Gesundheitswesen 2021; 83(04): 250-257
DOI: 10.1055/a-1397-7527
Originalarbeit

Primärärztliche Strategien und Zusammenarbeit während der ersten Phase der COVID-19-Pandemie in Baden-Württemberg, Deutschland

Primary Care Strategies and Cooperation During the First Phase of the COVID-19 Pandemic in Baden-Wuerttemberg, Germany
Sandra Stengel
1   Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, UniversitätsKlinikum Heidelberg,Heidelberg, Deutschland
,
Catharina Roth
1   Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, UniversitätsKlinikum Heidelberg,Heidelberg, Deutschland
,
Amanda Breckner
1   Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, UniversitätsKlinikum Heidelberg,Heidelberg, Deutschland
,
Frank Peters-Klimm
1   Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, UniversitätsKlinikum Heidelberg,Heidelberg, Deutschland
,
Simon Schwill
1   Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, UniversitätsKlinikum Heidelberg,Heidelberg, Deutschland
,
Sophia Möllinger
1   Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, UniversitätsKlinikum Heidelberg,Heidelberg, Deutschland
,
Nicola Buhlinger-Göpfarth
2   75181 Pforzheim, Gemeinschaftspraxis Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth & Dr. Eleonore Fritz, Pforzheim, Deutschland
,
Joachim Szecsenyi
1   Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, UniversitätsKlinikum Heidelberg,Heidelberg, Deutschland
,
Michel Wensing
1   Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung, UniversitätsKlinikum Heidelberg,Heidelberg, Deutschland
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Ziel der Studie Das Ziel der Arbeit war eine deskriptive frühzeitige Momentaufnahme von Einleitung und Umsetzung ambulanter Strategien im primärärztlichen Setting zur Bewältigung der frühen Phase der COVID-19- Pandemie in Baden-Württemberg (Deutschland).

Methodik Im Juni 2020 erhielten alle 271 Corona-Anlaufstellen unter Trägerschaft der Kassenärztlichen Vereinigung (16 Abstrichstellen, 204 Corona-Schwerpunktpraxen, 51 Zentrale Fieberambulanzen) sowie eine zufällig generierte Stichprobe von 400 Hausarztpraxen aus Baden-Württemberg einen papierbasierten Fragebogen. Die Daten wurden anonym erhoben und deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse Insgesamt nahmen n=63 (15,8%) Hausarztpraxen und n=92 (33,9%) Corona-Anlaufstellen teil. 78,7% der Hausarztpraxen nutzten Corona-Anlaufstellen (n=48). 92,1% hatten eine verpflichtende telefonische Anmeldung für PatientInnen mit (vermuteter) COVID-19-Erkrankung (n=58) implementiert. 81% boten bei leichtem Verlauf eine rein telefonische oder videokonsultatorische Versorgung an (n=51). Parallel dazu wurden die neuen ambulanten Corona-Anlaufstellen vorwiegend unter hausärztlicher Leitung (n=76, 82,6%) in Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren, in fast der Hälfte der Fälle bereits im März aufgebaut (n=42, 48,3%). Die am häufigsten genannten Anmeldepfade waren gesteuert und konnten vorwiegend über HausärztInnen (n=88, 95,7%) und Gesundheitsamt (n=74, 80,4%), aber auch durch weitere Akteure erfolgen. In 92,4% (n=85) konnte eine telefonische Anmeldung erfolgen. Die mündliche Rückmeldung an die PatientInnen (n=65, 77,4%) war der am häufigsten genannte Rückmeldeweg. In weniger als der Hälfte der Corona-Anlaufstellen lagen standardisierte Anmelde-, Dokumentations- und Rückmeldebögen vor. Die Einschätzung der zukünftigen Versorgungsstrukturen von PatientInnen mit (vermuteter) COVID-19-Erkrankung waren heterogen.

Schlussfolgerungen In einem gemeinsamen Kraftakt, mit Improvisation und Zusammenarbeit gelang eine rasche Implementierung von Maßnahmen zur Patientenversorgung während der Anfangsphase der Pandemie im primärärztlichen Setting. Aus den Ergebnissen können Impulse für die primärärztliche Versorgung in einer Pandemie abgeleitet werden.


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Abstract

Objectives The aim of this study was to give an early snapshot of primary care strategies that were implemented to cope with the early period of the COVID-19 pandemic in Baden-Wuerttemberg (Germany).

Methods In June 2020, all 271 outpatient SARS-CoV-2 contact points, established by the National Association of Statutory Health Insurance Physicians (16 centers for testing, 204 specialized family practices, 51 Outpatients Corona Centers), and a randomly generated sample of 400 primary care practices of Baden-Wuerttemberg were invited to take part in a paper-based questionnaire. The data were gathered anonymously and analysed descriptively.

