Einleitung
Die Radikalität axillärer Eingriffe bei Mammakarzinompatientinnen mit klinisch und sonografisch nicht suspekten axillären Lymphknoten konnte in den vergangenen Jahrzehnten ohne einen Verlust an onkologischer Sicherheit und zum Vorteil der Betroffenen durch geringere Komplikationsraten reduziert werden. So wurde in der ACOSOG-Z0011-Studie für primär operierte, klinisch nodal-negative Patientinnen gezeigt, dass auch bei bis zu 2 metastatisch befallenen Sentinel-Lymphknoten (SLN) auf eine komplette Axilladissektion (ALND) verzichtet werden kann, ohne die Prognose der Patientinnen zu verschlechtern [1]. Ob auch bei initial nodal-positiven Mammakarzinompatientinnen, die eine primäre Systemtherapie (PST) erhalten, auf eine ALND verzichtet werden kann, wird diskutiert, prospektive Daten hierzu liegen aktuell nicht vor. So wurde zwar einerseits eine signifikant schlechtere Prognose für Patientinnen gezeigt, die nach PST noch Lymphknotenmetastasen
aufwiesen, auch wenn ausschließlich Mikrometastasen oder isolierte Tumorzellen nachweisbar waren [2]. Andererseits konnte ein Vorteil durch eine ALND bezüglich axillärer Rezidive und fernmetastasenfreiem und Gesamtüberleben nach 10 Jahren gegenüber einer alleinigen Sentinel Lymph Node Biopsy (SLNB) für initial nodal-positive Patientinnen nach PST bisher nicht gezeigt werden [3]. Diese Daten wurden jedoch retrospektiv erhoben. Ziel ist es, auch für initial nodal-positive Patientinnen, die eine PST erhalten und axillär eine pathologische Komplettremission (pCR) erreichen, durch eine weniger radikale axilläre Intervention die damit assoziierte Morbidität bei gleicher onkologischer Sicherheit zu reduzieren. Durch moderne Systemtherapeutika ist abhängig von der Tumorbiologie eine solche Konversion bei 40 bis 74% der Patientinnen mit initial nodal-positiver Erkrankung möglich [4], [5], [6]. So lassen sich zum Beispiel in der Subgruppe von Patientinnen mit HER2-positivem und triple-negativem Mammakarzinom, die nach PST pathologisch keinen Tumorrest in der Brust mehr aufweisen, zu 89,6% auch keine Lymphknotenmetastasen mehr nachweisen [7].
Mittlerweile ist auch für Patientinnen, die initial suspekte axilläre Lymphknoten aufweisen und bei denen durch eine PST eine Konversion zu einem pathologisch negativen Nodalstatus erreicht wird, ein Verzicht auf eine ALND möglich. Die Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) empfiehlt aktuell (möglichst im Rahmen klinischer Studien) als Alternative zur ALND für diese Patientinnen die „Targeted Axillary Dissection“ (TAD) [8]. Diese umfasst sowohl die axilläre SLNB als auch die gezielte Entfernung eines (oder mehrerer) vor der PST markierten suspekten axillären Lymphknotens („Target Lymph Node“ – TLN) [9]. Im Vergleich zur alleinigen SLNB, für die laut einer Metaanalyse in diesem Patientinnenkollektiv eine hohe Falsch-negativ-Rate (FNR) von 17% ermittelt wurde, liegt diese für die alleinige Entfernung des TLN („Targeted Lymph Node Biopsy“ – TLNB) bei 7%. Durch die kombinierte Entfernung der Lymphknoten
