Pneumologie 2021; 75(05): 330-331
DOI: 10.1055/a-1370-2294
Pneumo-Fokus

Anti-IL-6-Antikörper gegen COVID-19?

Salama C. et al.
Tocilizumab in Patients Hospitalized with Covid-19 Pneumonia.

New Engl J Med 2021;
384: 20-30
 

    Ein immunologisches Merkmal der COVID-19-Erkrankung ist die Hyperinflammation bzw. Dysregulation des Immunsystems. Dabei gehen hohe Interleukin-6-Spiegel einigen Studien zufolge einher mit einem erhöhten Risiko für eine mechanische Beatmung. Laut erster Beobachtungsstudien kann der monoklonale Antikörper gegen den IL-6-Rezeptor, Tocilizumab, den Verlauf von COVID-19 verbessern. Randomisierte Studien ergaben hier bisher jedoch widersprüchliche Ergebnisse.


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    Vor dem Hintergrund erster positiver Ergebnisse zu Tocilizumab bei COVID-19 unternahmen Salama et al. eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie. Die Probanden waren hospitalisiert, aber nicht mechanisch beatmet. In der Studie „Evaluating Minority Patients with Actemra" (EMPACTA; finanziert von Genentech) wurden bewusst möglichst verschiedene Ethnien berücksichtigt, da vielen epidemiologischen Daten zufolge gerade Menschen hispanischer oder afroamerikanischer Herkunft ein rund 4-fach höheres Risiko als Menschen weißer Hautfarbe haben, wegen COVID-19 stationär behandelt werden zu müssen, und auch gehäuft an dieser Infektion versterben. Eingeschlossen wurden erwachsene Patienten mit PCR-bestätigter SARS-CoV-2-Infektion sowie entsprechendem radiologischem Befund. Die Sauerstoffsättigung im Blut lag bei < 94 %; die rekrutierten Patienten erhielten jedoch (noch) keine Atemunterstützung. Alle wurden mit einer Standardtherapie behandelt, ggf. einschließlich antiviraler Medikation oder systemischen Steroiden in begrenzter Dosis. Patienten mit anderen aktiven Infektionen oder HIV oder solche, deren Tod unmittelbar bevorstand, wurden ausgeschlossen.

    In einem Verhältnis von 2:1 erhielten in der modifizierten Intention-to-treat Gruppe 377 Patienten neben der Standardtherapie 1- oder 1-mal 8 mg Tocilizumab/kg Körpergewicht intravenös (249 Patienten) oder Placebo (128 Patienten). In Bezug auf die Ethnie waren 56 % der Patienten hispanischer/lateinamerikanischer Herkunft, 14,9 % Afroamerikaner, 12,7 % indigener Abstammung (auch Alaskas), 12,7 % waren nicht-hispanische Personen weißer Hautfarbe, und bei 3,7 % war die Ethnie nicht bekannt. Diese Verteilung ergab sich daraus, dass für die Studie Klinikzentren ausgewählt worden waren, die Patienten mit hohem Risiko und aus Minderheiten betreuen. Mehr als 25 % waren > 65 Jahre alt, und > 75 % der Patienten litten an mindestens einer Vorerkrankung. Demografische Daten sowie Parameter der COVID-19-Erkrankung und Therapie waren in beiden Therapiegruppen recht ausgeglichen.

    Als primärer Endpunkt wurde die nötige invasive mechanische Beatmung (einschließlich ECMO) oder der Tod bis Tag 28 definiert. Dieser Endpunkt galt für 12,0 % unter Tocilizumab (95 %-KI 8,5–16,9) und 19,5 % in der Placebogruppe (95 %-KI 13,3–27,4). Dadurch ergab sich eine Hazard Ratio in Bezug auf Beatmung/Tod von 0,56 (95 %-KI 0,33–0,97; p = 0,04). Insgesamt starben in diesem Zeitraum 10,4 % der Interventionsgruppe und 8,6 % der Kontrollgruppe – bei diesem sekundären Endpunkt wurde keine Signifikanz erreicht. In Bezug auf die Sicherheit traten schwere unerwünschte Ereignisse bei 15,2 % unter Tocilizumab gegenüber 19,7 % unter Placebo auf. Wie sich in einer explorativen Analyse zeigte, unterschieden sich die Ergebnisse der Studie nicht zwischen den verschiedenen Ethnien und der Gesamtgruppe.

    Fazit

    Unter Tocilizumab sank im Vergleich zu Placebo das Risiko von Patienten mit COVID-19, innerhalb von 28 Tagen invasiv beatmet werden zu müssen oder zu versterben. Auf die Gesamt-Sterblichkeit allerdings hatte die Therapie mit dem monoklonalen Antikörper keinen Einfluss. Als eine mögliche Ursache hierfür vermuten die Autoren, dass diejenigen, die unter Tocilizumab beatmungspflichtig werden, eine besonders gefährdete Gruppe mit schwerem Verlauf darstellen könnten.

    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen


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    Publication History

    Article published online:
    03 May 2021

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