Psychiatr Prax 2021; 48(04): 222
DOI: 10.1055/a-1472-2372
Mitteilungen BDK

Bericht aus dem Arbeitskreis Gerontopsychiatrie

Bernd Meißnest
,
Tillmann Supprian
 

    Durch die Corona-Pandemie war der Arbeitskreis Gerontopsychiatrie der BDK gezwungen sein Format der regelmäßig stattfindenden Frühjahrs- und Herbsttagung zu verändern. Das Herbsttreffen 2020 fand in Form einer Online-Tagung per Videokonferenz am 29. und 30. Oktober statt. Im Rahmen von Vorträgen wurde über aktuelle Themen in der Gerontopsychiatrie referiert. Hierzu gehörte u. a. die Veränderung in der Personalverordnung und deren Folgen (PPP-RL) und der Einsatz von „PEP“ (Prozess- und Embodiment-fokussierte Psychologie) in der Gerontopsychiatrie. Schwerpunkt des Treffens, wie auch in einer mehrstündigen Videokonferenz zu Beginn des Jahres 2021 war der Erfahrungsaustausch und die Berichte aus den Kliniken zur Covid-19-Pandemie und deren Auswirkungen auf die lokale gerontopsychiatrische Versorgung.

    Die Berichte aus den Kliniken zeigten ein regional unterschiedliches Bild im Umgang mit der Pandemie und deren Auswirkung auf die Versorgung.

    So gab es gerontopsychiatrische Kliniken in denen die Zahl der an Covid-19 erkrankten Patienten dramatisch anstiegen und über lange Zeit hoch blieb. Es gab aber auch Kliniken in denen über Monate keinerlei mit SARS-CoV-2-infizierte Patienten stationär behandelt wurden. Auch zeigte sich eine völlig unterschiedliche Vorgehensweise bei der Umsetzung der Hygienevorschriften. So wurden zum Teil gerontopsychiatrische Tageskliniken über Monate komplett geschlossen, anderenorts das Angebot der TK-Behandlung nur reduziert oder auch im „Normalbetrieb“ weitergeführt.

    Gab es in einzelnen Kliniken einen Covid-19-Ausbruch, so entwickelte sich diese Station schnell zu einem Hotspot. Andere Kliniken waren über Monate von der Pandemie nicht betroffen und konnten den Betrieb mit normaler Belegung aufrechterhalten.

    Deutlich wurde bei den Berichten, dass gerontopsychiatrische Patienten durch die Covid-19-Pandemie schwer belastet wurden und weiterhin gefährdet sind. Der Druck auf das Versorgungssystem stieg enorm und fordert die Patienten, ihre Angehörigen und die Mitarbeitenden in den gerontopsychiatrischen Einrichtungen sehr. Bereits über Jahre bestehende Mängel in der gerontopsychiatrischen Versorgung wurden durch die Pandemie offensichtlicher und verschärften sich.

    In der ambulanten Versorgung reduzierten sich medizinische und pflegerische Leistungen, wurden zeitweise eingestellt, ohne dass es für die Betroffenen Alternativen gab. Patienten nahmen diagnostische und therapeutische Leistungen nicht mehr wahr, um eine Ansteckung zu vermeiden. Sie kamen oftmals in deutlich psychisch und physisch kränkerem Zustand in die stationäre Behandlung als vor der Pandemie. Gerade auf gerontopsychiatrischen Stationen zeigt sich bis heute, wie schwierig die Umsetzung der pandemiebedingten Hygienemaßnahmen ist. Die Patienten verstehen aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Regeln nicht und für eine intensivere Begleitung fehlt das notwendige Personal. Erforderliche therapeutische Angebote können nur eingeschränkt umgesetzt werden.

    In den Berichten aus den Kliniken wurde auch das strukturelle Problem in der Versorgung älterer Menschen deutlich. Aufnahme- und Entlassungsprozedere in den Institutionen stockte, genesene Patienten konnten zum Teil nur verzögert entlassen werden, da die weitere Versorgung nicht gewährleistet war, weil z. B. über Pflegeeinrichtungen einen Aufnahmestopp verhängt worden war.

    Durch die Pandemie sind interdisziplinäre, fächerübergreifende Behandlungen erschwert, zum Teil verunmöglicht worden durch den Wegfall u. a. von Konsiliarleistungen.

    Berichtet wurde auch, dass Patienten und deren Angehörige sich vermehrt in den Ambulanzen meldeten, über zunehmende Vereinsamung, Kontaktlosigkeit, fehlende Unterstützung, Ängste und depressive Symptome klagten.

    Die Pandemie zwang die Kliniken für bisherige Abläufe neue Wege zu entwickeln. So wurde berichtet von kreativen digitalen Lösungen in der Kommunikation zwischen isolierten Patienten, ihren Angehörigen und den Kliniken. Hotlines für Beratung eröffneten, Videokonferenzen für Angehörigengruppen und Beratungsstellen wurden geschaltet.

    Auch wenn eine Videokonferenz das traditionelle Treffen des Arbeitskreises nicht ersetzen kann, so zeigte sich, dass gerade in der jetzigen Pandemiezeit der fachliche Austausch unter den Kolleginnen und Kollegen gewinnbringend ist. Er unterstützt dabei eine gute Versorgung unserer Patienten aufrecht zu erhalten.

    Das nächste Treffen des Arbeitskreises wird wiederum als Videokonferenz am 29. und 30. April 2021 stattfinden.

    Bernd Meißnest, Tillmann Supprian


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    Korrespondenzadresse

    Prof. Dr. med. Tillmann Supprian
    LVR-Klinikum Düsseldorf, Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
    Bergische Landstraße 2
    40629 Düsseldorf
    Deutschland   

    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    06. Mai 2021

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