Schlüsselwörter
Risikostratifizierung - ANCA - Vaskulitis
Key words
Risk stratification - ANCA - Vasculitis
Einleitung/epidemiologische Aspekte
Einleitung/epidemiologische Aspekte
Zu den ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV) werden entsprechend der Klassifikation
der Chapel-Hill-Konsensus-Konferenz die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA), die
mikroskopische Polyangiitis (MPA) und die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis
(EGPA) gerechnet [1]
[2]. Gemeinsame Merkmale der AAV sind die nekrotisierende Vaskulitis
kleiner und mittelgroßer Gefäße und die Assoziation mit
antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) wobei letztere bei
EGPA insbesondere bei Fehlen einer Nierenbeteiligung und bei auf den Kopf
beschränkter lokalisierter GPA deutlich geringer ausgeprägt ist als
bei GPA im Generalisationsstadium und MPA [2]
[3]. Definitionsgemäß sind die AAV
mit einer Inzidenz von ca. 12/1 Million/Jahr und einer
Prävalenz von ca. 150/1 Million seltene Erkrankungen. Mit einer
Inzidenz von 6–12/1 Million/Jahr und einer Prävalenz
von 58–98/1 Million ist die GPA in Deutschland die häufigste
AAV, MPA (Inzidenz 2–3/1 Million/Jahr, Prävalenz
9–28/1 Million) und EGPA (Inzidenz 0–2/1
Million/Jahr, Prävalenz 7–24/1 Million) sind
deutlich seltener [4]. Die Differenzialtherapie
der AAV, welche eine Remissionsinduktion (RI) und eine Remissionserhaltung (RE)
umfaßt, basiert auf dem Vorliegen bzw. Fehlen von Organfunktion- und
Leben-bedrohenden Manifestationen und berücksichtigt Organversagen ebenso
wie Major- und Minorrezidive [3].
Bei 445 GPA-Patienten aus dem Vaskulitis-Zentrum Schleswig-Holstein wurden die
standardisierte Mortalitätsrate (SMR), der Prozentsatz der Vaskulitis-
und/oder Therapie-bedingten Mortalität, Rezidivrate und Erreichen
einer kompletten Remission in 3 differenten Kohorten mit Diagnosestellung zwischen
1966 und 1993 (Kohorte 1; n=155), 1994 und 1998 (Kohorte 2; n=123)
und 1999 und 2002 (Kohorte 3; n=167) untersucht [5]. Dabei fanden sich eine kontinuierliche Abnahme von Kohorte 1
über Kohorte 2 zur Kohorte 3 im Hinblick auf SMR (2,1, 1,41 bzw. 1,03),
Vaskulitis- und/oder Therapie-bedingte Mortalität (86,4, 76,9 bzw.
50%), Rezidivrate (63,9, 51,2 bzw. 35,3%) sowie mehr Patienten mit
kompletter Remission (53,5% in Kohorte 1, in 69,9% in Kohorte 2 und
in 73,7% in Kohorte 3). Das Intervall zwischen Symptombeginn und
Diagnosestellung verkürzte sich von im Mittel 8 Monaten in Kohorte 1 auf 4
Monate in Kohorte 3. Es ist davon auszugehen, daß bei Vergleichbarkeit der 3
Kohorten im Hinblick auf Organmanifestation und Prozentsatz der mit Cyclophosphamid
CYC) behandelten Patienten, v. a. eine raschere Diagnose mit frühzeitiger
Therapieeinleitung, eine geringere Rezidivrate und geringere kumulative CYC-Dosen zu
einer Reduktion der Mortalität im Verlauf der Zeiträume beigetragen
haben. Eine weitere Analyse, welche 544 zwischen 1985 und 2009 diagnostizierte und
im Mittel 31 Monate nachbeobachtete Patienten mit GPA, MPA und renal limitierter
Vaskulitis (RLV) umfaßte, zeigte eine signifikante Abnahme von
Mortalität und Auftreten von terminaler Niereninsuffizienz im Verlauf der
Zeiträume (p<0,001), allerdings ohne Abnahme der Rezidivrate [6].
Trotz dieser positiven Entwicklung ist die Mortalität bei AAV erhöht,
und die Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz bleibt ein relevantes
Problem. Patientenüberleben, Verhinderung irreversibler
Organschäden, Erreichen einer anhaltenden Remission unter Verhinderung von
Rezidiven und die Vermeidung von Therapie-bedingter Morbidität und
Mortalität sind daher wichtige Therapieziele bei AAV. Die Kenntnis von
Risiken eines ungünstigen Verlaufs im Sinne einer Risikostratifizierung ist
daher essenziell für Planung von Monitoring und Therapie.
Risikostratifizierung bei GPA und MPA
Risikostratifizierung bei GPA und MPA
GPA und MPA unterscheiden sich von der EGPA durch ausgeprägtere
ANCA-Assoziation und sehr häufige renale Beteiligung. Ferner wurden in
kontrollierten Studien Patienten mit GPA und MPA, teilweise mit RLV einerseits und
EGPA-Patienten andererseits separat behandelt. Die Therapiearme ausgewählter
Studien mit GPA und MPA-Patienten, aus denen für die Risikostratifizierung
wichtige Daten gewonnen wurden auf die im folgenden Bezug genommen wird, sind im
folgenden kurz aufgeführt. In der Remissionsinduktion wurden u. a.
verglichen: Orales Methotrexat (MTX) vs. orales CYC bei AAV ohne Lebens- und
Organfunktion-bedrohende Manifestationen (NORAM) [7], Puls-CYC vs. orales CYC (CYCLOPS) [8], Rituximab (RTX) vs. orales CYC (RAVE) [9] bzw. RTX vs. CYC-Puls (RITUXVAS) [10]. In der Remissionserhaltung wurden untersucht: Orales CYC vs.
Azathioprin (AZA) (CYCAZAREM) [11], AZA vs. MTX
(WEGENT) [12], AZA vs. Mycophenolatmofetil (MMF)
(IMPROVE) [13], AZA vs. RTX nach Induktion mit CYC
(MAINRITSAN) [14]. Ferner wurde Plasmapherese mit
Methylprednisolon-Puls vor dem Hintergrund von oralem CYC und oralen
Glukokortikoiden (GK) bei schwerer renaler Vaskulitis bzw. rapid-progressiver
Glomerulonephritis verglichen (MEPEX) [15]. In der
PEXIVAS-Studie wurden Patienten mit schwerer AAV
(GFR<50 ml/min/1,73 m2 oder
diffuse pulmonale Hämorrhagie) mit und ohne Plasmapherese vor dem
Hintergrund einer Therapie mit CYC oder RTX untersucht, wobei zusätzlich 2
differente Reduktionschemata der Glukokortikoide evaluiert wurden [16].
Risikofaktoren einer ungünstigen Langzeitprognose bei AAV im Hinblick auf
Mortalität und Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz: Bedeutung
klinischer, laborchemischer, serologischer und demografischer Faktoren
Risikofaktoren einer ungünstigen Langzeitprognose bei AAV im Hinblick auf
Mortalität und Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz: Bedeutung
klinischer, laborchemischer, serologischer und demografischer Faktoren
Für Mortalität und/oder Entwicklung einer terminalen
Niereninsuffizienz sind v. a. das Ausmaß der initialen
Nierenschädigung, hohe Erkrankungsaktivität, das Vorliegen einer
renalen Beteiligung per se, aber auch andere schwere Organmanifestationen wie
kardiale und gastrointestinale Beteiligung, Infektionen und Anämie bedeutsam
[17]
[18]
[19]
[20]
[21]
[22]
[23]
[24]
[25]
[26].
Wichtige Informationen zur Risikostratifizierung im Hinblick auf die
Mortalität konnten aus Daten großer Patientengruppen aus
verschiedenen Studien (CYCAZAREM, NORAM, CYCLOPS, MEPEX) gewonnen werden [17]
[18]
[19].
