I Leitlinieninformationen
Leitlinienprogramm der DGGG, OEGGG und SGGG
Informationen hierzu finden Sie am Ende der Leitlinie.
Zitierweise
Caesarean Section. Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S3-Level, AWMF Registry No. 015/084, June 2020). Geburtsh Frauenheilk 2021; 81: 896–921
Leitliniendokumente
Die vollständige deutsche Langfassung und eine DIA-Version dieser Leitlinien sowie eine Aufstellung der Interessenkonflikte aller Autoren befinden sich auf der Homepage der AWMF: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-084.html
Leitliniengruppe
Siehe [Tab. 1] und [2].
Tab. 1 Federführender und/oder koordinierender Leitlinienautor.
Autor
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AWMF-Fachgesellschaft
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Prof. Dr. Frank Louwen
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Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V.
AG für Geburtshilfe und Pränatalmedizin (AGG)
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Tab. 2 Beteiligte Leitlinienautoren/innen.
Autor/in
Mandatsträger/in
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DGGG-Arbeitsgemeinschaft (AG)/AWMF/Nicht-AWMF-Fachgesellschaft/Organisation/Verein
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* Die Personen haben maßgeblich an der Erstellung der Leitlinie mitgewirkt. Eine Beteiligung an der Abstimmung der Empfehlungen und Statements fand nicht statt.
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Prof. Dr. Michael Abou-Dakn
Prof. Dr. Frank Louwen
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Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V.
AG für Geburtshilfe und Pränatalmedizin (AGG, vertreten durch Prof. Louwen)
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Prof. Dr. Uwe Wagner
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Berufsverband der Frauenärzte e. V.
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Prof. Dr. Jörg Dötsch
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Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V.
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Dr. Burkhard Lawrenz*
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Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V.
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Prof. Dr. David Ehm*
Prof. Dr. Daniel Surbek*
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Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
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Prof. Dr. Andreas Essig
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Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie e. V.
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Prof. Dr. Monika Greening
Prof. Dr. Rainhild Schäfers
Elke Mattern, M. Sc.
Ina C. Waterstradt, M. Sc.*
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Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V.
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Dr. Ralph Kästner
Dr. Wolf Lütje
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Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe e. V.
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Univ.-Prof. Dr. Peter Kranke, MBA
Dr. Leila Messroghli*
Prof. Dr. Manuel Wenk*
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Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V.
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Prof. Dr. Sven Kehl
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Deutsche Gesellschaft für Perinatale Medizin e. V.
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Prof. Dr. Rolf Schlößer
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Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin e. V.
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Dr. Katharina Lüdemann
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Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e. V.
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Prof. Dr. Barbara Maier*
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Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
Österreichische Gesellschaft für Psychosomatik in der Gynäkologie und Geburtshilfe
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Dr. Björn Misselwitz*
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Geschäftsstelle Qualitätssicherung Hessen e. V.
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PD. Dr. Günther Heller*
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Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen
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Andrea Bosch
Renate Nielsen
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Deutscher Hebammenverband e. V.
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Christiane Rothe*
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Arbeitsgruppe Gynäkologie, Geburtshilfe, Urologie, Proktologie/Physio Deutschland
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Prof. Dr. Erika Sirsch*
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Deutsche Gesellschaft für Pflegewissenschaft e. V.
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Barbara Stocker Kalberer*
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Schweizerischer Hebammenverband
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Thea Vogel
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Familiengesundheitszentrum Frankfurt (als Vertreterin der Schwangeren)
unabhängige Patientenberatung
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Prof. Dr. Constantin von Kaisenberg
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Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin e. V.
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Dr. Monika Nothacker*
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methodische Begleitung
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.
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Dr. med. Lukas Jennewein*
Roman Allert*
Barbara Hülsewiesche*
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Leitliniensekretariat, Universitätsklinikum Frankfurt Goethe-Universität, Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt am Main
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Leitung Prof. Dr. J. Meerpohl*
Claudia Bollig*
Dr. Britta Lang*
Dr. Ralph Möhler*
Edith Motschall*
Dr. Christine Schmucker*
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Cochrane Deutschland
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Barbara Prediger*
Stefanie Bühn*
Monika Becker*
Dr. Dawid Pieper*
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Institut für Forschung in der Operativen Medizin
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Verwendete Abkürzungen
EPDS:
Edinburgh Depressions-Fragebogen nach Geburt
DASS:
Depressions-Angst-Stress-Skalen
HBV:
Hepatitis-B-Virus
HCV:
Hepatitis-C-Virus
HELLP:
Syndrom: Hämolyse, erhöhte Leberwerte, Thrombozytopenie
HPV:
humanes Papillomavirus
HIV:
humanes Immundefizienzvirus
IES:
Impact of Event Scale
IFOM:
Institut für Forschung in der operativen Medizin
IUGR:
Intrauterine Growth Restriction
i. v.:
Darreichungsform, intravenös
MRT:
Magnetresonanztomografie
NICE:
The National Institute for Health and Care Excellence
PPH:
postpartale Hämorrhagie
p. o.:
Darreichungsform, per os
SSW:
Schwangerschaftswoche
II Leitlinienverwendung
Fragestellung und Ziele
Das Ziel dieser Leitlinie ist die Zusammenfassung des aktuellen Wissens über die Sectio mit dem Fokus auf Definition und Klassifikation, Aufklärung, Indikation, Zeitpunkt und Durchführung sowie auf Schwangerschaft und Geburt nach einer Sectio, um in einem gemeinsamen Entscheidungsfindungsprozess das ideale Vorgehen im individuellen Fall festlegen zu können.
