Einleitung
Systemische Sklerose (SSc) und Systemischer Lupus erythematodes (SLE) gehen
häufig mit schwerwiegenden Organmanifestationen einher. Für eine
Verbesserung der Prognose im Hinblick auf Mortalität und Erhalt der
Organfunktion sowie zum Erhalt von Erwerbsfähigkeit und
Lebensqualität sind die frühzeitige Erkennung dieser schwerwiegenden
Manifestationen und eine umgehende adäquate Therapie von entscheidender
Bedeutung. Dies erfordert engmaschige Kontrolluntersuchungen, welche insbesondere
auf die frühzeitige Erkennung schwerer Manifestationen und aggressiver
Verläufe zu einem Zeitpunkt zielen, zu dem diese einer erfolgversprechenden
Therapie noch zugänglich sind und irreversible Schäden noch nicht
aufgetreten sind bzw. sich in Grenzen halten. In diesem Zusammenhang dient eine
individuelle Risikostratifizierung dem Ziel, frühzeitig Patienten mit
besonderen Risiken für schwere Manifestationen zu erkennen und
Kontrolluntersuchungen entsprechend zu fokussieren und ggf. zu verdichten. Ferner
ist zu bedenken, daß die Verläufe von Organmanifestationen bei SSc
und SLE sehr variabel sind. Progrediente Verläufe mit rascher Entwicklung
von Organinsuffizienzen sind von jenen mit geringerer Dynamik zu unterscheiden.
Diese Differenzierung dient der zügigen Einleitung einer aggressiven
Therapie einerseits und der Vermeidung von Übertherapie mit potenziellen
Nebenwirkungen andererseits. Prognose-bestimmende schwere Organmanifestationen bei
SSc sind interstitielle Lungenerkrankung, pulmonal-arterielle Hypertonie, kardiale
Beteiligung und renale Krise. Digitale Ulcerationen bedingen eine erhebliche
Einschränkung von Lebensqualität und Erwerbsfähigkeit und
sind häufig mit anderen schweren SSc-Manifestationen assoziiert. Unter
Berücksichtigung von Häufigkeit und prognostischer Bedeutung ist die
Lupusnephritis die wichtigste Organmanifestation des SLE. Sowohl zu o.g.
SSc-Manifestationen als auch zur Lupusnephritis sind umfangreiche Daten zur
Risikostratifizierung erhoben worden, welche gut in der Praxis angewendet werden
können. Aufgrund der klinischen Relevanz der o.g. SSc-Manifestationen und
der Lupusnephritis sowie der guten Datenlage zur Risikostratifizierung erfolgt in
der vorliegenden Übersicht eine Fokussierung auf diese Krankheitsbilder.
Teil 1: Risikostratifizierung schwerer Organbeteiligungen bei Systemischer
Sklerose
Interstitielle Lungenerkrankung (ILD) und pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH)
sind die beiden entscheidenden Prognose-bestimmenden Manifestationen der
Systemischen Sklerose (SSc) [1]
[2]. Daher sind sowohl die Kenntnis der
Risikofaktoren für die Entwicklung einer ILD sowie einer PAH als auch
die Risikostratifizierung bei bereits etablierter ILD oder PAH von
entscheidender Bedeutung für die adäquate Dichte von
Kontrolluntersuchungen und das therapeutische Vorgehen.
Interstitielle Lungenerkrankung bei systemischer Sklerose
Die interstitielle Lungenerkrankung (ILD) ist die häufigste
lebensbedrohliche Organmanifestation der SSc. Basierend auf Untersuchungen
mittels High-resolution CT (HRCT) liegt die Prävalenz der ILD bei SSc
zwischen 47 und 84% [1]. Hinweise auf
eine ILD fanden sich in kanadischen Registerdaten in 65% im HRCT, in
26% bei der klinischen Untersuchung und in 22% in der
konventionellen Röntgenaufnahme des Thorax [3]. Autoptisch läßt sich eine ILD sogar bei
74% der SSc-Patienten nachweisen [1].
In der EUSTAR-Datenbank zeigten 53,4% der Patienten mit diffuser cutaner
SSc (dcSSc) und 34,7% mit limitierter cutaner SSc (lcSSc) eine ILD [4]. Im Zeitraum zwischen 1972 und 2002 hat die
Bedeutung der renalen Krise als Todesursache von SSc-Patienten von 42 auf
6% abgenommen, während die ILD als Todesursache bei SSc von 6
auf 33% zugenommen hat [5]. Eine
respiratorische Insuffizienz basierend auf der ILD war für 43%
der Todesfälle bei SSc ursächlich [6]. Als ursächlich für die abnehmende Bedeutung der
renalen Krise als Todesursache bei SSc sind die konsequente Therapie mit
ACE-Hemmern sowie die Vermeidung höher dosierter Glukokortikoide bei
SSc-Patienten von wesentlicher Bedeutung [5].
Als Risikofaktoren für die Entwicklung einer ILD konnten das Vorliegen
einer dcSSc, männliches Geschlecht, Afro-karibische Ethnizität
und der Nachweis von Topoisomerase I-Antikörpern (Scl-70-AK) sowie das
Fehlen von Centromer-Antikörpern identifiziert werden [1]
[7]
[8]. In der Lungenfunktionsdiagnostik sind eine
Reduktion der forcierten Vitalkapazität (FVC) und der
Diffusionskapazität der Lunge für Kohlenmonoxid (DLCO)
wegweisend für eine ILD [1].
Der Verlauf bzw. die Progredienz der ILD bei SSc ist hochvariabel. Neben der
Kenntnis der Risikofaktoren einer ILD ist daher die frühzeitige
Erkennung einer Progredienz derselben bzw. die Kenntnis von Risikofaktoren der
Progredienz entscheidend für die Therapiestrategie. Risikofaktoren
für eine Progredienz der ILD sind männliches Geschlecht, dcSSc,
Nachweis von Topoisomerase-I-AK, nukleoläres ANA-Muster, der Nachweis
von anti-Th/To- und U3RNP-AK, aber auch paraklinische
Entzündungszeichen wie Erhöhung von CrP und IL-6, eine initiale
Verminderung der FVC auf<70% und/oder der DLCO
auf<55% und eine Beteiligung von>20% des
Lungenvolumens [1]
[8]
[9]. Als weitere Biomarker einer
Progredienz werden derzeit verschiedene Chemokin-Liganden und-Rezeptoren sowie
Zytokine untersucht, wobei diese in der Regel in der Routinediagnostik noch
nicht verfügbar sind [1]
[8]
[9].
