Schlüsselwörter
altersbedingte Makuladegeneration - choroidale Neovaskularisation - intravitreale Therapie - Gesundheitssystem
Einleitung
Eine der Hauptursachen für Visusbeeinträchtigung und Erblindung von Menschen über 60 Jahren in entwickelten Ländern ist die altersbedingte Makuladegeneration (AMD). Bei der chronisch
progressiv verlaufenden Netzhauterkrankung können Früh- und Spätform unterschieden werden [1]. Die frühe Form ist gekennzeichnet durch Drusen und
Pigmentveränderungen und zeigt eine Prävalenz von 13,2% in der europäischen Bevölkerung über 70 Jahre. Die späte Form der AMD unterteilt sich wiederum in 2 Klassen: die trockene Form,
gekennzeichnet durch geografische Atrophie (GA), und die feuchte Form, auch exsudative oder neovaskuläre AMD (nAMD) genannt, gekennzeichnet durch choroidale Neovaskularisation (CNV). Die
Prävalenz der beiden Klassen der Spätform beläuft sich zusammen auf 3,0% in der europäischen Bevölkerung über 70 Jahre [2]. Im Gegensatz zur trockenen AMD, für die
derzeit keine effektiven Therapieoptionen bestehen, kann ein Fortschreiten der nAMD mittlerweile weitgehend verhindert oder zumindest verzögert werden. Dabei wird der Wachstumsfaktor VEGF
(vascular endothelial growth factor), der die Angiogenese und Gefäßleckage von neu gebildeten Gefäßkomplexen der Choriokapillaris fördert und somit für die Progression der nAMD verantwortlich
ist, durch Anti-VEGF-Substanzen gehemmt. Diese werden mithilfe von intravitrealer operativer Medikamenteneingabe (IVOM) appliziert, womit der Visus in vielen Fällen erhalten oder sogar
gesteigert werden kann ([Abb. 1]) [3]. Die Therapie mit Anti-VEGF-Substanzen hat die Behandlung der nAMD in den letzten 2 Jahrzehnten
revolutioniert, zunehmende Lebenserwartung und steigende Behandlungszahlen stellen jedoch Gesundheitssysteme und Patienten[*] vor neue Herausforderungen. Die
regelmäßige Evaluation der Therapieabläufe ist daher wichtig, um einerseits die Behandlung effizient zu gestalten, andererseits die Compliance und Therapieadhärenz der Patienten zu stärken
[4], [5], [6].
Abb. 1 Fall: Die Patientin (59 Jahre) präsentierte sich mit einer Sehverschlechterung (Visus: 0,8) am linken Auge und subretinaler Flüssigkeit im OCT (CRT [zentrale Netzhautdicke]:
423 µm). Aufgrund der Diagnose der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration wurde eine Injektionstherapie eingeleitet. Die Patientin erhielt 11 Injektionen mit Ranibizumab im
PRN-Schema und wurde danach auf ein Treat-and-extend-Schema mit Aflibercept umgestellt, in dem sie bisher 27 Injektionen in wechselnden Intervallen erhielt. Über 5 Jahre und insgesamt 38
Injektionen sank der Visus auf 0,63, die Sehfähigkeit der Patientin konnte trotz stetig wiederkehrender Ödeme und Fibrosebildung größtenteils erhalten werden.
Wirkstoffe gegen die exsudative AMD
Wirkstoffe gegen die exsudative AMD
Wurde anfangs versucht, der nAMD mittels Laserphotokoagulation entgegenzuwirken, so wurde diese Therapieform Anfang der 2000er-Jahre von der photodynamischen Therapie abgelöst. Die Behandlung
mittels photodynamischer Therapie zeigte eine stabile Visusprognose, führte jedoch mittel- und langfristig zu Rezidiven und somit einer Verschlechterung des morphologischen und klinischen
Befundes. Eine Anwendung der photodynamischen Therapie in Kombination mit intravitreal appliziertem Triamcinolon zeigte zwar eine Stabilisierung von Krankheitsaktivität, jedoch eine
schlechtere Visusprognose als eine Therapie mit intravitreal verabreichten Anti-VEGF-Substanzen [3], [7]. Mit der Zulassung von Pegaptanib
(Macugen; OSI Pharmaceuticals, Melville, NY, USA, and Pfizer, New York, NY, USA; [Tab. 1]) 2004 in den USA und 2006 in Europa wurde die Therapie der nAMD
revolutioniert: Durch die Verabreichung von 0,3 mg der VEGF-hemmenden Substanz im Intervall von 6 Wochen verloren nach 1 Jahr 70% (Kontrollgruppe 55%) der Patienten weniger als 3 Zeilen an
Sehkraft. Von den Patienten, die ein weiteres Jahr mit Pegaptanib behandelt wurden, verloren nach 2 Jahren 93% (Kontrollgruppe 86%) weniger als 3 Zeilen an Sehkraft [8], [9]. Pegabtanib wurde relativ rasch durch den wenig später, 2006 in den USA und 2007 in Europa, zugelassenen Anti-VEGF-Wirkstoff Ranibizumab (Lucentis;
Genentech, South San Francisco, Kalifornien; [Tab. 1]) abgelöst. Ranibizumab, alle 4 Wochen in einer Dosis von 0,5 mg verabreicht, verhinderte bei 95 – 96% der
Studienteilnehmer einen Visusverlust von über 3 Zeilen, zusätzlich konnte ein Visusgewinn von 7,2 bzw. 11,3 ETDRS-Lettern (ETDRS: Early Treatment Diabetic Retinopathy Study) nach 1 Jahr
festgestellt werden [10], [11]. Schließlich wurde ein weiteres Anti-VEGF-Präparat, Aflibercept (Eylea; Regeneron, Tarrytown, New York),
2011 in den USA und 2012 in Europa zugelassen. Bei einer Verabreichung von 2 mg Aflibercept in Form einer Loading Dose von 3 Injektionen im 1-Monats-Abstand, gefolgt von Injektionen im
Intervall von 8 Wochen, konnte die klinische Äquivalenz zu Ranibizumab nachgewiesen werden [12].