Versorgungsbereich
Anwenderzielgruppe/Adressaten
Zudem soll diese Leitlinie den beteiligten Professionen evidenzbasierte Handlungsempfehlungen an die Hand geben, um die Betreuung von Frauen und ihren Kindern in der Lebensphase von Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und früher Elternschaft zu verbessern. Zu diesen Professionen gehören vor allem
Verabschiedung und Gültigkeitsdauer
Die Gültigkeit dieser Leitlinie wurde durch die Vorstände/Verantwortlichen der beteiligten medizinischen Fachgesellschaften, Arbeitsgemeinschaften, Organisationen und Vereine sowie durch den Vorstand der DGGG, SGGG, OEGGG sowie der DGGG/OEGGG/SGGG-Leitlinienkommission im Juni 2020 bestätigt und damit in ihrem gesamten Inhalt genehmigt. Diese Leitlinie besitzt eine Gültigkeitsdauer vom 01.06.2020 bis 30.06.2023. Diese Dauer ist aufgrund der inhaltlichen Zusammenhänge geschätzt. Bei dringendem Bedarf kann eine Leitlinie früher aktualisiert werden, bei weiterhin aktuellem Wissensstand kann ebenso die Dauer verlängert werden.
III Methodik
Grundlagen
Die Methodik zur Erstellung dieser Leitlinie wird durch die Vergabe der Stufenklassifikation vorgegeben. Das AWMF-Regelwerk (Version 1.0) gibt entsprechende Regelungen vor. Es wird zwischen der niedrigsten Stufe (S1), der mittleren Stufe (S2) und der höchsten Stufe (S3) unterschieden. Die niedrigste Klasse definiert sich durch eine Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen, erstellt durch eine nicht repräsentative Expertengruppe. Im Jahr 2004 wurde die Stufe S2 in die systematische Evidenzrecherche-basierte (S2e) oder strukturelle Konsens-basierte Unterstufe (S2k) gegliedert. In der höchsten Stufe S3 vereinigen sich beide Verfahren.
Diese Leitlinie entspricht der Stufe: S3
Diese S3-Leitlinie Sectio ist in weiten Teilen als Adaptierung der NICE-Guideline „Caesarean Section“ erarbeitet worden.
Zur Auswahl der zu adaptierenden Leitlinie wurde eine systematische Recherche und eine Bewertung der gefundenen Leitlinien mittels des deutschen Leitlinienbewertungsinstruments (DELBI) durchgeführt. Weitere aus der Leitliniengruppe entwickelte und priorisierte Fragestellungen wurden in der ersten Sitzung definiert und vom Cochrane oder dem Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM) bearbeitet.
Adaptierungsprozess
In den Protokollen der Konsensuskonferenzen finden sich nachvollziehbar alle Empfehlungen/Statements, bei denen eine Leitlinienadaptation entsprechend der Konsentierung durchgeführt wurde.
Evidenzbeurteilung nach SIGN
Zur Beurteilung der Evidenz (Level 1 – 4) von zusätzlich ausgewählten Primärstudien wurde in dieser Leitlinie das Klassifikationssystem des Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN) in der letzten aktuellen Version aus dem Jahr 2011 benutzt ([Tab. 3]).
Tab. 3 Graduierung der Evidenz nach SIGN (November 2011).
Level
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Beschreibung
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Quelle: http://www.sign.ac.uk/pdf/sign50.pdf
Quelle (Inhalt, Abkürzungen, Notes): http://www.cebm.net/?o=1025
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1++
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qualitativ hochwertige Metaanalysen, systematische Übersichten von RCTs oder RCTs mit sehr geringem Risiko systematischer Fehler (Bias)
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1+
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gut durchgeführte Metaanalysen, systematische Übersichten oder RCTs mit geringem Risiko systematischer Fehler (Bias)
|
1−
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Metaanalysen, systematische Übersichten oder RCTs mit hohem Risiko systematischer Fehler (Bias)
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2++
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qualitativ hochwertige systematische Übersichten von Fallkontroll- oder Kohortenstudien oder qualitativ hochwertige Fallkontroll- oder Kohortenstudien mit sehr geringem Risiko systematischer Fehler (Bias) oder Verzerrung (Confounding) und hoher Wahrscheinlichkeit, dass die Beziehung ursächlich ist
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2+
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gut durchgeführte Fallkontrollstudien oder Kohortenstudien mit geringem Risiko systematischer Fehler (Bias) oder Verzerrung (Confounding) und moderater Wahrscheinlichkeit, dass die Beziehung ursächlich ist
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2−
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Fallkontrollstudien oder Kohortenstudien mit hohem Risiko systematischer Fehler (Bias) oder Verzerrung (Confounding) und signifikantem Risiko, dass die Beziehung nicht ursächlich ist
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3
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nicht analytische Studien, z. B. Fallberichte, Fallserien
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4
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Expertenmeinung
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Empfehlungsgraduierung
Die reine Evidenzgraduierung einer Leitlinie auf S3-Niveau anhand eines Evidenzbewertungssystems lässt einen leitlinientypischen Empfehlungsgrad zu. Dieser symbolische Empfehlungsgrad unterscheidet sich in 3 Abstufungen mit jeweils unterschiedlichen Stärken der sprachlichen Ausdrucksweise. Diese derzeit allgemein angewandte Graduierung wird außer von der AWMF auch von der Bundesärztekammer und ihren Nationalen Versorgungsleitlinien (NVL) benützt. Die gewählte Formulierung des Empfehlungsgrades sollte im Hintergrundtext erläutert werden.
Der Terminus Graduierung steht in diesem Kontext als Ausdruck der Sicherheit der Nutzen-Schaden-Abwägung, nicht als Ausdruck von Verbindlichkeit. Leitlinien haben Empfehlungscharakter. Es werden die einzelnen Statements und Empfehlungen sprachlich und symbolisch unterschieden ([Tab. 4]):
Tab. 4 Graduierung von Empfehlungen.
Symbolik
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Beschreibung der Verbindlichkeit
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Ausdruck
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A
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starke Empfehlung
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soll/soll nicht
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B
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einfache Empfehlung
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sollte/sollte nicht
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0
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offene Empfehlung mit geringer Verbindlichkeit
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kann/kann nicht
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Die oben aufgeführte Einteilung von „Empfehlungen“ entspricht neben der Bewertung der Evidenz auch der klinischen Relevanz der zugrunde liegenden Studien und ihren nicht in der Graduierung der Evidenz aufgeführten Faktoren, wie die Wahl des Patientenkollektivs, Intention-to-treat- oder Outcome-Analysen, ärztliches bzw. ethisches Handeln gegenüber dem Patienten, länderspezifische Anwendbarkeit usw. Demgegenüber kann eine starke, mäßige bzw. schwache Evidenzstärke entsprechend zu einer starken, einfachen bzw. offene Empfehlungen führen. Nur bei einer mittleren Evidenzstärke ist eine Höher- und Herabstufung in eine Grad-A- oder Grad-0-Empfehlung möglich. In besonderen Ausnahmefällen muss eine Graduierung der höchsten Evidenz zu einer schwächten/offenen Empfehlung oder umgekehrt im Hintergrundtext begründet werden.