Results Out of those invited, n=63 (15.8%) primary care practices and n=92 (33.9%) SARS-CoV-2 contact points participated; 78.7% of the primary care practices cooperated with SARS-CoV-2 contact points (n=48). In all, 92.1% had implemented a compulsory registration by phone for patients with (suspected) COVID-19 (n=58) and 81% offered consultation exclusively by phone or video in case of a mild courses (n=51). The new outpatient SARS-CoV-2 contact points were established in collaboration with several stakeholders, mainly led by primary care physicians (n=76, 82.6%) and almost 50% of these were established in March 2020 (n=42, 48.3%). The most commonly reported method of registration was regulated mainly by primary care practices (n=88, 95.7%) and public health departments (n=74, 80.4%). In 92.4% (n=85) of cases, it was possible to register by phone. The consultation response was most commonly given in the form of oral information to the patient (n=65, 77.4%). Less then 50% of the SARS-CoV-2 contact points used standardized sheets for registration, documentation and consultation. The assessment of future primary care structures for (suspected) COVID-19 patients were heterogeneous.

Conclusions Effort, improvisation and collaboration were required for a successful and rapid implementation of measures for primary care during the initial period of the COVID-19 pandemic. Impulses for ongoing development of primary care strategies during a pandemic can be derived out of these results.


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Einleitung

Der erste SARS-CoV-2-Nachweis erfolgte in Deutschland am 27. Januar 2020 in Bayern [1]. Aktuell sind 2 205 171 SARS-CoV-2-Infektionen mit 56 546 Todesfällen in Deutschland und 291 818 SARS-CoV-2-Infektionen mit 7013 Todesfällen in Baden-Württemberg beschrieben (Stand 30.01.2021) [2]. An der Bewältigung der COVID-19-Pandemie sind im deutschen Gesundheitswesen maßgeblich der öffentliche Gesundheitsdienst, der stationäre und ambulante Sektor neben weiteren Akteuren beteiligt [3]. In Deutschland soll dabei laut Pandemieplänen zur Sicherstellung der notwendigen stationären Behandlungsressourcen für schwer erkrankte Fälle die Patientenversorgung möglichst ambulant erfolgen und stationär versorgte PatientInnen frühzeitig entlassen werden [3] [4] [5]. Die ambulante Versorgung obliegt im Rahmen des Sicherstellungsauftrags nach § 72 SGB V den Kassenärztlichen Vereinigungen [6]. Konkrete Handlungsanweisungen für den ambulanten Sektor sind auf Empfehlungen für das Risikomanagement in Arztpraxen im Falle einer Influenzapandemie beschränkt [7]. Am 12.03.2020 wurden vom Robert-Koch-Institut erstmalig Maßnahmen zur getrennten Versorgung von (vermuteten) COVID-19- und Nicht-COVID-19-PatientInnen im ambulanten und prästationären Bereich veröffentlicht [8]. Hier werden verschiedene Testmöglichkeiten, COVID-Ambulanzen und Empfehlungen mit räumlicher und zeitlicher Trennung für Praxen aufgezählt.

Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung wurde in Deutschland der überwiegende Anteil der COVID-19-PatientInnen bislang ambulant versorgt [9]. Weltweit ist das komplexe Einwirken der COVID-19-Pandemie auf den primärärztlichen Bereich beschrieben [10]. In der ersten Phase der COVID-19-Pandemie kam es in Deutschland in der sehr dynamischen Ausbreitungssituation zur Notwendigkeit der ad-hoc-Implementierung der o.g. (teils erst nachfolgend) empfohlenen Maßnahmen. Neben Umstrukturierungen in der hausärztlichen Versorgung kam es dabei in Baden-Württemberg zum Aufbau neuer ambulanter Versorgungsformen unter Trägerschaft der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), im Folgenden als Corona-Anlaufstellen bezeichnet: Abstrichstellen, Corona-Schwerpunktpraxen und Zentrale Fieberambulanzen [11]. In Abstrichstellen besteht die Möglichkeit einer Testung auf SARS-CoV-2. Corona-Schwerpunktpraxen (Betriebsstättennummer und Organisation durch eine bestehende Hausarztpraxis) und zentrale Fieberambulanzen (eigene Betriebsstättennummer) bieten die Möglichkeit von Diagnostik und Untersuchung bei PatientInnen mit Symptomen von COVID-19.

Das Ziel der Arbeit war deskriptiv in einer frühzeitigen Momentaufnahme zu erfassen, welche ambulanten Strategien im primärärztlichen Setting zur Bewältigung der frühen Phase der COVID-19-Pandemie in Baden-Württemberg eingeleitet wurden, wie diese umgesetzt wurden und wie die Zusammenarbeit an der Schnittstelle der Corona-Anlaufstellen gestaltet war.


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Methodik

Studiendesign und -setting

Die deskriptive Beobachtungsstudie wurde in der Frühphase der COVID-19-Pandemie geplant und nach Erhalt eines positiven Ethikvotums der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät Heidelberg (S-418/2020) sowie Registrierung im Deutschen Register für klinische Studien (DRKS00022224) durchgeführt. Der Bericht orientiert sich an den STROBE-Kriterien für Beobachtungsstudien [12]. Es erfolgte eine anonymisierte, schriftliche Befragung von leitendem Personal von Corona-Anlaufstellen und Hausarztpraxen mittels eines papierbasierten Fragebogens.