Ausgewählte Risikofaktoren einer Progredienz der SSc-ILD sind in [Abb. 1] dargestellt. Obwohl keine einheitliche
Definition für eine progrediente SSc-ILD existiert, hat sich in den
letzten Jahren in erster Linie eine auf der Entwicklung der Lungenfunktion
basierende Einteilung in eine progrediente bzw. stabile Erkrankung etabliert.
Als Zeichen einer Progression gelten eine Abnahme der FVC um≥10%
gegenüber dem Ausgangswert oder eine Abnahme der FVC von
5–9% in Verbindung mit einer Abnahme der DLCO
von≥15% innerhalb eines Jahres [1]
[8]. Eine derartige Dynamik der
genannten Lungenfunktionsparameter war der beste 1-Jahresprädiktor
für spätere Mortalität [10].
Abb 1 Risikofaktoren für die ILD-Progression bei SSc
(FVC=forcierte Vitalkapazität,
DLCO=Diffusionskapazität der Lunge für
Kohlenmonoxid).
Ein relativ einfaches Staging-System zur Einschätzung der Prognose der
ILD bei SSc wurde 2008 von Goh et al. vorgestellt [11]. Basierend auf der Mortalität und der Entwicklung der
Lungenfunktion bei 330 SSc-Patienten wurde die prognostische Bedeutung der
initialen HRCT- und Lungenfunktionsbefunde für den weiteren Verlauf der
ILD analysiert. Die Prognoseeinschätzung bzw. Risikostratifizierung
beruht lediglich auf 2 Parametern, dem Ausmaß der interstitiellen
Veränderungen im HRCT und der FVC. Für die initiale Analyse
wurde zunächst eine Unterteilung basierend auf dem Ausmaß
(Angabe in% des Lungenvolumens) der interstitiellen
Veränderungen im HRCT vorgenommen. Patienten mit einem
Ausmaß<10% wurden als limitierte, jene
mit>30% als extensive ILD eingeordnet. Bei intermediärem
Befund im HRCT erfolgte die weitere Zuordnung in Abhängigkeit von der
FVC, bei FVC≥70% in die Gruppe der limitierten ILD, bei
FVC<70% als extensive ILD. Für den Tod der Patienten
nach 120 Monaten waren folgende initiale Befunde bzw. Befundkonstellationen
prädiktiv: Einordnung als limitierte oder extensive ILD unter
Kombination von Bildgebung und FVC (HR 3,46; p<0,0005),
FVC≥70% bzw.<70%, (HR 2,11; p=0,001),
Ausmaß der interstitiellen Veränderungen im
HRCT≤bzw.>20% (HR 2,48; p<0,0005). Für
die klinische Praxis wird folgende etwas vereinfachte Unterteilung in limitierte
und extensive ILD vorgeschlagen: Die limitierte ILD ist gekennzeichnet durch ein
Ausmaß der interstitiellen (retikulären) Veränderungen
im HRCT von eindeutig weniger als 20% des Lungenvolumens, von einer
extensiven ILD wird gesprochen, wenn eindeutig mehr als 20% der Lunge
von den interstitiellen Veränderungen betroffen sind. Ist das
Ausmaß der Veränderungen in der HRCT nicht eindeutig zuzuordnen
(intermediärer Befund) wird die ILD bei einer FVC
von≥70% der limitierten, bei einer FVC von<70%
der extensiven ILD zugeordnet.
Ähnlichen Prämissen folgt eine 2019 vorgeschlagene Einteilung der
SSc-ILD in eine subklinische und klinische ILD [9]. Diese Unterteilung zielt vordergründig auf eine
Differenzierung der Patienten, bei denen engmaschige Kontrollen von
Lungenfunktion und ggf. der Bildgebung ausreichend sind und zunächst auf
eine immunsuppressive Therapie verzichtet werden kann, von jenen bei denen eine
umgehende Immunsuppression indiziert ist. Die subklinische ILD ist nach dieser
Einteilung gekennzeichnet durch fehlende ILD-Symptome, minimale bis milde
Veränderungen im HRCT, eine normale Lungenfunktion (FVC und DLCO) und
das Fehlen einer klinisch bedeutsamen Verschlechterung von FVC und/oder
DCLO. Für die Einordung als subklinische ILD müssen alle der
genannten Merkmale zutreffen. Als klinische ILD werden jene Patienten
eingeordnet, für die mindestens eins der folgenden Kriterien zutrifft:
Milde bis schwere Veränderungen im HRCT, reduzierte Werte für
FVC und/oder DLCO, klinisch bedeutsame Verschlechterung von FVC
und/oder DLCO im Verlauf bzw. Vorhandensein von ILD-Symptomen. Als
klinisch relevante Verschlechterung der Lungenfunktion werden gewertet: Eine
Abnahme der FVC um>10% und/oder eine Abnahme der FVC
um≥5 –<10% in Kombination mit einer Abnahme der
DLCO um≥15%. Ein Risiko-basierter Algorithmus für
Monitoring und Therapieindikation bei SSc-ILD zeigt [Abb. 2]
. Im Falle einer
Immunsuppression kommen nach den aktuellen Empfehlungen und der Studienlage
primär Cyclophosphamid oder Mycophenolatmofetil (MMF) als
Induktionstherapie, ggf. auch Rituximab in Betracht [1]. Die Zulassung von Nintedanib als Fibrose-hemmendes
Therapieprinzip eröffnet neue therapeutische Möglichkeiten,
wobei hier eine Kombination mit einer Immunsuppression mit MMF einen
zusätzlichen Nutzen im Hinblick auf die Hemmung der Progredienz der ILD
zeigt [12].
Abb. 2 Risikobasierter Algorithmus für Monitoring und
Therapieindikation bei SSc-ILD (FVC=forcierte
Vitalkapazität; DLCO=Diffussionskapazität der
Lunge für Kohlenmonoxid, dcSSc=diffuse cutane
Sklerodermie).