-
starke Evidenzstärke → Grad-A- oder Grad-B-Empfehlung
-
mäßige Evidenzstärke → Grad-A- oder Grad-B- oder Grad-0-Empfehlung
-
schwache Evidenzstärke → Grad-B- oder Grad-0-Empfehlung
Statements
Sollten fachliche Aussagen nicht als Handlungsempfehlungen, sondern als erklärende/darstellende Erläuterung Bestandteil dieser Leitlinie sein, werden diese als „Statements“ bezeichnet. Bei diesen Statements ist die Angabe von Evidenzgraden nicht möglich.
Konsensusfindung und Konsensusstärke
Im Rahmen einer strukturierten Konsenskonferenz nach dem NIH-Typ (S2k/S3-Niveau) stimmen die berechtigten Teilnehmer der Sitzung die ausformulierten Statements und Empfehlungen ab. Der Ablauf war wie folgt: Vorstellung der Empfehlung, inhaltliche Nachfragen, Vorbringen von Änderungsvorschlägen, Abstimmung aller Änderungsvorschläge. Bei Nichterreichen eines Konsensus (> 75% der Stimmen) Diskussion und erneute Abstimmung. Abschließend wird abhängig von der Anzahl der Teilnehmer die Stärke des Konsensus ermittelt ([Tab. 5]).
Tab. 5 Einteilung zur Zustimmung der Konsensusbildung.
Symbolik
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Konsensusstärke
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prozentuale Übereinstimmung
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+++
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starker Konsens
|
Zustimmung von > 95% der Teilnehmer
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++
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Konsens
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Zustimmung von > 75 – 95% der Teilnehmer
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+
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mehrheitliche Zustimmung
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Zustimmung von > 50 – 75% der Teilnehmer
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–
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kein Konsens
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Zustimmung von < 51% der Teilnehmer
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Expertenkonsens
Wie der Name bereits ausdrückt, sind hier Konsensus-Entscheidungen speziell für Empfehlungen/Statements ohne vorige systemische Literaturrecherche (S2k) oder aufgrund von fehlenden Evidenzen (S2e/S3) gemeint. Der zu benutzende Expertenkonsens (EK) ist gleichbedeutend mit den Begrifflichkeiten aus anderen Leitlinien wie „Good Clinical Practice“ (GCP) oder „klinischer Konsensuspunkt“ (KKP). Die Empfehlungsstärke graduiert sich gleichermaßen wie bereits im Kapitel Empfehlungsgraduierung beschrieben ohne die Benutzung der aufgezeigten Symbolik, sondern rein semantisch („soll“/„soll nicht“ bzw. „sollte“/„sollte nicht“ oder „kann“/„kann nicht“).
IV Leitlinie
1 Einleitung
1.1 Definition
Eine primäre Sectio liegt dann vor, wenn die Geburt noch nicht begonnen hat. Das heißt, es gab weder einen (vorzeitigen) Blasensprung noch eine muttermundwirksame Wehentätigkeit.
Bei einer sekundären Sectio hat die Geburt bereits begonnen – es sind entweder muttermundwirksame Wehen vorhanden oder ein (vorzeitiger) Blasensprung.
1.2 Klassifikation nach Robson
Evidenzbasierte Empfehlung 1-1.E1
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 3
Die Klassifikation der Sectio caesarea nach Robson soll angewendet werden.
1.3 Epidemiologie
Laut dem Statistischen Bundesamt liegt die Sectiorate in Deutschland aus dem Jahr 2018 bei 29,1%, nachdem sie sich von 1991 (15,1%) bis 2014 (31,8%) verdoppelte. Mit einer Erhebung der OECD aus dem Jahr 2013 lassen sich auf Grundlage von 32 ausgewählten Nationen auch weltweite Unterschiede in der Sectiohäufigkeit darstellen. Die Gesamtrate der 32 betrachteten Länder beträgt 27,6%, wobei Deutschland, Österreich und die Schweiz relativ dicht beieinander in der oberen Hälfte liegen, neben den USA (32,5%), jedoch noch deutlich hinter der Türkei (50,4%), Mexiko (45,2%) und Chile (44,7%).
2 Aufklärung und Beratung
2.1 Kommunikation und Information
Konsensbasierte Empfehlung 2-1.E2
Expertenkonsens
Konsensstärke ++
Schwangeren Frauen sollen frühzeitig evidenzbasierte Informationen und Unterstützung angeboten werden, die sie befähigen, eine informierte Wahl hinsichtlich der Geburt zu treffen.
Die Sichtweisen und Bedenken von Frauen sollen als integraler Bestandteil des Beratungs- und Entscheidungsprozesses anerkannt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 2-2.E3
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Schwangere Frauen mit dem Wunsch nach einer Kaiserschnittgeburt sollen während der Schwangerschaft evidenzbasierte Informationen über eine Sectio caesarea erhalten. Beispielsweise sollen Informationen vermittelt werden wie: Indikationen, die Vorgehensweise bei der Operation, assoziierte Risiken und Vorteile sowie die Auswirkungen für weitere Schwangerschaften nach einer Sectio caesarea.
Konsensbasierte Empfehlung 2-3.E4
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Kommunikation und Information sollen in einer Form zur Verfügung gestellt werden, die für medizinische Laien verständlich ist. Unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Frauen, welche ethnischen Minderheiten (Unterscheidungsmerkmale: Sprache, Kultur und Religion) angehören, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, oder die nicht lesen können, sowie die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Frauen mit Behinderungen oder Lernschwierigkeiten.