Tab. 1 Anti-VEGF-Präparate, die weltweit zur Behandlung der nAMD eingesetzt werden.
INN
|
Zulassung in DE
|
Struktur
|
Masse
|
Zielmolekül
|
DE = Deutschland; INN = internationaler Freiname; PlGF = Placental Growth Factor; VEGF = Vascular endothelial Growth Factor
|
Pegaptanib
|
2006
|
RNA-Aptamer
|
50 kDa
|
VEGF-A
|
Ranibizumab
|
2007
|
monoklonaler Antikörper
|
48,4 kDa
|
VEGF-A
|
Aflibercept
|
2012
|
rekombinantes Fusionsprotein
|
115 kDa
|
VEGF-A/B, PlGF
|
Ziv-Aflibercept
|
nicht zugelassen
|
rekombinantes Fusionsprotein
|
115 kDa
|
VEGF-A/B, PlGF
|
Bevacizumab
|
nicht zugelassen
|
monoklonaler Antikörper
|
149 kDa
|
VEGF-A
|
Brolucizumab
|
2020
|
Antikörperfragment
|
26 kDa
|
VEGF-A
|
Neben Ranibizumab und Aflibercept ist Bevacizumab (Avastin; Roche, Basel, Schweiz; [Tab. 1]) eine der 3 am häufigsten verwendeten Anti-VEGF-Substanzen. Im
Gegensatz zu Ranibizumab und Aflibercept wurde die Therapie der nAMD mit Bevacizumab bis heute nicht für die intravitreale Therapie zugelassen und muss daher als „Off-Label-Therapie“
eingesetzt werden. Das Medikament wurde für die Therapie von Gastrointestinal-, Lungen- und Brustkrebserkrankungen entwickelt. Auch Bevacizumab ist in seiner Wirkung Ranibizumab nachweislich
nicht unterlegen [13]. Während sich der Einsatz von Bevacizumab in der Schweiz aufgrund der vollen Kostenerstattung von Ranibizumab und Aflibercept auf unter 0,5%
aller Injektionen beläuft, machen die Injektionen mit Bevacizumab in Deutschland rund 35%, in Österreich je nach Klinik 20 – 60% aller verabreichten Injektionen aus [14]. Vor allem der Kostenfaktor spielt eine große Rolle in der Verabreichung der verschiedenen Anti-VEGF-Substanzen. So kostet eine Dosis Ranibizumab weltweit zwischen rund 240 $
(Indien) und 1950 $ (USA), eine Dosis Aflibercept ungefähr 846 $ (Indien) – 1950 $ (USA), wohingegen sich eine Dosis Bevacizumab in den USA auf nur 50 $ beläuft [15]. Ziv-Aflibercept (Zaltrap; Regeneron, Tarrytown, NY und Bayer Healthcare, Leverkusen, Deutschland; [Tab. 1]) ist ein weiterer Wirkstoff, der
Off-Label verabreicht wird. Wie Bevacizumab ist es für die Behandlung des metastasierten Kolorektalkarzinoms zugelassen, zeigte aber auch sichere Langzeitergebnisse bei der Behandlung der nAMD
[16]. Auch Ziv-Aflibercept ist deutlich günstiger als die zugelassenen Präparate, eine Dosis kostet ungefähr 30 $ (USA) [15].
Brolucizumab (Beovu, Novartis, Cambridge, Massachusetts, US; [Tab. 1]) wurde erst kürzlich in den USA (Ende 2019) und der EU (Anfang 2020) zugelassen, wobei das
Injektionsintervall 12 Wochen, mit Möglichkeit zur Reduktion auf 8 Wochen bei steigender Krankheitsaktivität beträgt. Das längere Intervall soll sowohl Patienten als auch Kliniken entlasten
[17].
Bei der Entwicklung von neuen Wirkstoffen zur Behandlung der nAMD hat sich ein regelrechter Wettlauf ergeben: Neben der Vielzahl schon zugelassener sowie Off-Label angewandter Präparate
werden derzeit zahlreiche Wirkstoffe, die nicht nur an VEGF, sondern auch an anderen Pfaden ansetzen, untersucht und an weiteren Formulierungen geforscht. Anti-VEGF-Faktoren, die sich derzeit
in verschiedenen Studienphasen befinden, sind u. a. Abicipar pegol (Allergan), Conbercept (Chengdu Kanghong biotech Co., Ltd., Sichuan, China), Faricimab (Roche, Genentech, South San
Francisco, California) und KSI-301 (Kodiak Sciences). Diese versprechen eine längere Wirkdauer als die bisher verfügbaren Präparate und reduzieren somit die Anzahl der notwendigen Injektionen.