Für ausgewählte Analysen sind Patientencharakteristika (AAV-Subtyp,
Patientenzahl, Beobachtungsdauer, Mortalität) sowie Risikofaktoren
für Mortalität, Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz bzw.
einer persistierenden Niereninsuffizienz geringeren Ausmaßes bei GPA und MPA
in [Tab. 1] dargestellt.
Tab. 1 Ausgewählte Studienergebnisse zur
Risikostratifizierung für Mortalität und terminale
Niereninsuffizienz bei AAV (GPA, MPA). Bedeutung klinischer,
laborchemische und demografischer Faktoren.
Risikostratifizierung für Mortalität
|
n
|
Diagnose
|
Follow-Up
|
Mortalität
|
Risikofaktoren für ungünstiges Outcome
|
Referenz
|
524
|
AAV
|
1 Jahr
|
11%
|
AE-Score (p<0,001) Leukopenie-Score
(p<0,001) niedrige GFR
(p=0,002) CBOE-Score (kombinierter Score
für unerwünschte Ereignisse)<7:
Mortalität 5% ; CBOE-Score>9:
Mortalität bis 60%
|
[17]
|
535
|
GPA: 281 MPA: 254
|
5,2 Jahre
|
25% (SMR 2,6)
|
Initiale GFR<15 ml/min., hoher
BVAS Anämie, Leukozytose, (Assoziation von
niedriger initialer GFR, hohem BVAS, höherem Alter,
hoher kumulativer GK-Dosis mit hohem VDI nach 7 Jahren)
|
[18]
[19]
|
123
|
AAV mit renaler Beteiligung
|
2 Jahre
|
37,4%
|
hoher initialer BVAS (HR 1,06; p=0,042), pulmonale
Hämorrhagie (HR 1,97; p=0,04), gastrointestinale
Beteiligung (HR 2,91; p=0,017), initiales Kreatinin
von>400 µmol/l (HR 2,91;
p=0,012)
|
[21]
|
273
|
GPA 187; MPA 58; RLV 28
|
7,3 Jahre
|
32%
|
Dialysepflicht assoziiert mit Mortalität Fehlende
Nierenbeteiligung geht gegenüber Dialysepflicht mit
reduzierter Mortalität einher (HR 0,27; p<0,001)
|
[26]
|
Risikostratifizierung für Mortalität
und/oder terminale bzw. persistierende
Niereninsuffizienz
|
n
|
Diagnosen
|
Follow-Up
|
Mortalität
|
Risikofaktoren für ungünstiges Outcome
|
Referenz
|
85
|
PR3+AAV
|
≥5 Jahre
|
37%
|
Alter>65 Jahre (RR 6,5) initiale Dialysepflichtigkeit (RR
3,6) prädiktiv für Tod im ersten Jahr;
männliches Geschlecht (RR 4,7) Dialyse-Pflicht im
Verlauf (RR 4,1) prädiktiv für Tod nach dem
ersten Jahr; initiale Dialysepflichtigkeit (RR 28,6) renale
Rezidive (RR 16,8) prädiktiv für persistierende
Niereninsuffizienz
|
[20]
|
81
|
MPA, GPA, RLV
|
2 Jahre
|
22,2% (ESRD 29,6%)
|
hoher BVAS (HR 1,25; p=0,001), Anämie (HR 0,95;
p=0,008) assoziiert mit erhöhter
Mortalität Anämie (HR 0,97;
p=0,041), Notwendigkeit einer Akutdialyse (HR 3,15;
p=0,02) assoziiert mit ESRD
|
[22]
|
75
|
AAV
|
3,2 Jahre
|
27%
|
ungenügendes Ansprechen auf RI, initiale
Dialysepflichtigkeit prädiktiv für ESRD,
ungenügendes Ansprechen auf RI sowie hoher initialer
BVAS prädiktiv für Mortalität
|
[23]
|
GPA=Granulomatose mit Polyangiitis, MPA=mikroskopische
Polyangiitis, RLV=Renal limitierte Vaskulitis, AE=Adverse
Events, BVAS=Birmingham Vasculitis Activity Score,
VDI=Vasculitis Damage Index, ESRD=End Stage Renal Disease
bzw. terminale Niereninsuffizienz.
Zwei Studien zur Risikostratifizierung sollen separat aufgeführt werden, da
hier neben GPA- und MPA-Patienten auch die Daten von EGPA-Patienten in die Analyse
einflossen.
Von 450 spanischen Patienten (40,9% mit GPA, 37,1% mit MPA und
22% mit EGPA), welche im Mittel über 82 Monate nachverfolgt werden
konnten, verstarben 28,7%, in 36,4% traten Rezidive auf, in
39,9% kam es zu bakteriellen, in 14,6% zu opportunistischen
Infektionen [27]. Prädiktoren für
Mortalität waren in der univariaten Analyse ein Alter>65 Jahre (OR
5,9; p<0,001), renale Beteiligung (OR 5,6; p<0,001),
Herzinsuffizienz (OR 2,8; p=0,002), Schlaganfall (OR 2,6; p=0,03),
Anämie (OR 2,3; p=0,001), Proteinurie>1 g/d
(OR 1,8; p=0,021), ANCA-Positivität (OR 5,1; p<0,001),
bakterielle Infektionen (OR 3,1; p<0,001) und opportunistische Infektionen
(OR 2,3; p=0,008). In der multivariaten Analyse verblieben Alter>65
Jahre (OR 3,1; p<0,001), bakterielle Infektionen (OR 3,7; p<0,001),
renale Beteiligung (OR 2,5; p=0,01), und ANCA-Positivität (OR 4,9;
p=0,049) als unabhängige Risikofaktoren für
Mortalität. Der Nachweis von PR3-ANCA war mit einer erhöhten
Rezidivrate assoziiert (p=0,012).
In einer schwedischen Kohorte, in welcher die Mortalität von 195 Patienten
(GPA: 94, MPA: 90, EGPA: 11) über im Mittel 4 Jahre untersucht wurde, waren
kardiale, gastrointestinale und renale Manifestationen zum Zeitpunkt der Diagnose
Prädiktoren einer hohen Mortalität [28]. Die Überlebensrate nach 1, 2, 5 bzw. 10 Jahren betrug 87,
82, 70 bzw. 55%.
Obwohl sich die pulmonale Beteiligung hinsichtlich ihrer prognostischen Bedeutung bei
AAV-Patienten in den o.g. Analysen nicht unter den Prognose-bestimmenden
Manifestationen findet, muss der Einfluß auf die Mortalität
differenziert nach dem klinischen und radiologischen Erscheinungsbild betrachtet
werden. Die Präsentation der pulmonalen Beteiligung umfaßt die
diffuse pulmonale Hämorrhagie, die interstitielle Lungenerkrankung (ILD),
welche sich zudem in differenten Subtypen wie z. B. NSIP und UIP
präsentieren kann, pulmonale Granulome und unspezifische bzw. nicht genau
einzuordnende Befunde [29]
[30]
[31]. Im Fall
der EGPA ist außerdem die sehr häufige Assoziation mit Asthma
bronchiale zu bedenken. In einer japanischen Analyse, welche pulmonale
Manifestationen im Zusammenhang mit rapid-progressiver Glomerulonephritis bei 1772
Patienten erfaßte, fanden sich folgende signifikant differente
5-Jahres-Überlebensraten: 41,5% bei alveolärer
Hämorrhagie, 50,2% bei ILD, 62,5% bei pulmonalen Granulomen,
55,8% bei anderweitigen pulmonalen Veränderungen, 67,9% bei
Asthma bronchiale und 73,3% bei Patienten ohne pulmonale Beteiligung. In der
multivariaten Analyse war die pulmonale Hämorrhagie prädiktiv
für die 1-Jahres-Mortalität (HR 3,08; p=0,0007) und die
5-Jahres-Mortalität (HR 2,74; p=0,0003), die ILD prädiktiv
für 5-Jahresmortalität (HR 1,67; p=0,0252), während
die anderen pulmonalen Manifestationen im multivariaten Modell keinen Zusammenhang
mit der Mortalität zeigten [30].