2.2 Besprechung der Vor- und Nachteile von vaginaler Geburt und Sectio caesarea
Konsensbasierte Empfehlung 2-4.E5
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Die Besprechung des Geburtsmodus, Vor- und Nachteile von vaginaler Geburt und Sectio caesarea, sowie die Auswirkungen auf nachfolgende Schwangerschaften und Geburten einer Sectio caesarea sollten nach dem Shared-decision-making-Prinzip in einem zeitlich und räumlich angemessenen Rahmen stattfinden.
2.3 Beratungsgespräch über den Geburtsmodus
Es gibt keine Studien, die eine Aussage darüber zulassen, an welchem Zeitpunkt in der Schwangerschaft ein Beratungsgespräch über den Geburtsmodus am sinnvollsten sei.
In der folgenden Tabelle sind unerwünschte Ereignisse aufgelistet, die bei Frauen, die eine vaginale Entbindung anstreben, seltener auftreten als bei Frauen, die eine Sectio präferieren ([Tab. 6]).
Tab. 6 Ungewünschte Ereignisse, die bei Frauen, die sich für eine primäre Sectio entscheiden, häufiger vorkommen.
Outcome
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relatives Risiko
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Hysterektomie nach PPH
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2,31
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Hysterektomie
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3,6 – 9,0
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Herzstillstand
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4,91
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Intubation
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2,21
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langer stationärer Aufenthalt
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adjustierte Differenz 1,47 Tage
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stärkere Schmerzen 3 Tage nach Geburt
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0,7 Punkte VAS (10-Punkte) Unterschied
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mütterliche Mortalität
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OR 2,28 – 4,0; es gibt zudem Studien, die keinen signifikanten Unterschied zeigen konnten.
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tiefe Beinvenenthrombosen
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2,20; es gibt zudem eine Studie, die keinen signifikanten Unterschied zeigen konnte.
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postpartale Infektion
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2,85; es gibt zudem Studien, die keinen signifikanten Unterschied zeigen konnten.
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geburtshilflicher Schock
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0,33
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schwere akute mütterliche Morbidität
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OR 3,9; es gibt zudem eine Studie, die keinen signifikanten Unterschied zeigen konnte.
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Outcomes ohne signifikanten Unterschied: akutes Nierenversagen, Uterusruptur, intraoperatives Trauma, Lungenembolie, Verletzung der Blase/der Ureteren, der Zervix oder Vagina oder anderen iatrogenen Verletzungen.
2.4 Psychologische Beratung post partum
Zur Fragestellung des Nutzens einer psychologischen Unterstützung nach traumatischer Geburt wurde im Auftrag der Leitliniengruppe ein systematisches Review erstellt. Es wurden 4 randomisierte kontrollierte Studien gefunden. Zwei der 4 Studien zeigen signifikant positive Effekte (niedrigere Depressionsraten nach 3 Monaten gemessen am EDPS > 12 und DASS-Depression > 13 und weniger posttraumatischen Stress gemessen am IES) der psychologischen Intervention.
3 Indikationen zur Sectio
3.1 Beckenendlage und äußere Wendung
Konsensbasierte Empfehlung 3-1.E6
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Bei Beckenendlage sollte unabhängig von Parität oder Z. n. Sectio der Patientin frühzeitig eine Beratung zum Geburtsmodus in einem mit beiden Modi erfahrenen Zentrum angeboten werden.
Konsensbasierte Empfehlung 3-1.E7
Expertenkonsens
Konsensstärke ++
Frauen mit BEL am Termin sollte mitgeteilt werden, dass derzeit kein Geburtsmodus für die Kinder präferiert werden kann (Sectio vs. vaginale Geburt). Die vaginale Beckenendlagengeburt stellt eine Alternative mit niedrigerer mütterlicher Morbidität dar.
Evidenzbasierte Empfehlung 3-1.E8
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 1+
Frauen mit unkomplizierter Einlings-Beckenendlage ab 36 + 0 Schwangerschaftswochen soll eine äußere Wendung angeboten werden.
Evidenzbasierte maternale und fetale Kontraindikationen sind zu berücksichtigen.
Evidenzbasierte Empfehlung 3-1.E9
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 2++
Schwangeren mit Einling und Beckenendlage soll keine geplante vaginale Entbindung vor 36 + 0 SSW angeboten werden.
3.2 Intrauterine Wachstumsrestriktion
Evidenzbasierte Empfehlung 3-2.E10
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 1+
Die primäre Sectio soll bei Feten mit einer IUGR nicht routinemäßig angeboten werden.
3.3 Mehrlingsschwangerschaften
Evidenzbasierte Empfehlung 3-3.E11
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 2+
Bei ansonsten unkomplizierten Zwillingsschwangerschaften mit dem führenden Feten in Schädellage ist die perinatale Morbidität und Mortalität bei vaginaler Entbindung für den zweiten Zwilling erhöht. Allerdings bleibt der Effekt einer geplanten Sectio zur Verbesserung des Outcomes für den zweiten Zwilling ungewiss, daher sollte eine Sectio nicht routinemäßig angeboten werden.
Konsensbasiertes Statement 3-3.S1
Expertenkonsens
Konsensstärke ++
Bei Zwillingsschwangerschaften, bei denen der erste Zwilling in Beckenendlage liegt, ist der Einfluss einer primären Sectio zur Verbesserung des neonatalen Outcomes ungewiss, die gegenwärtige Datenlage lässt daher keine Empfehlung zu.
3.4 Frühgeburtlichkeit
Evidenzbasierte Empfehlung 3-4.E12
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Frühgeburt ist mit einer höheren neonatalen Morbidität und Mortalität verbunden. Allerdings bleibt der Einfluss einer geplanten Sectio zur Verbesserung dieser Ergebnisse ungewiss und daher sollte eine Sectio nicht routinemäßig angeboten werden.
3.5 Placenta praevia
Evidenzbasierte Empfehlung 3-5.E12
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 2+
Frauen mit einer Placenta praevia partialis oder totalis sollen primär per Sectio entbunden werden.
