Key words
cost-effectiveness - health economics - healthcare policy
Abkürzungen
GB-A:
Gemeinsamer Bundesausschuss
ICER:
Incremental cost-effectiveness ratio/inkrementelle Kosteneffektivitätsrate
IQWiG:
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
MRM:
MR-Mammografie
MWA:
Mikrowellenablation
NICE:
National Institute for Health and Care Excellence
omCRC:
oligometastatisches kolorektales Karzinom
PET/CT:
Positronen-Emissions-Tomografie und Computertomografie
QALY:
Quality-adjusted life year/qualitätskorrigiertes Lebensjahr
QoL:
Quality of life/Lebensqualität
RFA:
Radiofrequenzablation
SIRT:
selektive interne Radiotherapie
WTP:
Willingness-to-pay/Zahlungsbereitschaft
Einleitung
Die Radiologie ist wie andere Bereiche der Medizin einem zunehmenden Kosten- und daraus
resultierenden Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Gerade die Entscheidungssituation
für diagnostische oder interventionell-radiologische Maßnahmen kann zu einem starken
Fokus auf kurzfristig entstehende Kosten verleiten. Die Radiologie ist fester Bestandteil
der klinischen Wertschöpfungskette. Für eine ökonomische Betrachtung müssen hierbei
kurz- und langfristige Auswirkungen bedacht werden. Obwohl der langfristige Nutzen
dieser Maßnahmen in vielen Fällen außer Frage steht, fällt die Einschätzung bezüglich
des Kosten-Nutzen-Verhältnisses in der klinischen Situation sowie bei einer Betrachtung
aus Sicht des Gesundheitssystems häufig schwer. Während Studien und Literatur zur
diagnostischen Genauigkeit oder Wirksamkeit der radiologischen Verfahren häufig vorliegen,
fehlt es häufig an klinisch ausgerichteten Untersuchungen zu ökonomischen Aspekten:
Obgleich einzelne Fragestellungen, wie beispielsweise das Lungenkrebsscreening mittels
Computertomografie, bereits langfristig bezüglich ihrer Kosteneffektivität analysiert
wurden [1]
[2], fehlt es bei vielen klinischen Entscheidungssituationen an radiologisch-initiierten,
systematischen Auswertungen. Ziel dieses Artikels ist es daher, die Grundlagen der
hierzu geeigneten Kosteneffektivitätsanalyse vorzustellen.
Die Kosteneffektivitätsanalyse ist eine Methode der Gesundheitsökonomie, um verschiedene
medizinische Strategien in Diagnostik, Therapie und Prävention systematisch zu vergleichen.
Der Vergleich basiert auf den mit einer jeweiligen Strategie verbundenen Kosten und
der damit verbundenen Effektivität. Als Effektivität können hierbei diverse Parameter
dienen, im speziellen Fall der Quantifizierung des medizinischen Nutzens kann in der
Literatur auch der Begriff der Kosten-Nutzen-Analyse zutreffen (in diesem Übersichtsartikel
werden die Begriffe jedoch der Einfachheit halber als Synonyme verwendet).
Die Notwendigkeit der medizinischen Kosteneffektivitätsanalyse entsteht wie in anderen
Bereichen aus der Knappheit der Ressourcen. Das Budget einer Krankenversicherung soll
zu einem hohen Nutzen für die Versicherten führen (high-value care) [3]. Die Zielsetzung ist daher, Therapien ohne relevanten Nutzen (low-value care) zu reduzieren oder mit besseren Verfahren zu ersetzen. Die medizinische Kosteneffektivitätsanalyse
ist als Instrument jedoch auch auf bestimmte Anwendungsbereiche begrenzt, insbesondere
durch soziale und ethische Aspekte des ärztlichen Handelns.
So ist es beispielsweise ein medizin-ethisch legitimes Interesse, diverse Strategien
zum Management des Bluthochdrucks bzw. anderer Volkskrankheiten zu vergleichen, um
eine Maximierung des Nutzens für die Versicherten zu gewährleisten. Dagegen ist z. B.
der Vergleich von Therapien mit präventivem und kurativem Ansatz unpassend. Die Allokation
von Ressourcen unterliegt in solchen Fällen multifaktoriellen Gründen [4]. In diesem Artikel wird der Fokus daher auf typische Anwendungsbeispiele von Kosteneffektivitätsanalysen
im Kontext diagnostischer und therapeutischer Verfahren in der Radiologie gelegt.