Risikostratifizierung unter Einbeziehung histologischer Befunde der
Nierenbiopsie
Risikostratifizierung unter Einbeziehung histologischer Befunde der
Nierenbiopsie
Bereits vor Etablierung einer histologischen Klassifikation der ANCA-assoziierten
Glomerulonephritis (GN) wurden in mehreren Untersuchungen die Bedeutung der renalen
Histologie insbesondere von chronischen Läsionen für die Prognose
von AAV als auch Assoziationen zwischen Nieren-Histologie und
Erkrankungsentität (GPA bzw. MPA) bzw. ANCA-Spezifität (PR3- bzw.
MPO-ANCA) gezeigt.
Basierend auf einer Analyse von 96 Nierenbiopsien bei Patienten der CYCAZAREM-Studie
zeigte die GFR nach 18 Monaten eine positive Korrelation mit den initialen GFR
(r=0,67) und andererseits eine negative Korrelation mit dem Ausmaß
von interstitieller Fibrose (r=−0,45), Glomerulosklerose
(r=−0,37) und tubulärer Atrophie (r=−0,36)
[32]. Die korrigierte GFR nach 18 Monaten,
deren Berechnung auf der Differenz mit der initialen GFR beruht, zeigte eine
positive Korrelation mit dem Ausmaß segmentaler (r=0,45) und
zellulärer (r=0,030) Halbmonde sowie der fibrinoiden Nekrose
(r=0,46). Die initiale Proteinurie zeigte eine negative Korrelation zur
initialen GFR, jedoch nicht zur GFR nach 18 Monaten.
Befunde von 173 Nierenbiopsien von AAV-Patienten (GPA: 73; MPA: 80, RLV: 19) aus der
CYCAZAREM- und MEPEX-Studie belegen eine Assoziation vom MPA und
anti-MPO-Positivität einerseits und chronischen Läsionen in der
Nierenbiopsie andererseits [33]. Im Vergleich zu
GPA-Patienten waren jene mit MPA gekennzeichnet durch eine geringere Zahl normaler
Glomeruli (p<0,001), häufigeres Vorhandensein bzw. stärkere
Ausprägung von Glomerulosklerose (p=0,003), interstitieller Fibrose
(p<0,001), tubulärer Atrophie (p<0,001) und
tubulärer Zylinder (p=0,005). Patienten mit MPO-ANCA wiesen
gegenüber jenen mit PR3-ANCA häufiger bzw. in ausgeprägterer
Form eine Glomerulosklerose (p=0,022), interstitielle Fibrose
(p=0,008), tubuläre Nekrose (p=0,030), tubuläre
Atrophie (p=0,013) und intraepitheliale Infiltrate (p=0,006)
auf.
In einer multiviaraten Analyse von 390 Patienten mit bioptisch gesicherter
pauci-immuner nekrotisierender GN war neben einer reduzierten initialen
Nierenfunktion gemessen am Kreatinin (HR 1,21; p<0,001) der Anteil normaler
Glomeruli (HR 0,42; p<0,001) in der Nierenbiopsie der beste
Prädiktor für Entwicklung bzw. das Ausbleiben einer terminalen
Niereninsuffizienz [34]. Das relative Risiko
für die Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz war bei Patienten
mit 0–8% normalen Glomeruli gegenüber jenen mit einem Anteil
von 67–100% um das ca. 10-fache erhöht. Bezogen auf die
Rebiopsie, welche bei 90 Patienten erfolgte, waren ein rascher Kreatininansteig bis
zu deren Zeitpunkt sowie die Progression chronischer Veränderungen in der
Rebiopsie Prädiktoren für die Entwicklung einer terminalen
Niereninsuffizienz.
Umgekehrt waren bei 155 Patienten mit AAV (GPA, MPA, RLV) ein geringer
Chronizitätsindex (HR 1,16) sowie eine basale GFR
von>10 ml/min/1,73 signifikant mit einem
Therapieansprechen nach 4 Monaten assoziiert [35].
Eine histopathologische Klassifikation der ANCA-assoziierten GN wurde 2010 von einer
internationalen Arbeitsgruppe von Nephropathologen vorgeschlagen ([Tab. 2a]
)
[36]. Basierend auf dem prozentualen Anteil normaler und global
sklerosierter Glomeruli sowie dem Anteil von Glomeruli mit Halbmonden werden 4
Klassen der ANCA-assoziierten GN unterschieden. Die fokale GN ist charakterisiert
durch≥50% normale Glomeruli, die GN mit Halbmonden
durch≥50% Glomeruli mit Halbmonden und die sklerosierende GN
durch≥50% global sklerosierte Glomeruli. Die gemischte (mixed) GN
ist charakterisiert durch<50% normale Glomeruli,>50%
Glomeruli mit Halbmonden und<50% global sklerosierte Glomeruli. Bei
Anwendung dieser Klassifikation auf Patienten der CYCAZAREM- und der MEPEX-Studie
(GPA, MPA) konnte die prognostische Bedeutung dieser Klassifikation für das
renale Outcome belegt werden. Ein Ausbleiben einer terminalen Niereninsuffizienz
nach 1 bzw. 5 Jahren fand sich bei fokaler GN in jeweils 93%, bei GN mit
Halbmonden in 84% bzw. in 76%, bei gemischter GN in 69% bzw.
61%, dagegen bei sklerosierender GN in jeweils nur 50%. Nach 7
Jahren hatten 75% der Patienten mit sklerosierender GN eine terminale
Niereninsuffizienz entwickelt.
Tab. 2a Histopathologische Klassifikation bei ANCA-assoziierter
Glomerulonephritis (GN) [36].
GN
|
Fokal
|
mit Halbmonden
|
Gemischt
|
Sklerosierend
|
Definition
|
≥50% normale Glomeruli
|
≥50% Glomeruli mit Halbmonden
|
<50% normale
Glomeruli; <50% Glomeruli mit
Halbmonden; <50% global sklerosierte
Glomeruli
|
≥50% global sklerosierte Glomeruli
|
Tab. 2b Dialyse-freies Überleben bei AAV mit renaler
Beteiligung in Abhängigkeit von der histopathologischen
Klassifikation der Glomerulonephritis (GN).
Dialysefreies Überleben nach 1 Jahr (%)
|
Referenz
|
n
|
Fokale GN
|
GN mit Halbmonden
|
Gemischte GN
|
Sklerosierende GN
|
|
100
|
93
|
84
|
69
|
50
|
[36]
|
150
|
96
|
81
|
86
|
56
|
[38]
|
Dialysefreies Überleben nach 5 Jahren (%)
|
n
|
Fokale GN
|
GN mit Halbmonden
|
Gemischte GN
|
Sklerosierende GN
|
|
100
|
93
|
76
|
61
|
50
|
[36]
|
136
|
96
|
86
|
81
|
61
|
[37]
|
150
|
90
|
69
|
75
|
51
|
[38]
|
215 (MPO-assoziierte GN)
|
100
|
68
|
59
|
21
|
[39]
|
Die Bedeutung dieser histopathologischen Klassifikation für die
Risikostratifizierung im Hinblick auf die Entwicklung einer terminalem
Niereninsuffizienz bei AAV wurde in weiteren Studien mit 136 Patienten, davon 115
als MPA und 55 als GPA klassifiziert [37], 150
AAV-Patienten mit AAV und renaler Beteiligung von denen 60 innerhalb von 3,5 Jahren
eine terminale Niereninsuffizienz entwickelten [38] bzw. 215 chinesischer Patienten mit MPO-assoziierter GN [39] bestätigt. Eine Übersicht der
Ergebnisse von o.g. Studien zum Dialyse-freien Überleben nach 1 bzw. 5
Jahren in Abhängigkeit von der Klassifikation der GN gibt [Tab. 2b].
In der Analyse von Quintana et al. waren analog zu den Ergebnissen von Hauer et al.
anti-MPO-positive Patienten durch ein höheres Ausmaß an
interstitieller Fibrose gekennzeichnet und weisen eine geringere GFR zum
Diagnosezeitpunkt auf [37]. In der Analyse von
Chen et al. waren ein initiales Kreatinin von>4 mg/dl (HR
2,93) und eine Hypalbuminämie (HR 2,11) signifikant mit dem Risiko einer
terminalen Niereninsuffizienz assoziiert [39].