Pulmonal-arterielle Hypertonie bei SSc
Im Vergleich zur ILD sind mit 6–12% weniger Patienten mit SSc von
einer pulmonalen Hypertonie (PH) betroffen [13]
[14]. Eine Metaanalyse
fünf europäischer Studien mit 1165 SSc-Patienten zeigte
für die PH eine Prävalenz von 7% [14]. Basierend auf Klinik und Pathophysiologie
wird die PH in 5 Gruppen unterteilt. Gruppe 1: Pulmonal-arterielle Hypertonie
(PAH), Gruppe 2: PH bei Linksherzerkrankungen, Gruppe 3: PH bei
Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie, Gruppe 4: chronische
thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) und Gruppe 5: PH unklarer oder
multifaktorieller Ursache [15]. In o.g.
Metaanalyse hatten 77% der von PH betroffenen SSc-Patienten eine
präkapilläre PH, davon gehörten 2/3 zur Gruppe 1
(PAH) und 1/3 zur Gruppe 3 (sekundäre PH bei interstitieller
Lungenerkrankung) [13]. Bezogen auf die
gesamte Patientengruppe mit PH gehörten 51% zur Gruppe 1,
26% zur Gruppe 3, 21% hatten eine PH bei Linksherzerkrankung
(Gruppe 2) und 2% eine PH bei pulmonal vascular occlusive disease
(PVOD). Eine ähnliche Häufigkeitsverteilung fand sich in der
DETECT-Studie mit 60% PAH und 40% PH der anderen o.g. Gruppen
[16].
Die Diagnose der PAH wird mittels Rechtsherzkatheterisierung gestellt, wobei eine
PAH definiert ist als mittlerer pulmonal-arterieller Druck (mPAP) von≥25
mmHg bei einem pulmonal-kapillären Verschlußdruck von≤15
mmHg [15]
[16]. Im Rahmen einer modifizierten Definition wurden 2019 bereits ein
mPAP>20 mmHg und ein pulmonal-vaskulärer Widerstand≥3
Wood units als PAH definiert [13]. Um bei o.g.
Prävalenz eine sinnvolle Differenzialindikation für die
Rechtsherzkatheterisierung zu stellen, ist neben regelmäßigen
echokardiografischen Kontrollen aller SSc-Patienten auf Zeichen einer PH die
Kenntnis der Risikofaktoren für eine PAH essenziell. Als einfach zu
ermittelnde Risikofaktoren für eine PAH gelten bestimmte demografische
Faktoren wie eine lange bestehende Erkrankung, hohes Lebensalter bei Beginn der
SSc und eine lange postmenopausale Zeitspanne [17]. Ferner signalisieren klinische Befunde welche das Ausmaß
der obstruktiven Vaskulopathie und das pathologische Gefässremodeling
erkennen lassen, ein erhöhtes Risiko für eine PAH. Dazu
zählen eine schwere Raynaud-Symptomatik, schwere digitale
Ischämien sowie das Vorhandensein von Teleangiektasien [17]. Desweiteren sind der Nachweis von
Centromer-AK und eine Hyperurikämie mit einem höheres PAH-Risiko
assoziiert [16]. Ferner konnte nachgewiesen
werden, daß stimulierende Antikörper gegen Endothelin-A-Rezeptor
und Angiotensin-1-Rezeptor prädiktiv für die Entwicklung einer
PAH bei SSc sind und mit einer erhöhten Mortalität einhergehen
[18]. Befunde der Lungenfunktion welche
auf eine PAH hindeuten, sind eine inadäquat niedrige DLCO bei relativ
guter FVC, welche sich in einer FVC/DLCO-Ratio von>1,6
widerspiegelt bzw. eine isolierte Verringerung der DLCO auf<50%
[17]. Risikofaktoren für eine PAH
bzw. mit PAH assoziierte Befunde sind in [Tab.
1] dargestellt. Viele der genannten Parameter haben in den
DETECT-Algorithmus zur Frühdiagnose der PAH bei SSc Eingang gefunden
[16]. Im ersten Schritt des
DETECT-Algorithmus werden die FVC%/DLCO%-Ratio, das
aktuelle oder frühere Vorhandensein von Teleangiektasien, das
Vorhandensein von Centromer-AK, das Serum NTproBNP, die Serumharnsäure
und das Vorhandensein eines überdrehten Rechtstyps im EKG zur Ermittlung
eines Gesamtrisiko-Index herangezogen [16].
Liegt dieser Index>300, wird die Indikation zur Echokardiografie
gestellt und in einem zweiten Schritt der rechte Vorhof und die
Trikuspidalregurgitation beurteilt. Liegt der nun ermittelte Gesamt-Risiko-Index
bei>35 wird die Indikation zur invasiven Diagnostik mittels
Rechtsherzkatheter gestellt. In einem entsprechenden Modell wird gezeigt,
daß durch Verwendung des DETECT-Algorithmus gegenüber dem von
der ESC/ERS empfohlenen Vorgehen bei SSc die Sensitivität
für die Diagnose der PAH von 71 auf 96% und der negative
Vorhersagewert von 89 auf 89% gesteigert werden kann. Infolgedessen
wurde die Zahl der nicht diagnostizierten Patienten mit PAH von 29 auf
4% reduziert [16].
Tab. 1 Klinische, funktionsdiagnostische und serologische
Risikofaktoren für die Entwicklung einer
pulmonal-arteriellen Hypertonie (PAH) bei SSc.
Demografische und klinische Risikofaktoren
|
Risikofaktoren aus der Funktionsdiagnostik
|
Serologische Risikofaktoren (Autoantikörper)
|
|
|
|
DLCO=Diffussionskapazität;
DLCO/VA=Diffusionskapazität bezogen auf das
alveloare Volumen; FVC=forcierte Vitalkapazität;
RVSP=Rechtsventrikulärer systolischer Druck,
RNP=Ribonukleoprotein; aPL-AK=Antiphospholipid-AK;
AECA=Anti-Endothelzell-AK; Anti-AT1R-AK=stimulierende AK
gegen Angiotensin-1-Rezeptor; Anti-ETAR-AK=stimulierende AK
gegen Endothelin-1-Rezeptor.