im Rahmen der TAD lässt sich die FNR weiter auf 2 – 4% senken [10], [11], [12]. Für die Markierung und intraoperative Detektion des TLN wurden initial radioaktive Iod125-Seeds verwendet. Dieses Verfahren ist jedoch in Deutschland und vielen anderen Ländern aus strahlenschutzrechtlichen Gründen nicht zugelassen. Daher werden aktuell verschiedene Verfahren zur Markierung und Entfernung des TLN untersucht. Die Markierung des TLN vor der PST mit einem Metallclip unter Ultraschallsicht ist zwar technisch einfach und sicher durchführbar, jedoch ist in prospektiven Studien lediglich eine intraoperative Detektionsrate (DR) des TLN von unter 80% beschrieben [11], [13]. Die im Rahmen des San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS) 2020 aktuell vorgestellte hohe DR für clipmarkierte TLNs von 94,3% im Rahmen der
TAXIS-Studie (NCT03513614) lässt sich vor dem Hintergrund, dass 57,8% der Studienteilnehmerinnen primär operiert wurden, nicht auf die Situation nach PST übertragen [14]. Eine Steigerung der DR nach PST auf 96% und die Vermeidung zusätzlicher präoperativer Lokalisationsprozeduren ist zwar durch den intraoperativen Ultraschall zur TLN-Detektion möglich, dies erfordert jedoch eine hohe sonografische Erfahrung des durchführenden Operateurs [15]. Für die Verwendung von magnetischen Seeds, Radarreflektor- und Radiofrequenzsystemen als Alternativen zur Markierung mit Metallclips liegen derzeit nur sehr wenige Daten für die TLNB vor. Darüber hinaus ist deren Anwendung mit hohen Kosten verbunden und magnetische Seeds können durch die Verursachung von Artefakten die Auswertbarkeit von Mamma-MRT-Untersuchungen negativ beeinflussen [16]. Für die kostengünstige Markierung des TLN mit
Kohlenstoffsuspensionen dagegen sind bereits mehrere prospektive Machbarkeitsstudien publiziert, die einheitlich hohe DRs berichten. Daher sollen im Folgenden die praktische Durchführung dieser TAD-Technik beschrieben und die hierzu verfügbaren Daten vorgestellt werden.
Übersicht
Technische Durchführung von Lymphknotentätowierung und anschließender TLNB
Die Tätowierung des TLN vor der PST erfolgt durch Injektion einer hochgereinigten Kohlenstoffsuspension unter Ultraschallsicht. Es stehen in Europa 3 Kohlenstoffsuspensionen mit CE-Siegel zur Verfügung ([Tab. 1]), die bisher in klinischen Studien zur TLNB verwendet wurden. Die Patientin muss vor der Tätowierung über den Off-Label-Use der Kohlenstofflösung aufgeklärt werden, da eine Zulassung nur für Markierungen im Gastrointestinaltrakt bzw. an der Mamma vorliegt. Unmittelbar vor der Injektion sollte die Suspension gut aufgeschüttelt werden, um eine gleichmäßige Verteilung der Kohlenstoffpartikel zu gewährleisten. Erfolgt die Injektion nicht in gleicher Sitzung wie die minimalinvasive histologische oder zytologische Abklärung des TLN, kann auf eine Lokalanästhesie verzichtet werden. Es sollte eine ausreichend dicke Kanüle verwendet werden (CARBO-REP® mindestens 20 G, Spot® und Black Eye™ mindestens 25 G).
Unter Ultraschallsicht wird die Kanüle in den suspekten Lymphknoten eingeführt und die Lösung in die Rinde (möglichst ventral) injiziert. Unmittelbar nach der Injektion sind die echoreichen Kohlenstoffpartikel sonografisch im Lymphknoten sichtbar ([Abb. 1]). Das Injektionsvolumen ist abhängig von der Größe des Lymphknotens. Anschließend wird die Kanüle aus dem Lymphknoten zurückgezogen und ein weiterer Teil der Lösung in das perinodale Gewebe, möglichst ventral des TLN, injiziert. Auf die Tätowierung des Injektionskanals sollte verzichtet werden, da dies zu permanenten unerwünschten Verfärbungen im Hautbereich führen kann ([Abb. 2]).
Tab. 1 Hochgereinigte Kohlenstoffsuspensionen mit CE-Siegel.