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Studienpopulation und Rekrutierung

Es wurden alle Corona-Anlaufstellen und hausärztlich tätigen ÄrztInnen mit Kassenarztzulassung in Baden-Württemberg über die Webseite der KVBW identifiziert. Der Stand am 15.06.2020 betrug 16 Abstrichstellen, 51 Zentrale Fieberambulanzen, 204 Corona-Schwerpunktpraxen und 8135 HausärztInnen. Zur Verminderung eines Bias wurden alle Hausarztpraxen ausgeschlossen, die Corona-Schwerpunktpraxen waren. Hinsichtlich der Corona-Anlaufstellen erfolgte eine Vollerhebung. In der Gruppe der Hausarztpraxen wurde eine zufällige Stichprobe von n=400 mittels Zufallszahlgenerator gezogen unter Berücksichtigung aller Land- und Stadtkreise analog ihrer Verteilung nach Einwohnerzahl. Am 15. Juni 2020 wurden alle LeiterInnen der 271 Corona-Anlaufstellen sowie die Stichprobe von n=400 Hausarztpraxen aus Baden-Württemberg postalisch eingeladen an der schriftlichen Befragung teilzunehmen. Am 20. Juli 2020 wurde die Datenerhebung beendet. In der Gruppe der Hausarztpraxen wurden nach der Rücksendung Personen ausgeschlossen, die auch in einer Corona-Anlaufstelle tätig waren, um das Risiko eines Bias zu vermindern.


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Variablen und Datenauswertung

Die Fragebögen für Corona-Anlaufstellen und Hausarztpraxen wurden in einem interdisziplinären Team auf Grundlage von 6 Orientierungsinterviews mit HausärztInnen entwickelt, die Pilotierung erfolgte in einem Testlauf mit HausärztInnen aus dem Studienteam. Die Fragebögen enthielten Fragen zu Soziodemografie, Struktur/Organisation, Patientenkontakten/Kapazität, Anamnese/Diagnostik/Dokumentation/Versorgung/Rückmeldung/Schnittstellen, Einstellung/Haltung, Wissensquellen/Wissensstand, Maßnahmen zur Eindämmung der SARS-CoV-2-Pandemie, Inanspruchnahme, weitere Versorgung von PatientInnen mit (vermuteter) COVID-19-Erkrankung sowie die Option einer Freitexteingabe. Die Häufigkeiten der nominalen bzw. ordinalen Antwortoptionen zu ausgewählten Fragen wurden mittels der Statistiksoftware IBM SPSS Version 25.0 deskriptiv berechnet. Die Häufigkeiten wurden bezogen auf die Anzahl der verwertbaren Rückmeldungen. Bei den ordinalen Antwortoptionen „trifft ganz zu“ - „trifft weitgehend zu“ - „trifft teils zu, teils nicht zu“ - „trifft weitgehend nicht zu“- „trifft überhaupt nicht zu“ – „kann ich nicht beurteilen“ wurden die erste und zweite Antwortoption als „trifft zu“ und die vierte und fünfte. als „trifft nicht zu“ wegen der geringen Anzahl an Nennungen zusammengefasst. Ein statistischer Vergleich zwischen den Gruppen der Corona-Anlaufstellen wurde aufgrund der geringen Fallzahlen in der Gruppe der Fieberambulanzen nicht durchgeführt.


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Ergebnisse

Studienpopulation

Von den 271 angeschriebenen Corona-Anlaufstellen füllten n=92 (33,9%) den Fragebogen aus. Die Rücklaufquote betrug in der Gruppe der Fieberambulanzen n=16 (31,4%), der Corona-Schwerpunktpraxen n=74 (36,3%) und der Abstrichstellen n=2 (12,5%). Die Rücklaufquote in der Gruppe der Hausarztpraxen betrug n=79 (19,8%). Hiervon wurden n=16 ausgeschlossen, weil sie eine Tätigkeit in einer Corona-Anlaufstelle angaben. Nach Ausschluss konnten n=63 (15,8%) ausgewertet werden. In [Tab. 1] wird die Studienpopulation beschrieben. Die überwiegende Mehrheit der LeiterInnen der Corona-Anlaufstellen waren HausärztInnen (n=76, 82,6%). Die Verteilung der Corona-Anlaufstellen und Hausarztpraxen bezogen auf den Standort und das Alter war ähnlich.

Tab. 1 Charakterisierung der Studienpopulation.

