Was ist neu?
Das PLS-Leitlinienkapitel ist deutlich umfangreicher, auch weil – in Anlehnung an die
Systematik des EPALS-Kurses – zunächst die Beurteilung und Behandlung des kritisch kranken
oder verletzten Kindes besprochen wird. Hier wird die Bedeutung der ABCDE-Systematik
bekräftigt und das bewährte Pädiatrische Beurteilungsdreieck (Paediatric Assessment Triangle,
PAT) als Hilfe zur Erstbeurteilung neu eingeführt. Manche mögen die Angabe von
altersentsprechenden Normal- und Grenzwerten hilfreich finden, die in der Vergangenheit dem
EPALS-Course-Manual vorbehalten war ([Tab. 1]). Außerdem wird neuerdings das „First-Hour-Management“ wichtiger pädiatrischer
Notfälle besprochen.
Tab. 1 Normalwerte.
Alter
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1 Monat
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1 Jahr
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2 Jahre
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5 Jahre
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10 Jahre
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Atemfrequenz (1/min)
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25–60
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20–50
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18–40
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17–30
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14–25
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Herzfrequenz (1/min)
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110–180
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100–170
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90–160
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70–140
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60–120
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syst. RR Untergrenze (mmHg)
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50
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70
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k.A.
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75
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80
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MAP Untergrenze (mmHg)
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40
|
50
|
k.A.
|
55
|
55
|
Altersbereich: Unverändert gelten die Leitlinien zur Kinderreanimation bereits für
Neugeborene, die die unmittelbare Geburtsphase hinter sich gelassen – also quasi den Kreißsaal
verlassen haben. Interessant ist die diskrete Veränderung der oberen Altersgrenze: Alle
Patienten bis zum 18. Lebensjahr werden wie Kinder reanimiert, es sei denn, man hält sie für
Erwachsene.
Sauerstoff: Die Sauerstoffzufuhr wird so titriert, dass eine pulsoxymetrische Sättigung
(SpO2) von 94–98% erreicht wird. Kann diese im Atem- und/oder Kreislaufversagen
nicht gemessen werden, so wird Sauerstoff zunächst mit hohem Fluss appliziert.
Kreislauftherapie: Bei Kindern im Kreislaufversagen wird nunmehr ein Volumenbolus oder
mehrere Boli von 10 ml/kg statt früher 20 ml/kg empfohlen. Nach jeder Volumengabe sollte der
Volumenstatus reevaluiert werden – z.B. mittels Rekapillarisierungszeit. Der Einsatz
vasoaktiver Substanzen soll frühzeitig erfolgen. Bei hämorrhagischem Schock sollten der
Einsatz von Kristalloiden limitiert und möglichst früh Blutprodukte gegeben werden.
Beim Basic Life Support (BLS) sind einige Dinge klarer herausgestellt worden:
-
BLS-Anwender sollten bei Abwesenheit eindeutiger Kreislaufzeichen umgehend nach den 5
Initialbeatmungen mit Thoraxkompressionen beginnen – früher wurden hier maximal 10
Sekunden Lebenszeichen geprüft.
-
Im Zeitalter überall verfügbarer Smartphones geht man davon aus, dass auch ein
einzelner Helfer parallel reanimieren und über Lautsprecher-Anruf den Notruf absetzen
kann. Nur wenn kein Mobiltelefon verfügbar ist, wird empfohlen – wie früher – zunächst 1
Minute zu reanimieren und dann den Notruf zu veranlassen.
-
Für alle entsprechend kompetenten Anwender ist die 2-Helfer-Masken-Beatmung der
Standard, weil sie deutlich einfacher und sicherer ist.
Auch beim Advanced Life Support wurden nur Schwerpunkte verändert und die empfohlene
Beatmungsfrequenz der Physiologie angepasst:
-
Asynchrone Ventilationen mit einer altersadaptierten Beatmungsfrequenz (10–25/min)
werden nur für intubierte Kinder empfohlen; bei Anwendung der Larynxmaske soll
interponiert beatmet werden (15:2).
-
Im Fokus der erweiterten Reanimation soll das Erkennen und Behandeln der reversiblen
Ursachen („H’s & HITS“) stehen.
-
Im Zweifelsfall sollte der Rhythmus als schockbar klassifiziert werden.
-
Für die Durchführung der trachealen Intubation werden
nun nicht nur ein entsprechend erfahrener Anwender, sondern zusätzlich ein genau
definiertes Verfahren und ein entsprechendes Equipment gefordert!
-
Die Anwendung des DOPES-Akronyms wird auf alle Beatmungssituationen (Tubus,
Larynxmaske, Maske) erweitert.
-
Als Beispiele für supraglottische Atemwege werden nur Larynxmaske und I-Gel-Maske
erwähnt.
Erfreulich ist, dass notfallmedizinische Innovationen – nicht zuletzt auch aus der
deutschsprachigen Literatur – Eingang in die Leitlinien gefunden haben, wie z.B. Einsatz
balancierter Kristalloide statt NaCl 0,9%, frühzeitiger Einsatz von nichtinvasiver Beatmung,
Gabe von Tranexamsäure bei schwerem Trauma, Larynxmaske als bevorzugter supraglottischer
Atemweg, standardisierte Ausrüstung für Kindernotfälle, Verwendung der AVPU Scale und
bevorzugte Thoraxpunktionsstelle im 4./5. ICR. VAL (z.B. [2]
[3]
[4]
[5]
[6]).
Was ist (zu) alt?
Bedauern werden einige Praktiker das Beharren auf der initialen ABC-Sequenz für den Start
der Basismaßnahmen. Hier hätte ein Weglassen der 5 Initialbeatmungen die Analogie zur
Erwachsenen-CPR und damit die Handlungssicherheit verbessert – ohne den Zeitpunkt der ersten
Beatmung wesentlich zu verzögern. Außerdem dauert vor allem im prähospitalen Setting die
Vorbereitung der Beutel-Maske-Beatmung einige Sekunden, die für einen früheren Start der
Thoraxkompressionen genutzt werden könnten.
Fast sämtliche Autor*innen arbeiten in spezialisierten pädiatrischen Einheiten –
vielleicht sollten hier zukünftig auch Vertreter*innen der nicht spezialisierten
Notfallmedizin mitarbeiten?