Pneumologie 2021; 75(10): 745
DOI: 10.1055/a-1481-4251
Pneumo-Fokus

Radiologische Diagnostik mit dem Röntgen-Thorax beginnen

Sverzellati N. et al.
Chest x-ray or CT for COVID-19 pneumonia.

Eur Respir J 2021;
 

    Die Lernkurve in der SARS-CoV-2-Pandemie ist steil, aber bislang besteht kein einheitlicher Konsens über die initiale Bildgebung bei einer COVID-19-Pneumonie. In der retrospektiven Studie untersuchte eine internationale Arbeitsgruppe den Einfluss von Basis-Röntgen und Basis-HRCT auf die klinischen Entscheidungen und Verläufe.


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    Wenn sich Patienten mit dem Verdacht auf eine COVID-19-Pneumonie in der Notaufnahme vorstellen, ist der PCR-Test ein entscheidendes Kriterium für die Vorgehensweise. Dessen Auswertung benötigt 24–48 Stunden, in denen wichtige Weichen zu stellen sind. Dabei kommt der Bildgebung besondere Bedeutung zu. Die Autoren rekonstruierten Röntgen-Thoraces (r-CRX) von 300 Patienten, die bei Infektionssymptomen eine hochauflösende Computertomografie (HRCT) erhalten hatten. In 2 verblindeten Sitzungen wurde die klinische Situation simuliert, und Kliniker entschieden auf Basis der radiologisch beurteilten r-CRX oder HRCT sowie weiterer Patientendaten (z. B. Fieber, Dyspnoe, Sauerstoffsättigung), wie die Patienten weiter zu versorgen seien (Entlassung, Quarantäne, stationäre Aufnahme Normalstation, stationäre Aufnahme COVID-19-Station). Bei r-CRX-basierten Abwägungen überlegten die Ärzte zudem, ob eine zusätzliche HRCT erfolgen sollte. Radiologische Kriterien für den r-CRX waren Normalbefund, andere Diagnose, ungewisse Diagnose, typische COVID-19-Pneumonie und die Ausdehnung von Pathologica (Parenchym unauffällig, < 20 %, 20–50 %, > 50 %).

    Die Daten stammten von 188 Männern und 122 Frauen im Alter von 23,1–97,6 Jahren, die in die Notaufnahme gekommen waren. Seit durchschnittlich 6,3 Tagen bestanden Erkältungssymptome. 100 Patienten wiesen eine geringe respiratorische Beeinträchtigung auf (Sauerstoffsättigung 96–98 %, Fieber, Tachypnoe). 200 Erkrankte waren moderat bis schwer betroffen.

    Von 190 Patienten mit einem positiven PCR-Test hatten 82,1 % positive HRCT und 70 % positive r-CRX. Die Sensitivität, Spezifität und der negative prädiktive Wert betrugen:

    • HRCT 95,2 %, 32,8 % und 67,9 % sowie

    • r-CRX 81,6 %, 27,6 % und 31,4 %.

    In der logistischen Analyse war die Mortalität mit der Ausdehnung der Lungenveränderungen in der HRCT und r-CRX assoziiert. Verglichen mit einer begrenzten Veränderung (< 20 %), steigerte eine ausgedehnte Pneumonie (> 50 %) die Mortalität um mehr als das 5-Fache.

    Die Autoren entwickelten ein einfaches Modell, in das die radiologischen Einstufungen und das Lebensalter einflossen (< 60 Jahre, 40–74 Jahre und > 74 Jahre). Die Assoziation von Alter/r-CRX-Score und Mortalität bestätigte sich in einer externen Validierung.

    Fazit

    Die unterschiedliche Anwendung von r-CRX und HRCT in der Pandemie habe keine offensichtlichen Gründe gehabt, so die Autoren. Nach ihrer Simulationsstudie halten sie bei sehr geringen und schweren radiologischen Veränderungen den initialen r-CRX für zuverlässig. Bei moderater Ausprägung sei die zusätzliche HRCT hilfreich. Die höhere Anzahl von Todesfällen bei Röntgenveränderungen mit < 20 % Ausdehnung limitiere das Staging-System. Zwei Drittel der Betroffenen hatte in der HRCT eine intermediäre oder schwere Ausbreitung. Dies erfordere eine Steigerung der Sensitivität des r-CRX. Insgesamt meinen Sverzellati et al. aber, dass klinisch tätige Ärzte auf r-CRX mit sehr geringen und ausgeprägten Veränderungen vertrauen könnten.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle


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    Publication History

    Article published online:
    18 October 2021

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