Merkmale

Corona-Anlaufstellen n=92

Hausarztpraxen n=63

Altersgruppe, n (%)  a

unter 30 Jahre

1 (1,1)

0

zwischen 30 und 40 Jahren

13 (14,1)

7 (11,1)

zwischen 41 und 50 Jahren

27 (29,3)

16 (25,4)

zwischen 51 und 60 Jahren

39 (42.4)

26 (41,3)

über 60 Jahre

11 (12,0)

14 (22,2)

keine Angabe

1 (1,1)

0

Standort, n (%)  a

Stadtzentrum

44 (47,8)

36 (57,1)

Stadt-Umkreis (20 km)

31 (33,7)

17 (27,0)

Ländliches Gebiet (Stadt>20 km)

17 (18,5)

8 (12,7)

Keine Angabe

0

2 (3,2)

Geschlecht, n (%)  a

Weiblich

30 (32,6)

32 (50,8)

Männlich

61 (66,3)

31 (49,2)

keine Angabe

1 (1,1)

0

Berufliche Qualifikation, n (%)  b

HausärztInnenc

76 (82,6)

n/a

Andere FachärztInnen

13 (14,1)

Nichtärztliche Mitarbeitended

3 (3,3)

Corona-Anlaufstellen – Subtypen, n (%)  a

Zentrale Fieberambulanz (ZFA)

16 (17,4)

n/a

Corona-Schwerpunktpraxis (CSP)

74 (80,4)

Abstrichstelle

2 (2,2)

a Einfachantwort. b Mehrfachantworten. c  Beinhaltet sowohl FachärztInnen für Allgemeinmedizin als auch FachärztInnen für Innere Medizin mit aktuell hausärztlicher Tätigkeit. d Gesundheits- und KrankenpflegerInnen, Medizinische Fachangestellte.


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Beschreibung des primärärztlichen Settings

Die Ergebnisse zu Inbetriebnahme, zusätzlichen Versorgungsangeboten und Öffnungszeiten finden sich in [Tab. 2]. Die Inbetriebnahme der Corona-Anlaufstellen erfolgte überwiegend im März 2020 (n=42, 48,3%) und April 2020 (n=34, 39,1%).

Tab. 2 Beschreibung des primärärztlichen Settings in der ersten Phase der COVID-19-Pandemie.

Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)

Corona-Anlaufstellen n (%)

Inbetriebnahme der Corona-Anlaufstelle  a (87/92)

Februar 2020

5 (5,7)

März 2020

42 (48,3)

April 2020

34 (39,1)

Mai 2020

5 (5,7)

Juni 2020

1 (1,1)

Zusätzliche Versorgungsangebote  b (91/92)

Mindestens 1 Versorgungsangebot für die Häuslichkeit (Corona-Taxi, Mitbetreuung Pflegeheime, Hausbesuche)

65 (71,4)

Öffnungszeiten in Tagen  b (91/92)

Täglich (Montag bis Freitag)

82 (90,1)

Zusätzlich samstags

13 (14,3)

Zusätzlich sonntags

11 (12,1)

Tageweise (1–2 oder 3–4 Tage/Woche)

11 (12,1)

Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)

Hausarztpraxen n (%)

Zuweisung von PAT_COV neben der Versorgung per Telefon oder Videokonsultation an  b,d (61/63)

Abstrichstellen

24 (39,3)

Zentrale Fieberambulanz

29 (47,5)

Corona-Schwerpunktpraxen

17 (27,9)

Klinik

18 (29,5)

Keine

13 (21,3)

Erniedrigte Inanspruchnahme durch PAT_NICHT_COV zu Beginn der COVID-19 Pandemie  a,c,d (63/63)

Trifft zu

52 (82,5)

Erniedrigte Inanspruchnahme durch PAT_NICHT_COV in der Osterzeit 2020  a,c (63/63)

Trifft zu

59 (93,7)

Erniedrigte Inanspruchnahme durch PAT_NICHT_COV zum Befragungszeitpunkt (Juni 2020)  a,c ,d (63/63)

Trifft zu

33 (52,4)

Verpflichtende telefonische Anmeldung vor Terminvereinbarung durch PAT_COV  a,c,d (63/63)

Trifft zu

58 (92,1)

Ausschließlich telefonische oder Videokonsultation-Behandlung von PAT_COV mit leichtem Verlauf a,c ,d (63/63)

Trifft zu

51 (81,0)

a Einfachantwort. b Mehrfachantworten. c Zur besseren Lesbarkeit wird nur die Antwortoption „trifft zu“ berichtet. d  PAT_COV=PatientInnen mit (vermuteter) COVID-19; PAT_NICHT_COV=PatientInnen ohne (vermutete) COVID-19.

Die hausärztlichen Ergebnisse zur Nutzung von Corona-Anlaufstellen, Einschätzung der Inanspruchnahme, Implementierung von verpflichtender telefonischer Anmeldung und ausschließlicher Versorgung per Telefon bzw. Video finden sich ebenfalls in [Tab. 2]. Der überwiegende Anteil der Hausarztpraxen (n=48, 78,7%) nutzte Corona-Anlaufstellen. Die Anzahl der Hausarztpraxen mit wahrgenommener reduzierter Inanspruchnahme von Nicht-COVID-PatientInnen reduzierte sich von einem Maximum mit n=59 (93,7%) in der Osterzeit auf n=33 (52,4%) zum Befragungszeitpunkt Mitte - Ende Juni 2020.