3.6 Zephalopelvines Missverhältnis
Evidenzbasierte Empfehlung 3-6.E13
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Die Pelvimetrie ist für die Vorhersage eines Geburtsfortschrittes nicht sinnvoll und sollte daher nicht in der Entscheidungsfindung über den Geburtsmodus einfließen.
3.7 Sectio auf Wunsch der Schwangeren
Konsensbasierte Empfehlung 3-7.E14
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Wenn eine Frau eine Sectio wünscht, sollen die Gründe hierfür identifiziert, diskutiert und dokumentiert werden.
Konsensbasierte Empfehlung 3-7.E15
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Wenn eine Frau eine Sectio wünscht, sollen Risiken und Nutzen der Sectio im Vergleich zur vaginalen Geburt mit der Frau besprochen und anschließend der Inhalt des Gesprächs dokumentiert werden.
Konsensbasierte Empfehlung 3-7.E16
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Wenn eine Frau eine Sectio nach einem ausführlichen Gespräch und im Bedarfsfall der Unterstützung durch eine auf dem Gebiet der perinatalen psychischen Gesundheit mit Fokus Geburtsangst spezialisierte Fachperson weiterhin eine Sectio wünscht, soll dieser Wunsch gewährt werden.
3.8 HIV
Konsensbasiertes Statement 3-8.S2
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Eine vaginale Entbindung ist bei HIV-Infektion der Schwangeren unter folgenden Voraussetzungen eine empfehlenswerte Option:
-
Die Schwangere nimmt eine antiretrovirale Kombinationstherapie ein.
-
Die Viruslast ist am Ende der Schwangerschaft, insbesondere zeitnah zum Entbindungstermin < 50 Kopien/ml.
-
Die Beurteilung geburtshilflicher Risiken durch einen erfahrenen Geburtshelfer (M/F/D) ist erfolgt.
-
Eine Klärung logistischer Probleme (z. B. Entfernung zu geeigneter Geburtsklinik) ist erfolgt.
Evidenzbasierte Empfehlung 3-8.E17
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 2+
HIV-infizierte Schwangere, die die oben genannten Voraussetzungen für eine vaginale Geburt nicht erfüllen, sollten weiterhin eine primäre Sectio frühestens ab der 37 + 0 Schwangerschaftswochen durch ein erfahrenes Team erhalten.
3.9 Hepatitis-B-Virus
Evidenzbasierte Empfehlung 3-9.E18
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 2+
Es sollte bei maternaler Hepatitis-B-Infektion keine Sectio angeboten werden, da es nicht genügend Evidenz dafür gibt, dass dies die Mutter-Kind-Übertragung verringert.
3.10 Hepatitis-C-Virus
Evidenzbasierte Empfehlung 3-10.E19
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 2+
Hepatitis-C-positiven Schwangeren soll keine geplante Sectio angeboten werden, da dies die Mutter-Kind-Übertragung des Virus nicht verringert.
3.11 Genitale Herpes-simplex-Virus-(HSV-)Infektion
Evidenzbasierte Empfehlung 3-11.E20
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 2+
Frauen mit einer primären genitalen Herpes-simplex-Virus-(HSV-)Infektion, die im 3. Trimenon der Schwangerschaft auftritt, sollte eine geplante Sectio angeboten werden, da dies das Risiko einer neonatalen HSV-Infektion verringert.
3.12 HPV-Infektion
Konsensbasierte Empfehlung 3-12.E21
Expertenkonsens
Konsensstärke ++
Schwangeren mit Kondylomen der Geburtswege und der Vulva soll eine Therapie ab der 34. SSW empfohlen werden.
Konsensbasierte Empfehlung 3-12.E22
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Frauen mit HPV-Infektion soll eine primäre Sectio nicht empfohlen werden.
4 Durchführung der Sectio
4.1 Zeitpunkt der geplanten Sectio
Evidenzbasierte Empfehlung 4-1.E23
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 2+
Das Risiko für respiratorische Störungen Neugeborener nach einer primären Sectio ist erhöht, sinkt aber signifikant nach 39 SSW. Daher soll eine primäre Sectio nicht unbegründet vor 39 + 0 SSW durchgeführt werden.
4.2 Dringlichkeit der Sectio
Evidenzbasierte Empfehlung 4-2.E24
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 2++
Die Dringlichkeit einer Sectio soll nach dem folgenden standardisierten Schema dokumentiert werden, um eine eindeutige Kommunikation mit den anderen beteiligten Fachdisziplinen zu gewährleisten:
-
unmittelbare Lebensbedrohung für Mutter oder Fetus
-
maternale oder fetale Beeinträchtigung, die nicht unmittelbar lebensbedrohlich ist
-
keine maternale oder fetale Beeinträchtigung, zügige Entbindung ist jedoch erforderlich
-
keine maternale oder fetale Beeinträchtigung
Evidenzbasierte Empfehlung 4-2.E25
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 2+
Die Durchführung einer Sectio der Kategorie 1 und 2 soll unverzüglich nach der Indikationsstellung erfolgen, insbesondere die der Kategorie 1 („Notsectio“).
Evidenzbasierte Empfehlung 4-2.E26
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 4
Der kindliche und mütterliche Zustand soll berücksichtigt werden, wenn die Entscheidung für eine schnelle Entbindung getroffen wird. Eine schnelle Entbindung kann in bestimmten Situationen negative Folgen haben.
Evidenzbasierte Empfehlung 4-2.E27
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 2+
Die Entschluss-Entwicklungs-Zeit (E-E-Zeit) einer Kategorie 1 („Notsectio“) soll maximal 20 Minuten betragen.
4.3 Präoperative Maßnahmen
4.3.1 Laborkontrolle
Evidenzbasierte Empfehlung 4-3.E28
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 4
Der Hämoglobin-Status vor einer Sectio sollte erhoben werden, um eine vorliegende Anämie zu identifizieren.
4.3.2 Blutkonserven
Evidenzbasierte Empfehlung 4-3.E29
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 4
Eine Sectio aufgrund einer antepartalen Blutung, einer Plazentalösung, einer Uterusruptur, vorzeitigen Lösung, einer Plazentationsstörung oder einer Placenta praevia hat ein erhöhtes Risiko für einen Blutverlust von mehr als 1000 ml. Daher sollte die Sectio dort durchgeführt werden, wo ein leistungsfähiger Transfusionsdienst vorhanden ist.
