Pneumologie 2021; 75(07): 496-498
DOI: 10.1055/a-1494-9267
Pneumo-Fokus

COVID-19: Verbessert inhalatives Budesonid bei Symptombeginn die Prognose?

Ramakrishnan S. et al.
Inhaled budesonide in the treatment of early COVID-19 (STOIC): a phase 2, open label, randomised controlled trial.

Lancet Respir Med 2021;
 

    Eine interessante Beobachtung verblüffte im vergangenen Jahr Intensivmediziner auf der ganzen Welt: Unter den schwer erkrankten Patientinnen und Patienten mit COVID-19 war der Anteil derjenigen, die an Asthma bronchiale bzw. COPD litten, viel geringer als erwartet. Das Phänomen ist möglicherweise über eine protektive Wirkung inhalativer Glukokortikoide zu erklären, wie eine aktuelle Studie zeigte.


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    In die prospektive STOIC (Steroids in COVID-19)-Phase-II-Studie aus Großbritannien wurden zwischen Juli und Dezember 2020 insgesamt 146 erwachsene Patientinnen und Patienten mit beginnender typischer COVID-19-Symptomatik aufgenommen (Husten, Fieber, Störungen des Geruchssinns). Die Symptome bestanden im Median seit 3 Tagen. Es erfolgte eine Open-label-1:1-Randomisierung in 2 parallele Behandlungsgruppen: Die Patienten der einen Gruppe erhielten eine Tagesdosis von 1600 μg (2-mal 2 Sprühstöße à 400 μg) inhalatives Budesonid, während in der Vergleichsgruppe keine spezifische Intervention erfolgte. Dabei wurde eine Stratifizierung der Kohorte nach Alter (≤ 40 Jahre bzw. > 40 Jahre), Geschlecht sowie Anzahl der Komorbiditäten vorgenommen. Das mittlere Alter lag in der Budesonid-Gruppe bei 44 und in der Vergleichsgruppe bei 46 Jahren. Die Patientenrekrutierung für die Studie wurde aufgrund eines nationalen Lockdowns vorzeitig gestoppt. Primärer Endpunkt der Untersuchung war die Rate der Patienten, die aufgrund einer Zustandsverschlechterung im Verlauf eine Notaufnahme aufsuchten bzw. hospitalisiert wurden.

    Alle Studienteilnehmer erhielten zu Studienbeginn sowie nach 7 und 14 Tagen Nasopharyngealabstriche für eine Virusgenom-PCR und wurden bis zum Symptomende bzw. bis zum Auftreten eines primären Endpunktereignisses täglich telefonisch kontaktiert. Dabei wurden jeweils die aktuelle Sauerstoffsättigung, die Körpertemperatur und etwaige klinische Probleme erfragt. Die Symptomatik wurde von den Studienteilnehmern in einem Patiententagebuch dokumentiert und systematisch außerdem in Fragebögen erfasst. Die Behandlung mit Budesonid erfolgte für die Dauer der Symptome aus Patientensicht; im Median wendeten die Patienten das Medikament über einen Zeitraum von 7 Tagen an. Nach 28 Tagen war eine Abschlussuntersuchung vorgesehen.

    In der Intention-to-treat-Analyse erreichten in der Vergleichsgruppe 15 % der Patienten den primären Endpunkt, während dies in der Interventionsgruppe nur bei 3 % der Fall war (difference in proportion 0,123; 95 %-KI 0,033–0,213). Bei den nach Protokoll behandelten Patienten (n = 139) kam es in 14 % vs. 1 % der Fälle zu einem primären Endpunktereignis (difference in proportion 0,131; 95 %-KI 0,043–0,218); dies entspricht einer relativen Risikoreduktion von 91 %. Nur 8 Patienten mussten mit Budesonid behandelt werden, um einen Patienten vor der notfallmäßigen Vorstellung bzw. Hospitalisierung zu bewahren. Darüber hinaus wurde unter der Behandlung mit Budesonid eine Verkürzung der medianen Symptomdauer von 8 auf 7 Tage beobachtet, und die Anzahl der Fiebertage/Häufigkeit der Anwendung antipyretischer Medikamente sowie das Risiko, nach 14 bzw. 28 Tagen noch unter COVID-19-Symtomen zu leiden, wurde verringert. Die in der PCR gemessene Viruslast im Verlauf war hingegen in beiden Studiengruppen vergleichbar. Die Nebenwirkungen von Budesonid waren überschaubar und selbstlimitierend (Halsschmerzen, Schwindel).

    Die Daten passen zu Ergebnissen aus In-vitro-Studien, in denen durch inhalative Glukokortikoide eine Replikationshemmung von SARS-CoV-2 in den Epithelzellen der Atemwege bzw. eine Herunterregulierung von ACE2-Rezeptoren und TMPRSS2-Proteasen erreicht werden konnte, die für den Zelleintritt der Coronaviren notwendig sind, so die Autoren.

    Fazit

    COVID-19-Erkrankungen beginnen i. d. R. mit milden Symptomen – schwerwiegende Einschränkungen entwickeln sich erst im Verlauf. In diesem frühen Behandlungsfenster könnte ein kostengünstiges und weltweit etabliertes Medikament die Prognose verbessern: Inhalatives Budesonid senkte in der aktuellen Studie das relative Risiko für eine klinische Verschlechterung um 91 %. Darüber hinaus könnte eine Budesonid-Behandlung sogar auch vor der Entwicklung eines Long-COVID-Syndroms schützen, so die Autoren.

    Dr. Katharina Franke, Darmstadt


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    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    12. Juli 2021

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