Pneumologie 2021; 75(05): 336
DOI: 10.1055/a-1473-1549
Pneumo-Fokus

Rekonvaleszentenplasma: Auf den richtigen Zeitpunkt kommt es an

Libster R. et al.
Early High-Titer Plasma Therapy to Prevent Severe COVID-19 in Older Adults.

N Engl J Med 2021;
DOI: 10.1056/NEJMoa2033700
 

    Die Effektivität von Rekonvaleszentenplasma ist bei schweren COVID-19-Verläufen nicht eindeutig nachgewiesen. Eine argentinische Arbeitsgruppe konzentrierte sich auf Senioren, die spätestens 72 Stunden nach dem Symptombeginn hochtitrige Transfusionen erhielten. In der placebokontrollierten Studie reduzierte das Rekonvaleszentenplasma deutlich die Progressionswahrscheinlichkeit.


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    Die Patienten waren ≥ 75 Jahre alt oder ≥ 65 Jahre alt mit mindestens 1 Begleiterkrankung (arterielle Hypertonie, Diabetes, Übergewicht, chronische Niereninsuffizienz, kardiovaskuläre Erkrankung und chronisch obstruktive Lungenerkrankung). Aufgenommen wurden ausschließlich Patienten mit milden Symptomen wie Körpertemperatur ≥ 37,5 °C, Schwitzen, Schüttelfrost, trockener Husten, Schnupfen, Anosmie. Die Senioren wurden in geriatrischen Einrichtungen/zu Hause aufgesucht, wo ein RT‑PCR-Test erfolgte. Insgesamt 160 positive Patienten oder ihre Vorsorgebevollmächtigten willigten in eine stationäre Aufnahme für die Übertragung von 250 ml Rekonvaleszentenplasma (n = 80) oder Placebo (n = 80) ein. Der Titer gegen SARS-CoV-2-Spike-Protein im Verum musste mindestens 1:1000 betragen. Von 479 potenziellen Donatoren wiesen 135 (28 %) adäquate Titer auf und spendeten jeweils 750 ml Plasma. Die Transfusionen erfolgten über 1,5–2 Stunden und verliefen komplikationslos. Primärer Studienendpunkt waren schwere respiratorische COVID-19-Verläufe, die bei einer Atemfrequenz ≥ 30/min und/oder einer Sauerstoffsättigung < 93 % bei Raumluft vorlagen. Sekundäre Endpunkte waren lebensbedrohliche Ateminsuffizienzen mit einer inspiratorischen Sauerstofffraktion von 100 %, nichtinvasiver/invasiver Beatmung, Intensivbehandlung, kritische systemische Verläufe und Tod.

    45 % der Patienten waren 65–74 und 55 % ≥ 75 Jahre alt. 62 % waren Frauen. Die klinischen und soziodemografischen Daten der Verum- und Placebogruppe unterschieden sich nicht wesentlich. Vier (Plasma) und 2 Erkrankte (Placebo) erhielten die Behandlung nicht oder erst nach Eintritt eines Endpunktes. Nach 15 Tagen waren 38 Patienten (24 %) wegen anhaltender Symptome im Krankenhaus. An Tag 25 erhielten noch 2 Patienten Sauerstoff, die sich wenige Tage später erholten. Verglichen mit Placebo reduzierte das Rekonvaleszentenplasma signifikant die Progressionswahrscheinlichkeit:

    • schwere Ateminsuffizienz 16 vs. 31 % (RR 0,52 %; 95 %-KI 0,29–0,94; p = 0,03),

    • verzögerter Progressionseintritt nach 15 vs. 9–15 Tagen,

    • lebensbedrohliche Lungenerkrankung 5 vs. 12 %,

    • kritische Systemerkrankung 6 vs. 8 %,

    • 2 vs. 4 Patienten starben.

    In einer modifizierten Analyse nach Ausschluss der 6 Patienten mit zu später/keiner Transfusion waren die positiven Antikörpereffekte akzentuiert. Die Plasmaspende reduzierte das relative Progressionsrisiko um 60 % (12 vs. 29 %).

    24 Stunden nach der Transfusion wiesen Erkrankte, die Antikörper erhalten hatten, signifikant höhere Anti-SARS-CoV-2-S‑IgG-Titer auf. Die Ergebnisse unterschieden sich bei leichten und schweren Verläufen nicht.

    Fazit

    Ältere Menschen mit leichteren COVID-19-Erkrankungen profitierten von Rekonvaleszentenplasma, wenn sie es frühzeitig im Krankheitsverlauf erhielten. Dabei spielte neben dem Zeitpunkt der Antikörpertiter eine besondere Rolle. Bei einem medianen IgG von 1:3200 betrug die relative Risikoreduktion für eine Progression 73,3 %. Plasma von „Super-Donatoren“ (IgG ≥ 1:12 800) könnte ein therapeutischer Baustein sein, so die Autoren. Stationäre Patienten mit hohen Titern sollten ihrer Meinung nach für zukünftige Plasmaspenden identifiziert werden.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle


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    Publication History

    Article published online:
    03 May 2021

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