichnung und die Kennnummer der notifizierenden Stelle zusätzlich zu der CE-Kennzeichnung auf das Produkt mit aufzubringen [10]. Sowohl die chinesische Norm GB2626-2006 als auch die europäische Norm EN 149:2001+A1:2009 bzw. EN 13274- 7 messen die Filtrationsleistung mit Partikeln von einer Größe unter 0,3 µm. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Normierung (DIN) sind die beiden Normen miteinander vergleichbar [11]. Da unsere Messungen mit einer Partikelgröße von 0,6 µm MMAD durchgeführt wurden, wird die gemessene Filterleistung im Vergleich zur europäischen und chinesischen Norm eher überschätzt, da kleinere Partikel den Filter noch leichter hätten penetrieren können. Die 4 Masken (Kennung C, F, G und I) fallen dabei nicht nur durch eine schlechte Filterleistung, sondern auch durch eine hohe Standardabweichung der Messergebnisse auf ([Abb. 2]). Dies kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass bei diesen Produkten zusätzlich stärkere Qualitätsschwankungen vorliegen. Welche Zulassungsverfahren die getesteten Masken im Einzelnen durchlaufen haben, ist für den Endverbraucher nicht eindeutig nachvollziehbar. CE-zertifizierte Masken jedoch sollten von einer zugelassenen Prüfstelle nach den Vorgaben der europäischen Norm EN 149:2001+A1:2009 bzw. EN 13274- 7 untersucht worden sein. Zwei der Masken mit unzureichender Filterleistung trugen ein vollständiges CE-Kennzeichen der Prüfstellen CE 1282 und CE 2797 Die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik warnt auf ihrer Internetseite aktuell vor Zertifikaten der Prüfstellen ECM (CE 1282) und ICR (CE 2703), da diese Prüfstellen nicht über eine Zulassung zur Prüfung von persönlicher Schutzausrüstung verfügen [12]. Die Prüfstelle CE 2797 wird hier jedoch nicht erwähnt. Alle Prüfstellen und deren Zulassungen können auf den Internetseiten der European Commission eingesehen werden [13]. Wir haben am 26. 11. 2020 dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Sicherheitsmeldung zugestellt und unsere Messergebnisse dort zur Verfügung gestellt.
Schlussfolgerung
Ein Drittel der von uns untersuchten Masken hatten eine Filterleistung von weniger als 94 % und erreichen somit nicht den FFP2-Standard, obwohl die Kennzeichnungen der Masken dies vermuten ließen. Natürlich konnten wir nur einen Bruchteil der auf dem Markt verfügbaren Masken testen, die Quote der unzureichenden Masken ist dennoch besorgniserregend.
Um unser medizinisches Personal während der Corona-Pandemie effektiv schützen zu können, ist eine stringente Prüfung und Zulassung von medizinischer Schutzausrüstung durch die Zulassungsbehörden dringend angeraten.