Evidenzbasierte Empfehlung 4-3.E30
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 4
Bei gesunden Schwangeren mit unkomplizierten Schwangerschaften sollte folgender Test nicht routinemäßig erfolgen, da dieser nicht die Morbidität beeinflusst: Blutabnahme zur Bereitstellung von Blutkonserven.
4.4 Zeitpunkt der antibiotischen Prophylaxe
Evidenzbasierte Empfehlung 4-4.E31
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Eine antibiotische Prophylaxe sollte vor Hautschnitt erfolgen, da dies das Risiko für eine mütterliche Infektion reduziert.
4.5 Operative Maßnahmen
4.5.1 Abdominelle Hautschnittführung
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E32
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 1−
Die Sectio soll mit einem Unterbauchquerschnitt durchgeführt werden, da dies im Vergleich zum Längsschnitt mit geringeren postoperativen Schmerzen und einem besseren kosmetischen Ergebnis assoziiert ist.
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E33
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Es sollte ein Unterbauchquerschnitt durchgeführt und weitere Schichten möglichst stumpf eröffnet werden, da dieses Vorgehen mit einer kürzeren Operationszeit und einer geringeren febrilen Morbidität assoziiert ist.
4.5.2 Instrumente für den Hautschnitt
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E34
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 1+
Die Verwendung von verschiedenen Skalpellen für die Hautinzision und tiefere Schichten ist bei einer Sectio nicht empfohlen, da dies Wundinfektionen nicht reduziert.
4.5.3 Erweiterung der uterinen Inzision
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E35
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Wenn ein ausreichend formiertes unteres Uterinsegment vorhanden ist, sollte eine stumpfe Erweiterung der uterinen Inzision erfolgen, da dies Blutverlust, postpartale Blutungen und die Notwendigkeit von Bluttransfusionen verringert.
4.5.4 Kindliche Verletzung
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E36
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 3
Es soll darüber aufgeklärt werden, dass das Risiko für kindliche Schnittverletzungen im Rahmen einer Sectio bei circa 2% liegt.
4.5.5 Verwendung von Uterotonika
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E37
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Die Gabe von Oxytocin oder Analoga im Rahmen einer Sectio zur Kontraktionssteigerung und Verringerung des Blutverlustes sollte mittels langsamer niedrig dosierter intravenöser Gabe oder Kurzinfusion erfolgen.
4.5.6 Methode der Plazentalösung
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E38
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Die Plazenta sollte mittels Zug an der Nabelschnur („cord traction“) und nicht durch manuelle Lösung erfolgen, da dies das Risiko für eine Endometritis verringert.
4.5.7 Hervorluxation des Uterus
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E39
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Die Naht des Uterotomie sollte intraabdominal erfolgen. Das Hervorluxieren des Uterus wird nicht empfohlen, da dies mit mehr postoperativen Schmerzen verbunden ist und das operative Outcome wie Blutung und Infektion nicht verbessert.
4.5.8 Naht des Uterus
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E40
Empfehlungsgrad 0
Evidenzgrad 1+
Die Effektivität und Sicherheit einer ein- versus zweischichtigen Naht ist unklar, es kann daher keine klare Empfehlung ausgesprochen worden.
4.5.9 Naht des Peritoneums
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E41
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Das viszerale und das parietale Peritoneum sollten bei einer Sectio nicht vernäht werden, da dies die Operationszeit verkürzt, den Bedarf an postoperativem Schmerzmittel verringert und die mütterliche Zufriedenheit verbessert.
4.5.10 Naht des Fettgewebes
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E42
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Das subkutane Gewebe sollte nicht routinemäßig vernäht werden – mit Ausnahme von mehr als 2 cm Fettgewebe –, da dies nicht das Risiko von Wundinfektionen verringert.
4.5.11 Verwendung von Drainagen
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E43
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 1+
Oberflächliche Wunddrainagen sollen bei einer Sectio nicht routinemäßig verwendet werden, da diese nicht das Auftreten von Wundinfektionen oder Hämatomen verringern.
4.5.12 Naht der Haut
Evidenzbasierte Empfehlung 4-5.E44
Empfehlungsgrad C
Evidenzgrad 1+
Der Effekt verschiedener Nahtmaterialien oder Methoden des Hautverschlusses ist bei einer Sectio unklar.
4.6 Thromboseprophylaxe
Evidenzbasierte Empfehlung 4-6.E45
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Eine Thromboseprophylaxe sollte nach einer Sectio erfolgen, da diese mit einem erhöhten Risiko für venöse Thromboembolien einhergehen. Die Wahl der Thromboseprophylaxe sollte dabei das Ausgangsrisiko berücksichtigen und sich an bestehenden Leitlinien orientieren.
4.7 Mütterliche Wünsche
Evidenzbasierte Empfehlung 4-7.E46
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 4
Die mütterlichen Wünsche im Rahmen der Sectio sollten soweit möglich berücksichtigt werden. Die Atmosphäre sollte dem Geburtserleben Rechnung tragen.
5 Schwangerschaft und Geburt nach Sectio caesarea
Konsensbasierte Empfehlung 5.E47
Expertenkonsens
Konsensstärke ++
Das Geburtsmodus-Gespräch bei Frauen mit Z. n. Sectio caesarea soll folgende Faktoren berücksichtigen: mütterliche Präferenz und Abwägung der Vorteile und Risiken der Re-Sectio vs. der vaginalen Geburt.
Konsensbasiertes Statement 5.S3
Expertenkonsens
Konsensstärke ++
Bei Frauen mit bis zu 4 Kaiserschnittentbindungen sind die Geburtskomplikationen wie Fieber, Blasen- und Organverletzungen nicht mit dem geplanten Geburtsmodus assoziiert.
Evidenzbasierte Empfehlung 5.E48
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 2+
Allen Frauen mit Z. n. Kaiserschnitt soll eine kontinuierliche CTG-Überwachung des Kindes unter der Geburt und die Möglichkeit empfohlen werden, in einer Einrichtung zu gebären, in der eine Notsectio jederzeit möglich ist.