Eine neue sich in Forschung befindliche Formulierung ist das Port-Delivery-System. Dieses chirurgisch implantierte Medikamentenreservoir wird in regelmäßigen Abständen mit Anti-VEGF-Faktoren
aufgefüllt, die kontinuierlich in das Auge abgegeben werden. Einen weiteren Ansatzmechanismus bietet die Gentherapie. Diese wird chirurgisch oder mittels intravitrealer Injektion verabreicht
und soll die Anzahl der benötigten Injektionen mit Anti-VEGF-Faktoren deutlich vermindern. Derzeit in der klinischen Forschung befindliche Gentherapien sind z. B. RGX-314 RegenexBio
(Rockville, MA, USA) und ADVM-022 (Adverum) [18].
Neben den derzeit verfügbaren und Off-Label benutzten Wirkstoffen zur Behandlung der nAMD werden eine Vielzahl an Wirkstoffen erforscht, deren Ziel die verlängerte Wirksamkeit und somit eine
verringerte Injektionsanzahl darstellt. Der Einsatz dieser Wirkstoffe könnte eine deutliche Entlastung der Krankenhäuser, Ärzte aber auch Patienten nach sich ziehen.
Behandlungsintervalle
In den Schlüsselstudien für die Zulassung von Ranibizumab bei klassischer und okkulter nAMD (ANCHOR- und MARINA-Studie) wurde ein monatliches Injektionsschema angewandt ([Abb. 2]). Patienten, die über 2 Jahre hinweg alle 4 Wochen Injektionen mit 0,5 mg Ranibizumab erhielten, zeigten bereits nach 1 Jahr einen Visusgewinn von 11,3 bzw.
7,2 ETDRS-Lettern [10], [11]. Auch in den Schlüsselstudien für die Zulassung von Aflibercept (VIEW 1 und VIEW 2), wurde ein regelmäßiges
Injektionsschema von 3 initialen Injektionen im Abstand von 4 Wochen und anschließend Injektionen im Abstand von 8 Wochen verwendet, um eine Unterlegenheit gegenüber Ranibizumab auszuschließen
[12]. Da die Wirkung der Injektionen innerhalb des Patientenkollektivs sehr unterschiedlich ausfiel, wurden andere Behandlungsschemata gesucht, um Patienten
individueller betreuen zu können, und wenn möglich, die Injektionszahl bei gleichbleibendem Visus zu verringern [17]. Hierfür wurde das PRN-Regime (PRN: pro re
nata) entwickelt: Nach der Loading Dose von 3 Injektionen im Monatsabstand finden monatliche Kontrollen statt, bei denen anhand festgelegter Kriterien entschieden wird, ob der Patient an
diesem Termin eine Injektion erhält oder nicht. Kriterien beinhalten z. B. Visusabfall über 5 Buchstaben, Nachweis von sub- und intraretinaler Flüssigkeit im OCT-Scan (OCT: optische
Kohärenztomografie) oder retinale Blutungen ([Abb. 2]) [17], [19]. Trotz vielversprechender Ergebnisse der
1. Studie konnten in den nachfolgenden nicht die Ergebnisse von regelmäßiger, 4- oder 8-wöchentlicher Verabreichung erreicht werden [17]. Ein weiteres
Behandlungsschema stellt das T&E-Protokoll (T&E: treat and extend) dar: Ähnlich dem PRN-Schema werden zuerst 3 Injektionen im Monatsabstand (Loading Dose) verabreicht, denen
regelmäßige Kontrollen folgen. Im Gegensatz zum PRN-Schema wird jedoch bei jeder Kontrolle eine Injektion verabreicht und der Abstand zwischen den Injektionsterminen verändert. Nach Kriterien,
die dem PRN-Schema ähneln, wird die Krankheitsaktivität begutachtet und bei Verminderung oder Stabilität das Behandlungsintervall um je 2 Wochen verlängert bzw. bei Steigerung verkürzt, jedoch
nie unter 4 Wochen oder über 12(–16) Wochen verändert ([Abb. 2]) [19]. Entgegen dem PRN-Schema konnten mit dem T&E-Protokoll dem
monatlichen Verabreichungsschema vergleichbare Ergebnisse erreicht werden [17]. Eine Abwandlung des T&E-Protokolls stellt das von Mantel et al. beschriebene
Observe-and-plan-Regime dar. Nach 3 Injektionen im Monatsabstand (Loading Dose) werden in monatlichen Abständen Beobachtungsvisiten durchgeführt, die zur Festlegung des Intervalls für weitere
Injektionen dienen. Tritt erneut Krankheitsaktivität auf, wird das Intervall zwischen letzter Injektion und Beobachtungsvisite um 2 Wochen verkürzt und als neues Intervall für die folgenden 3
Injektionen vorgegeben. Die Intervalle, die zwischen 4 und 12 Wochen betragen, werden nach 3 erfolgten Injektionen für die 3 darauffolgenden Injektionen reevaluiert ([Abb. 2]). Bei einer signifikanten Verbesserung des Visus innerhalb des 1. Behandlungsjahres und einer den anderen Regimen ähnlichen Injektionsanzahl konnte die Zahl der
Kontrollvisiten deutlich reduziert werden [20].
Abb. 2 Schemata für Injektionsintervalle zur Behandlung der nAMD. FIX = fixe Intervalle; OAP = Observe-and-plan-Regime; PRN = Pro-re-nata-Regime;
T&E = Treat-and-extend-Protokoll; W = Wochen.