Methoden
Für eine Kosteneffektivitätsbetrachtung können verschiedene Perspektiven gewählt werden:
die Perspektive des Gesundheitssystems oder der Gesellschaft, des Leistungserbringers
oder -trägers, des Patienten oder des Arbeitgebers. Abhängig von der Perspektive müssen
unterschiedliche Kosten berücksichtigt werden, etwa direkte Kosten wie die Kosten
für eine Behandlung, die Personal- oder Sachkosten, indirekte Kosten wie Transportkosten
des Patienten oder Kosten durch Arbeitsunfähigkeit sowie intangible Kosten, die auch
nichtmonetäre Kosten umfassen. Häufig wird zur Evaluation medizinischer Leistungen
vor dem Hintergrund von Allokationsentscheidungen die Perspektive des Gesundheitssystems
gewählt und nur direkte Kosten, d. h. erstattete Leistungen, werden berücksichtigt.
Den derzeitigen Referenzstandard zur Quantifizierung des Nutzens stellen qualitätsadjustierte
Lebensjahre (quality-adjusted life years, QALY) dar [1]. Hierbei wird die gewonnene Lebenszeit nicht absolut betrachtet, sondern mit dem
Faktor Quality-of-life (QoL) multipliziert. QALYs stellen also ein Produkt aus Lebenszeit
mit -qualität dar. Die QoL wird dabei primär von den Patienten aus Fragebögen bestimmt.
Die Verteilung medizinischer Ressourcen soll somit nicht allein an lebensverlängernden
Effekten geschehen, sondern auch unbedingt die Qualität des Lebens in dem Zeitraum
berücksichtigen. Die gesundheitsökonomische Evaluation beruht daher auf dem Konzept
der inkrementellen Kosteneffektivitätsrate (incremental cost-effectiveness ratio,
ICER), die sich aus dem Vergleich einer neuen Methode mit dem etablierten Standard
ergibt. Für die Berechnung werden die zusätzlichen Kosten der Methode im Vergleich
zum Standard mit dem zusätzlichen Nutzen in Bezug gesetzt:
Der Nutzen einer diagnostischen oder therapeutischen Methode wird in Form von qualitätsadjustierten
Lebensjahren quantifiziert, die sich aus dem Produkt von Lebensqualität und Lebenslänge
ergeben. Dies ermöglicht den direkten Vergleich verschiedenster Methoden auf Basis
einer gemeinsamen Bezugsgröße.
Der ICER als Maß für die Kosteneffektivität kann Entscheidungsträgern des Gesundheitswesens
als Grundlage für Allokationsentscheidungen dienen. So kann ein Schwellenwert für
die Zahlungsbereitschaft (Willingness-to-pay) definiert werden, der medizinische Leistungen
in Bezug auf die Erstattungsfähigkeit einordnet. In Großbritannien dient ein Schwellenwert
von £ 20 000–30 000 pro QALY als Entscheidungsgrundlage [5]. Für die Vereinigten Staaten wird ein Schwellenwert von $ 50 000–200 000 pro QALY
diskutiert [6]
[7]. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nutzt
bisher auf Basis gesetzlicher Grundlagen indikationsspezifische Kosten-Nutzen-Bewertungen
ohne absoluten Schwellenwert [8].