Zudem waren bei Patienten mit sklerosierender GN ein initiales Kreatinin
von>4 mg/dl sowie ein Prozentsatz von>60%
global sklerosierter Glomeruli unabhängige Risikofaktoren für eine
terminale Niereninsuffizienz. In einem unadjustierten statitischen Modell war auch
eine initiale Proteinurie von>1,5 g/d ein Prädiktor
für eine terminale Niereninsuffizienz, zudem war die initiale Proteinurie
bei fokaler GN, welche die günstigste Prognose hatte, signifikant geringer
als bei allen anderen GN-Klassen.
Der GN-Subtyp ist offenbar auch im Hinblick auf das sehr langfristige Dialyse-freie
Überleben von wesentlicher Bedeutung [40].
Im Rahmen einer Analyse von 85 Patienten (55% mit MPA, 45% mit GPA),
welche im Mittel über einen Zeitraum von 16,2 Jahren nachbeobachtet wurden
und in der Regel in der Remissionsinduktion CYC und anschließend AZA
erhielten, zeigte sich ein Dialyse-freies Überleben von 88% bei
fokaler GN, von 71% mit GN mit Halbmonden, von 56% bei gemischter GN
und von lediglich 37% mit sklerosierender GN. Die
20-Jahres-Überlebensrate lag bei 45%, wobei in der multivariaten
Analyse ein Alter von≥58 Jahren (HR 7,64) und der Nachweis von
MPO-Antikörpern (HR 2,12) mit einem kürzeren Überleben
assoziiert waren. Dialysefreies Überleben war assoziiert mit weiblichem
Geschlecht (HR 0,26), während eine initiale GFR
von<30 ml/min (HR 4,1) und der Nachweis von MPO-ANCA (HR
3,1) mit der Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz assoziiert waren. Das
Rezidivrisiko war bei MPA geringer als bei GPA (HR 0,48). Eine
Proteinurie>3 g/d zeigte im univariaten Modell eine
Assoziation mit späterer Dialysepflichtigkeit und war mit 50% bei
sklerosierender GN deutlich häufiger als bei bei fokaler GN
(6,9%).
Die Bedeutung von initialer Nierenfunktion und Nierenhistologie zeigt sich auch bei
AAV mit schwerer glomerulärer Sklerose [41]. Ein Dialyse-freies Überleben nach 5 Jahren fand sich bei
einer initialen GFR
von>15 ml/min/1,73 m2 in
85% im Vergleich zu lediglich 15% bei einer initialen GFR
von≤15 ml/min/1,73 (p=0,003) und in
83% bei>10% normalen Glomeruli in der Nierenbiopsie
gegenüber nur 39% bei einem Prozentsatz normaler Glomeruli
von≤10% (p=0,047).
Eine Übersicht der Risikofaktoren für Mortalität und
terminale Niereninsuffizienz bei GPA und MPA gibt [Tab.
3].
Tab. 3 Risikofaktoren für ungünstige
Langzeitprognose von AAV im Hinblick auf Mortalität
und/oder terminale Niereninsuffizienz.
Parameter
|
Prädiktoren einer ungünstigen
Langzeitprognose
|
Referenzen
|
Nierenfunktion
|
Ausgeprägte initiale Nierenfunktionseinschränkung
einschließlich initialer Dialysepflichtigkeit
|
[6]
[17]
[19]
[20]
[21]
[22]
[23]
[24]
[26]
[32]
[34]
[35]
[39]
[40]
[41]
|
Organbeteiligung
|
Renale Beteiligung
|
[26]
[27]
[28]
|
Kardiale Beteiligung
|
[27]
[28]
|
Gastrointestinale Beteiligung
|
[21]
[28]
|
Erkrankungsaktivität
|
Hoher initialer BVAS
|
[19]
[21]
[22]
[23]
|
Hämatologische Befunde
|
Anämie
|
[22]
[27]
|
Komorbidität
|
Infektionen
|
[17]
[27]
|
Demografische Faktoren
|
Alter>65 Jahre
|
[20]
[27]
|
Männliches Geschlecht
|
[20]
[40]
|
Nierenhistologie
|
Hohes Ausmaß chronischer tubulointerstitieller und
glomerulärer Veränderungen
|
[32]
[33]
[34]
[35]
[36]
[37]
[38]
[39]
[40]
[41]
|
Sklerosierende GN
|
[36]
[37]
[38]
[39]
[40]
|
Urinbefunde
|
Ausgeprägtere initiale Proteinurie
|
[23]
[27]
[39]
[40]
|
Serologie
|
MPO-ANCA
|
[26]
[40] (Assoziation mit
chronischen Veränderungen in der Nierenbiopsie: [32]
[33]
[37]
|
Erkrankungsverlauf
|
Rezidive, ibs. auch renale Rezidive
|
[20]
[25]
|
BVAS=Birmingham Vasculitis Activity Score,
GN=Glomerulonephritis.
Risikostratifizierung von Therapie-Refraktarität und Rezidiven bei AAV:
Bedeutung klinischer, serologischer und laborchemischer Befunde
Risikostratifizierung von Therapie-Refraktarität und Rezidiven bei AAV:
Bedeutung klinischer, serologischer und laborchemischer Befunde
Für die Risikostratifizierung im Hinblick auf Therapieresistenz und Rezidive
sind klinische Manifestationen der AAV sowie die gewählte Therapie von
Bedeutung, aber auch serologische Befunde spielen eine wesentliche Rolle [42].
Im Rahmen eines Vergleiches von 2 AAV-Kohorten (434 Patienten einer
französischen Kohorte und 350 Patienten des Glomerular Disease Collaborative
Network (GDCN) aus dem Südosten der USA) fanden sich in beiden Kohorten
höheres Lebensalter (OR 1,32 bzw. 1,21 pro 10 Jahre, p<0,05) in der
GCDN-Kohorte zusätzlich weibliches Geschlecht (OR 1,84; p=0,044),
afroamerikanische Ethnizität (OR 3,10; p=0,013) und erhöhtes
Kreatinin (OR 1,22 pro Erhöhung um 100 µmol/l
Kreatinin; p<0,001) als Prädiktoren eines schlechten
Therapieansprechens [43]. Prädiktiv
für Rezidive waren in beiden Kohorten PR3-ANCA-Nachweis im Vergleich zu
MPO-ANCA (HR 1,77; p=0,017 bzw. 1,66; p=0,006) sowie pulmonale
Beteiligung (HR 1,68; p=0,017, bzw. HR 1,56; p=0,01), in der
GDCN-Kohorte zusätzlich die Beteiligung der oberen Atemwege (HR 1,58;
p=0,048). In der GCDN-Kohorte war PR3-ANCA-Positivität kombiniert
mit pulmonaler Beteiligung synergistisch für das Rezidivrisiko (HR 2,46;
p<0,001).
Die Assoziation des Nachweises von PR3-ANCA mit Rezidiven konnte auch bei 502
AAV-Patienten (davon 97% mit renaler Beteiligung) nachgewiesen werden [44]. Innerhalb einer mittleren Beobachtungsdauer
von ca. 40 Monaten hatten PR3-positive Patienten im Vergleich zu MPO-positiven fast
doppelt so häufig Rezidive (HR=1,89; p=0,0004). Bei
Vergleich von PR3-positiver GPA mit MPO-positiver GPA und MPO-positiver MPA fanden
sich keine Unterschiede in der Rezidivrate zwischen den 3 Gruppen sowie zwischen GPA
und MPA, allerdings hatten PR3-positive Patienten ein erhöhtes Rezidivrisiko
[45]. Andererseits fanden sich bei Analyse von
365 Patienten, welche in PR3-, MPO-positive und ANCA-negative GPA sowie MPO-positive
MPA unterteilt wurden, keine Unterschiede in der Rezidivrate zwischen PR3- und
MPO-positiver GPA, aber mehr Rezidive bei MPO-positiver GPA im Vergleich zu
MPO-positiver MPA [46].