Präparat
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Hersteller
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Packungsgröße
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Zulassung
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Kosten pro Anwendung
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CARBO-REP
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Sterylab (Italien)
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12 × 2 ml
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präoperative Markierung Mammaläsionen
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36 Euro
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Spot Endoscopic Marker
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GI Supply (USA)
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10 × 5 ml
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Markierungen im Gastrointestinaltrakt
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36 Euro
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Black Eye Endoscopic Marker
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Standard Company Ltd. (Korea)
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10 × 5 ml
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Markierungen im Gastrointestinaltrakt
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19 Euro
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Abb. 1 Echoreiche Kohlenstoffpartikel im TLN (Pfeil) nach Tätowierung. Unmittelbar links davon ist ein weiterer echoarmer, suspekter, nicht tätowierter Lymphknoten sichtbar.
Abb. 2 Permanente unerwünschte Hauttätowierung nach Kohlenstoffmarkierung des TLN.
Nach der PST ist unmittelbar präoperativ keine zusätzliche Markierung des TLN notwendig. Nach Hautinzision und Eröffnung der Fascia axillaris werden das grau bis schwarz markierte perinodale Gewebe und der TLN rein visuell aufgesucht und entfernt ([Abb. 3]). Bei Patientinnen mit Körpertätowierungen im Bereich des Oberkörpers kann die Detektion des iatrogen tätowierten Lymphknotens erschwert sein, wenn weitere durch das kosmetische Hauttattoo pigmentierte Lymphknoten vorliegen. Eine Unterscheidung ist jedoch in der Regel durch das perinodal pigmentierte Gewebe, welches nur der TLN aufweist, möglich, sodass ein Körpertattoo keine absolute Kontraindikation für eine TLNB nach Kohlenstoffmarkierung darstellt ([Abb. 4]).
Abb. 3 a Intraoperative Detektion des tätowierten perinodalen Gewebes. b Tätowierter TLN unmittelbar nach der Exstirpation.
Abb. 4 Pigmentierter axillärer SLN nach kosmetischer Tätowierung am Oberarm. (Das perinodale Gewebe ist im Unterschied zur TLNB nach iatrogener Lymphknotentätowierung nicht pigmentiert.)
Studien zur Machbarkeit der TLNB nach Kohlenstoffmarkierung
Choy et al. publizierten 2015 die erste prospektive Pilotstudie zur Kohlenstoffmarkierung suspekter axillärer Lymphknoten, in welche 12 primär systemisch behandelte Mammakarzinompatientinnen eingeschlossen wurden. Es wurden unmittelbar nach der Feinnadelaspiration (FNA) oder Stanzbiopsie des Lymphknotens 0,1 – 0,5 ml Spot in den biopsierten Lymphknoten und das angrenzende perinodale Gewebe injiziert. Nach der Systemtherapie konnte bei allen Patientinnen der markierte Lymphknoten intraoperativ rein visuell detektiert und entfernt werden [17]. Seither sind weitere Machbarkeitsstudien veröffentlicht worden ([Tab. 2]), die einheitlich hohe Detektionsraten für kohlenstoffmarkierte TLNs berichten. Zwei südkoreanische Studien verwendeten zur Tätowierung Charcotrace™, eine Kohlenstoffsuspension der australischen Firma Phebra, die kein CE-Siegel hat. Park et al. applizierten bei 20 Patientinnen
0,2 – 0,8 ml der Lösung vor der PST unter Ultraschallsicht in den TLN und beobachteten keine Komplikationen. Die Detektionsraten für TLN und SLN lagen bei jeweils 100%, in 75% der Fälle entsprach der TLN einem der SLNs. Zwar geben die Autoren eine FNR für die TAD von 0% an, jedoch ist lediglich bei 12 Patientinnen eine ALND durchgeführt worden und daher die Fallzahl zur Beurteilung der FNR sehr gering [18]. Kim et al. führten eine retrospektive Auswertung von 45 Patientinnen durch, wobei jedoch die Charcotrace-Injektion (1,0 – 3,0 ml) erst nach der PST in sonografisch persistierend suspekte axilläre Lymphknoten erfolgte. Auch in dieser Untersuchung wurden keine unerwünschten Wirkungen durch die Tätowierung beobachtet, der tätowierte Lymphknoten konnte bei 44 Patientinnen (98%) intraoperativ detektiert werden und stimmte in 57% mit dem SLN überein [19]. Diese Studie weicht jedoch in ihrem Design von dem