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Gegenüberstellung von Corona-Schwerpunktpraxen und zentralen Fieberambulanzen im Aufbau

Die Ergebnisse finden sich in [Tab. 3]. Corona-Schwerpunktpraxen wurden vorwiegend in eigenen Praxisräumen eingerichtet (n=57, 78,1%), Fieberambulanzen (n=15, 93,8%) hingegen überwiegend in anderen Räumen (fremde Praxisräume, Klinikräume, Hallen, Container, Zelte u. a.). Die beiden Abstrichstellen wurden in Containern organisiert. Sonstige Angaben waren unter anderem eine ehemalige Kaserne, Garagen oder eine umgebaute Wohnung.

Tab. 3 Gegenüberstellung von Corona-Schwerpunktpraxen und zentralen Fieberambulanzen im Aufbau.

Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)

Corona-Schwerpunktpraxen n (%)

Zentrale Fieberambulanzen n (%)

Räumlichkeiten  b

(73/74)

(16/16)

Vorhandene eigene Praxisräume

57 (78,1)

1 (6,3)

Andere (fremde Praxisräume, Klinikräume, Hallen, Container, Zelte, Sonstiges)

16 (21,9)

15 (93.8)

Initiative der Einrichtung  b

(74/74)

(16/16)

Kassenärztliche Vereinigung (KV)

38 (51,4)

9 (56,3)

Gesundheitsamt

5 (6,8)

9 (56,3)

Landratsamt

3 (4,1)

8 (50,0)

Kommune

3 (4,1)

4 (25,0)

Ärzteschaft

17 (23,0)

12 (75,0)

Kliniken

0

6 (37,5)

Eigeninitiative

34 (45,9)

2 (12,5)

Sonstige

1 (1,4)

0

Inhaltliche Unterstützung des Aufbaus  b

(69/74)

(16/16)

Kassenärztliche Vereinigung (KV)

41 (59,4)

10 (62,5)

Gesundheitsamt

11 (15,9)

5 (31,3)

Landratsamt

5 (7,2)

9 (56,3)

Kommune

12 (17,4)

4 (25,0)

Ärzteschaft

13 (18,8)

11 (68,8)

Kliniken

0

2 (12,5)

Eigeninitiative

17 (24,6)

2 (12,5)

Sonstige

13 (18,8)

3 (18,8)

Dauer des Aufbaus  b

(73/74)

(16/16)

1 Tag

18 (24,7)

0

2–3 Tage

25 (34,3)

4 (25,0)

4–6 Tage

23 (31,5)

8 (50,0)

1 bis 2 Wochen

3 (4,1)

2 (12,5)

mehr als 2 Wochen

4 (5,5)

2 (12,5)

Der Aufbau der Corona-Anlaufstelle war aufwendig  a,c

(73/74)

(16/16)

Trifft zu

33 (45,2)

13 (81,3)

Dokumentation a

(74/74)

(16/16)

Vollständig digital

52 (70,3)

4 (25)

Teilweise digital, teilweise papier-basiert

20 (27)

11 (68,8)

Vollständig papierbasiert

2 (2,7)

1 (6,2)

a Einfachantwort. b Mehrfachantworten. c Zur besseren Lesbarkeit wird nur die Antwortoption „trifft zu“ berichtet.

Hinsichtlich der Initiative der Einrichtung und inhaltlichen Unterstützung fallen Mehrfachnennungen auf. Besonders häufig wurden bei den Corona-Schwerpunktpraxen die KVBW (n=38, 51,4%; n=41, 59,4%) und die Eigeninitiative (n=34, 45,9%; n=17, 24,6%) genannt. Bei den Fieberambulanzen wurden besonders häufig die Ärzteschaft (n=12, 75%; n=11, 68,8%), die KVBW (n=9, 56,3%; n=10, 62,5%) und das Gesundheitsamt (n=9, 56,3%; n=5, 31,3%) genannt. Sonstige Organisationen (n=13, 18,8%), die beim Aufbau der Corona-Schwerpunktpraxen inhaltlich unterstützt haben, waren das Deutsche Rote Kreuz, die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft und die Malteser.

Die Dauer des Aufbaus erfolgte bei einem Großteil der Corona-Anlaufstellen unter 1 Woche (n=80, 88,0%). Dabei war tendenziell der Aufbau der Corona-Schwerpunktpraxen schneller als bei den Fieberambulanzen. n=33 (45,2%) der Corona-Schwerpunktpraxen und n=13 (81,3%) der Fieberambulanzen empfanden den Aufbau als aufwendig.

