Durch die Corona-Pandemie war der Arbeitskreis Gerontopsychiatrie der BDK gezwungen
sein Format der regelmäßig stattfindenden Frühjahrs- und Herbsttagung zu verändern.
Das Herbsttreffen 2020 fand in Form einer Online-Tagung per Videokonferenz am 29.
und 30. Oktober statt. Im Rahmen von Vorträgen wurde über aktuelle Themen in der Gerontopsychiatrie
referiert. Hierzu gehörte u. a. die Veränderung in der Personalverordnung und deren
Folgen (PPP-RL) und der Einsatz von „PEP“ (Prozess- und Embodiment-fokussierte Psychologie)
in der Gerontopsychiatrie. Schwerpunkt des Treffens, wie auch in einer mehrstündigen
Videokonferenz zu Beginn des Jahres 2021 war der Erfahrungsaustausch und die Berichte
aus den Kliniken zur Covid-19-Pandemie und deren Auswirkungen auf die lokale gerontopsychiatrische
Versorgung.
Die Berichte aus den Kliniken zeigten ein regional unterschiedliches Bild im Umgang
mit der Pandemie und deren Auswirkung auf die Versorgung.
So gab es gerontopsychiatrische Kliniken in denen die Zahl der an Covid-19 erkrankten
Patienten dramatisch anstiegen und über lange Zeit hoch blieb. Es gab aber auch Kliniken
in denen über Monate keinerlei mit SARS-CoV-2-infizierte Patienten stationär behandelt
wurden. Auch zeigte sich eine völlig unterschiedliche Vorgehensweise bei der Umsetzung
der Hygienevorschriften. So wurden zum Teil gerontopsychiatrische Tageskliniken über
Monate komplett geschlossen, anderenorts das Angebot der TK-Behandlung nur reduziert
oder auch im „Normalbetrieb“ weitergeführt.
Gab es in einzelnen Kliniken einen Covid-19-Ausbruch, so entwickelte sich diese Station
schnell zu einem Hotspot. Andere Kliniken waren über Monate von der Pandemie nicht
betroffen und konnten den Betrieb mit normaler Belegung aufrechterhalten.
Deutlich wurde bei den Berichten, dass gerontopsychiatrische Patienten durch die Covid-19-Pandemie
schwer belastet wurden und weiterhin gefährdet sind. Der Druck auf das Versorgungssystem
stieg enorm und fordert die Patienten, ihre Angehörigen und die Mitarbeitenden in
den gerontopsychiatrischen Einrichtungen sehr. Bereits über Jahre bestehende Mängel
in der gerontopsychiatrischen Versorgung wurden durch die Pandemie offensichtlicher
und verschärften sich.
In der ambulanten Versorgung reduzierten sich medizinische und pflegerische Leistungen,
wurden zeitweise eingestellt, ohne dass es für die Betroffenen Alternativen gab. Patienten
nahmen diagnostische und therapeutische Leistungen nicht mehr wahr, um eine Ansteckung
zu vermeiden. Sie kamen oftmals in deutlich psychisch und physisch kränkerem Zustand
in die stationäre Behandlung als vor der Pandemie. Gerade auf gerontopsychiatrischen
Stationen zeigt sich bis heute, wie schwierig die Umsetzung der pandemiebedingten
Hygienemaßnahmen ist. Die Patienten verstehen aufgrund ihrer psychischen Erkrankung
die Regeln nicht und für eine intensivere Begleitung fehlt das notwendige Personal.
Erforderliche therapeutische Angebote können nur eingeschränkt umgesetzt werden.
In den Berichten aus den Kliniken wurde auch das strukturelle Problem in der Versorgung
älterer Menschen deutlich. Aufnahme- und Entlassungsprozedere in den Institutionen
stockte, genesene Patienten konnten zum Teil nur verzögert entlassen werden, da die
weitere Versorgung nicht gewährleistet war, weil z. B. über Pflegeeinrichtungen einen
Aufnahmestopp verhängt worden war.
Durch die Pandemie sind interdisziplinäre, fächerübergreifende Behandlungen erschwert,
zum Teil verunmöglicht worden durch den Wegfall u. a. von Konsiliarleistungen.
Berichtet wurde auch, dass Patienten und deren Angehörige sich vermehrt in den Ambulanzen
meldeten, über zunehmende Vereinsamung, Kontaktlosigkeit, fehlende Unterstützung,
Ängste und depressive Symptome klagten.
Die Pandemie zwang die Kliniken für bisherige Abläufe neue Wege zu entwickeln. So
wurde berichtet von kreativen digitalen Lösungen in der Kommunikation zwischen isolierten
Patienten, ihren Angehörigen und den Kliniken. Hotlines für Beratung eröffneten, Videokonferenzen
für Angehörigengruppen und Beratungsstellen wurden geschaltet.
Auch wenn eine Videokonferenz das traditionelle Treffen des Arbeitskreises nicht ersetzen
kann, so zeigte sich, dass gerade in der jetzigen Pandemiezeit der fachliche Austausch
unter den Kolleginnen und Kollegen gewinnbringend ist. Er unterstützt dabei eine gute
Versorgung unserer Patienten aufrecht zu erhalten.
Das nächste Treffen des Arbeitskreises wird wiederum als Videokonferenz am 29. und
30. April 2021 stattfinden.
Bernd Meißnest, Tillmann Supprian