Bei 535 Patienten verschiedener Studien (NORAM, CYCAZAREM, CYCLOPS, MEPEX) welche bei
Nachbeobachtung über 1804 Patientenjahre in 38% Rezidive
entwickelten, zeigten PR3-ANCA-Positivität (sHR 1,62; p<0,001) sowie
eine kardiovaskuläre Beteiligung (sHR 1,59; p=0,02) eine
unabhängige Assoziation mit einer höheren Rezidivrate [47]. Dagegen hatten im Vergleich zu Patienten mit
einem initialen Serumkreatinin von≤100 µmol/l jene
mit einem Kreatinin von 101–200 µmol/l (sHR 0,81;
p<0,001) und einem Kreatinin von>200 µmol/l
(sHR 0,39; p=0,001) ein signifikant niedrigeres Rezidivrisiko.
In der RAVE-Studie kam es innerhalb der ersten 6 Monate bei 19% der Patienten
zu Rezidiven, wobei 91% der von Rezidiven betroffenen Patienten PR3-ANCA
aufwiesen [48]. Wurden Patienten mit
unkontrollierter Erkrankung ausgeschlossen, hatten PR3-positive Patienten unter
Rituximab (RTX) mit 14% signifikant weniger Rezidive als unter
Cyclophosphamid gefolgt von Azathioprin (CYC/AZA) mit 32%
(p=0,02), während für MPO-positive die Rezidivraten mit
18% bzw. 9% nicht signifikant different waren. Unter CYC/AZA
hatten PR3-positive Patienten mit 32% signifikant häufiger Rezidive
als MPO-positive (9%; p<0,01), während unter RTX die
Rezidivrate mit 14 bzw. 18% bei PR3- bzw. MPO-Nachweis vergleichbar war.
Nach 6, 12, und 18 Monaten fand sich eine komplette Remission in 2 Subgruppen
signifikant häufiger unter RTX als unter CYC/AZA: bei GPA-Patienten
mit Rezidiv sowie bei PR3-ANCA-positiven Patienten mit Rezidiv [49]. In allen anderen Subgruppen (neu
diagnostizierte AAV unabhängig von AAV-Entität und ANCA-Status,
AAV-Rezidiv mit MPO-ANCA, MPA mit Rezidiv) fanden sich keine Unterschiede in den
Remissionsraten. Die Ergebnisse weisen darauf hin, daß insbesondere
GPA-Patienten bzw. PR3-ANCA-positive Patienten mit einer Rezidivsituation von einer
Remissionsinduktion bzw. Reinduktion mit Rituximab profitieren können.
Von 439 chinesischen Patienten (68% MPA, 91% MPO-ANCA positiv,
mittlere Beobachtungsdauer 26 Monate) war ein Therapie-refraktärer Verlauf,
welcher in 10,7% beobachtet wurde, assoziiert mit höherem initialen
Werten für Kreatinin (OR 1,09; p=0,047) und BSG (OR 1,009;
p=0,025) [50]. Rezidive wurden bei
32,7% der Patienten beobachtet und zeigten eine Assoziation mit pulmonaler
Beteiligung (HR 1,768; p=0,021) sowie niedrigerem initialen Serumkreatinin
(HR 0,925; p=0,009). Signifikante Prädiktoren für einen
kombinierten Endpunkt für Rezidiv bzw. Tod bei Patienten nach
zunächst erzielter Remission waren pulmonale Beteiligung (HR 1,791;
p=0,005) und höheres Lebensalter (pro Jahr HR 1,019;
p=0,010).
In einer Kohorte von 174 GPA-Patienten mit einem mittleren follow-up von 50 Monaten
wurden Mortalität und Rezidive unter besonderer Berücksichtigung von
granulomatösen (HNO-Manifestationen, pulmonale Noduli, orbitale
Pseudotumoren) und vaskulitischen
(Kreatinin-Werte>125 µmol/l, Hämaturie,
Proteinurie und alveoläre Hämorrhagie) Manifestationen untersucht
[51]. Während die Mortalität
bei Vorliegen vaskulitischer Manifestationen höher war (OR 3,5), zeigten
Patienten mit granulomatösen Manifestationen bei einer Gesamtrezidivate von
49% häufiger und früher Rezidive. In der multivariaten
Analyse waren kardiale Beteiligung (HR 2,9), zytoplasmatische Fluoreszenz in der
ANCA-Testung (HR 2,1) und höheres Alter (HR 1,4) unabhängige
Prädiktoren für Rezidive, dagegen war eine GFR
von<30 ml/min (HR 0,4) mit einer geringeren Rezidivrate
assoziiert.
Bei 252 Patienten aus der CYCLOPS- und IMPROVE-Studie mit einer Rezidivrate von
40% während einer mittleren Beobachtungsdauer von 4 Jahren wurde ein
Einfluß des ANCA-Befundes nach Remissionsinduktion auf das Rezidivrisiko
gezeigt [52]. Zu diesem Zeitpunkt waren
56% ANCA-negativ und 44% ANCA-positiv, 50% der Rezidive
entfielen auf die ANCA-positiven jedoch nur 33% auf die ANCA-negativen
Patienten. In der multivariaten Analyse waren negative ANCA zum Zeitpunkt des
Beginns der Erhaltungstherapie ein unabhängiger Prädiktor
für eine geringere Rezidivrate (HR 0,63; p=0,026). Serologische bzw.
laborchemische Risikofaktoren für eine erhöhte Rezidivrate waren:
PR3-ANCA (im Vergleich zur MPO-ANCA; HR 1,87; p=0,005), niedrigeres
initiales Kreatinin (HR 0,89 pro 50 µmol/l;
p=0,004).
Im Hinblick auf den Wert der ANCA-Titer zur Prädiktion von Rezidiven ist die
Datenlage nicht einheitlich. Einerseits hatte bei Patienten mit renaler Beteiligung
ein ANCA-Anstieg von mehr als 200% einen hohen prädiktiven Wert
für ein Rezidiv innerhalb des nächsten 18 Monate, andererseits
betraf dies nicht im selben Umfang Patienten mit extrarenaler Manifestation [53].
Daten aus der RAVE-Studie zeigten, daß der prädiktive Wert eines
Anstiegs des Titers der PR3-ANCA bzw. ein erneutes Auftreten bei vorher negativem
Befund für spätere Rezidive von den klinischen Manifestationen und
der Therapie abhängig ist [54]. Mittels
direktem ELISA war ein PR3-ANCA-Anstieg für ein schweres Rezidiv (HR 4,57;
p<0,001) von höherem prädiktivem Wert als für
Rezidive im Allgemeinen (HR 2,24; p=0,008). Die Assoziation des
PR3-ANCA-Anstiegs mit Rezidiven war besonders ausgeprägt bei renaler
Beteiligung (HR 7,94; p<0,001) und alveolärer Hämorrhagie
(HR 24,19; p<0,001). Obwohl gerade bei granulomatösen
Manifestationen die Rezidivrate hoch war, fand sich hier keine Assoziation zur
Höhe der PR3-ANCA. Ferner zeigte sich die Assoziation mit schweren Rezidiven
nur bei mit RTX behandelten Patienten (HR 5,8; p=0,002 für den
direkten ELISA) und nicht bei mit CYC behandelten Patienten.
In einer japanischen prospektiven Kohortenstudie war das Wiederauftreten von MPO-ANCA
mit einer OR von 16 prädiktiv für Rezidive, während eine
ANCA-Persistenz keine Assoziation mit Rezidiven zeigte [55].
Auch in einer Metaanalyse war persistierende ANCA-Posititivät nur von
begrenztem prädiktivem Wert für Rezidive, dies galt allerdings auch
für das erneute Auftreten von ANCA nach vorher negativem Befund [56].