aktuell in Deutschland empfohlenen Vorgehen ab, welches die Markierung des TLN vor der PST vorsieht und im Falle klinisch suspekter Lymphknoten nach PST eine ALND empfiehlt [8]. In einer weiteren retrospektiven Untersuchung aus Griechenland wurde zwar die in Europa als Medizinprodukt verfügbare Spot-Lösung bei 75 Probanden verwendet, jedoch wurden hier vor der PST alle sonografisch suspekten Lymphknoten (n = 1 – 5) mit 0,3 – 0,7 ml Suspension tätowiert. Die Zahl intraoperativ detektierter tätowierter Lymphknoten stimmte mit der Anzahl vor der PST markierter in 94,6% der Fälle überein, in allen Fällen konnte mindestens 1 tätowierter Lymphknoten intraoperativ dargestellt werden. Die Übereinstimmungsrate von SLN und tätowierten Lymphknoten lag bei 75,7%, eine FNR wurde nicht ermittelt, da eine ALND nur bei 24 Probanden durchgeführt wurde. Die Autoren berichten, dass in 45% der untersuchten Fälle zusätzlich zu den makroskopisch sichtbaren,
tätowierten Lymphknoten in der Mikroskopie in weiteren Lymphknoten kleine Foci mit Pigmentablagerungen sichtbar waren. Man muss also davon ausgehen, dass eine gewisse Migration der Kohlenstofflösung in andere Lymphknoten stattfinden kann. Ein alleiniger mikroskopischer (d. h. nicht mit bloßem Auge sichtbarer) Pigmentnachweis kann daher nicht als Nachweis einer erfolgreichen Entfernung des TLN gewertet werden [20]. In die prospektive Studie von Patel et al. wurden zusätzlich zu den 47 primär systemisch behandelten Patientinnen, bei denen vor der PST 0,1 – 1,0 ml Spot unter Ultraschallsicht in die Rinde des TLN und das perinodale Fettgewebe appliziert wurde, die 12 Probandinnen aus der bereits erwähnten Pilotstudie von Choy et al. [17] eingeschlossen. Es wurden eine DR für den TLN von 100% und eine Übereinstimmungsrate zwischen TLN und SLN von ebenfalls 100% nach PST ermittelt [21]. Wie auch in den anderen Studien, in denen eine duale SLN-Markierung mit Radioisotop und Blaufarbstoff erfolgte, wird von den Autoren die Detektion blau markierter SLNs im pigmentierten Gewebe zwar als erschwert beschrieben, gelingt jedoch in der Regel durch die Identifizierung des zum SLN führenden blaugefärbten Lymphgefäßes [18], [20], [21]. Möglicherweise trägt die Verwendung von 2 dunklen Farbstoffen und die damit verbundene erschwerte Differenzierung zu der sehr hohen Übereinstimmungsrate zwischen dem SLN und TLN bei. In einer prospektiven, multizentrischen israelischen Studie wurden 1 – 2 suspekte axilläre Lymphknoten bei 63 Probanden vor oder kurz nach dem Beginn der PST mit Spot markiert. Es wurden sonografisch gestützt 0,2 – 0,5 ml ausschließlich in die Lymphknotenrinde injiziert. Im Gegensatz zu den anderen bereits erörterten Studien wurde analog der
deutschen AGO-Empfehlungen lediglich bei klinisch und sonografisch nicht mehr suspektem Lymphknotenstatus nach PST eine SLN-Markierung durchgeführt. In 60 Fällen (95,2%) konnte mindestens ein tätowierter Lymphknoten intraoperativ detektiert werden. In 40 von 50 Fällen, in welchen ein SLN identifiziert wurde, war dieser auch tätowiert (80%). In 3 Fällen (5,6%) waren zwar TLNs metastatisch befallen, nicht jedoch der mit diesen nicht übereinstimmende SLN, sodass durch die zusätzliche Entfernung des TLN eine komplettierende ALND indiziert wurde [22]. Die ebenfalls multizentrische, prospektive britische pre-ATNEC-Studie hat zwar 110 Teilnehmer eingeschlossen, von diesen erhielten jedoch nur 22 eine PST, 88 wurden primär operiert. Verwendet wurden 0,3 – 2,9 ml Kohlenstoffsuspension, und zwar entweder Spot oder Black Eye. Zwar stimmten bei den 22 neoadjuvant behandelten Probanden in 100% der Fälle TLN und SLN überein, jedoch war die DR des TLN
mit 64% signifikant geringer als in der primär operierten Gruppe mit 86%. Diese im Vergleich zu den anderen Studien geringere DR wurde mit dem höheren medianen Volumen an verwendeter Kohlenstofflösung von 2,0 ml begründet, welche in 31 Fällen zu einer diffusen Schwarzfärbung im axillären Gewebe und damit erschwerten Auffindbarkeit des TLN führte. Zwar definierten die Autoren durch Ex-vivo-Injektion von Kohlenstoffsuspension in Lymphknoten ein Volumen von 0,2 – 0,4 ml als ausreichend, um auch einen Austritt der Kohlenstoffpartikel in das perinodale Gewebe zu erreichen, jedoch blieb in der Diskussion offen, ob hierfür metastatisch durchsetzte Lymphknoten vor oder nach PST verwendet wurden und mit welcher der beiden Suspensionen diese Untersuchung durchgeführt wurde. Als unerwünschte Nebenwirkung wurde bei einer Patientin eine axilläre Hautverfärbung berichtet [23].