Die Berechnung des inkrementellen Nutzens und der Kosten erfolgt mittels gesundheitsökonomischer
Modellierung und Entscheidungsanalyse. Zunächst wird ein Entscheidungsbaum konstruiert,
der die zu vergleichenden diagnostischen oder therapeutischen Methoden und alle realisierbaren
Ergebnisse beinhaltet. Um die langfristigen Kosten und den Nutzen zu modellieren,
wird ein Markov-Modell konstruiert, welches vereinfachend verschiedene Gesundheitszustände
definiert, die jedoch die reale Vielfalt existierender Zustände realistisch abbilden
([Abb. 1]). Ein simulierter Fall befindet sich in jedem Zyklus des Modells in einem Gesundheitszustand
und wechselt mit Beginn jedes neuen Zyklus ggf. diesen Zustand entsprechend vordefinierten
Wahrscheinlichkeiten. Der jeweilige Zustand ist gekennzeichnet durch eine definierte
Lebensqualität sowie assoziierte Kosten. Wird die Dauer eines Zyklus mit der Lebensqualität
multipliziert, ergibt sich der resultierende Nutzen in Form von QALYs. Über das Markov-Modell
kann beispielsweise der Krankheitsverlauf über ein Erkrankungsstadium, ein Genesungsstadium
bis hin zu Rezidiv oder Tod abgebildet werden; jeder der Zustände tritt mit einer
gegebenen Wahrscheinlichkeit ein und resultiert ggf. in laufenden Kosten. Die Simulation
über einen bestimmten Zeitraum erlaubt, die kumulierten mittleren Kosten und QALYs
für alle Strategien zu bestimmen und die inkrementelle Kosteneffektivitätsrate zu
berechnen. Umfassende Sensitivitätsanalysen untersuchen die Unsicherheit der verschiedenen
Variablen und deren Einfluss auf das Modell und den resultierenden ICER.
Abb. 1 Allgemeine Darstellung eines Markov-Modells zur Simulation von Effektivität und langfristigen
Kosten. Den einzelnen Zuständen werden Lebensqualitäten und ggf. laufende Kosten zugewiesen.
In jedem Zyklus können die Patienten gemäß vordefinierten Wahrscheinlichkeiten zwischen
den Zuständen wechseln.
In einer Cost-effectiveness plane können mehrere Untersuchungen/Interventionen in
Form ihrer inkrementellen Kosten und ihres Nutzens vergleichend gegenübergestellt
werden ([Abb. 2]). Ist eine Strategie kostensparend und generiert mehr Nutzen als die Standardstrategie,
so wird sie als dominante Strategie im rechten unteren Quadranten verortet. Ist eine
Strategie kostspieliger als der Standard und zeigt weniger Nutzen, so wird die Strategie
als dominiert bezeichnet (linker oberer Quadrant). Kostet eine Strategie mehr als
der Standard und generiert mehr Nutzen, so lässt sich die Kosteneffektivitätsrate
berechnen. Eine Gerade durch den Nullpunkt mit einer Steigung in Kosten/QALY stellt
die Willingness-to-pay-Schwelle dar.
Abb. 2 Cost-effectiveness plane: Inkrementeller Nutzen und inkrementelle Kosten im Vergleich
zum Standard. Die schraffierte Fläche unterhalb der Willingness-to-pay-Schwelle kennzeichnet
den Bereich kosteneffektiver Strategien.
Für die Erstellung von Kosteneffektivitätsanalysen liegen entsprechende Empfehlungen
zur Qualitätskontrolle vor [9]
[10], die in [Tab. 1] zusammengefasst sind.
Tab. 1
Checkliste zur Erstellung einer Kosteneffektivitätsanalyse (nach [1]
[8]).