Resultate, die in randomisiert kontrollierten Studien erzielt wurden, konnten unabhängig vom verwendeten Wirkstoff (Ranibizumab, Aflibercept, Bevacizumab) zumeist nicht im klinischen Alltag
wiederholt werden [21]. Zahlreiche Studien, die Anti-VEGF-Therapie im „Real-Life“-Setting untersuchten, zeigten wesentlich schlechtere Visusergebnisse als die
Schlüsselstudien vorgaben. Stellte sich nach 1 Jahr weitestgehend ein Visusgewinn ein, wich dieser über längere Zeitspannen überwiegend einem Visusabfall. Es konnte ein Erhalt des
Ausgangsvisus gezeigt werden, jedoch gab es auch Studien, in denen sich ein Verlust der Sehkraft unterhalb des Ausgangswertes abzeichnete [21], [22], [23].
Doch womit lässt sich diese „Effizienzlücke“ (engl. „efficacy gap“) erklären? Neben strengeren Auswahlkriterien für Patienten, die an Schlüsselstudien teilnehmen, spielt vor allem das
Injektionsschema eine Rolle: Patienten werden im klinischen Alltag meist nach dem PRN-Schema behandelt und erhalten durchschnittlich weniger Injektionen als in kontrollierten Studien [17], [21]. Bessere Resultate wurden in Real-Life-Studien nach T&E-Schema beobachtet [21], [23]. Auch das Neuauftreten oder Fortschreiten einer bereits vorhandenen makulären Atrophie sowie Fibrosierung wirkt sich negativ auf die Sehkraft aus. Ein Wechsel des
Anti-VEGF-Präparates scheint sich nicht negativ auf den Visus auszuwirken [23].
Sonderformen und Komplikationen in der Behandlung der nAMD
Sonderformen und Komplikationen in der Behandlung der nAMD
Wird bei einem Großteil der Patienten mit nAMD ein Therapieerfolg erzielt, so gibt es doch Fälle, in denen ein schlechteres Ansprechen auf die Anti-VEGF-Therapie zu verzeichnen ist. Dies ist
häufig auf eine der Sonderformen der nAMD, namentlich polypoidale choroidale Vaskulopathie (PCV) und retinale angiomatöse Proliferation (RAP), zurückzuführen. In einer Studie von Ozkaya et al.
konnte gezeigt werden, dass rund 1% der Patienten morphologisch schlecht auf eine Therapie mit Ranibizumab ansprach. Hiervon wurden lediglich 9,8% richtig mit nAMD diagnostiziert, die
restlichen 90,2% litten an einer Sonderform der nAMD oder anderen Makulaerkrankungen. In diesen Fällen konnte die richtige Diagnose mittels Indocyaningrünangiografie gestellt werden. So wurde
die Diagnose bei 56,1% auf PCV, bei 26,5% auf chronisch zentrale seröse Chorioretinopathie (CSC), und bei jeweils 2,3% auf RAP und sekundärer CNV bei CSC korrigiert. Bei Bedarf konnte die
Therapie mittels photodynamischer Therapie erweitert werden. In dieser Studie werden PCV und RAP als Sonderformen der nAMD angegeben, es wird jedoch darauf hingewiesen, dass andere Autoren
diese beiden Entitäten als von der nAMD abzugrenzende Makulaerkrankungen ansehen [24].
Abseits der Frage des Ansprechens auf die Injektionstherapie sind die damit verbundenen Risiken und möglichen Komplikationen nicht außer Acht zu lassen. Leichte Komplikationen, die von
Patienten im Rahmen einer Injektionstherapie berichtet wurden, beinhalten Irritation des Auges, subkonjunktivale Blutung und visuelle Beeinträchtigung durch das Medikament oder Luftblasen
[25]. Als schwere Komplikationen sind vor allem erhöhter Augendruck nach Injektion, Hornhautabrasion, Netzhautablösung, Glaskörper- oder Netzhautblutung sowie
Endophthalmitis zu nennen [25], [26]. Eine Komplikation, die speziell bei der Therapie der nAMD zu erwähnen ist, ist der Einriss des
retinalen Pigmentepithels. Dieser kann spontan oder im Zusammenhang mit einer intravitrealen Therapie auftreten. Vorbestehende Pigmentepithelabhebungen, großer Durchmesser und vertikale Höhe
ebendieser zählen zu den Risikofaktoren für Einrisse des Pigmentepithels. Der Visus konnte besser bei Patienten erhalten werden, die nach Einriss des Pigmentepithels weiterhin mit
Anti-VEGF-Faktoren behandelt wurden [26]. Bei Brolucizumab ist zusätzlich zu den genannten Komplikationen das verstärkte Auftreten von intraokulärer Inflammation,
retinaler Vaskulitis und retinalen Gefäßverschlüssen hervorzuheben [27].
Die Endophthalmitis ist die gefürchtetste Komplikation der intravitrealen Injektionstherapie. Hierbei ist die infektiöse Endophthalmitis von der nicht infektiösen Endophthalmitis (auch
sterile intraokuläre Inflammation oder nicht infektiöse Vitritis genannt) zu unterscheiden. Die Inzidenz der infektiösen Endophthalmitis beträgt 0,008 – 0,092% pro Injektion, die der nicht
infektiösen 0,09 – 0,37% pro Injektion [28]. Wichtig ist jedoch, nicht nur die Inzidenz pro Injektion in Betracht zu ziehen, sondern auch pro Patient, da die
meisten Patienten multiple Injektionen erhalten. Daien et al. erhoben die kumulative Endophthalmitisrate nach jeweils 10, 20, 30, 40, 50 und 60 IVOMs. Es konnte zwar ein Anstieg der
infektiösen Endophthalmitis von 0,055% nach 10 Injektionen auf 0,843% nach 60 Injektionen festgestellt werden, das Risiko der infektiösen Endophthalmitis stieg jedoch nicht signifikant mit
jeder aufeinanderfolgenden Injektion an. Die kumulative Rate der nicht infektiösen Endophthalmitis stieg von 0,087% nach 10 Injektionen auf 0,228% nach 20 Injektionen an und blieb bis nach
60 Injektionen auf demselben Niveau. Auch das Risiko der nicht infektiösen Endophthalmitis stieg nicht signifikant mit jeder zusätzlich verabreichten Injektion an [28]. Um schwerwiegende Folgen einer Endophthalmitis zu verhindern, sollten die Patienten dahingehend aufgeklärt werden, sich bei den ersten Anzeichen einer akuten Sehverschlechterung
oder okulären Schmerzen umgehend erneut vorzustellen, um möglichst rasch eine Therapie einleiten zu können [26].