In den Corona-Schwerpunktpraxen überwog mit n=52 (70,3%) die vollständig digitale Dokumentation, wohingegen die Mehrheit der Fieberambulanzen (n=11, 68,8%) sowie die beiden Abstrichstellen teilweise digitale und teilweise papier-basierte Dokumentation angaben. Angegebene Gründe hierfür waren Schwierigkeiten mit der IT, dass keine Hard- oder Software zur Verfügung standen oder hygienische Gründe


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Zusammenarbeit an der Schnittstelle Corona-Anlaufstelle

Die Ergebnisse seitens der Corona-Anlaufstellen zu Anmeldung, Rückmeldung, Standardisierung der Anmeldung/Dokumentation/Rückmeldung und Zufriedenheit mit der Inanspruchnahme finden sich in [Tab. 4]. Die am häufigsten genannten Anmeldepfade für PatientInnen in den Corona-Anlaufstellen waren gesteuert und konnte vorwiegend über HausärztInnen (n=88, 95,7%) und Gesundheitsamt (n=74, 80,4%), aber auch durch weitere Akteure erfolgen. 18,5% (n=17) der Corona-Anlaufstellen ermöglichten eine ungesteuerte Behandlung ohne Anmeldung. 27,2% (n=25) gewährten auch die ungesteuerte Anmeldung durch PatientInnen selbst. Der am häufigsten genannte Anmeldeweg in den Corona-Anlaufstellen war der telefonische (n=85, 92,4%). Der am häufigsten genannte Rückmeldeweg über das Ergebnis der Konsultation war der mündliche an die PatientInnen (n=65, 77,4%). Ebenfalls in [Tab. 4] finden sich die Einschätzungen der Hausarztpraxen über den Informationsstand in Bezug auf die Corona-Anlaufstellen.

Tab. 4 Zusammenarbeit an der Schnittstelle Corona-Anlaufstelle.

Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)

Corona-Anlaufstellen n (%)

Die Anmeldung in der Corona-Anlaufstelle kann erfolgen durch  b (92/92)

ohne Anmeldung

17 (18,5)

Hausarztpraxis

88 (95,7)

Gesundheitsamt

74 (80,4)

116 117

65 (70,7)

Kliniken

40 (43,5)

ärztlichen Bereitschaftsdienst

42 (45,7)

Pflegeheime

46 (50,0)

PatientInnen telefonisch selbst

25 (27,2)

Die Anmeldung erfolgt per  b (92/92)

Telefon

85 (92,4)

Fax

37 (40,2)

E-Mail

31 (33,7)

Sonstige

10 (10,9)

Die Rückmeldung erfolgt an/per  b (84/92)

PatientIn mündlich

65 (77,4)

PatientIn im Papierformat

23 (27,4)

Zuweisende Hausarztpraxis per Telefon

26 (31,0)

Zuweisende Hausarztpraxis per Fax

47 (56,0)

Zuweisende Hausarztpraxis per Mail

12 (14,3)

Zuweisende Hausarztpraxis durch PatientIn

14 (16,7)

Sonstige (Kliniken, Gesundheitsamt, keine Rückmeldung)

17 (20,2)

Es gibt einen standardisierten Anmeldebogen  a,c (90/92)

Trifft zu

40 (44,4)

Es gibt einen standardisierten Dokumentationsbogen  a,c (91/92)

Trifft zu

38 (41,8)

Es gibt einen standardisierten Rückmeldebogen  a,c (90/92)

Trifft zu

22 (24,4)

Die Inanspruchnahme meiner Corona-Anlaufstelle bewerte ich als zufriedenstellend  a,c (91/92)

Trifft zu

57 (62,6)

Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)

Hausarztpraxen n (%)

Über die Standorte der Corona-Anlaufstellen bin ich gut informiert  a,c (62/63)

Trifft zu

54 (87,1)

Über die Öffnungszeiten der Corona-Anlaufstellen bin ich gut informiert  a,c (62/63)

Trifft zu

48 (77,4)

Über die Abläufe der Corona-Anlaufstellen bin ich gut informiert  a,c (62/63)

Trifft zu

43 (69,4)

a Einfachantwort. b Mehrfachantworten. c Zur besseren Lesbarkeit wird nur die Antwortoption „trifft zu“ berichtet. d PAT_COV=PatientInnen mit (vermuteter) COVID-19; PAT_NICHT_COV=PatientInnen ohne (vermutete) COVID-19.


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Zukunft und Weiterentwicklung

Die Ergebnisse zur Zukunft und Weiterentwicklung in der Versorgung in Corona-Anlaufstellen und in Hausarztpraxen finden sich in [Tab. 5]. Aus Sicht der Corona-Anlaufstellen wurde am häufigsten mit 67,9% (n=53) eine Steigerung von Informationsangeboten für HausärztInnen und mit 74,4% (n=58) eine Steigerung von Informationsangeboten für PatientInnen als Möglichkeiten zur Steigerung der Inanspruchnahme der eigenen Einrichtungen angegeben. Die Steuerung der ambulanten PatientInnen durch entsprechende Abrechnungsregelungen wurde mit n=34 (43,6%) am wenigsten häufig als Möglichkeit zur Steigerung der Inanspruchnahme angegeben.

Tab. 5 Zukunft/Weiterentwicklung.

Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)

Corona-Anlaufstellen n (%)

Möglichkeiten zur Steigerung der Inanspruchnahme der Corona-Anlaufstelle sind meines Erachtens  b (78/92)

Informationsangebot für HausärztInnen steigern

53 (67,9)

Informationsangebot für PatientInnen steigern

58 (74,4)

Informationsangebot allgemein steigern

49 (62,8)

Steuerung der ambulanten PatientInnen durch entsprechend äußere Regelungen während der Pandemie

52 (66,7)

Steuerung der ambulanten PatientInnen durch entsprechende Abrechnungsregelungen während der Pandemie

34 (43,6)

Für die kommenden 6 Wochen halte ich den Betrieb meiner Einrichtung dauerhaft für sinnvoll  a,c (91/92)

Trifft zu

65 (71,4)

Für die kommenden 6 Wochen halte ich bei starkem Anstieg der COVID-Fälle den Betrieb meiner Einrichtung für sinnvoll  a,c (90/92)

Trifft zu

87 (96,7)

Merkmale (Anzahl verwertbare/mögliche Rückmeldungen)

Hausarztpraxen n (%)

Für die kommenden 6 Monate halte ich die Versorgung von PAT_COV in meiner Praxis telefonisch für sinnvoll  a,c,d (63/63)

Trifft zu

46 (73,0)

Für die kommenden 6 Monate halte ich die Versorgung von PAT_COV in meiner Praxis per Videosprechstunde für sinnvoll  a,c,d (62/63)

Trifft zu

15 (24,2)

Für die kommenden 6 Monate halte ich die Versorgung von PAT_COV in meinen Praxisräumen für sinnvoll  a,c,d (63/63)

Trifft zu

33 (52,4)

Für die kommenden 6 Monate halte ich den Betrieb der Corona-Anlaufstellen dauerhaft für sinnvoll  a,c (63/63)

Trifft zu

32 (50,8)

Für die kommenden 6 Monate halte ich den Betrieb der Corona-Anlaufstellen bei starkem Anstieg der Fälle für sinnvoll  a,c (62/63)

Trifft zu

51 (82,3)

a  Einfachantwort. b  Mehrfachantworten. c  Zur besseren Lesbarkeit wird nur die Antwortoption „trifft zu“ berichtet. PAT_COV=PatientInnen mit (vermuteter) COVID-19; PAT_NICHT_COV=PatientInnen ohne (vermutete) COVID-19.


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Diskussion

In der vorliegenden Arbeit konnten in einer frühzeitigen Momentaufnahme die ambulanten Strategien und Umsetzungen im primärärztlichen Setting zur Bewältigung der frühen Phase der COVID-19-Pandemie beschrieben werden: Innerhalb kürzester Zeit wurden in den meisten Hausarztpraxen Maßnahmen wie Inanspruchnahme von Corona-Anlaufstellen, verpflichtende telefonische Anmeldung und Versorgung von PatientInnen mit leichtem Verlauf bei (vermuteter) COVID-19-Erkrankung rein telefonisch oder per Video implementiert. Die initial wahrgenommene und aus mehreren Ländern berichtete Unterversorgung von Nicht-COVID-19-PatientInnen ging bis zum Befragungszeitpunkt deutlich zurück [13]. Parallel dazu wurden Corona-Anlaufstellen als neue ambulante Versorgungsformen vorwiegend unter hausärztlicher Leitung aufgebaut. Ähnliche Ansätze in der Pandemie-Struktur im primärärztlichen Setting sind in Australien, Neuseeland, Kanada, den Niederlanden, Großbritannien und den USA jeweils mit unterschiedlichen Gewichtungen beschrieben [13]. Der Aufwand beim Aufbau der Corona-Anlaufstellen wird v. a. bei einem Großteil der Fieberambulanzen und bei fast der Hälfte der Corona-Schwerpunktpraxen als hoch eingeschätzt. Dies deckt sich mit Ergebnissen aus Schwerpunktpraxen in Berlin [14]. Auch bei HausärztInnen in Deutschland wird die Praxisorganisation als maßgebliche Herausforderung während der COVID-19-Pandemie genannt [15].

Aus der Vielzahl der beteiligten Akteure in den Corona-Anlaufstellen lässt sich die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit vielen Schnittstellen z. B. in Bezug auf Information und Kommunikation ableiten. Managementlücken taten sich in den Corona-Anlaufstellen bei der gesteuerten Anmeldung, der standardisierten Dokumentation und der Digitalisierung auf. Schon vor Beginn der COVID-19-Pandemie wurde die Performance des deutschen Gesundheitssystems im Ländervergleich in das untere Mittelfeld mit guten Leistungen in Versorgungsprozessen und Outcomes aber Verbesserungsbedarf in Zugang und administrativer Effizienz eingeordnet [16].

Die Inanspruchnahme war nur in 62,5% der Corona-Anlaufstellen als zufriedenstellend angegeben. Häufig genannte Möglichkeiten die Inanspruchnahme zu erhöhen, war eine Steigerung der Informiertheit der HausärztInnen und PatientInnen. Den Bedarf an verlässlichen Informationen seitens der Hausärzteschaft beschreibt auch Bergmaier [15].