Tab. 2 Überblick der publizierten Machbarkeitsstudien mit gezielter Entfernung kohlenstoffmarkierter axillärer Lymphknoten nach PST beim Mammakarzinom (n = 382 insgesamt).
Studie
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Anzahl Probanden (n)
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verwendete Kohlenstofflösung
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DR tätowierter LK (%)
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tätowierter LK = SLN (%)
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PST: primäre Systemtherapie, DR: Detektionsrate, LK: Lymphknoten, SLN: Sentinel Lymph Node
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Park et al. [18]
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20
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Charcotrace
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100
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75
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Kim et al. [19]
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45
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Charcotrace
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98
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57
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Natsiopoulos et al. [20]
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75
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Spot
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94,6
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75,7
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Patel et al. [21]
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47
|
Spot
|
100
|
100
|
Allweis et al. [22]
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63
|
Spot
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95,2
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80
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Goyal et al. [23]
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22
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Spot
Black Eye
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64
|
100
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Hartmann et al. [24]
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110
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Spot
CARBO-REP
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93,6
|
59,7
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Die größte bisher publizierte Machbarkeitsstudie zur Tätowierung des axillären TLN ist die prospektive, multizentrische TATTOO-Studie, in welcher die Daten von 110 primär systemisch therapierten Patientinnen ausgewertet wurden. Zur sonografisch gestützten Lymphknotentätowierung vor der PST wurden 0,3 – 5,0 ml Spot oder CARBO-REP verwendet. Bei 5 Patientinnen (4,5%) trat als unerwünschte Nebenwirkung eine Hautverfärbung in der Axilla auf, wobei in 4 von diesen Fällen neben der Tätowierung von TLN und perinodalem Fettgewebe auch Kohlenstoff aktiv in den Stichkanal Richtung Haut beim Zurückziehen der Nadel injiziert wurde. Ein TLN konnte in 93,6% (103 von 110 Fällen) intraoperativ detektiert werden, die Übereinstimmungrate mit dem SLN, welcher nur bei klinisch nicht mehr suspekten Lymphknoten nach PST markiert wurde, lag bei 59,7%. Für die TAD wurde eine FNR von 9,1% (3 von 33 Fällen) ermittelt. Diese liegt zwar unter der allgemein akzeptierten Grenze von 10%, jedoch höher
als in früheren Untersuchungen zur TAD. Die Autoren begründen dies unter anderem mit der in den einzelnen Studien differierenden Definition des SLN und der niedrigen Gesamtzahl von nodal-positiven Patientinnen nach der PST in der TATTOO-Studie, da ausschließlich Fälle mit metastatisch befallenen Lymphknoten nach PST, welche eine komplette ALND erhalten haben, für die Berechnung der FNR herangezogen werden [24]. Durch die Tätowierung war die histopathologische Lymphknotenbeurteilung in keiner der Studien erschwert [17], [18], [21], [22], [24].