Die Befunde weisen darauf hin, daß der prädiktive Wert eines
ANCA-Anstiegs bzw. des Wiederauftretens von ANCA bei vorher negativem Befund in
einer unselektierten, gemischten Patientengruppe moderat ist. Bei bestimmten
Patientengruppen (vaskulitische Manifestationen wie renale Beteiligung und pulmonale
Hämorrhagie und unter RTX-Therapie) ist ein ANCA-Anstieg offenbar besser
für die Risikostratifizierung im Hinblick auf Rezidive geeignet als in einem
unselektierten Patientengut oder bei rein granulomatösen Manifestationen.
Änderungen des ANCA-Titers allein sollten nicht als Basis für
Therapieentscheidungen herangezogen werden [2]
[3].
Risikofaktoren für Rezidive und Therapieversagen bei AAV sind in [Tab. 4] zusammengefasst.
Tab. 4 Risikostratifizierung von Rezidiven bei AAV.
Faktoren mit Assoziation zu erhöhtem Rezidivrisiko
|
Referenzen
|
Serologie
|
PR3-ANCA
|
[27]
[43]
[44]
[45]
[51]
[52]
|
AAV-Entität
|
GPA
|
[40]
[42]
[46]
|
Klinische Manifestationen
|
pulmonale Beteiligung
|
[43]
[50]
|
granulomatöse Läsionen
|
[51]
|
Beteiligung des oberen Respirationstraktes
|
[43]
|
Kardiale Beteiligung
|
[47]
[51]
|
Bisheriger Verlauf
|
Rezidive in der Anamnese
|
[42]
|
Labor/Nierenfunktion
|
Gute initiale Nierenfunktion
|
[47]
[50]
[51]
[52]
|
Infektion
|
Staphylokokken-Besiedelung der Nase
|
[42]
|
ANCA-Status nach Remissionsinduktion
|
ANCA-Positivität nach Remissionsinduktion
|
[52]
|
Verlauf der ANCA
|
Anstieg des ANCA-Titers oder Rekurrenz der ANCA: Nur
moderate Assoziation zu Rezidiven, bessere
Rezidiv-Prädiktion bei
-
Schweren Rezidiven
-
Renaler Beteiligung
-
Pulmonaler Hämorrhagie
-
RTX-Therapie
Kein guter prädiktiver Wert bei rein
granulomatösen Verläufen Keine
Therapieentscheidung allein auf Basis der ANCA-Dynamik
|
[3]
[53]
[54]
[55]
[56]
|
Glukokortikoidtherapie
|
Rasches Ausschleichen der Glukokortikoide
|
[3]
[57]
|
Zusammenhänge zwischen Therapie und Rezidivrisiko
Zusammenhänge zwischen Therapie und Rezidivrisiko
Die Daten über einen Zusammenhang der Dauer der GK-Therapie mit dem
Rezidivrisiko sind widersprüchlich.
In einer Analyse von 983 Patienten aus 13 Studien wurden diese nach der GK-Zieldosis
in Prednisolonäquivalent am Studienende (695 mit Zieldosis 0 mg und
288 mit Zieldosis>0 mg) unterteilt [57]. Bei GK-Zieldosis von 0 mg lag die Rezidivrate mit
43% signifikant höher als bei höherer GK-Zieldosis
(14%).
Dagegen hatte eine über 6 Monate hinaus fortgesetzte GK-Therapie bei 147
AAV-Patienten, welche über einen Zeitraum von im Mittel 35 Monaten
nachverfolgt wurden, keinen Einfluß auf Rezidiv-freies Überleben,
Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz und Tod, war aber mit einer
hochsignifikant erhöhten Infektionsrate (0,63 vs.
0,39/Patientenjahr; p<0,0001) assoziiert [58].
Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Rezidivraten und Art der
Induktions- bzw. Erhaltungstherapie konnten aus verschiedenen o.g. kontrollierten
Studien gewonnen werden. In 4 kontrollierten Studien (NORAM, CYCLOPS, IMPROVE,
MAINRITSAN)) konnten im Vergleich der Therapiearme Unterschiede in den Rezidivraten
festgestellt werden [42]. Unter schnellerer
GK-Reduktion ergab sich bei schwerer AAV im Vergleich zu langsamerer GK-Reduktion
kein erhöhtes Risiko für Rezidive, Tod oder terminale
Niereninsuffizienz [16]. Höhere
Rezdivraten zeigten sich für MTX im Vergleich zur CYC in der Induktion mit
89 vs. 81% nach 5 Jahren; nach Induktion mit CYC-Puls-Therapie
gegenüber oralem CYC mit 39,5 vs. 20,8% nach 5 Jahren, in der
Erhaltung unter MMF im Vergleich zu AZA mit 55,2 vs. 37,5% nach 3 Jahren und
unter AZA im Vergleich zu RTX mit 29 vs. 5% nach 28 Monaten. Hingegen fanden
sich vergleichbare Rezidivraten in der Remissionserhaltung unter AZA im Vergleich zu
CYC (CYCAZAREM) sowie zu MTX (WEGENT) und unter RTX im Vergleich zu CYC in der
Remissionsinduktion (RAVE, RITUXVAS). Auf die unterschiedlichen Rezidivraten bei
bestimmten Subgruppen der RAVE-Studie wurde bereits verweisen. Der sehr
günstige Effekt von RTX bezüglich der Verhinderung von
Zweitrezidiven konnte auch bei Vergleich von 1 g RTX alle 4 Monate
gegenüber AZA bei rezidivierter GPA und MPA nach Reinduktion mit RTX und GC
bestätigt werden. RTX war mit einer HR vom 0,36 signifikant
überlegen [2].
Risikostratifizierung bei EGPA
Risikostratifizierung bei EGPA
Während bei GPA und MPA die renale Beteiligung einschließlich ihrer
histologischen Ausprägung und ihrer Auswirkung auf die Nierenfunktion von
entscheidender prognostischer Bedeutung ist, kommt bei EGPA der Kardiomyopathie und
auch gastrointestinalen Manifestationen eine entscheidende Rolle im Rahmen der
Risikostratifizierung zu.
Zur Risikostratifizierung findet bei EGPA häufig der Five Factor Score (FFS)
Anwendung, der aber nicht nur für die EGPA sondern auch für andere
nekrotisierende Vaskulitiden entwickelt und evaluiert wurde [59]
[60]
[61].
Der ursprüngliche FFS umfaßte folgende Domänen:
Proteinurie>1 g/Tag, Niereninsuffizienz mit einem
Kreatinin>140 µmol/l, schwere gastrointestinale
Beteiligung, ZNS-Beteiligung und Kardiomyopathie, wobei das Vorhandensein jeder
Manifestation mit einem Punkt gezählt wurde. In einer 1996 untersuchten
Gruppe, welche 60 Patienten mit Panarteriitis nodosa (PAN) und 82 mit EGPA umfasste,
lag bei einem FFS von 0, 1 bzw. 2 Punkten die 5 Jahres-Mortalität bei 12, 26
bzw. 46% [59]. 2011 wurde der FFS
basierend auf der 5-Jahresmortalität von 1108 Patienten (349 mit PAN, 311
mit GPA, 230 mit EGPA und 218 mit MPA) weiterentwickelt [60]. Im modifizierten FFS wird für Niereninsuffizienz mit
Kreatinin>150 µmol/l, schwere gastrointestinale
Beteiligung, myokardiale Beteiligung und Alter>65 Jahre jeweils 1 Punkt
vergeben, während für die HNO-Manifestation ein Punkt im Gesamtscore
abgezogen wird. In der multivariaten Analyse hatten folgende Variablen
Einfluß auf die Mortalität: Alter>65 Jahre (HR 3,3;
p=0,001), kardiale (HR 1,5; p=0,02) und, gastrointestinale
Beteiligung (HR 1,5, p=0,01),
Kreatinin>150 µmol/l (HR 1,5, p=0,02).