Bei diagnostizierter PAH ist zur Etablierung einer gezielten Differenzialtherapie
mit dem Ziel einer Verbesserung der Prognose eine Risikostratifizierung des
Schweregrades der PAH entscheidend, der die prognostizierte
Einjahresmortalität zugrunde gelegt wird [15]. Dabei dient diese Risikostratifizierung insbesondere auch einer
frühzeitigen Identifizierung von Patienten, welche bereits initial oder
in Abhängigkeit vom Verlauf einer Kombinationstherapie zugeführt
werden sollten. Eine Einstufung als niedriges Risiko erfolgt bei einer
1-Jahres-Mortalität von<5%, als intermediäres
Risiko bei einer 1-Jahres-Mortalität von 5–10% und als
hohes Risiko bei einer 1-Jahres-Mortalität von>10%. Als
Determinanten des Risikos bzw. der Prognose konnten verschiedene anamnestische
und klinische (Symptomprogression, Auftreten von Synkopen, Vorhandensen
klinischer Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz, funktionelle WHO-Klasse),
funktionsdiagnostische (Ergebnisse des 6-Minuten-Gehtests und des
kardiopulmonalen Belastungstests), laborchemische (BNP bzw. NTproBNP),
echokardiografische (Fläche des rechten Vorhofs, Vorhandensein bzw.
Ausmaß eines möglichen Perikardergusses) sowie
hämodynamische (rechtsatrialer Druck, Cardiac Index,
gemischt-venöse Sauerstoffsättigung) Befunde identifiziert
werden. Die Einschätzung des Risikos ist somit immer eine
interdisziplinäre Leistung. Andererseits kann ein Teil der
Risikoeinschätzung durch jeden Arzt anhand einfacher klinischer
Parameter und Tests erfolgen. So sprechen das Fehlen von Symptomprogression,
Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz und Synkopen, eine WHO-Klasse I-II sowie ein
6-Minuten-Geh-Test von>440 m für ein geringes Risiko, rasche
Symptomprogression, klinische Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz, rezidivierende
Synkopen, eine WHO-Klasse IV sowie ein 6-Minuten-Geh-Test von<165 m
für ein hohes Risiko bzw. für eine 1-Jahres-Mortalität
von>10%. Passend zu einem intermediären Risiko sind eine
langsame Symptomprogression, gelegentliche Synkopen und eine WHO-Klasse III bei
fehlenden Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz sowie ein 6-Minuten-Gehtest von
165–440 m. Auch laborchemische Parameter zur Risikostratifizierung
können leicht erhoben werden. Charakteristisch für ein niedriges
Risiko sind ein BNP von<50 bzw. ein NTproBNP von<300
pg/ml, für ein hohes Risiko sprechen ein BNP von>300
bzw. ein NTproBNP von>1400 pg/ml, entsprechende Werte dazwischen
für ein intermediäres Risiko. Wichtige Parameter zur
Risikostratifizierung bei PAH sind in den [Tab.
2] und [3] dargestellt. Wichtig ist
der Hinweis, daß die vorgeschlagenen Variablen und die jeweiligen
Grenzwerte in der Regel auf Expertenmeinungen basieren und in erster Linie bei
der idiopathischen PAH validiert wurden [15].
Eine Übertragbarkeit auf andere Formen der PAH ist somit nicht zwingend
gegeben.
Tab. 2 Risikostratifizierung basierend auf der erwarteten
1-Jahres-Mortalität bei pulmonal-arterieller Hypertonie
(PAH): Klinische und laborchemische Parameter (Niedriges Risiko:
1-Jahres-Mortalität<5%;
Intermediäres Risiko: 1-Jahres-Mortalität
5–10%; Hohes Risiko:
1-Jahres-Mortalität>10%) (nach [15] – ESC/ERS
guidelines).
|
Risiko
|
Prognosefaktoren
|
Niedrig<5%
|
Intermediär 5–10%
|
Hoch>10%
|
Klinische Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz
|
−
|
−
|
+
|
Symptomprogredienz
|
−
|
langsam
|
rasch
|
Synkopen
|
−
|
gelegentlich
|
wiederholt
|
Funktionelle WHO-Klasse
|
I, II
|
III
|
IV
|
6-Minuten-Gehtest
|
>440 m
|
165–440 m
|
<165 m
|
BNP im Plasma
|
<50 ng/l
|
50–300 ng/l
|
>300 ng/l
|
NT-proBNP im Plasma
|
<300 ng/l
|
300–1400 ng/l
|
>1400 ng/l
|
Tab. 3 Risikostratifizierung basierend auf der erwarteten
1-Jahres-Mortalität bei pulmonal-arterieller Hypertonie
(PAH): Funktionsdiagnostische, echokardiografische und
hämodynamische Parameter (Niedriges Risiko:
1-Jahres-Mortalität<5%;
Intermediäres Risiko: 1-Jahres-Mortalität
5–10%; Hohes Risiko:
1-Jahres-Mortalität>10%) (nach [15] – ESC/ERS
guidelines).
|
Risiko
|
Prognosefaktoren
|
Niedrig<5%
|
Intermediär 5–10%
|
Hoch>10%
|
Kardiopulmonaler Belastungstest
|
Peak VO2 > 15 ml/min./kg
(>65%) VE/CO2-Anstieg<36
|
Peak VO2 11–15 ml/min./kg
(35–65%)
VE/CO2-Anstieg<36–44,9
|
Peak VO2<11 ml/min./kg
(<35%)VE/CO2-Anstieg≥45
|
Bildgebung. Echokardiografie Kardio-MRT:
RA-Fläche
|
<18 cm2
|
18–26 cm2
|
>26 cm2
|
Bildgebung. Echokardiografie Kardio-MRT: Perikarderguss
|
−
|
− bis minimal
|
+
|
Hämodynamische Parameter
|
RAP<8 mmHg, CI≥2,5 l/min/m2,
SvO2>65%
|
RAP 8–14 mmHg, CI 2,0–2,4
l/min/m2, SvO2 60–65%
|
RAP>14 mmHg, CI<2,0 l/min/m2,
SvO2<60%
|
Peak VO2=maximaler Sauerstoffverbrauch;
VE/CO2=Anstieg der ventilatorischen
Äquivalente für Kohlendioxid; RA=rechter Vorhof;
RAP=rechtsatrialer Druck; CI=Cardiac Index;
SvO2=gemischt venöse
Sauerstoffsättigung Peak, VO2=maximaler
Sauerstoffverbrauch; VE/CO2=Anstieg der
ventilatorischen Äquivalente für Kohlendioxid;
RA=rechter Vorhof.