Bedeutung der nAMD-Behandlung für Patienten
Bedeutung der nAMD-Behandlung für Patienten
Obwohl Patienten stark von der Behandlung der nAMD profitieren, empfinden sie diese oft auch als Belastung. Dabei zählen Compliance und Therapieadhärenz zu den ausschlaggebenden Faktoren der
erfolgreichen Anti-VEGF-Therapie und somit für den Visuserhalt. Patienten mit nAMD zeigen meist eine hohe Therapieadhärenz, trotzdem wurden bei einer durchschnittlichen Anzahl von 10
Injektionen innerhalb von 2 Jahren bei ungefähr 20% der Patienten vorzeitige Therapieabbrüche beobachtet. Angegebene Gründe für das Fernbleiben von Kontroll- und Injektionsterminen umfassten
hauptsächlich Schwierigkeiten bei Transport und Anreise, Nebenerkrankungen, die ein Erscheinen nicht zuließen, sowie Motivationsverlust [29]. Auch in einer von
Boyle et al. durchgeführten Studie, die das Erlebnis der Patienten während der Therapie untersuchte, zeigte ein Großteil der Patienten gute Therapieadhärenz: Die Teilnehmer verstanden die
Notwendigkeit der Therapie und sahen diese, hauptsächlich aus Angst vor Sehverlust, trotz der verbundenen Unannehmlichkeiten als Kompromiss an, um ihre Sehkraft zu erhalten. Die Mehrzahl gab
daher auch an, mit ihrer Behandlung fortzufahren und diese anderen Patienten mit neu diagnostizierter nAMD weiterzuempfehlen. Die Priorisierung der Therapie äußerte sich für Patienten jedoch
als zusätzliche Belastung, da soziale und Arbeitsverpflichtungen für Kontrolltermine abgesagt werden mussten. Neben der Angst vor Sehverlust konnte auch Angst vor dem Injektionsverfahren
selbst festgestellt werden. Diese nahm jedoch in den meisten Fällen mit zunehmender Injektionszahl und Behandlungsdauer sowie Vertrautheit mit dem Injektionsverfahren ab [4]. Klassische Musik vor und während der Behandlung linderte die Angst von Patienten ebenfalls [30]. Neben den genannten Ängsten gaben Patienten an, dass
die Häufigkeit der Termine und Wartezeit sich als Belastung auf sie auswirken [5], [29]. Termine in längeren Intervallen und mit weniger
Wartezeit würden daher bevorzugt und Termine, die Kontrolle und Injektion gleichzeitig beinhalteten, gegenüber aufgeteilten Terminen favorisiert [5].
Insgesamt wird die hohe Compliance der Patienten vor allem durch Angst vor Sehverlust aufrechterhalten, allerdings würden sie sich weniger mit der Behandlung verbundenen Aufwand wünschen.
Rolle der Angehörigen
Obwohl viele Patienten auf Hilfe von Angehörigen oder Pflegekräften angewiesen sind, wurde der Einfluss auf diese wenig untersucht. Da die meisten Patienten Hilfe bei den Wegen zwischen
Wohnort und Krankenhaus benötigen, sind es oft Verwandte oder Freunde, die die Patienten begleiten [4], [29]. Ungefähr ¾ der Patienten
wurden zu ihren Terminen von Angehörigen, vorwiegend ihren Ehepartnern oder Kindern, begleitet. Deren Altersdurchschnitt betrug durchschnittlich über 60 Jahre. Da die Krankenhausvisiten eine
bis mehrere Stunden dauerten, mussten sich arbeitstätige Angehörige, die ca. 35 – 46% der Befragten ausmachten, freinehmen bzw. gaben an, durch die Betreuung einen Produktivitäts- oder
Einkommensverlust zu erleiden. Zusätzlich verbrachten die Angehörigen durchschnittlich 1 bis mehrere Stunden täglich damit, dem Patienten bei Alltagsaktivitäten, wie z. B. Einkaufen oder
Körperpflege, zu helfen. Ebenfalls fielen für Angehörige Kosten für Transport, Haushaltshilfe und Anschaffungen oder Änderungen an, die rund 400 € pro Jahr betrugen. Neben zeitlichem und
finanziellem Aufwand bekundeten Angehörige, dass die Betreuung mit einer subjektiven Belastung und eingeschränkter Lebensqualität verbunden sei [31], [32].
Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme
Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme
Die Möglichkeit der erfolgreichen Behandlung der nAMD zeigt auch deutliche Auswirkungen auf Ärzte, Kliniken und Gesundheitssysteme. Bei ungefähr 4,1 Mio. durchgeführten Injektionen in den USA
im Jahr 2013 wurde ein Anstieg auf 5,9 Mio. Injektionen im Jahr 2016 geschätzt [33]. Die Anzahl der Verordnungen in Deutschland im Jahre 2018 von Ranibizumab betrug
294 200, von Aflibercept 303 600 [34]. In diese Daten fallen ebenfalls die Verordnungen der Wirkstoffe bei anderen Krankheitsbildern, wie dem diabetischen
Makulaödem, da keine Daten auf nAMD allein bezogen ausgewertet wurden. Um diese Steigerung gut in den klinischen Alltag zu implementieren und einen schnellen, reibungslosen Ablauf zu
garantieren, wurden in vielen Krankenhäusern eigene IVOM-Kliniken eingerichtet. Dennoch fehlt es an einheitlichen Empfehlungen bez. Untersuchungs-, Injektionshäufigkeit und Ablauf [6]. Auch Ärzte fühlen sich zunehmend in Hinblick auf das Management von Patienten mit nAMD überlastet. In einer Umfrage von Prenner et al. gaben Ärzte an, rund 20% der
wöchentlichen Arbeit entfalle auf eben Genanntes. Eine Untersuchung dauerte durchschnittlich 90 min und es waren rund 23 Mitarbeiter daran beteiligt, darunter Rezeptionisten, Büroleiter,
Abrechnungsleiter, Techniker sowie Ärzte. Mehr als die Hälfte der Ärzte gab an, dass die Häufigkeit der Kontrollen und Injektionen sowie die Verrechnung eine zeitliche und materielle Belastung
für Personal und Patienten darstelle. Reduzierte Kontrolltermine fänden ⅔ wünschenswert [35]. Neben Krankenhäusern und Ärzten sind ebenfalls Gesundheitssysteme mit
dem steigenden Aufwand konfrontiert. Das amerikanische Medicare B System gab 2015 rund 3 Mrd. $ für Aflibercept und Ranibizumab aus [36]. Aflibercept zeichnete sich
zudem als das Arzneimittel aus, für welches das meiste Budget ausgegeben wurde. In England wurden im Durchrechnungszeitraum 2014/15 rund 400 000 Injektionen verabreicht, 2015/16 entsprach das
Budget des National Health Service (NHS) für Ranibizumab und Aflibercept 447 Mio. £ [37]. Die Nettokosten von Ranibizumab und Aflibercept in Deutschland 2018
betrugen laut Arzneiverordnungs-Report 2019 349,5 Mio. € und 312,9 Mio. €. Zusammen machte dies rund 57% der Gesamtnettokosten für Ophthalmika, die im Jahr 2018 1162,5 Mio. € betrugen, aus.
Die Präparate belegten somit den 7. und 9. Platz der führenden Arzneimittel in Deutschland 2018 nach Nettokosten. Diese Kosten beziehen sich auf sämtliche Verordnungen, da keine Daten auf nAMD
allein bezogen ausgewertet wurden. Daten aus Österreich sind leider nicht zugänglich.
Somit sehen sich Ärzte und Kliniken in der Augenheilkunde in zunehmendem Maße mit steigender Patientenanzahl sowie dem damit verbundenen Aufwand und steigenden Kosten konfrontiert, die auch
deutlich die Gesundheitssysteme der einzelnen Länder belasten.
Telemedizin – die Digitalisierung der Medizin
Telemedizin – die Digitalisierung der Medizin
Die fortschreitende Digitalisierung des medizinischen Bereichs eröffnet neue Wege zur Früherkennung, Therapie und Betreuung außerhalb des Klinikbereiches für Patienten mit nAMD. Durch
Austausch und Beratung zwischen Netzhautspezialisten und niedergelassenen Augenärzten über diverse Informationstechniken wird es möglich, Kliniken und Netzhautspezialisten zu entlasten und
zugleich niedergelassene Augenärzte in der Patientenbetreuung zu stärken. Hiervon profitieren auch Patienten, die lange Anfahrtswege für die Injektionstherapie auf sich nehmen. Starr et al.
beschrieben ein System, bei dem niedergelassene Fachärzte Patienten mit nAMD betreuten und die Injektionen selbst durchführten. Die Aufzeichnungen zur Untersuchung, Visus und OCT wurden
anschließend via E-Consult an Netzhautspezialisten, die in einem Krankenhaus tätig waren, geschickt. Diese begutachteten die zugeschickten Daten und sprachen ihre Empfehlungen für das weitere
Behandlungsvorgehen aus. Somit konnten die Patienten von ihrem niedergelassenen Facharzt betreut werden und zugleich vom Austausch zwischen diesem und Netzhautspezialisten in der Klinik
profitieren [38].
Eine weitere Studie verglich Diagnostik- und Therapieentscheidungen zu Patienten im PRN-Schema von Netzhautspezialisten. Diese wurden in der Praxis getroffen oder über eine „Remote-Befundung“
via Server getätigt. Für Letzteres wurden Visus, OCT und digitale Fundusfotos auf einem Server gespeichert und zur Befundung abgerufen. Telemedizinische Diagnosen zeigten eine Sensitivität von
96% und eine Spezifität von 85%, die Evaluationsdauer betrug mit durchschnittlich 1 min und 21 s einen Bruchteil der rund 10 min, die für Entscheidungen in der Praxis aufgewendet wurden. Die
telemedizinische Befundung erwies sich in dieser Studie ebenfalls als nützliche und zeitsparende Alternative zur Praxisbefundung [39].