Ausblick
Die aufgeführten Studien haben die Machbarkeit der TLNB nach PST und initialer Tätowierung des TLN nachgewiesen, wobei das optimale Volumen der zu injizierenden Kohlenstoffsubstitution aktuell unklar ist. Dies sollte insbesondere im Hinblick auf unerwünschte Nebenwirkungen wie Hauttätowierungen und die Detektionsrate des TLN Gegenstand zukünftiger Studien sein. Die Datenlage zur FNR der TAD nach Kohlenstoffmarkierung ist sehr gering und inhomogen (0 – 9,1%) [18], [24]. Insbesondere liegen aktuell keine prospektiven Studien vor, in welchen die Tätowierung des TLN im Hinblick auf Machbarkeit, DR und FNR mit anderen TAD-Techniken verglichen wird. In einzelnen Studien konnte gezeigt werden, dass die FNR bei Markierung mehrerer suspekter Lymphknoten niedriger ist, als wenn nur der erste TLN, die sogenannte „Leit-Lymphknotenmetastase“, markiert und entfernt wird [25]. Der
Zusammenhang zwischen der Anzahl markierter Lymphknoten und der FNR wird ferner durch die Beobachtung unterstützt, dass einzelne Lymphknoten ein heterogenes Ansprechen auf die PST aufweisen [26]. Die hohen Kosten von einigen Markern können allerdings die Markierung von mehreren Lymphknoten potenziell erschweren. In diesem Kontext stellen niedrige Kosten der Kohlenstoffsuspension einen weiteren Vorteil dar.
Weiterhin hatte keine der bisher publizierten TAD-Studien einen onkologischen Endpunkt. Eine aktuelle prospektive Kohortenstudie zeigt bei 78 Patientinnen, dass die zusätzliche Entfernung des TLN zum SLN nur in einem Fall dazu führte, dass eine ALND durchgeführt wurde und dies auf die weitere Therapieempfehlung keinen Einfluss hatte [27]. Somit bleibt die Frage nach einem akzeptablen Cut-off für die FNR unklar. Auch für die optimale lokoregionäre Therapie bei metastatisch befallenen TAD-Lymphknoten nach PST (komplettierende ALND, Radiatio) liegen aktuell keine prospektiven Daten vor, eine Diskussion der Therapieoptionen sollte daher im interdisziplinären Tumorboard erfolgen. Des Weiteren hat keine der bisherigen Studien die Lebensqualität und die Armmorbidität nach der TAD bzw. TLNB evaluiert. Hier erscheint der Vergleich unterschiedlicher Markierungstechniken besonders wichtig, da die kohlenstoffbasierte Markierung im Gegensatz zu
sondengestützten Techniken (u. a. magnetische, radioaktive und radarbasierte Marker) und zur Drahtlokalisation eine gewisse Axillaexploration zur Visualisierung des Farbstoffs erfordert.
