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DOI: 10.1055/a-1397-2397
COVID-19: Welche Risiken bestehen für medizinisches Personal bei Intubationen?
Während der SARS-CoV-1-Pandemie 2002/2003 waren Beschäftigte im Gesundheitswesen unverhältnismäßig stark von der Erkrankung betroffen (21 % aller Infizierten). Sie waren häufig risikoreichen aerosolerzeugenden Verfahren wie der endotrachealen Intubation ausgesetzt. Als Konsequenz sollten geeignete Maßnahmen wie der korrekte Gebrauch persönlicher Schutzausrüstung und spezifische Verfahrenstechniken umgesetzt werden. Derzeit fehlen Daten, um das Ausmaß des Risikos abschätzen zu können.
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Um die Gefahren für medizinisches Personal besser verstehen zu können, das in der aktuellen Pandemie bei Patienten mit vermuteter oder bestätigter COVID-19-Erkrankung Intubationen selbst durchführte oder dabei assistierte, sammelten Karim El-Boghdadly vom Guyʼs and St Thomas NHS Foundation Trust und Kollegen Daten zu Intubationseinsätzen, der Verwendung persönlicher Schutzausrüstung (PPE) und dem anschließenden Gesundheitszustand des Pflegepersonals in einem Register (intubateCOVID Registry).
Die Registerdaten wurden über eine webbasierte Datenbank gesammelt. Bei der Registrierung trugen die Teilnehmer ihre Ausgangsmerkmale ein und danach Details zu allen Intubationen, an denen sie beteiligt waren. Anschließend berichteten sie kontinuierlich über ihren Gesundheitszustand, indem sie ihren COVID-19-Infektionsstatus eintrugen. Der primäre Endpunkt war die Inzidenz der laborbestätigten COVID-19-Fälle oder neue Symptome, die nach Intubationseinsätzen eine Selbstisolation oder einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machten. Die Nachbeobachtungszeit war definiert als die Zeit, die zwischen der ersten gemeldeten Intubation und entweder dem ersten gemeldeten positiven COVID-19-Resultat oder dem spätesten Nachbeobachtungszeitpunkt, falls kein positives COVID-19-Resultat gemeldet wurde, verstrichen war.
Medizinisches Personal aus 503 Krankenhäusern in 17 Ländern reichte Daten ein; dessen Durchschnittsalter lag bei 41,5 Jahren, 40 % waren weiblich. Die Teilnehmer verzeichneten einen Median von 2 (Range 1–42) endotrachealen Intubationen. El-Boghdadly und sein Team analysierten 5148 Intubationen von 1718 Teilnehmern.
Die 3 am häufigsten genannten Indikationen für die Durchführung einer Intubation waren Atemstillstand (67,1 %), Vollnarkose bei chirurgischen Eingriffen (13,1 %) und Austausch des Endotrachealtubus (5,6 %). Ungefähr die Hälfte der gemeldeten Intubationen fand auf Intensivstationen statt.
Die Mehrheit (87,9 %) der Intubationen wurde unter Verwendung einer PPE durchgeführt, die den von der WHO empfohlenen Mindeststandards entsprach (Kittel, Handschuhe, Augenschutz und Atemschutzmasken, zertifiziert nach N95, FFP2, FFP3 oder einem gleichwertigen Standard). Die Verwendung von Atemschutzmasken variierte geografisch: In den USA kamen bspw. N95-Atemschutzmasken (71,6 %) und motorbetriebene Atemschutzgeräte (PAPR) (43,4 %) häufiger zum Einsatz als in Großbritannien, wo die Teilnehmer häufiger FFP3-/N100-Atemschutzmasken (89,3 %) verwendeten.
Unter den Teilnehmern betrug die mediane Nachbeobachtungszeit nach der ersten berichteten Intubation 32 Tage. Insgesamt 184 Teilnehmer (10,7 %) erreichten den primären Endpunkt, von denen 144 (8,4 %) eine symptomatische Selbstisolation angaben, 53 (3,1 %) eine laborbestätigte COVID-19-Infektion und 2 (0,1 %) einen Krankenhausaufenthalt mit COVID-19-Symptomen. Die am häufigsten berichteten COVID-19-Symptome unter den Teilnehmern mit Erreichen des primären Endpunkts waren Müdigkeit (60,3 %), Husten (55,4 %) und Halsschmerzen (54,4 %). Über Atemnot wurde nur selten berichtet (19,0 %).
Die kumulative Inzidenz der Ergebnisse für 7, 14 und 21 Tage nach der ersten Intubation betrug 3,6 %, 6,1 % bzw. 8,5 %. Ein multivariables Modell zeigte eine signifikant höhere Inzidenz für die Entwicklung des primären Endpunkts bei verschiedenen Ländern (UK als Referenzgruppe, Hazard Ratio [HR] USA 0,73, Australien 0,78, Schweden 1,39, Irland 1,57) und ein höheres Risiko für Frauen (HR 1,6).
An der Studie nahmen über 1700 Mitarbeiter im Gesundheitswesen aus 17 Ländern teil, die bei vermuteten oder bestätigten COVID-19-Erkrankten endotracheale Intubationen durchführten. Nach Intubation(-en) berichteten 10,7 % der Teilnehmer von einer Selbstisolation oder einem Krankenhausaufenthalt mit neu aufgetretenen Symptomen oder laborbestätigter COVID-19-Infektion. Die Inzidenz dieses primären Endpunkts nach der ersten Intubation war nur assoziiert mit dem jeweiligen Land und dem weiblichen Geschlecht. Geschlechterunterschiede bei der COVID-19-Übertragung sollten demnach eingehender untersucht werden.
Dr. Michaela Bitzer, Tübingen
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Publication History
Article published online:
19 April 2021
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