Auch im täglichen Haushalt findet die Telemedizin ihre Anwendung. Forscher haben ein Gerät entwickelt, womit Patienten zu Hause täglich für rund 3 min ihre Sehfähigkeit testen. Die Ergebnisse
werden anschließend an eine medizinische Einrichtung gesendet und bei signifikanten Änderungen wird der Patient für einen Kontrolltermin kontaktiert. Das ForeseeHome-Gerät wurde in einer
kontrollierten klinischen Studie getestet, entspricht Level-1-Evidenz und wurde von der FDA in den USA freigegeben [40].
Durch die technische Entwicklung ist es mittlerweile möglich, den Gesundheitszustand der Patienten regelmäßig in ihrem Zuhause zu testen und diese, wenn nötig, so schnell als möglich
persönlich zu begutachten. Auch die Kommunikation zwischen Krankenhäusern und niedergelassenem Bereich wird durch die elektronische Übermittlung von Untersuchungsdaten vereinfacht und
gestärkt. Dies ermöglicht es, Patienten mit nAMD auch außerhalb der Klinik bestmöglich zu versorgen.
Big Data und künstliche Intelligenz
Big Data und künstliche Intelligenz
Die immer weiter voranschreitende Umstellung auf elektronische Patientendokumentation und Erstellung von Registern erlaubt es, Daten in großen Mengen zu sammeln und auszuwerten. Hierdurch
wird nicht nur die Analyse sehr großer Patientenkollektive, sondern auch die Beurteilung übergeordneter Zusammenhänge möglich. Somit konnte z. B. auch ein Zusammenhang zwischen aktivem oder
ehemaligem Nikotinabusus und Entwicklung einer neovaskulären AMD hergestellt werden [41]. Ein weiterer Fortschritt besteht darin, die Daten aus der unmittelbaren
Patientenversorgung auszuwerten. Im Gegensatz zu randomisierten klinischen Studien sind diese „Real-Life“-Daten besonders interessant, da sie nicht auf ein bestimmtes Patientenkollektiv
eingeschränkt sind. Vielmehr ist es nun möglich, die Ergebnisse etwaiger Studien und deren Anwendung unter realen Versorgungsbedingungen zu verifizieren [42].
Neben der Sammlung und Auswertung von Big Data stellt die künstliche Intelligenz (KI) eine wegweisende Entwicklung auch in der Augenheilkunde dar. Es werden Algorithmen entwickelt, die anhand
von Datensets in der Lage sind, Muster und Zusammenhänge zu erkennen. Nach dieser selbstständigen Lernphase können diese auch an unbekannten Daten angewendet werden [42].
Grassmann et al. schufen einen Algorithmus, der anhand von Fundusfotografien das Stadium der AMD nach AREDS-Klassifikation eigenständig erkennt. Die Klassifikation des Algorithmus übertraf
sogar die Genauigkeit der menschlichen Beurteilung [43]. Ein weiteres Beispiel ist ein von Schmidt-Erfurth et al. entwickelter Algorithmus, der die
Flüssigkeitsvolumina in der Netzhaut bei nAMD selbstständig quantifiziert. Diese Fähigkeit ermöglicht es, die Krankheitsaktivität äußerst exakt festzustellen und in der Folge das
Behandlungsschema anzupassen [44].
Bereits jetzt beurteilen rund 40% der US-Ophthalmologen bei einer länger andauernden Anti-VEGF-Therapie nur noch das OCT und führen nicht mehr bei jeder Visite eine Spaltlampenuntersuchung
durch [45]. Umso wichtiger wird es daher, in Zukunft die Krankheitsaktivität präzise, rasch und standardisiert festzustellen, wie es mit solch einem Algorithmus
möglich wäre. Den ersten Einzug in die klinische Praxis der Behandlung der nAMD hat die Anwendung von KI bereits gehalten. Ein Algorithmus, der das Risiko einer Konversion von früher AMD zu
nAMD anhand von Bildgebung und klinischen Daten voraussagen soll, wird derzeit klinisch geprüft (NCT04640649). Ein weiterer Algorithmus, der durch die automatisierte Analyse von sub- und
intraretinaler Flüssigkeit als Entscheidungshilfe zur individuellen Behandlung der nAMD dient, befindet sich ebenfalls in der klinischen Prüfung (Eudra-CT 2019-003133-42). Die Anwendung von KI
im Bereich der nAMD könnte zukünftig zu einer schnellen und verlässlichen Erkennung von Krankheitsstadium und -aktivität im klinischen Alltag führen. Dies würde eine Optimierung des
Therapiemanagements sowie eine Kostensenkung ermöglichen.