Die Risikostratifizierung bei PAH ist sowohl für die therapeutische
Strategie als auch zur Beurteilung des Therapieerfolges von grundlegender
Bedeutung. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig darauf hinzuweisen, daß
die u.g. therapeutischen Ansätze für die PAH entwickelt wurden
und gelten, welche grundsätzlich von der der pulmonalen Hypertonie bei
ILD abgegrenzt werden muss. Bezüglich der aktuell addressierten
Signalwege in der Therapie der PAH (Prostacyclin pathway, Endothelin pathway und
NO pathway) muss zwischen Monotherapie sowie sequentieller und initialer
Kombinationstherapie entschieden werden. Basierend auf den Ergebnissen
verschiedener Studien zum Vergleich von Mono- und Kombinationstherapie geht der
Trend eindeutig zur frühen Kombinationstherapie. Spätestens ab
WHO-Klasse III und intermediärem Risiko sollte eine primäre
Kombinationstherapie erfolgen. Bei WHO-Klasse II und geringem Risiko kann auch
primär eine Monotherapie erfolgen, welche aber bei unzureichendem Effekt
nach 3 Monaten zu einer sequenziellen Kombinationstherapie eskaliert werden
sollte [19]. Das Ziel der PAH-Therapie besteht
darin, den Patienten in einem Niedrigrisikoprofil zu halten bzw. dahin zu
überführen.
Renale Krise bei SSc
Auch die renale Krise zählt mit einer Häufigkeit von 11%
bei dcSSc und 4% bei limitierter cutaner SSc zu den relativ seltenen,
aber schweren Manifestationen der SSc [20]
[21]
[22]
[23]. Als Risikofaktoren einer
renalen Krise gelten das Vorliegen einer dcSSc, höheres Alter,
männliches Geschlecht, Perikarderguss, Gelenkkontrakturen, vorbestehende
Proteinurie, genetische Faktoren wie der Nachweis von HLA-DRB1*0407 und
HLA-DRB1*1304, Einnahme von Glukokortikoiden in Dosen von>15 mg
Prednisolonäquivalent pro Tag, Therapie mit Cyclosporin, der Nachweis
RNA-Polymerase III-Antikörpern sowie eines gesprenkelten ANA-Musters in
der Immunfluoreszenz [20]
[21]
[22]
[23], [Tab.
4]. Obwohl ACE-Hemmer (ACE-I) die wesentliche Grundlage der Therapie
der renalen Krise bilden, konnte auf Basis einer EUSTAR-Analyse von 14524
SSc-Patienten eine vorbestehende ACE-I-Therapie als unabhängiger
Risikofaktor für eine renale Krise identifiziert werden [23]. Risikofaktoren einer ungünstigen
Prognose der renalen Krise sind höheres Alter, männliches
Geschlecht, ungenügend kontrollierter Blutdruck, Herzinsuffizienz,
initial erhöhte Kreatininwerte, Therapie mit Glukokortikoiden,
Vortherapie mit ACE-I und Notwendigkeit einer Dialyse [20].
Tab. 4 Renale Krise bei SSc: Risikofaktoren und assoziierte
Faktoren (dcSSc=diffuse cutane Sklerodermie).
Demographische Faktoren
|
Höheres Lebensalter
|
Männliches Geschlecht
|
Klinische Befunde
|
dcSSc
|
Perikarderguss
|
Gelenkkontrakturen
|
Laborchemische Befunde
|
Vorbestehende Proteinurie
|
Serologische Befunde
|
RNA-Polymerase III-Antikörper, gesprenkeltes
ANA-Muster
|
Genetische Faktoren
|
HLA-DRB1*0407, HLA-DRB1*1304
|
Vortherapie
|
Glukokortikoide>15 mg
Prednisolonäquivalent/d
|
ACE-Hemmer
|
Cyclosporin A
|
Kardiale Beteiligung bei SSc
Die Prävalenz kardialer Manifestationen bei SSc wird mit
7–44% angegeben. Die große Variabilität ist auf
die unterschiedliche Intensität der kardialen Diagnostik und die
differenten zum Einsatz kommenden diagnostischen Verfahren (Echokardiografie,
Langzeit-EKG, Kardio-MRT, SPECT, PET, Bestimmung natriuretischer Peptide)
zurückzuführen [24].
Häufig beschrieben werden linksventrikuläre diastolische
Dysfunktion (17,7–51,9%), primäre
rechtsventrikuläre Dysfunktion (38%), mikrovaskuläre
koronare Herzerkrankung (>60%), Perikardergüsse
(15–72%) sowie Tachyarrhythmien (17–28%).
Linksventrikuläre Dysfunktion (1,4–7%) und Perikarditis
(1,9–9%) sind seltener, auch eine Myokarditis wird selten
gefunden [24]. Eine Analyse mit 12829
Patienten aus 8 Studien zeigte für SSc-Patienten mit kardialer
Beteiligung eine erhöhte Mortalität (HR 3,15) [25]. Risikofaktoren für die Entwicklung
einer kardialen Manifestation wurden in der EUSTAR-Kohorte mit früher
SSc untersucht [26]. Ein Jahr nach Beginn der
Raynaud-Symptomatik fand sich bei 695 Patienten mit früher SSc in
32% eine kardiale Beteiligung. Als Risikofaktoren für eine
kardiale Beteiligung konnten höheres Lebensalter (2,1-fach
höhere Inzidenz), dcSSc (1,9-fach höhere Inzidenz im Vergleich
zu lcSSc) sowie der Nachweis von Topoisomerase I-Antikörpern im
Vergleich zu Patienten mit Anticentromer-Antikörpern (3,7-fach
höhere Inzidenz) herausgearbeitet werden. In der multivariaten Analyse
waren höheres Lebensalter (HR 1,04 pro um 1 Jahr höheres Alter)
und Topoisomerase I-Antikörper (HR 3,9) Risikofaktoren für die
Entwicklung einer kardialen Beteiligung. Die häufigste kardiale
Manifestation war eine diastolische Dysfunktion mit 15% gefolgt von
Erregungsüberleitungsstörungen (8,9%) und
Perikardergüssen (8,4%). Im weiteren Verlauf hatten nach 10
Jahren ca. 60% der Patienten diastolische Dysfunktion entwickelt und
mehr als 25% Erregungsüberleitungsstörungen.