5.1 Uterusruptur bei Z. n. Sectio caesarea
Evidenzbasierte Empfehlung 5-1.E49
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 2+
Bei Geburtseinleitung nach Sectio caesarea sollen Mutter und Kind wegen des erhöhten Risikos von Uterusrupturen kontinuierlich überwacht und eine Notsectiobereitschaft vorgehalten werden.
Evidenzbasierte Empfehlung 5-1.E50
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 2+
Frauen mit Z. n. Sectio caesarea und einer zurückliegenden vaginalen Geburt sollen darüber informiert werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer erneuten vaginalen Geburt höher ist, als wenn keine vaginale Geburt vorausging.
5.2 Schwangerschaft und Geburt bei Plazentationsstörung
Konsensbasierte Empfehlung 5-2.E51
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Patientinnen mit V. a. Plazentationsstörung sollen grundsätzlich frühzeitig in einer geeigneten Geburtsklinik vorgestellt werden und dort von einem multidisziplinären Team (zum optimalen Zeitpunkt vom optimalen Team) behandelt werden.
Evidenzbasierte Empfehlung 5-2.E52
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 2+
Die Entbindung bei V. a. Plazentationsstörung soll mit einem erfahrenen Geburtshelfer (M/F/D) geplant werden.
Erfahrene Fachärzte (M/F/D) der Disziplinen Geburtshilfe, Anästhesie und Pädiatrie sollen anwesend und ein Transfusionsmediziner verfügbar sein.
Es sollen ausreichend gekreuzte Konserven und Blutprodukte rasch verfügbar sein.
Es kann notwendig werden, weitere Fachdisziplinen hinzuzuziehen. Ein Managementprotokoll, welches die lokalen Ressourcen, wie oben dargestellt, optimal berücksichtigt, soll für die Behandlung der Plazentationsstörungen verfügbar sein.
5.2.1 Plazentationsstörungen: Ultraschall und MRT
Konsensbasiertes Statement 5-2.S4
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Es zeigt sich eine Tendenz, dass Ultraschall eine hohe Sensitivität erreichen kann, während die diagnostische Güte des MRT insgesamt eher niedrig ist. Eine Aussage über die diagnostische Güte der Kombination von Ultraschall und MRT ist nicht abschließend möglich.
6 Anästhesiologische Maßnahmen
6.1 Gerinnungsanalyse vor Regionalanästhesien zur Sectio
Konsensbasierte Empfehlung 6-1.E53
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Eine routinemäßige laborchemische Gerinnungsanalyse vor Regionalanästhesien zur Sectio soll bei leerer Gerinnungsanamnese und unkompliziertem Schwangerschaftsverlauf nicht angefordert werden.
6.2 Nüchternheit und Vermeidung von Aspiration und Aspirationsfolgen
Konsensbasierte Empfehlung 6-2.E54
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Schwangeren unter der Geburt soll eine Flüssigkeitsaufnahme in Form von klaren Getränken, z. B. Wasser, Tee oder auch isotonischen Getränken erlaubt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6-2.E55
Expertenkonsens
Konsensstärke ++
Ist die Wahrscheinlichkeit einer operativen Beendigung der Geburt sehr niedrig, kann die Schwangere nach ihrem Bedürfnis leichte Mahlzeiten zu sich nehmen.
Konsensbasierte Empfehlung 6-2.E56
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Bei einem sich während des Geburtsverlaufs abzeichnenden hohen Risiko für eine Schnittentbindung soll von einer Nahrungsaufnahme abgesehen werden und allenfalls eine Aufnahme von klaren Flüssigkeiten erfolgen.
Bei Indikationsstellung zu einer Schnittentbindung soll von einer Nahrungsaufnahme abgesehen werden. Es gelten dann die für operative Eingriffe empfohlenen Nüchternheitsregeln.
Konsensbasierte Empfehlung 6-2.E57
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Zur Aspirations- und Aspirationsfolgeprophylaxe sollte im Rahmen einer geplanten Sectio die Gabe eines H2-Blockers (Ranitidin) und zusätzlich eines nichtpartikularen Antazidums (Natriumcitrat) erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 6-2.E58
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Der Zeitpunkt der Applikation sowie der Applikationsweg von Medikamenten zur Aspirationsprophylaxe (i. v. versus p. o.) sollten gemäß den situativen Bedingungen unter Berücksichtigung der Zeiten bis zum Wirkeintritt bzw. unter Berücksichtigung der Wirkdauer gewählt werden. Diese Festlegung ermöglicht grundsätzlich die p. o. Gabe bei geplanter Sectio und impliziert in der Regel eine i. v. Applikation der Substanzen im Falle einer sekundären Sectio.
6.3 Anästhesieverfahren zur Sectio caesarea
Evidenzbasierte Empfehlung 6-3.E59
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 1+
Im Rahmen der Aufklärung zur Anästhesie sollte Patientinnen bei anstehender Sectio ein Regionalverfahren (Spinal- oder Epiduralanästhesie, bzw. Modifikationen davon) als Verfahren der ersten Wahl angeboten werden.
Evidenzbasierte Empfehlung 6-3.E60
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Ist eine Allgemeinanästhesie indiziert (z. B. Kontraindikationen für die Durchführung eines regionalanästhesiologischen Verfahrens, Wunsch der Mutter), sollte die Mutter dahingehend informiert werden, dass diese Entscheidung nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht mit relevanten nachteiligen Effekten hinsichtlich maternaler und neonataler Endpunkte verknüpft ist.
Konsensbasierte Empfehlung 6-3.E61
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Im Rahmen einer Allgemeinanästhesie soll – in Analogie zum nicht nüchternen Patienten – bei Schwangeren spätestens ab 20 + 0 SSW eine Rapid Sequence Induction (Ileuseinleitung) durchgeführt werden.