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Abschnitte
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Vorgehen
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Titel des Artikels
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Benennung des Themas der Studie und Einordnung als Kosteneffektivitätsanalyse
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Zusammenfassung
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strukturierte Zusammenfassung gegliedert in Ziel, Material und Methoden, Ergebnisse
und Schlussfolgerung
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Einleitung
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Hintergrund
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Hintergründe des Themas und Hinführung zur Kernfrage der Studie
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Zielsetzung
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Ziel der Analyse
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Material und Methoden
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Zielgruppe
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Charakteristiken der zu analysierenden Zielgruppe
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Vergleichsmodalitäten
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Beschreibung der zu vergleichenden radiologischen Modalitäten oder Eingriffen
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Zeitraum
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Betrachtungszeitraum der Kosten und der Patienten-Outcomes
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Diskontiersatz
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Festsetzung einer Diskontiersatzes für die Kosten und Resultate
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Nutzwert
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Benennung und Messung des Nutzwertes (Quality-adjusted life years)
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Eingabeparameter
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Benennung und Festlegung aller Eingabeparameter zur Berechnung der Ergebnisse des
Modells
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Wahl und Beschreibung des Modells
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Wahl des Modells zur Berechnung der Resultate und Beschreibung der Vorgehensweise,
wie z. B. Beschreibung eines Markov-Modells mit zugehörigen Entscheidungsbäumen und
Zustandswechsel
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Messung und Bewertung der Effektivität
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Verhältnissetzung der Kosten in Relation zur Effektivität (ICER)
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Kosten und Nutzen
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Festlegung der Kosten und Nutzen anhand wissenschaftlicher Quellen
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Quellen
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Beschreibung der Quellen über Kosten, Nutzen und Wahrscheinlichkeiten
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Ergebnisse
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Resultate
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Resultate der Kosteneffektivitätsrechnung, der inkrementellen Kosten und des ICERs
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Unsicherheiten
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Resultate der zusätzlich durchgeführten Sensitivitätsanalysen
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Abbildungen
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grafische Darstellung der Ergebnisse der Kosteneffektivitätsanalyse und der Sensitivitätsanalysen
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Diskussion
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Einordnung in den Kontext
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Einordnung der Ergebnisse der Kosteneffektivitätsanalyse in den klinischen Kontext
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Relevanz der Studie
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Darstellen der Relevanz der Studie in einem gesundheitspolitischen und gesundheitsökonomischen
Kontext
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Einschränkungen
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Grenzen der Ergebnisse der Studie im klinischen Kontext und Abwägung der Unsicherheiten
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Ethik
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Betrachtung des Themas von einem ethischen Standpunkt aus
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Offenlegung
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Offenlegen eines möglichen Interessenkonflikts einer der Autoren gegenüber einem Geldgeber
oder anderen Hilfsquellen
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Kosteneffektivitätsbetrachtung diagnostischer Verfahren am Beispiel der MR-Mammografie
Kosteneffektivitätsbetrachtung diagnostischer Verfahren am Beispiel der MR-Mammografie
Kosteneffektivitätsanalysen spielen insbesondere bei Bildgebungstechniken eine wichtige
Rolle, deren diagnostischer Zusatznutzen zwar unbestritten ist, die jedoch als zumindest
kurzfristig teurer im Vergleich zu etablierten Bildgebungstechniken erachtet werden.
Hier ist es wichtig zu analysieren, wie groß der Zusatznutzen, die genauen diagnostischen
und prognostischen Unterschiede und dementsprechend auch der Cut-off-Wert (ICER) in
Bezug auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis der beiden Vergleichsmethoden sind.
Im derzeitigen nationalen Brustkrebsscreening kommt die Röntgen-basierte konventionelle
Mammografie bei Frauen zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr alle 2 Jahre zum Einsatz,
unabhängig von der Brustdichte der jeweiligen Patientin [11].
Patientinnen mit dichtem Brustgewebe haben der Literatur nach ein erhöhtes Brustkrebsrisiko,
unabhängig von ihrer genetischen Prädisposition. Gleichzeitig ist bekannt, dass die
Sensitivität der Mammografie in dichtem Drüsengewebe teilweise unter 50 % beträgt
[12]. Hier könnte also eine sinnvolle Möglichkeit bestehen, alternative, sensitivere
Verfahren zu involvieren und in die Brustkrebsvorsorge mit einzubeziehen und somit
die diagnostische Effizienz, also die Kosteneffektivität, zu steigern.
Die MR-Mammografie (MRM) stellt hierbei eine deutlich sensitivere Methode dar, die
jedoch zunächst auch kostenintensiver erscheint. Mehrere multizentrische Studien konnten
belegen, dass rein diagnostisch selbst die Kombination aller konventionellen Bildgebungsmöglichkeiten
die diagnostische Genauigkeit der MRM nicht übertrifft [13]
[14]. Im Hochrisikoscreening kommt diese Methode deshalb bereits standardmäßig zum Einsatz.
Erste Kosteneffektivitätsanalysen zeigten hier bereits vor einigen Jahren Hinweise
auf einen kosteneffektiven Einsatz hinsichtlich dieser Indikation [15]
[16].
