Pneumologie 2021; 75(05): 329
DOI: 10.1055/a-1370-2260
Pneumo-Fokus

COVID-19: Baricitinib in der stationären Therapie

Kalil AC. et al.
Baricitinib plus Remdesivir for Hospitalized Adults with Covid-19.

N Engl J Med 2021;
384: 795-807
 

    Verläuft eine COVID-19-Erkrankung schwer, liegt vermutlich eine Dysregulation des Immunsystems zugrunde. Therapeutisch kommt daher die Prävention einer Hyperinflammation in Betracht. Vor diesem Hintergrund könnte der selektive Januskinase-1/2-Inhibitor Baricitinib das klinische Outcome von Patienten mit COVID-19 verbessern. Positive Ergebnisse erwiesen sich in 3 Fallstudien; nun unternahm eine Forschergruppe eine kontrollierte Studie zu dieser Frage.


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    Infolge der selektiven Hemmung der Januskinasen 1 und 2 beeinflusst Baricitinib die entsprechenden intrazellulären Signalwege, die bekanntermaßen bei COVID-19 verstärkt ablaufen: Der Inhibitor drosselt u. a. die Interleukine 2, 6 und 10, Interferon-γ sowie den Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor (GM-CSF), wirkt dem Eintritt von SARS-CoV-2 in die Zelle entgegen und erhöht die Lymphozytenkonzentrationen bei infizierten Patienten. Gemäß eines auf künstlicher Intelligenz basierenden Algorithmus wurde Baricitinib eine potenzielle Wirksamkeit bei COVID-19 zugesprochen.

    Remdesivir hatte sich bereits in der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie ACTT-1 in der Therapie von COVID-19 als effektiv erwiesen. Mit der hier beschriebenen randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie ACTT-2 wollten die Autoren prüfen, ob die Kombination mit Baricitinib der alleinigen Gabe von Remdesivir überlegen ist. Beim Design von ACTT-2 war auch der Hersteller von Baricitinib, Elli Lilly, beteiligt.

    An der Studie nahmen von Mai 2020 bis Juli 2020 aus 8 Ländern insgesamt 67 Kliniken teil – hauptsächlich in den USA, aber auch Singapur, Südkorea, Mexiko und mit je einer Klinik Japan, Spanien, Großbritannien und Dänemark. In einer 1:1-Randomisierung erhielten Erwachsene mit COVID-19 neben der „supportive care“ inklusive Thromboseprophylaxe entweder nur Remdesivir i. v. (plus Placebo) in einer Dosis von 200 mg, gefolgt von 100 mg täglich über 10 Tage oder zusätzlich Baricitinib. Letzteres wurde oral bzw. über eine Magensonde in einer Dosis von 4 mg täglich über 14 Tage verabreicht. Sofern in der betreffenden Klinik ein schriftliches Therapieprotokoll für COVID-19 vorlag, wurden die dort genannten zusätzlich Maßnahmen (auch off label) durchgeführt. Gab es kein solches Protokoll, waren additive spezifische Behandlungen nicht erlaubt, darunter die Off-label-Gabe von Glukokortikoiden.

    Insgesamt erhielten 515 Patienten die Kombinationstherapie und 518 nur Remdesivir. Das Durchschnittsalter lag bei 55,4 Jahren. Primärer Endpunkt war die Zeitdauer bis zur deutlichen Erholung (erstmals 1–3 Punkte auf einer 8-Punkte-Skala); sekundär wurde der klinische Status an Tag 15 gewertet. Unter Baricitinib trat im Median nach 7 Tagen eine deutliche Verbesserung ein (95 %-Konfidenzintervall 6–8 Tage); bei der Kontrollgruppe dauerte dies im Median 8 Tage (95 %-KI 7–9 Tage). Damit ergab sich eine Rate Ratio von 1,16 (95 %-KI 1,01–1,32) bei einer Signifikanz von p = 0,03. Im Hinblick auf den sekundären Endpunkt lag die Wahrscheinlichkeit, sich bis Tag 15 klinisch zu verbessern, für die mit der Kombination behandelten Patienten um 30 % höher als für die Kontrollgruppe (Odds Ratio 1,3; 95 %-KI 1,0–1,6). Die Patienten, die zum Zeitpunkt der Rekrutierung High-Flow-Sauerstoff benötigten bzw. nichtinvasiv beatmet wurden, erholten sich unter Baricitinib im Median nach 10 Tagen klinisch; die andere Gruppe brauchte dafür 18 Tage. Auch die Mortalität lag unter der Kombination niedriger – allerdings besaß die Studie für diesen Endpunkt nicht genügend statistische Power: nach 28 Tagen waren hier 5,1 % der Patienten gestorben, während es in der Kontrollgruppe 7,8 % waren (Hazard Ratio 0,65; 95 %-KI 0,39–1,09). Baricitinib wurde im Vergleich gut vertragen: Sowohl schwere unerwünschte Wirkungen (16 % vs. 21 %) als auch Zweitinfektionen (5,9 % vs. 11,2 %) traten unter der Kombination seltener auf.

    Fazit

    Insbesondere bei COVID-19-Patienten mit Sauerstoffbedarf kam es unter der zusätzlichen Gabe von Baricitinib im Vergleich zu Remdesivir allein zu einer rascheren klinischen Erholung. In Bezug auf die Mortalität ergab sich eine positive Tendenz für die Kombinationstherapie. Baricitinib plus Remdesivir wurde besser vertragen als die Monotherapie; das Risiko einer nötigen invasiven Beatmung sank unter der Kombination. Das orale Medikament eignet sich v. a. auch für weniger „reiche“ Länder, so die Autoren.

    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen


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    Publication History

    Article published online:
    03 May 2021

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