Risikofaktoren für eine diastolische Dysfunktion waren höheres
Lebensalter und dcSSc (in der multivariaten Analyse lediglich höheres
Lebensalter), wesentlicher Risikofaktor für eine
Erregungsüberleitungsstörung war der Nachweis von Topoisomerase
I-Antikörpern mit einer 10-fach höheren Inzidenz im Vergleich zu
Patienten mit Centromerantikörpern. Perikardergüsse entwickelten
v. a. Patienten mit dcSSc (5,6-fach höhere Inzidenz im Vergleich
zu lcSSc) sowie Männer (2,7-fach höhere Inzidenz im Vergleich zu
Frauen). Auch kardiale Biomarker sind für die Risikostratifizierung im
Hinblick auf kardiale Affektionen bei SSc geeignet. Eine prospektive Studie bei
245 Patienten mit SSc zeigte für die kardialen Biomarker hs-CTNT sowie
NT-proBNP bei 32,3 bzw. 31,8% der Patienten erhöhte Werte.
Erhöhte Werte dieser kardialen Biomarker waren assoziiert mit diffusem
Hautbefall, hohem Rodnan Skin Score, reduzierter linksventrikulärer
Ejektionsfraktion, Auftreten eines Rechtsschenkelblocks sowie erhöhter
Mortalität [27].
Digitale Ulcerationen bei SSc
Aufgrund der durch Schmerzen, Funktionsverlust, Arbeitsunfähigkeit und
häufige Hospitalisation bedingten Reduktion der Lebensqualität
zählen digitale Ulcerationen (DU) zu den klinisch relevantesten
Manifestationen der SSc. Verschiedene Analysen zeigten, daß sowohl
demographische Faktoren als auch klinische Ausprägung bzw.
Manifestationen der SSc sowie Autoantikörper mit der Entwicklung von DU
assoziiert und somit zur Risikostratifizierung geeignet sind. In der Analyse
einer australischen Arbeitsgruppe, welche 1085 SSc-Patienten umfaßte,
entwickelten 48,6% der Patienten über einen mittleren
Beobachtungszeitraum von 5,2 Jahren DU [28].
Patienten mit DU waren gegenüber jenen ohne DU bei Erkrankungsbeginn im
Mittel jünger (p<0,001), hatten eine längere
Erkrankungsdauer (p=0,001) und waren häufiger männlichen
Geschlechts (p=0,002). Ferner zeigte sich für Patienten mit DU
eine Assoziation mit folgendenen klinischen Befunden bzw.
Erkrankungsmanifestationen: Diffuse cutane SSc (p<0,001), Vorhandensein
von Teleangiektasien (p<0,001), Calcinose (p<0,001),
Gelenkkontrakturen (p<0,001), gastrointestinaler Beteiligung
(p<0,001), ILD (p=0,003) und PAH (p=0,02). Patienten mit
DU wiesen häufiger Topoisomerase I-Antikörper (p<0,001)
und RNA-Polymerase III-Antikörper (p=0,05) auf und hatten
seltener Centromer-Antikörper (p=0,007). Auch in einer Analyse
der EUSTAR-Datenbank mit 3656 Patienten zeigte sich eine Assoziation von DU mit
dcSSc und Topoisomerase-I-Antikörpern [29]. Außerdem fand sich sowohl bei dcSSc als auch bei lcSSc
eine Assoziation von DU mit früh im Krankheitsverlauf auftretender
Raynaud-Symptomatik [29]. Zu sehr
ähnlichen Ergebnissen kam eine Untersuchung aus Deutschland mit 1881
Patienten [30]. In der multivariaten Analyse
zeigten männliches Geschlecht, PAH, Ösophagusbeteiligung, dcSSc,
Topoisomerase I-Antikörper, junges Alter bei Beginn der
Raynaud-Symptomatik sowie erhöhte BSG eine signifikante Assoziation mit
DU. Topoisomerase I-AK-positive Männer mit früher
Raynaud-Symptomatik, PAH und einer BSG von>30 mm/h wiesen mit
88% am häufigsten DU auf. Die Assoziation von DU mit bestimmten
klinischen Manifestationen wie dcSSc, ILD inklusive reduzierter
Diffussionskapazität, Oesophagusbeteiligung, jüngerem Alter bei
Krankheitsbeginn, längerer Erkrankungsdauer sowie mit
Topoisomerase-I-Antikörpern konnte auch in einer kanadischen SSc-Kohorte
mit 938 Patienten bestätigt werden [31]. Ferner fand sich eine hochsignifikante Assoziation mit einem
hohen modifizierten Rodnan Skin Score und dem Skin-Score von Hand und Fingern.
In einer Übersicht, welche 13 Studien zu Risikofaktoren für DU
erfaßt, wurden dcSSc und Nachweis von Topoisomerase
I-Antikörpern in jeweils 9 Studien, frühe SSc-Symptome
außerhalb des Raynaud-Syndroms in 6 Studien sowie frühes
Raynaud-Syndrom, hoher Rodnan Skin Score sowie männliches Geschlecht in
jeweils 5 Studien als Risikofaktoren für DU genannt [32]. Auch ein mit einer fortgeschrittenen SSc
zu vereinbarendes Muster in der Kapillarmikroskopie mit vermehrtem Auftreten von
Kapillarlücken sowie hohe Endothelin-1-Serumspiegel sowie niedrige
Serumspiegel von VEGF sind Prädiktoren für die Entwicklung von
DU. Die Beachtung der Risikofaktoren für DU kann helfen, die
entsprechenden Risikogruppen frühzeitig zu analysieren und mit einer
adäquaten vasoaktiven Therapie mit Calciumantagonisten, Prostanoiden,
PDE-5-Inhibitoren und Bosentan entsprechend den Therapieempfehlungen und dem
Zulassungsstatus zu versorgen [33].