Bezüglich der zukünftigen Versorgung wurde eine große Heterogenität der Haltung zur Versorgung von PatientInnen mit (vermuteter) COVID-19-Erkrankung in der eigenen Praxis und der Notwendigkeit des dauerhaften Erhalts von Corona-Anlaufstellen festgestellt. Sowohl die Patiententrennung als auch fehlendes Feedback an die Entscheidungsträger sind in der Literatur als Herausforderungen im primärärztlichen Setting beschrieben [17]. In Australien sind eine starke Kommunikation mit den Primärversorgern, Feedbackschleifen und Online-Schulungen für den primärärztlichen Sektor während der COVID-19-Pandemie implementiert worden [18].

Einigkeit bestand über die Notwendigkeit des Angebots von Corona-Anlaufstellen bei starkem Anstieg von COVID-19-Fällen. Vor dem Hintergrund der Dynamik der COVID-19-Pandemie und mit Blick auf den hohen Aufwand im Aufbau insbesondere der Fieberambulanzen könnten hierfür Vorlagen für Struktur und Workflows wie in China und Südkorea hilfreich sein [19] [20]. Der Wunsch nach Beibehalt der rein telefonischen Behandlung inklusive Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde auch durch Bergmaier erhoben [15], die Politik steuerte erst jüngst nach einer mehrmonatigen Pause dahingehend nach. Warum der Bedarf an Videosprechstunde nur durch ein Viertel der antwortenden HausärztInnen bekundet wird, sollte Gegenstand weiterer Erhebungen sein.

Innerhalb Europas war Deutschland in der „ersten Welle“ eines der Länder mit den wenigsten Todesfällen bezogen auf die Einwohnerzahl [21]. Die Kapazitätsgrenzen der stationären Versorgung und Beatmungsplätze wurden nicht erreicht [22]. Die Auswertungen der noch anhaltenden „zweiten Welle“ stehen aus. Der Zeitpunkt der Umsetzung eines nationalen Pandemieplans sowie das Gelingen der Mobilisierung des primärärztlichen Sektors könnten einen Einfluss auf die Mortalitätsrate haben [23]. Die beschriebenen Anpassungen im primärärztlichen Setting könnten im Sinne eines „Schutzwalls“ für Krankenhäuser einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet haben [9].

Limitationen

Der Rücklauf kann als vergleichbar mit anderen Erhebungen in Deutschland im hausärztlichen Setting beurteilt werden. Dennoch ist aufgrund der niedrigen Anzahl die Aussagekraft eingeschränkt und nur eine deskriptive Auswertung möglich. Über Gründe des niedrigen Rücklaufs der Abstrichstellen (n=2 von 16) kann nur spekuliert werden. Eine Ursache könnte eine erschwerte postalische Zustellung gewesen sein bei Einrichtung außerhalb bestehender Praxisräume. Ein Non-Response-Bias kann nicht ausgeschlossen werden. Durch die Vollerhebung bei den Corona-Anlaufstellen sowie Einbezug aller Land- und Stadtkreise in Baden-Württemberg dürften die Ergebnisse dennoch einen realistischen regionalen Überblick geben. Für eine Verallgemeinerung (regional und national) sollten weitere Erhebungen stattfinden.


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Schlussfolgerung

Mit Improvisation und durch das Zusammenspiel mehrerer Akteure gelang in einem Kraftakt eine rasche Implementierung von Anpassungen im primärärztlichen Setting während der frühen Phase der COVID-19-Pandemie. Folgende Anregungen lassen sich aus den Ergebnissen ableiten: Auf den Aspekt Kommunikation und Austausch an den Schnittstellen der Corona-Anlaufstellen könnte ein vermehrter Fokus gelegt werden. Gesteuerte Zugangswege zu Corona-Anlaufstellen sowie vollständig digitale Erhebung und Standardisierung in der Kommunikation könnten wichtige Impulse zur geregelten Versorgung von PatientInnen mit (vermuteter) COVID-19-Erkrankung sein. Gleichzeitig könnte dies der Grundstein für ein Monitoring während einer Erkrankung sein, zur Datenerhebung für Forschung im primärärztlichen Setting beitragen und Grundlagen für ein ambulantes Monitoring der Bedarfe darstellen. Feedbackschleifen könnten Gründe für heterogene Haltungen, Bedarfe und mögliche umsetzbare Lösungen erheben. Für die langfristige Pandemieplanung sollten konkrete und praxistaugliche Empfehlungen in die Pandemiepläne aufgenommen und kommuniziert werden.


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Finanzielle Unterstützung

Die Studie erhielt keine finanzielle Unterstützung.


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Interessenkonflikt

AB, SM, FPK, CR, SSc und MW geben keine Interessenskonflikte an. NBG und SSt haben im März/April je eine Fieberambulanz aufgebaut. NBG erhielt Dienstpauschalen, SSt eine Aufwandsentschädigung für den Aufbau von der KVBW.

  • References

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Korrespondenzadresse

Sandra Stengel
Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung
UniversitätsKlinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 130.3
69120 Heidelberg
Deutschland   

Publication History

Article published online:
19 March 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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