Vozoris NT.
et al.
Morbidity and mortality associated with prescription cannabinoid drug use in COPD.
Thorax 2021;
76: 29-36
DOI:
10.1136/thoraxjnl-2020-215346
Die retrospektive, populationsbasierte Studie erfasste den Zeitraum 2006–2016. Die
Daten stammten aus dem ICES-Register (Institute for Clinical Evaluation Science),
in dem alle Gesundheitsdaten erfasst sind. Aufnahmekriterien waren die COPD und ein
Lebensalter ≥ 66 Jahre. Zu den Ausschlusskriterien gehörten Palliativtherapie, Tumorleiden
und HIV. Aus der Gesamtgruppe ermittelten Vozoris et al. Erkrankte, die erstmalig
ein Rezept für ein synthetisches Cannabinoid erhalten hatten, und verglichen diese
mit Kontrollen (matched) ohne Cannabinoid-Verordnung. Endpunkte waren stationäre Aufnahmen
wegen COPD/Pneumonie, ambulante Exazerbationen, Notfallbehandlungen wegen COPD/Pneumonie,
die Mortalität bei Pneumonie und die Gesamtmortalität in 60 Tagen ab dem Indexdatum.
Bei 185 876 älteren Menschen bestand eine COPD, von denen 2106 (1,1 %) ein synthetisches
Cannabinoid erhalten hatten. Exponierte waren häufiger Frauen und jünger als Nichtexponierte.
Unterschiede hinsichtlich der Einkommensverhältnisse, Pflegeheimbewohner und Landbevölkerung
bestanden nicht. Beim Matching wurden außerdem die Krankheitsdauer, Exazerbationen,
Therapie und Komorbidität berücksichtigt. Der Konsum von Cannabinoiden war insgesamt
nicht mit stationären Aufnahmen wegen COPD/Pneumonie, ambulanten Exazerbationen, krankheitsassoziierten
Notfallbehandlungen und der COPD-bedingten Mortalität assoziiert. Für die Gesamtkohorte
und in Sensitivitätsanalysen ergaben sich aber Nachteile für die Konsumenten:
-
Gesamtmortalität HR 1,64 (95 %-KI 1,14–2,39; p = 0,01),
-
Gesamtmortalität bei Exponierten ohne Exazerbation im Vorjahr HR 3,60 (95 %-KI 1,81–7,68;
p = 0,001),
-
bei einer Dosis ≥ 1,5 mg/d stationäre Aufnahmen HR 2,78 (95 %-KI 1,17–7,09; p = 0,06)
und
-
bei einer Dosis ≥ 1,5 mg/d Gesamtmortalität HR 3,31 (95 %-KI 1,30–9,51; p = 0,04).
In Schätzfunktionen (Punktschätzer) für Notfallbehandlungen, Einweisungen wegen COPD/Pneumonie
und für die Gesamtmortalität schnitten synthetische Cannabinoide ungünstiger ab als
Opioide.
Aus der gesteigerten Gesamtmortalität und dosisabhängig erhöhten Hospitalisierungsrate
ergäbe sich für synthetische Cannabinoide nicht zwingend eine Kontraindikation, so
die Autoren. Auch ein Kausalzusammenhang erschließe sich aus der Beobachtungsstudie
nicht. Das erhöhte Risiko müsse aber mit dem individuellen Patienten diskutiert und
beim Verschreibungsverhalten berücksichtigt werden. Die Arbeitsgruppe stellte fest,
dass Erkrankte ohne Exazerbation im Vorjahr, also eine eigentlich „gesündere“ Gruppe,
eine > 3-fach gesteigerte Sterblichkeit aufwiesen. Das Sicherheitsprofil sei insgesamt
möglicherweise nicht günstiger als bei Opioiden.
Dr. med. Susanne Krome, Melle