Verleihung der Berliner Griesinger-Medaille 2021
In jedem Jahr verleiht die BGPN die Griesinger-Medaille und ehrt damit herausragende Persönlichkeiten. In diesem Jahr erhält sie Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. Frank Schneider vor allem aufgrund seiner Verdienste um die Aufarbeitung und die Erinnerung an die Verbrechen der Psychiatrie an ihren Patienten in der Zeit des Nationalsozialismus.
Schneider wurde 1958 in Wetzlar geboren. Er studierte Psychologie und Medizin in Gießen, und nach Abschluss des Studiums führte ihn die Forschung über die Universität Tübingen an die University of Pennsylvania. Im Jahr 1996 erhielt er einen Ruf an die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Düsseldorf, 2003 übernahm er die Leitung der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der Uniklinik der RWTH Aachen. Später war er zusätzlich auch Direktor am Institut für Neurowissenschaften und Medizin am Forschungszentrum Jülich. 2018 kehrte Schneider an das Universitätsklinikum Düsseldorf zurück, als Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender. Von seiner Professur für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der RWTH Aachen ist er derzeit beurlaubt.
Von 2009 bis 2010 war er Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). Dort engagierte er sich intensiv in der Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Psychiatrie im Nationalsozialismus. Unter anderem wurde die Satzung der Gesellschaft geändert. In dieser lautet es nun, dass die DGPPN sich ihrer besonderen Verantwortung um die Würde und Rechte der psychisch kranken Menschen bewusst ist und diese Verantwortung gerade deshalb trägt, weil Vorläuferorganisationen in erheblichem Maße an den Verbrechen des Nationalsozialismus beteiligt waren. Während Schneiders Amtszeit wurde vom Vorstand der DGPPN eine internationale Kommission zur Aufarbeitung der Geschichte der Vorläufergesellschaften in der Zeit des Nationalsozialismus gegründet.
Prof. Dr. med. Dr. rer. soc. Frank Schneider. (Quelle: Uniklinik Düsseldorf)
Im November 2010 veranstaltete die DGPPN eine Gedenkveranstaltung, „um ein deutliches Zeichen zu setzen, getragen von dem Willen, die Opfer anzuerkennen und an ihrer Seite zu stehen, sich zu der eigenen Vergangenheit zu bekennen und aus der Vergangenheit zu lernen“, so Schneider. Im Namen der DGPPN bat Schneider die Opfer und deren Angehörige um Verzeihung für das Leid und Unrecht und das Schweigen und Verdrängen der Psychiatrie. Des Weiteren initiierte er in Kooperation mit den Stiftungen ‚Denkmal für die ermordeten Juden Europas‘ und ‚Topographie des Terrors‘ die Wanderausstellung „erfasst, verfolgt, vernichtet. Kranke und behinderte Menschen im Nationalsozialismus“. Schirmherr war Bundespräsident Joachim Gauck. Bis Januar 2020 war sie an 76 Standorten in 8 Ländern auf 5 Kontinenten zu sehen und kann in einer im wissenschaftlichen Springer-Verlag erschienenen Dokumentation nacherlebt werden. Die Ausstellung nahm die Frage nach dem Wert des Menschen als Leitmotiv und beschäftigt sich mit den gedanklichen und institutionellen Voraussetzungen der Morde, fasste das Geschehen von Ausgrenzung und Zwangssterilisationen bis hin zur Massenvernichtung zusammen und beschäftigte sich mit exemplarischen Opfern, Tätern, Tatbeteiligten und Opponenten. Schließlich fragte sie nach der Auseinandersetzung mit dem Geschehen von 1945 bis heute (www.dgppn.de/ausstellung).
Schneider verfasste über 500 wissenschaftliche Arbeiten, darunter zahlreiche Beiträge in Fachbüchern und eigene Lehrwerke. Aufgrund seiner herausragenden Arbeit und Verdienste verleiht ihm die Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie in der Mittwochsveranstaltung am 16.6.2021 die Berliner Griesinger Medaille 2021. Schneider wird den Berliner Griesinger-Vortrag zum Thema „Psychiatrie im Nationalsozialismus: Erinnerung und Verantwortung“ halten.
Dr. Anja Bauer, Berlin