HNO-Beteiligung war mit einer reduzierten Mortalität assoziiert (HR 0,5;
p=0,001). Für die EGPA zeigten Alter>65 Jahre (HR 1,04;
p=0,01), Herzinsuffizienz (HR 2,8; p=0,02) und HNO-Beteiligung (HR
0,3; p=0,03) eine Assoziation zur Mortalität, bei MPA fand sich nur
für ein Alter>65 Jahre (HR 1,05, p=0,001) eine Assoziation,
bei GPA zusätzlich zum Alter>65 Jahre (HR 1,03; p=0,001)
eine Niereninsuffizienz mit Kreatinin>150 mmol/l (HR 3,6;
p=0,001) und die HNO-Beteiligung (HR 0,4; p=0,01). Die
5-Jahres-Mortalität bei EGPA lag bei Verwendung des modifizierten FFS bei 9,
21 bzw. 40% bei einem FFS von 0, 1 bzw.≥2 [60].
Die Bedeutung von kardialer und gastrointestinaler Beteiligung für die
Mortalität bei EGPA konnte in weiteren Analysen bestätigt werden.
Bei 133 EGPA-Patienten aus einer gemischten Kohorte von 595 Patienten mit PAN, MPA
und EGPA [62] lag bei einer Mortalität von
ca. 7% im ersten Jahr bei den Verstorbenen in 67% eine
Kardiomyopathie bzw. eine schwere gastrointestinale Beteiligung vor, bei den
Überlebenden dagegen nur in 27% (p<0,005) bzw. 21%
(p<0,05) der Fall. In einer Kohorte von 101 EGPA-Patienten, welche im Mittel
über 6 Jahre nachbeobachtet wurde, waren ein Alter>65 Jahre,
Kardiomyopathie und ANCA-Positivität mit einem ungünstigen Verlauf
assoziiert [63]. Bei 121 japanischen
EGPA-Patienten waren gastrointestinale und myokardiale Beteligung mit Rezidiven
assoziiert (p<0,01), jedoch nicht mit erhöhter Mortalität
[64]. Der einzige Prädiktor
für erhöhte Mortalität war ein Alter von>65
Jahren.
Bei 181 EGPA-Patienten, welche über im Mittel 81 Monate nachverfolgt wurden,
erfolgte eine Therapiestratifizierung nach dem initialen FFS [65]. Bei FFS≥1 kam CYC in Kombination mit
GK zum Einsatz, bei jenen mit FFS=0 primär nur GK, nur bei
unzureichendem GK-Effekt wurde eine additive Immunsuppression eingeleitet. Unter
dieser an die Krankheitsschwere adaptierten Therapie fand sich bei FFS=0
bzw.≥1 eine Mortalität von 8 bzw. 14%. Lediglich ein
Alter>65 Jahren war mit erhöhter Mortalität assoziiert
(p<0,001). Die Daten zeigen, daß eine an einer Risikostratifizierung
mittels FFS orientierte Therapie geeignet ist, auch schwere Organmanifestationen zu
beherrschen. MPO-ANCA-Positivität war mit einer erhöhten Rezidivrate
assoziiert (HR 2,18; p=0,009), eine initiale Eosinophilie
von>3000/mm3 mit einer geringeren Rezidivrate (HR 0,5;
p=0,023) [65]. Eine erhöhte
Rezidivrate bei ANCA-positiven Patienten mit 35,2% gegenüber
ANCA-negativen (22,5%; p=0,01) wurde auch in einer retrospektiv
über im Mittel 67 Monate beobachteten Kohorte von 383 EGPA-Patienten
festgestellt [66]. Dagegen war die
Mortalität mit 12,5% gegenüber 5,6% bei
ANCA-negativen Patienten höher (p<0,05). In derselben Kohorte waren
Kardiomyopathie, höheres Lebensalter und eine Diagnose vor 1996
unabhängige Risikofaktoren für Mortalität, während
niedrige Eosinophilenzahlen initial prädiktiv für Rezidive
waren.
Risikofaktoren für Infektionen bei AAV
Risikofaktoren für Infektionen bei AAV
Sowohl im ersten Jahr der Erkrankung als auch im weiteren Verlauf gehören
schwere Infektionen zu den Haupttodesursachen bei AAV [18]
[67]. Klinisch relevante Infektionen
treten im Verlauf der Erkrankung bei 20–60% der Patienten mit AAV
auf [5]
[68]. Am
häufigsten kommt es zu Infekten des unteren Respirationstraktes. Bei 66
AAV-Patienten, welche initial mit einer Kombination mit GK, RTX und niedrig
dosierten CYC behandelt wurden, lag die Rate schwerer Infektionen bei
1,24/10 Patientenjahre [69].
Risikofaktoren für schwere Infektionen bei AAV umfassen sowohl Effekte der
immunsuppressiven Therapie, Krankheitsmanifestationen als auch demographische
Faktoren.
Sowohl hohe kumulative GK-Dosen [70] als auch eine
prolongierte GK-Therapie [71] geht mit einem
erhöhten Infektions-Risiko einher. Eine wöchentliche Reduktion der
GK-Dosis ging mit einem geringeren Infektionsrisiko einher als eine monatliche
Reduktion [72]. Eine im Vergleich zur
Standarddosierung geringere Infektionsrate unter schnellerer GK-Reduktion fand sich
auch in der PEXIVAS-Studie [16]. Ferner wurden
Leukopenie [73]
[74] und eine Lymphopenie<300×109/L
[71] als Risikofaktoren für
Infektionen herausgearbeitet. Lymphopenien von<800/mm3
vor Therapie bzw.<600/mm3 3 Monate nach Therapiebeginn
waren mit einem höheren Risiko für eine Pneumocystis
jirovecii-Pneumonie assoziiert [75]. Auch ein
rascher Abfall der ANCA unter Therapie sowie ANCA-Negativität als Ausdruck
hohen Sensitivität gegenüber der Immunsuppression gingen mit einem
erhöhten Infektionsrisiko einher [76]. Als
potenzieller Risikofaktor für Infektionen bei AAV ist auch die Entwicklung
eines Immunglobulinmangels unter RTX-Therapie zu diskutieren, wobei die Bedeutung
des Ig-Mangels weiterer Untersuchungen bedarf. Ferner sind HBV-Reaktivierung sowie
das sehr geringe Risiko einer progressiven multifokalen Leukencephalopathie durch
JC-Virus unter RTX zu bedenken [77].
Zu den Krankheitsmanifestationen, welche mit einem erhöhten Risiko
für schwere Infektionen einhergehen, zählen schwerer
ausgeprägte Niereninsuffizienz sowie Dialysepflichtigkeit [71]
[74] und
pulmonale Beteiligung [78]. In mehreren Analysen
wurde übereinstimmend ein höheres Lebensalter als Risikofaktor
für Infektionen beschrieben [73]
[79]
[80]
[81]. Eine Übersicht über
Risikofaktoren schwerer Infektionen bei AAV gibt [Tab.
5].
Tab. 5 Risikostratifizierung für Infektionen bei AAV.