Da sich die Datenlage der MR-Mammografie jedoch bislang auf einen Einsatz im Hochrisikosegment
beschränkte, lagen bislang nur spärliche Analysen über einen Einsatz der MR-Mammografie
bei Frauen mit intermediärem Risiko für Brustkrebs aufgrund ihrer erhöhten Brustdichte
vor.
Aktuelle Studien konnten jedoch zeigen, dass der Einsatz der MR-Mammografie in der
Vorsorge bei Frauen mit dichter Brust die Intervallkarzinomrate im Vergleich zu konventionellen
Bildgebungsmöglichkeiten signifikant senken konnte [17]. Gleichzeitig ergaben diese neuen Daten die Möglichkeit zu erstmaligen Kosteneffektivitätsanalysen
in diesem bis dato neuen Segment.
Basierend auf diesen Daten lassen sich Entscheidungsmodelle für Kosteneffektivitätsanalysen
generieren und entsprechend auswerten. [Abb. 3a] zeigt beispielhaft ein mögliches Entscheidungsmodell zum Brustkrebsscreening bei
Frauen mit hohem Risiko, das den Vergleich mehrerer Strategien ermöglicht. Ein Markov-Modell,
wie in [Abb. 3b] dargestellt, ermöglicht die Modellierung der Kosten und des Nutzens über einen längeren
Zeitraum (Tab. S1). Für Mammografie, Ultraschall, die Kombination aus Mammografie und Ultraschall sowie
für MR-Mammografie ergeben sich bei diesem Modell über einen 30-jährigen Zeitraum
kumulative Kosten von $36 202, $36 668, $37 984 und $39 051 sowie kumulative Effekte
von 19,53, 19,53, 19,55 sowie 19,59 QALYs. Die MR-Mammografie wäre bei einem ICER
von $45 374 pro QALY im Vergleich zur Mammografie eine kosteneffektive Strategie.
Abb. 3 Darstellung eines diagnostischen Entscheidungsmodells. a Entscheidungsmodell zum Screening von Patientinnen auf das Vorliegen eines Mammakarzinoms.
b Markov-Modell zur Abschätzung langfristiger Kosten und der langfristigen Effektivität.
Für Frauen mit intermediärem Risiko für Brustkrebs konnte gezeigt werden, dass eine
Untersuchung mittels MRM aufgrund der oft hohen Brustdichte trotz initial deutlich
höheren Untersuchungskosten (operational) mittel- und langfristig durchaus andere
Kosten verhindern oder mindern kann [18]
[19]. Dies gelingt durch die Erhebung von prognostisch wertvollen, im Sinne von therapierelevanten
Informationen. In diesen Analysen wurden durchweg ICER-Werte für MRM im Vergleich
zur Mammografie festgestellt, die deutlich unter den für westliche Industrieländer
beschriebenen Willingness-To-Pay-Werten lagen. Hieraus kann geschlossen werden, dass
die MRM in diesen Patientenkollektiven neben den genannten medizinischen Argumenten
durchaus auch aus ökonomischer Sicht eine geeignete Bildgebungsmodalität darstellt.
Kosteneffektivitätsbetrachtung interventionell-radiologischer Behandlungen am Beispiel
der Ablation von hepatischen Metastasen
Kosteneffektivitätsbetrachtung interventionell-radiologischer Behandlungen am Beispiel
der Ablation von hepatischen Metastasen
Neben Fortschritten im Bereich der diagnostischen Bildgebung kann der klinische Mehrwert
interventioneller, minimalinvasiver bildgestützter Verfahren zunehmend durch eine
Vielzahl prospektiver Studien nachgewiesen werden. Da sowohl mikrotherapeutische Verfahren
wie die Prostataembolisation oder die selektive interne Radiotherapie (SIRT), gefäßeröffnende
Verfahren oder auch CT- und MRT-gestützte, ablative Verfahren teils mit erheblichen
initialen Kosten verbunden sind, ist es entscheidend, auch ihren ökonomischen Mehrwert
mit Blick auf die gesamten Behandlungsprozesse transparent darzustellen. Dies soll
am Beispiel der Anwendung ablativer Verfahren bei oligometastatischem Tumorleiden
der Leber dargestellt werden.