Diskussion
Die Behandlung der nAMD hat sich in den letzten 2 Jahrzehnten stark gewandelt. Dank Anti-VEGF-Substanzen wurde es möglich, den Visus langfristig zu erhalten und sogar zu steigern. Die Chance,
weltweit Patienten vor dem Erblinden zu bewahren, ist aber auch mit großen Schwierigkeiten verbunden. Systeme, die es zulassen, jeden Tag eine Vielzahl an Patienten zu behandeln und
gleichzeitig einen reibungslosen Ablauf zu garantieren, mussten implementiert werden. Zuverlässige Wirkstoffe, die Schaffung von IVOM-Kliniken, optimierte Kontroll- und Injektionsabläufe sowie
eine gute Compliance der Patienten sind wichtige Voraussetzungen für die kompetente und routinierte Behandlung der nAMD. Aufgrund der ständig steigenden Patientenanzahl und Auslastung der
Kapazitäten werden auch zukünftig stetige Verbesserungen nötig sein, um Kliniken, Ärzte und nicht zuletzt Patienten und deren Angehörige nicht zu überlasten. Im Hinblick auf die hohe
Kostenbelastung der Gesundheitssysteme wurden Kosten-Effektivitäts-Studien durchgeführt, die u. a. die Möglichkeit der Nutzung von Bevacizumab als kostengünstige Alternative zu zugelassenen
Präparaten wie Ranibizumab und Aflibercept bei vergleichbarem Sicherheitsprofil und ähnlichen Resultaten zeigen [46]. In England wurde in einem Rechtsstreit, der
von 2 Pharmakonzernen gegen mehrere Verwaltungsgruppen des NHS geführt wurde, 2018 ein Urteil des obersten Gerichtshofes zugunsten der Off-Label-Nutzung von Bevacizumab in der klinischen
Praxis gefällt [47]. Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, ein optimiertes Verabreichungsschema zu finden, welches – trotz verlängerter Intervalle zwischen einzelnen
Kontroll- und Injektionsterminen – den Zulassungsstudien vergleichbare Ergebnisse zeigt. Hierbei hat sich das T&E-Schema behauptet: Da Kontroll- und Injektionstermine vereint und die
Intervalle bei fehlender oder abnehmender Krankheitsaktivität verlängert werden können, werden Patienten nach ihren individuellen Bedürfnissen behandelt, der Visus stabil gehalten und
zusätzlich Kapazitäten und Ressourcen eingespart [21], [23]. Auch bei der Entwicklung und Herstellung neuer Anti-VEGF-Substanzen wird
versucht, den Wünschen von Ärzten und Patienten möglichst zu entsprechen. So beträgt das Dosierungsintervall von Brolucizumab bereits 12 Wochen und muss nur bei steigender Krankheitsaktivität
auf 8 Wochen reduziert werden [17]. Jedoch muss bei diesen Präparaten auf das erweiterte Risikoprofil geachtet werden. So wurde bei Brolucizumab ein vermehrtes
Auftreten von intraokulärer Inflammation, retinaler Vaskulitis und retinalen Gefäßverschlüssen beobachtet [27]. Vielversprechend sind auch in der Forschung
befindliche Wirkstoffe und Mechanismen. Die längere Wirksamkeit der Präparate und Funktionsmechanismen könnte den Behandlungsaufwand bedeutsam reduzieren. So zeigen neue Anti-VEGF-Wirkstoffe
eine längere Wirkdauer als bisher verwendete Wirkstoffe und somit längere Intervalle zwischen den verabreichten Injektionen. Gentherapien, die einmalig verabreicht werden, können die Anzahl
der Injektionen einer Therapie mit Anti-VEGF-Faktoren erheblich vermindern. Port-Delivery-Systeme, die chirurgisch implantiert werden, geben den Wirkstoff kontinuierlich ab und werden in
regelmäßigen Intervallen, die wesentlich länger als die der derzeitig verabreichten Wirkstoffe sind, wieder aufgefüllt [18]. Eine weitere Maßnahme, um Kapazitäten
zu erhöhen, besteht darin, intravitreale Injektionen durch speziell dafür geschulte Krankenpfleger durchführen zu lassen. Dieses Modell wurde bereits als sicher erprobt, in Teilen des
Vereinigten Königreichs angewandt und zeigte auch große Akzeptanz bei den Patienten [48]. Ebenfalls wäre es möglich, die bildgebenden Untersuchungen von einem
Reading Center beurteilen zu lassen. Bei Patienten, die nach einem PRN-Schema behandelt wurden, stimmte die vom Reading Center erhobene Messung der retinalen Flüssigkeit bei einem Großteil der
Visiten mit den Therapieentscheidungen der behandelnden Augenärzte überein [49]. Somit könnte auch bei Patienten, die nach T&E-Schema behandelt werden, die
Bildgebung durch ein Reading Center beurteilt und die Behandlungsintervalle nach dessen Empfehlung standardisiert festgelegt werden. Nicht zuletzt könnte die Implementierung von KI die
schnelle und exakte Beurteilung von Krankheitsaktivität und -verlauf und damit voraussichtlich eine Entlastung für Patienten und Gesundheitssystem sowohl in personeller als auch monetärer
Hinsicht ermöglichen [42], [43], [44], [50]. Da die Letztentscheidung bez. der
Kontrollintervalle und des Behandlungszeitpunktes bei den behandelnden Ärzten bleibt, wird die ärztliche Kompetenz dadurch unterstützt, jedoch nicht obsolet.
Conclusio
Mithilfe der Anti-VEGF-Therapie ist es gelungen, schwere Sehverluste aufgrund einer Erkrankung mit nAMD weitestgehend zu verhindern. Diese Errungenschaft der modernen Medizin ist aber auch
mit Problemen verbunden. Durch die steigende Anzahl von Patienten und Behandlungen steigen auch die Kosten für die Gesundheitssysteme. Die Erforschung neuer Wirkstoffe und
Verabreichungsmechanismen bietet einen Ansatz zur Reduktion des Behandlungsaufwandes. Automatisierte Algorithmen, die auf KI basieren, könnten zukünftig eine Präzisionsmedizin in hoher
Dimension ermöglichen und eine höhere Qualität in die Patientenbetreuung bringen. Auch Krankenhäuser, Ärzte, Patienten und Angehörige sind gefordert, Gewohnheiten zu ändern und anzupassen und
damit die Abläufe zur Injektionstherapie der nAMD möglichst effizient zu gestalten. Neben vielen bereits implementierten Maßnahmen wird auch in Zukunft weiter an diesen Abläufen gearbeitet
werden müssen, um die jeweils bestmögliche Therapie für Patienten garantieren zu können, ohne dabei das Gesundheitssystem und -personal zu überlasten.