Teil 2: Risikostratifizierung bei Lupus-Nephritis
Die
Lupus-Nephritis (LN) ist mit einer von Ethnizität, Geschlecht und Alter
bestimmten Prävalenz von 35–60% eine der
häufigsten und die wichtigste Prognose-bestimmende Organmanifestation
des systemischen Lupus erythematodes (SLE) [34]
[35]. Trotz Verbesserung der
Prognose entwickeln ca. 10% der betroffenen Patienten innerhalb von 5
Jahren und bis zu 20% innerhalb von 10 Jahren eine terminale
Niereninsuffizienz [34]
[35]. In einer Analyse bei 635 SLE-Patienten von
denen 15,3% innerhalb von 5,7 Jahren verstarben, war die renale
Domäne des SLICC Damage Index (SDI) die 19,8% häufigste
Domäne, in welcher chronische irreversible Organschäden zu
konstatieren waren und es fand sich eine Assoziation der
Nierenschädigung zur Mortalität [36]. Die Verhinderung einer chronischen Nierenschädigung hat
somit einen wesentlichen Einfluß auf die Langzeitprognose bei SLE. Um
Strategien zu entwickeln, welche geeignet sind, die Prognose der LN zu
verbessern, ist die Kenntnis der Risikofaktoren einer ungünstigen
Prognose der LN bzw. eine entsprechende Risikostratifizierung
essenziell.
Verschiedene Analysen hatten das Ziel, Risikofaktoren einer
ungünstigen Langzeit-Prognose der LN zu ermitteln. Als Outcome-Parameter
wurden die Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz (ESRD) [37]
[38]
[39]
[40]
[41]
[42]
[43]
[44]
[45]
[46], Tod
[47], die Entwicklung einer chronischen
Niereninsuffizienz [45]
[48]
[49]
[50]
[51]
[52]
[53]
[54]
[55]
[56] sowie kombinierte Endpunkte welche ESRD und
Tod [57]
[58]
bzw. Tod, ESRD bzw. ein definiertes Ausmaß einer anhaltenden
Verschlechterung bzw. Einschränkung der Nierenfunktion umfassten, [59]
[60]
[61]
[62]
[63] betrachtet. Andere Untersuchungen waren auf
Risikofaktoren für LN-Rezidive fokussiert [64]
[65]
[66]. In weiteren Studien wurden Risikofaktoren für ESRD,
persistierende Proteinurie und Rezidive separat untersucht [67] bzw. Risikofaktoren für das Fehlen
einer anhaltenden Remission evaluiert [68].
Einer der wichtigsten Risikofaktoren für die
Entwicklung einer ESRD ist eine bereits initial bestehende
Nierenfunktionseinschränkung [37]
[38]
[39]
[42]
[43]
[44]
[45]
[46]
[50]
[58]. Als weitere wichtige Risikofaktoren
für ein ESRD fanden sich arterielle Hypertonie [39]
[44]
[45]
[58]
[67], ausgeprägte tubulointerstitielle
Läsionen [41] bzw. ein hoher
Chronizitätsindex (CI) [39]
[67] in der Nierenbiopsie, männliches
Geschlecht [37]
[44], Anämie [43]
[53], Klasse IV-LN [37]
[44]
[45], das Fehlen einer Remission im Verlauf [38]
[40]
[41] und eine ausgeprägte initiale
Proteinurie [44] bzw. ein nephrotisches
Syndrom bei membranöser LN [41].
Risikofaktoren für das Erreichen eines kombinierten
Endpunktes mit Tod, ESRD bzw. einem definierten Ausmaß einer anhaltenden
Verschlechterung bzw. Einschränkung der Nierenfunktion waren initial
eingeschränkte Nierenfunktion [61]
[62]
[63], hoher CI in der Nierenbiopsie [62]
[63], Hypertonie [61]
[62], das
Ausbleiben einer Remission [61] bzw. das
Nichterreichen einer kompletten Remission (CR) [59]
[60].
Als Risikofaktoren
für die Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz wurden initiale
Nierenfunktionseinschränkung [48]
[50]
[52]
[54]
[66], der
Nachweis chronischer Läsionen in der Nierenbiopsie bzw. ein hoher CI
[49]
[54]
[55]
[56], Hypertonie [49]
[50]
[55],
ausgeprägtere initiale Proteinurie [48]
[51], männliches
Geschlecht [51]
[53] und Ausbleiben von Remission [54] bzw. kompletter Remission (CR) [52] ermittelt. Ferner wurden Klasse IV-LN [45]
[50] und
hoher Aktivitätsindex [49]
genannt.
In einzelnen Studien waren Hypertonie, der Nachweis einer
fokal-segmentalen oder fortgeschritten sklerosierenden LN [58] sowie nephrotisches Syndrom und
Antiphospholpidsyndrom [57] mit einer
erhöhten Mortalität assoziiert.
Rezidive der LN waren
assoziiert mit Ausbleiben einer CR [65]
[66] sowie der Persistenz von dsDNA-AK und
Komplementverbrauch nach Remissionsinduktion [67]. Bei Nachweis einer Klasse IV-LN wurde häufiger das
Ausbleiben einer über 5 Jahre anhaltenden Remission beobachtet [68].
Risikofaktoren für eine
ungünstige Prognose der LN sind in [Tab.
5] dargestellt.
Tab. 5 Risikofaktoren für
ungünstige Langzeitprognose der Lupus-Nephritis (LN);
(CR=komplette Remission).