Eine sehr häufige Tumorentität, die mit einem oligometastatischen Tumorleiden der
Leber assoziiert ist, stellt das oligometastatische kolorektale Karzinom (omCRC) dar.
Dieses ist gekennzeichnet durch das Vorhandensein von 3–5 Lebermetastasen, welche
sich über das portalvenöse System von einem kolorektalen Karzinom ausgebreitet haben
[20]. Bisweilen wird eine operative Therapie als einzige heilende Möglichkeit zur Behandlung
eines omCRCs angesehen. Da die hepatischen Metastasen aber häufig zu nah an lebenswichtigen
Gefäßen lokalisiert sind und teils beide Leberlappen betroffen sind, eignen sich nur
etwa 25 % aller Patienten optimal für eine Operation. Dies macht die interventionell-radiologischen
Möglichkeiten einer Behandlung im Sinne einer Ablation umso relevanter, um dem Patienten
trotzdem eine effektive Therapie, eine verbesserte Lebensqualität und ggf. ein verbessertes
Gesamtüberleben zu ermöglichen [21]. Studien zufolge ermöglicht eine ablative Therapie wie etwa Radiofrequenz- oder
Mikrowellenablation bei der Behandlung von nichtoperablen omCRCs ein deutlich verbessertes
Gesamtüberleben, weshalb dieses Therapieprinzip auch in den ESMO-Richtlinien zur Behandlung
des metastasierten kolorektalen Karzinoms – auch in Kombination mit anderen Verfahren
– empfohlen wird [22]
[23]. Hier muss vor allem darauf geachtet werden, dass vom behandelnden interventionellen
Radiologen ein tumorfreier Ablationsrand von mindestens > 5 mm gewährleistet wird,
damit eine postablationelle Tumorprogression effektiv vermieden wird [24]. Diese Behandlungsstrategie ist also nicht nur leitliniengerecht, sondern kann bei
guter Wirksamkeit ggf. auch aus ökonomischer Sicht empfohlen werden [25]
[26]. Ein Beispiel eines geeigneten Entscheidungsmodells zum Vergleich von therapeutischen
Strategien bei einer oligometastatischen Tumorerkrankung ist in [Abb. 4a] dargestellt. Die assoziierten langfristigen Kosten sowie die langfristige Kosteneffektivität
können dann mittels eines Markov-Modells wie in [Abb. 4b] modelliert werden. Für eine Berechnung müssen die entsprechenden Input-Parameter
für das Modell definiert werden. Im Supplement in Tab. S2 sind hier beispielhaft aus der Literatur ausgewählte Input-Parameter zusammengefasst.
Basierend auf diesen Zahlen ergeben sich bei einer Berechnung über die gesamte Lebenszeit
der Patienten für Resektion, Radiofrequenzablation (RFA) bzw. Mikrowellenablation
(MWA) kumulative Kosten von $41 847,96; $36 936,90 und $35 234,26 mit einer Effektivität
von 6,80, 6,30 bzw. 6,95 QALYs. Somit wäre in diesem Fall die MWA die dominante Strategie,
da diese im Gesamtverlauf mit weniger Kosten und einer besseren Effektivität als die
beiden anderen Strategien assoziiert ist. Dieses Ergebnis soll jedoch nur mittels
eines Beispiels das Vorgehen und die Interpretation der Ergebnisse einer Kosteneffektivitätsanalyse
darstellen. In diesem Fall ist eine zusätzliche Sensitivitätsanalyse zur Überprüfung
der Robustheit der Ergebnisse geboten.
Abb. 4 Darstellung eines therapeutischen Entscheidungsmodells. a Entscheidungsmodellierung zur interventionellen Therapie von Leberläsionen zur Behandlung
einer oligometastatischen Tumorerkrankung der Leber. b Beispiel eines einfachen Markov-Modells zur Modellierung der patientenspezifischen
Outcomes. Der Startzustand der Patienten ergibt sich aus dem Entscheidungsmodell (z. B.
nach unvollständiger Resektion Beginn im Zustand „aktive hepatische Metastasen“).
c Monatliche Modellierung der Markov-Zustände nach vollständiger Mikrowellenablation.
