Pneumologie 2021; 75(05): 332-333
DOI: 10.1055/a-1370-2351
Pneumo-Fokus

COPD: Vorsicht bei synthetischen Cannabinoiden

Vozoris NT. et al.
Morbidity and mortality associated with prescription cannabinoid drug use in COPD.

Thorax 2021;
76: 29-36
DOI: 10.1136/thoraxjnl-2020-215346
 

    Trotz einer schwachen Evidenzlage nimmt die Verschreibung synthetischer Cannabinoide bei der COPD zu. Ziel ist eine bessere Lebensqualität durch weniger Atemnot, entspannte Muskulatur und guten Schlaf. Die kanadische Studiengruppe stellt diesem möglichen Nutzen belegte Nachteile gegenüber: Wenn die Patienten Nabilon/Dronabinol erhielten, steigerten die Substanzen in den folgenden 60 Tagen die Morbidität und Mortalität.


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    Die retrospektive, populationsbasierte Studie erfasste den Zeitraum 2006–2016. Die Daten stammten aus dem ICES-Register (Institute for Clinical Evaluation Science), in dem alle Gesundheitsdaten erfasst sind. Aufnahmekriterien waren die COPD und ein Lebensalter ≥ 66 Jahre. Zu den Ausschlusskriterien gehörten Palliativtherapie, Tumorleiden und HIV. Aus der Gesamtgruppe ermittelten Vozoris et al. Erkrankte, die erstmalig ein Rezept für ein synthetisches Cannabinoid erhalten hatten, und verglichen diese mit Kontrollen (matched) ohne Cannabinoid-Verordnung. Endpunkte waren stationäre Aufnahmen wegen COPD/Pneumonie, ambulante Exazerbationen, Notfallbehandlungen wegen COPD/Pneumonie, die Mortalität bei Pneumonie und die Gesamtmortalität in 60 Tagen ab dem Indexdatum.

    Bei 185 876 älteren Menschen bestand eine COPD, von denen 2106 (1,1 %) ein synthetisches Cannabinoid erhalten hatten. Exponierte waren häufiger Frauen und jünger als Nichtexponierte. Unterschiede hinsichtlich der Einkommensverhältnisse, Pflegeheimbewohner und Landbevölkerung bestanden nicht. Beim Matching wurden außerdem die Krankheitsdauer, Exazerbationen, Therapie und Komorbidität berücksichtigt. Der Konsum von Cannabinoiden war insgesamt nicht mit stationären Aufnahmen wegen COPD/Pneumonie, ambulanten Exazerbationen, krankheitsassoziierten Notfallbehandlungen und der COPD-bedingten Mortalität assoziiert. Für die Gesamtkohorte und in Sensitivitätsanalysen ergaben sich aber Nachteile für die Konsumenten:

    • Gesamtmortalität HR 1,64 (95 %-KI 1,14–2,39; p = 0,01),

    • Gesamtmortalität bei Exponierten ohne Exazerbation im Vorjahr HR 3,60 (95 %-KI 1,81–7,68; p = 0,001),

    • bei einer Dosis ≥ 1,5 mg/d stationäre Aufnahmen HR 2,78 (95 %-KI 1,17–7,09; p = 0,06) und

    • bei einer Dosis ≥ 1,5 mg/d Gesamtmortalität HR 3,31 (95 %-KI 1,30–9,51; p = 0,04).

    In Schätzfunktionen (Punktschätzer) für Notfallbehandlungen, Einweisungen wegen COPD/Pneumonie und für die Gesamtmortalität schnitten synthetische Cannabinoide ungünstiger ab als Opioide.

    Fazit

    Aus der gesteigerten Gesamtmortalität und dosisabhängig erhöhten Hospitalisierungsrate ergäbe sich für synthetische Cannabinoide nicht zwingend eine Kontraindikation, so die Autoren. Auch ein Kausalzusammenhang erschließe sich aus der Beobachtungsstudie nicht. Das erhöhte Risiko müsse aber mit dem individuellen Patienten diskutiert und beim Verschreibungsverhalten berücksichtigt werden. Die Arbeitsgruppe stellte fest, dass Erkrankte ohne Exazerbation im Vorjahr, also eine eigentlich „gesündere“ Gruppe, eine > 3-fach gesteigerte Sterblichkeit aufwiesen. Das Sicherheitsprofil sei insgesamt möglicherweise nicht günstiger als bei Opioiden.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle


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    Publication History

    Article published online:
    03 May 2021

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