Risikofaktoren für Infektionen
|
Referenzen
|
|
Organbeteiligung/Organdysfunktion
|
schwerer ausgeprägte Niereninsuffizienz sowie
Dialysepflichtigkeit
|
[71]
[74]
|
|
pulmonale Beteiligung
|
[78]
|
Zytopenien
|
Leukopenie
|
[73]
[74]
|
|
Lymphopenie<300×109/L
|
[71]
|
|
Lymphopenien<800/mm3 vor Therapie
bzw.<600/mm3 3 Monate nach
Therapiebeginn
|
Assoziation mit Pneumocystis jirovecii-Pneumonie [75]
|
Demografische Faktoren
|
Höheres Lebensalter
|
[73]
[79]
[80]
[81]
|
ANCA-Verlauf
|
Rascher ANCA-Abfall
|
[76]
|
Therapie
|
Glukokortikoide
|
[16]
[58]
[70]
[71]
[72]
|
Malignomrisiko bei AAV
Die Tumorinzidenz bei AAV ist erhöht, was sich auch in den Todesursachen bei
AAV niederschlägt [18]
[82]
[83]. Die
häufigsten malignen Erkrankungen bei AAV sind Nicht-Melanom-Hauttumoren
(NMSC), Urothelkarzinome und Leukämien [83]. Die standardisierte Inzidenzrate (SIR) für alle Tumoren
liegt zwischen 1,6 und 3,8, wobei GPA-Patienten mit einer SIR von 1,9 höhere
Inzidenzraten als MPA-Patienten (SIR 1,2) aufwiesen [83]. Für 5 bzw. 8 Jahre nach Erkrankungsbeginn wurden kumulative
Inzidenzraten von 8 bzw. 13% ermittelt [82]. Einer des wesentlichen Risikofaktoren für Urothelkarzinome
und NMSC ist die Behandlung mit CYC und hier insbesondere hohe kumulative Dosen. Bei
kumulativen Dosen von>50 g, wie sie heute nach Einführung
der CYC-Puls-Therapie und dank alternativer Therapiemöglichkeiten nicht mehr
eingesetzt werden, wurden für das Harnblasenkarzinom 10-Jahres-Inzidenzraten
von 5% bzw. eine SIR von 33 beobachtet. Eine bezüglich des
Malignomrisikos sichere kumulative CYC-Dosis ist nicht klar definiert. Einerseits
wurden bei GPA bis auf ein erhöhtes Risiko für NMSC kumulative Dosen
von bis zu 36 g als relativ sicher betrachtet, andererseits wurde ein
erhöhtes Risiko für Urothelkarzinome auch bereits bei kumulativen
Dosen>25 g beschrieben [83].
Entsprechende Maßnahmen wie die Vermeidung hoher kumulativer CYC-Dosen,
Hydratation und der Einsatz von MESNA waren mit einer Senkung der Inzidenzraten
für das Harnblasenkarzinom auf 2,4% bzw. auf eine SIR von
3,6–7,2 verbunden. Eine analoge Tendenz findet sich für
Leukämien und Lymphome. Während in früheren Analysen eine
SIR von 5,7–19,6 insbesondere für die akute myeloische
Leukämie und ein 4–11-fach erhöhtes Risiko für
maligne Lymphome beschrieben wurde, finden sich in neueren Analysen keine
erhöhten Inzidenzraten [83]. In einer
Metaanalyse wurden Daten von 2578 Patienten aus 6 Studien analysiert [84]. Es fand sich ein mit einer gepoolten SIR von
1,74 signifikant (p=0,012) erhöhtes Malignomrisiko, wobei die SIR
für NMSC, Leukämie und Blasenkarzinom bei 5,18, 4,89 bzw. 3,84 lag.
In einer neueren Arbeit wurde das Malignom-Risiko von 323 zwischen 2000 und 2014 mit
CYC oder RTX behandelten AAV-Patienten analysiert [85]. Es fand sich ein 1,89-fach erhöhtes Malignom-Risiko, welches
insbesondere durch ein 4,58-fach erhöhtes NMSC-Risiko bedingt war. Unter
Ausschluß der NMSC fand sich kein signifikant erhöhtes
Malignom-Risiko. CYC-behandelte Patienten hatten allerdings ein gegenüber
der Allgemeinbevölkerung erhöhtes Malignomrisiko (SIR 3,10;
p<0,001) während das Malignomrisiko unter RTX nicht erhöht
war (SIR 0,67). Gegenüber RTX behandelten Patienten hatten CYC-behandelte
ein 4,61-fach erhöhtes Malignom-Risiko (p=0,03). Interessanterweise
war das Malignomrisiko unter nur mit CYC behandelten Patienten signifikant
höher als bei jenen die beide Substanzen erhielten (HR 3,05;
p=0,003), obwohl die kumulative CYC-Dosis bei den mit beiden Substanzen
behandelten Patienten mit 11,05 g höher war als bei jenen, welche
nur CYC erhielten (7,26 g). Dies läßt einen protektiven
Effekt von RTX im Hinblick auf das Malignomrisiko vermuten, der aber in weiteren
Studien bestätigt werden müsste.
Schlußfolgerungen
Risikostratifizierung dient der Risikominimierung. Nicht alle der o.g. Risikofaktoren
für Mortalität, terminale Niereninsuffizienz, Rezidive, Infektionen
und Malignome sind modifizierbar. Um so wichtiger ist es, modifizierbare
Risikofaktoren zu addressieren. Insbesondere frühzeitige irreversible
Organschäden wie eine bereits initial bestehende irreversible
Niereninsuffizienz sind wesentliche Risikofaktoren für Mortalität,
Organversagen und schwere Infektionen. Insofern besteht eine wichtige
Maßnahme darin, die Patienten der Induktionstherapie vor Entwicklung
irreversibler Organschäden zuzuführen. Die entscheidende Bedingung
hierfür ist wiederum die frühestmögliche Diagnosestellung,
welche es erforderlich macht, bei den häufig unspezifischen und mehrdeutigen
initialen Symptomen auch an eine AAV zu denken. Bereits einfache Untersuchungen wie
die Urinanalyse bei unklaren HNO-Befunden, Augenentzündungen,
konstitutioneller bzw. B-Symptomatik oder einer cutanen Vaskulitis können
hier ebenso hilfreich sein, wie eine großzügige ANCA-Diagnostik bei
Befunden oder Befundkonstellationen, welche mit einer AAV zu vereinbaren sind. Die
Nierenbiopsie ist neben ihrem ausserordentlich hohen Wert für die
Diagnosesicherung insbesondere für die Stratifizierung der renalen Prognose
und des zu erwartenden Ansprechens auf die immunsuppressive Therapie von
entscheidender Bedeutung. Für die frühzeitige Erkennung von
Rezidiven ist einmal die engmaschige Kontrolle der Patienten von wesentlicher
Bedeutung. Aber auch die ausführliche Aufklärung oder besser
Schulung von Patienten über die Symptome von Rezidiven und Nebenwirkungen
der Immunsuppression ist ausserordentlich wichtig. Die Kenntnis der Assoziation von
PR3-ANCA, pulmonalen und granulomatösen Manifestationen mit einer
erhöhten Rezidivrate kann dazu beitragen, diese Patienten besonders
engmaschig zu überwachen. Eine Staphylokokkenbesiedelung der Nase sollte
saniert werden. Das bessere Ansprechen von bereits rezidivierten GPA-
und/oder PR3-ANCA positiven Patienten auf RTX kann im Sinne einer
Differenzialtherapie genutzt werden, das Rezidivrisko bei AAV-Subgruppen zu senken.
Zur Senkung des Infektionsrisikos sind Vermeidung von Leukopenie und schwerer
Lymphopenie durch entsprechende Dosismodifikation der Immunsuppressiva sowie die
konsequente Pneumocystis jirovecii-Prophylaxe unter Cyclophosphamid,
B-Zell-Depletion unter Rituximab als auch bei Prednisolondosen>15 mg
Prednisolonäquivalent mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol wichtig. Ein
Immunglobulinmangel sollte bei Neigung zu klinisch relevanten Infektionen
substituiert werden. Bei einer Langzeittherapie mit niedrig dosierten GK steht dem
Nutzen einer geringeren Rezidivrate das Risiko einer höheren Rate von
Infektionen und anderer unerwünschter Effekte, wie z. B. das
kardiovaskuläre und Osteoporose-Risiko gegenüber. Hier muss eine
sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen. Nach der Analyse einer
Expertenkommission der EULAR überwiegt bei einer GK-Dosis von
</= 5 mg Prednisolonäquivalent pro Tag in der Regel
der Nutzen das Risiko, Dosen≥10 mg/d sind in der
Langzeittherapie schädlich, im Bereich von>5
–<10 mg/d ist das individuelle Risikoprofil
entscheidend [86]. In der langfristigen Therapie
sollten daher möglichst Dosen von>5 mg/d nicht
überschritten werden. Schwierig bleibt die exakte Prädiktion von
Rezidiven beim individuellen Patienten, da die Dynamik des ANCA-Titers mit Ausnahme
bestimmter Subgruppen nur eine moderate Beziehung zum Rezidiv zeigt und sich andere
Biomarker noch nicht etabliert haben.