Nach der initialen Behandlung ist die regelmäßige bildgebende Therapiekontrolle von
entscheidender Bedeutung für den weiteren Verlauf der Erkrankung. Hier kann durch
Untersuchungen mittels 18F-FDG-PET/CT sowohl eine unvollständige Ablation als auch
eine rezidivierende Erkrankung an den Ablationsrändern festgestellt werden. Die Strategie
einer Verlaufskontrolle mittels 18F-FDG-PET/CT sorgt im Vergleich zur CT trotz initial
höheren finanziellen Aufwands für eine deutliche Kostensenkung, da die Kosten einer
übersehenen Erkrankung deutlich höher ausfallen. Hierdurch lässt sich nicht nur das
Gesamtüberleben verbessern, sondern auch die Gesamtkosten der Behandlung lassen sich
effektiv senken [27].
Gesundheitspolitische Aspekte
Gesundheitspolitische Aspekte
Kosteneffektivitätsanalysen stellen im Kontext der jeweiligen Gesundheitssysteme auch
eine Herausforderung an die Politik und an die jeweiligen Entscheidungsträger im Gesundheitssystem
dar und müssen unter unterschiedlichen Aspekten im Gesamtkontext betrachtet werden
[28]. Das von den Autoren in diesem Review vorgestellte Konzept der Kosteneffektivitätsanalysen
repräsentiert die meistgenutzte Methodik im Gesundheitswesen, um begrenzte Ressourcen,
die innerhalb einer Volkswirtschaft zur Verfügung gestellt werden können, adäquat
im jeweiligen Gesundheitssystem verteilen zu können ([Abb. 5]) [29]. So steht im volkswirtschaftlichen Kontext jeder Betrag, der für das Gesundheitssystem
zur Verfügung gestellt wird, z. B. nicht mehr für das Bildungswesen zur Verfügung.
Dies birgt insgesamt Konfliktpotenzial, insbesondere in Volkswirtschaften mit deutlich
begrenzten Ressourcen [30]
[31]. Im Vereinigten Königreich wird beispielsweise vom National Institute for Health
and Care Excellence (NICE) die Bewilligung der Erstattungsfähigkeit von innovativen
Behandlungsmethoden unter anderem davon abhängig gemacht, dass eine entsprechende
Kosteneffektivitätsanalyse unter Berücksichtigung der jeweiligen QALYs vorliegt. Auch
in Deutschland ist am 1. April 2007 das „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der
gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-WSG) in Kraft getreten, wobei dabei der § 35b
SGB V neu gefasst wurde. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wurde hierbei ermächtigt,
das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nach
§ 139b Abs. 1 SGB V zu beauftragen, künftig Leistungen nach deren Kosten und Nutzen
zu bewerten und nicht nur, wie vorher üblich, hinsichtlich des potenziellen Nutzens.
Prinzipiell ist das IQWiG hierbei nicht an feste Kriterien hinsichtlich der Verwendung
bestimmter Methoden zur Evaluation von Kosten-Nutzen-Verhältnissen gebunden, jedoch
muss es sich an „in den jeweiligen Fachkreisen anerkannten internationalen Standards
der evidenzbasierten Medizin und der Gesundheitsökonomie“ orientieren und diese in
ihre Entscheidung obligatorisch mit einbinden. Kritiker von Kosteneffektivitätsanalysen
zeigen sich zum Teil besorgt darüber, dass eine Betrachtung unter reiner Einbeziehung
der QALYs und korrespondierenden ICER zu Einschränkungen hinsichtlich der potenziell
vorhandenen Behandlungsoptionen von Patienten führen könnten und Patienten damit „zu
teure“ Therapieoptionen vorenthalten werden könnten. Hier sollte beachtet werden,
dass Kosteneffektivitätsanalysen aufgrund wissenschaftlicher Evidenz die Kostenträger
und Leistungserbringer im Gesundheitssystem informieren können, die letztendliche
Entscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit notwendiger Leistungen ist sowohl
im Kontext des jeweiligen einzelnen Patientenfalls als auch im Kontext der Leistungsfähigkeit