Diese und weitere offenen Fragen sollen im Rahmen der AXSANA-Studie (NCT04373655, axsana.eubreast.com) beantwortet werden. Die von der EUBREAST-Studiengruppe initiierte internationale, prospektive, multizentrische Registerstudie untersucht als primäre Studienziele sowohl die onkologischen Endpunkte krankheitsfreies 5-Jahres-Überleben und 3-Jahres-Rate axillärer Rezidive als auch die Lebensqualität bei 3000 initial nodal-positiven Mammakarzinompatientinnen, bei denen nach PST palpatorisch und bildgebend keine suspekten Lymphknoten mehr vorliegen. Dabei werden die verschiedenen axillären Operationstechniken (SLNB, TLNB, TAD, ALND) miteinander verglichen. Als sekundäre Studienziele sollen unter anderem für Patientinnen, die eine TLNB oder TAD erhalten, die verschiedenen Techniken zur TLN-Markierung und -Detektion hinsichtlich DR, Komplikationen und FNR analysiert werden. Alle bisher bekannten Techniken für TAD/TLNB sind in der Studie zugelassen. Die Rekrutierung der
AXSANA-Studie hat im Juni 2020 begonnen, am 15.02.2021 waren bereits 86 Zentren in 6 Ländern initiiert [28]. Des Weiteren wird die TATTOO-Studie in Schweden, wo im Gegensatz zu Deutschland die alleinige TAD nach PST und initial suspekten Lymphknoten beim Mammakarzinom noch kein Standard ist und aktuell bei diesen Patientinnen eine ALND durchgeführt wird, fortgeführt, sodass hieraus an einem größeren Patientinnenkollektiv weitere prospektive Daten zur FNR erwartet werden. Obwohl die Kosten für die Tätowierung selbst gering sind, werden sie aktuell nicht von den Krankenkassen erstattet. Auch für alle anderen Markierungstechniken der axillären Lymphknoten ist keine kostendeckende Abrechnung möglich. Hinzu kommt, dass die weniger radikale axilläre Operation der TAD im Vergleich zur ALND finanziell schlechter vergütet wird. In Zukunft sollte insbesondere durch die Fachgesellschaften aktiv daraufhin gearbeitet werden, dass die Einführung solch
innovativer Techniken zum Vorteil unserer Patientinnen nicht durch eine Verschlechterung der finanziellen Vergütung bestraft wird.
Schlussfolgerungen
Die Machbarkeit der TLNB nach Kohlenstoffmarkierung bei Patientinnen mit initial nodal-positivem Mammakarzinom nach PST ist in mehreren Studien an über 380 Probandinnen untersucht worden und hat hohe DRs und niedrige Komplikationsraten gezeigt. Im Vergleich zu anderen Techniken sind die niedrigen Kosten und der hohe Patientinnenkomfort durch den Wegfall zusätzlicher präoperativer, bildgebend gesteuerter Lokalisationsmaßnahmen, die teilweise mit zusätzlicher Strahlenbelastung und Schmerzen einhergehen, von Vorteil ([Tab. 3]). Nach Aufklärung über den Off-Label-Use kann die Tätowierung des TLN unter Ultraschallsicht durchgeführt werden, und eine Detektion des markierten TLN nach PST rein visuell intraoperativ ist in der Mehrzahl der Fälle möglich. Die AXSANA-Studie wird erstmals vergleichende Daten zu anderen TAD-Techniken liefern.
Tab. 3 Vor- und Nachteile der Kohlenstoffmarkierung des TLN im Vergleich zu anderen Markierungsverfahren.
Vorteile
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Nachteile
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einfache Markierungstechnik
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optimales Injektionsvolumen unklar
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niedrige Kosten
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Off-Label-Use
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kein zusätzliches präoperatives Lokalisationsverfahren notwendig
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Interaktion mit Körpertattoo
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hoher Patientinnenkomfort
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keine transkutane Lokalisation möglich
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keine zusätzliche Strahlenbelastung
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Axillaexploration zur Visualisierung des Farbstoffs notwendig
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