Risikostratifizierung für Progression zur
terminalen Niereninsuffizienz (ESRD)
|
Parameter
|
Prädiktoren ungünstiger
Prognose
|
Referenzen
|
Nierenfunktion
|
bereits initial
bestehende
Nierenfunktionseinschränkung
|
[37]
[38]
[39]
[42]
[43]
[44]
[45]
[46]
[50]
[58]
|
Proteinurie
|
Hohe
initiale Proteinurie nephrotisches Syndrom (bei Klasse
V)
|
[41]
[44]
|
Hämatologie
|
Anämie
|
[43]
[53]
|
Komorbidität
|
(Schlecht kontrollierte) arterielle
Hypertonie
|
[39]
[44]
[45]
[58]
[67]
|
Demographische Faktoren
|
männliches
Geschlecht
|
[37]
[44]
|
Nierenhistologie
|
ausgeprägte tubulointerstitielle
Läsionen
|
[41]
|
ein hoher
Chronizitätsindex (CI)
|
[39]
[67]
|
Klasse IV-LN
|
[37]
[44]
[45]
|
Therapieansprechen
|
Fehlen einer Remission im
Verlauf
|
[38]
[40]
[41]
|
Risikostratifizierung für Entwicklung
einer chronischen Niereninsuffizienz
(NI)
|
Parameter
|
Prädiktoren ungünstiger
Prognose
|
Referenzen
|
Nierenfunktion
|
bereits initial bestehende
Nierenfunktionseinschränkung
|
[48]
[50]
[52]
[54]
[66]
|
Proteinurie
|
Ausgeprägtere
initiale Proteinurie
|
[48]
[51]
|
Komorbidität
|
(Schlecht kontrollierte) arterielle
Hypertonie
|
[49]
[50]
[55]
|
Demographische Faktoren
|
männliches
Geschlecht
|
[51]
[53]
|
Nierenhistologie
|
Nachweis chronischer
Läsionen in der Nierenbiopsie bzw. hoher
CI
|
[49]
[54]
[55]
[56]
[66]
|
Hoher
Aktivitätsindex
|
[49]
|
Klasse IV-LN
|
[45]
[50]
|
Therapieansprechen
|
Ausbleiben
von Remission bzw. CR
|
[52]
[54]
|
Risikostratifizierung: kombinierter Endpunkt (Tod
u/o. ESRD, anders definierte
NI)
|
Parameter
|
Prädiktoren ungünstiger
Prognose
|
Referenzen
|
Nierenfunktion
|
bereits initial bestehende
Nierenfunktionseinschränkung
|
[61]
[62]
[63]
|
Komorbidität
|
(Schlecht kontrollierte) arterielle
Hypertonie
|
[61]
[62]
|
Nierenhistologie
|
hoher
CI
|
[62]
[63]
|
Therapieansprechen
|
Ausbleiben
von Remission bzw. CR
|
[59]
[60]
[61]
|
Andere Studien
fokussieren auch oder ausschliesslich auf die Detektion von Prädiktoren
eines günstigen Outcomes der LN, wie Remission im Langzeitverlauf und
Überleben ohne Niereninsuffizienz [38]
[42]
[69]
[70]
[71]
[72]
[73]
[74]
[75]
[76]
[77]. Weitgehend übereinstimmend werden eine effektive
Reduktion der Proteinurie innerhalb der ersten 12 Monate nach Beginn
Remissionsinduktion auf Werte zwischen<0,5–0,8 g/d [74]
[75]
[77] bzw. eine 50%-ige Reduktion der
Proteinurie nach 6 Monaten [71] oder auch eine
über 6 Monate erhaltene Reduktion der
Urin-Protein/Kreatinin-Ratio (UPCR) auf<0,3 g/gKreatinin
[76] als prädiktiv für
eine gute Langzeitprognose der LN beschrieben. In 3 Analysen war ein niedriger
CI in der Nierenbiopsie mit einer guten Langzeitprognose assoziiert [38]
[69]
[73].
Für die
Risikostratifizierung bei LN läßt sich somit
schlußfolgern, daß v. a. eine bereits initial bestehende
Niereninsuffizienz sowie chronische irreversible Gewebsschäden in der
Niere, welche in einem hohen CI in der Nierenbiopsie zum Ausdruck kommen und
einer Immunsuppression nicht zugänglich sind, offenbar die
größte Bedeutung für eine schlechte Prognose haben, ibs.
im Hinblick auf die Entwicklung einer chronischen Niereninsuffizienz und einer
ESRD. Interessanterweise wurde in drei Studien auf die Bedeutung der
Verzögerung von Diagnose der LN bzw. therapeutischer Intervention
für eine schlechte Prognose der LN hingewiesen [52]
[58]
[64]. Weitere wichtige ungünstige
Prognosefaktoren sind Hypertonie, männliches Geschlecht und das
Ausbleiben einer (kompletten) Remission. Die initiale Aktivität der LN
sowie die histologische Klassifizierung sind dagegen offenbar von geringerer
Bedeutung. Zwar findet sich eine Assoziation zwischen einer Klasse IV-LN mit
ungünstiger Prognose in 5 Studien [37]
[44]
[47]
[50]
[67]. Jedoch wird eine Beziehung zwischen einem hohen
Aktivitätsindex in der Nierenbiopsie und einer ungünstigen
Entwicklung der Nierenfunktion nur in zwei älteren Studien [49]
[57]
beschrieben. Auch für immunologische Parameter wie den Nachweis
bestimmter Auto-Antikörper sowie Komplementverbrauch fand sich nur in 4
Studien [38]
[55]
[61]
[67] eine prognostische Bedeutung im Hinblick auf eine
ungünstige Entwicklung der renalen Funktion. Der effektiven Reduktion
der Proteinurie im Rahmen der Induktionstherapie kommt offenbar eine
entscheidende Bedeutung im Hinblick auf die Langzeitprognose der LN zu.
Im
Sinne einer Addressierung modifizierbarer Risikofaktoren ist daher eine
frühestmögliche Diagnose der LN einschliesslich Nierenbiopsie
und die umgehende Einleitung der Induktionstherapie zu einem Zeitpunkt, zu dem
chronische Läsionen nur gering ausgeprägt sind, für die
Risikominimierung entscheidend. Ferner sollte bei unzureichendem Ansprechen auf
die Induktion, insbesondere auch beim Ausbleiben einer Reduktion der Proteinurie
auf die o.g. Werte eine Reevaluierung der Therapie möglichst unter
Einbeziehung einer erneuten Nierenbiopsie erfolgen und ggf. eine zügige
Reinduktion mit einer alternativen Immunsuppression eingeleitet werden, sofern
diese auf Basis des Befundes der Rebiopsie Erfolg versprechend
erscheint.