des einzelnen Gesundheitssystems und dessen Infrastruktur zu sehen. Die z. B. für
die USA dargestellten Schwellenwerte von $ 5000–200 000 pro QALY sollten nicht als
absolute Grenzen, sondern als Richtwerte angesehen werden, die insbesondere in Deutschland
keine Anwendung finden, da das IQWiG keine absoluten Schwellenwerte definiert. Im
Rahmen der gesundheitspolitischen Debatte der Erstattungsfähigkeit von radiologischen
Leistungen ist es hierbei wichtig zu diskutieren, welche Schwellenwerte zu verwenden
sind, die beim Einsatz vergleichsweise „teurer“ Diagnostik zu einem deutlich verbesserten
Nutzen für den Patienten führen. Die im November 2020 mitgeteilte Einstellung der
Methodenbewertungsverfahren durch den G-BA zur diagnostischen Kombination aus Positronen-Emissions-Tomografie
und Computertomografie (PET/CT) verdeutlicht die Wichtigkeit von Kosteneffektivitätsanalysen
zum Beleg des spürbaren Nutzens von vermeintlich „teuren“ Untersuchungstechniken [27]
[32]. Erwähnenswert ist hierbei, dass das durch den G-BA beauftragte IQWiG ein für Deutschland
eigenes 2-stufiges Verfahren entwickelt hat, in welchem im ersten Schritt lediglich
der Nutzen bewertet wird und nur im Falle eines erhöhten Nutzens im Vergleich zur
Standardbehandlung im zweiten Schritt eine Bewertung des Nutzens im Vergleich zu den
Kosten, z. B. durch den Nachweis einer Kosteneffektivitätsanalyse, durchgeführt werden
kann. Die Adressierung entsprechender Analysen stellt u. a. auch die Aufgabe der jeweiligen
Fachgesellschaften dar; so wird innerhalb der Deutschen Röntgengesellschaft die Arbeitsgemeinschaft
Gesundheitspolitische Verantwortung damit befasst, entsprechende innovative Methoden
zu identifizieren und deren Implementierung in den Versorgungsalltag zum Wohl der
Patienten z. B. durch die Durchführung von Kosteneffektivitätsanalysen voranzutreiben.
Abb. 5 Verschiedene Stufen der Allokation von Ressourcen innerhalb einer Volkswirtschaft
und deren damit verbundenen Anknüpfungspunkte für Kosteneffektivitätsanalysen entlang
der Wertschöpfungskette.
Ausblick
Mithilfe von Kosteneffektivitätsanalysen ist es möglich, den Effekt von Methoden der
diagnostischen und interventionellen Radiologie kurz- und langfristig zu modellieren.
Gerade in der Radiologie stehen hier oft kurzfristige Kosten langfristigen Gewinnen
an Lebensqualität und -zeit sowie Einsparungspotenzialen mittels besserer Therapieplanung
gegenüber. Daher hat diese Methodik gerade für die Radiologie ein enormes Potenzial
im Nachweis und in der Kommunikation des Nutzens von diagnostischen Methoden und interventionellen
Therapien. Wie oben dargelegt sind ökonomische Analysen – und insbesondere Kosteneffektivitätsbetrachtungen
– explizite Grundlage von Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeit in vielen Gesundheitssystemen
[33].
Für die Identifikation geeigneter Fragestellungen sowie eine realistische Modellierung
der klinischen Wertschöpfungskette ist radiologische Expertise unabdingbar. Hieraus
ergibt sich zwingend, dass entsprechende Analysen entweder von Radiologinnen und Radiologen
mit entsprechender ökonomischer Qualifikation oder von interdisziplinären Teams unter
Berücksichtigung radiologischer Expertise durchgeführt werden sollten, um die klinische
Signifikanz sowie fachliche Richtigkeit der Ergebnisse sicherzustellen. Daher wäre
es empfehlenswert, beispielsweise innerhalb nationaler und internationaler radiologischer
Fachgesellschaften entsprechende Arbeitsgruppen einzurichten und zielgerichtete Fortbildungen
gezielt zu fördern. Auch aufgrund ihres modellartigen Charakters bietet sich die interdisziplinäre
sowie standortübergreifende Zusammenarbeit zu Kosteneffektivitätsbetrachtungen an.