6.4 Intra- und postoperative Überwachung von Sectiopatientinnen
Konsensbasierte Empfehlung 6-4.E62
Empfehlungsgrad A
Konsensstärke +++
Bei schwangeren Frauen, bei denen eine Schnittentbindung geplant ist, sollen intraoperativ die gleichen Anforderungen an die Überwachung gestellt werden wie bei allen anderen Eingriffen unter neuraxialer Blockade oder in Allgemeinanästhesie.
Konsensbasierte Empfehlung 6-4.E63
Empfehlungsgrad A
Konsensstärke +++
In der postoperativen Phase nach Sectio soll eine apparative Überwachung durchgeführt werden, die die Mindestanforderungen in Bezug auf Ausstattung der Räumlichkeit und Dokumentation für die postoperative Überwachung erfüllt.
6.5 Postoperative Schmerztherapie
Konsensbasierte Empfehlung 6-5.E64
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Schwangere Frauen, bei denen eine Schnittentbindung geplant ist, sollen über die Möglichkeiten der postoperativen Analgesie informiert werden, damit eine bedarfsgerechte und den Erwartungen entsprechende Analgesieform – unter Berücksichtigung der prozeduralen, logistischen und individuellen Rahmenbedingungen – definiert und durchgeführt werden kann.
Konsensbasierte Empfehlung 6-5.E65
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Im Rahmen des Analgesiekonzeptes sollen systematisch geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die Notwendigkeit einer postoperativen analgetischen Bedarfsmedikation zu reduzieren.
Diese Maßnahmen umfassen beispielsweise die intrathekale oder epidurale Opioidgabe, die Beschickung eines liegenden Epiduralkatheters bzw. die fixe Verordnung von Nichtopioiden (z. B. Ibuprofen und Paracetamol).
Konsensbasierte Empfehlung 6-5.E66
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Im Rahmen des systematischen postoperativen Analgesiekonzeptes soll gewährleistet werden, dass die Patientinnen einen dem Bedarf gemäßen Zugang zu stark wirksamen Opioiden, z. B. im Rahmen eines patientinnenkontrollierten Verfahrens, erhalten.
7 Postoperative und postnatale Maßnahmen
7.1 Routinemaßnahmen nach Sectio caesarea
Konsensbasierte Empfehlung 7-1.E67
Expertenkonsens
Konsensstärke ++
Nach einem Kaiserschnitt soll eine adäquate Überwachung der Mutter und des Kindes durch fachkundiges Personal erfolgen und es muss bedacht werden, dass häufiger als nach vaginaler Geburt eine intensivmedizinische Versorgung nötig wird. Überwachungsräume müssen entsprechend technisch ausgerüstet sein.
7.2 Trinken und Essen nach der Sectio caesarea
Evidenzbasierte Empfehlung 7-2.E68
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 1+
Frauen, denen es nach der Sectio gut geht, soll Essen und Trinken angeboten werden.
7.3 Postoperative Maßnahmen
Evidenzbasierte Empfehlung 7-3.E69
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Der Blasenkatheter sollte nach der Sectio entfernt werden, sobald die Frau mobil ist.
Konsensbasierte Empfehlung 7-3.E70
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Es sollte während der ersten postoperativen Tage täglich die Temperatur gemessen und auf Wundinfektionszeichen geachtet werden. Die Frauen sollten über die Wundpflege nach Sectio informiert werden.
7.4 Postoperative Thromboseprophylaxe
Evidenzbasierte Empfehlung 7-4.E71
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 2++
Nach der Sectio caesarea besteht ein erhöhtes Thromboserisiko. Es sollte daher eine nichtmedikamentöse Thromboseprophylaxe erfolgen. Nach Risikostratifizierung sollte eine prophylaktische postoperative Heparintherapie durchgeführt werden.
7.5 Postoperative Maßnahmen – Physiotherapie
Evidenzbasierte Empfehlung 7-5.E72
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 2+
Frauen mit Risiken für postoperative Komplikationen sollte nach einer Sectio Atemtherapie angeboten werden.
7.6 Beckenbodentraining
Konsensbasierte Empfehlung 7-6.E73
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Frauen nach Sectio caesarea soll eine postpartale Therapie der Beckenbodendysfunktion empfohlen werden.
7.7 Postpartale Bauchmuskelveränderung
Evidenzbasierte Empfehlung 7-7.E74
Empfehlungsgrad B
Evidenzgrad 1+
Frauen nach Sectio sollte die funktionelle Therapie der postpartalen und postoperativen Bauchmuskelveränderungen angeboten werden.
Evidenzbasierte Empfehlung 7-7.E75
Empfehlungsgrad V
Evidenzgrad 2 – 3
Frauen nach Sectio sollten zur Schmerzreduzierung beim Lagewechsel, Heben, Tragen und zum Sportverhalten Unterstützung und Beratung bekommen.
7.8 Überwachung des Kindes
Evidenzbasierte Empfehlung 7-8.E76
Empfehlungsgrad A
Evidenzgrad 2+
Ein in der Reanimation des Neugeborenen ausgebildeter Arzt soll bei einer Sectio caesarea kurzfristig verfügbar sein.
Konsensbasierte Empfehlung 7-8.E77
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Die Anwesenheit eines in der Reanimation des Neugeborenen ausgebildeten Arztes (M/F/D) (möglichst ein Pädiater [M/F/D]) soll bei einer Vollnarkose oder bei zu erwartenden fetalen Problemen gegeben sein.
Konsensbasierte Empfehlung 7-8.E78
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Kinder, die durch Sectio geboren wurden, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine niedrigere Temperatur zu haben. Dieser Gefahr soll adäquat begegnet werden.
7.9 Bonding bei der Sectio caesarea
Konsensbasierte Empfehlung 7-9.E79
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Früher Haut-zu-Haut-Kontakt zwischen der Mutter und ihrem Baby soll gefördert und erleichtert werden, weil er die Wahrnehmung des Kindes verbessert und den Stress bei Mutter und Kind reduziert. Die mütterliche Kontaktaufnahme (Bindung) wird erleichtert und das Stillen gefördert.
Konsensbasierte Empfehlung 7-9.E80
Expertenkonsens
Konsensstärke +++
Frauen, die eine Sectio hatten, sollen, bei gutem Zustand des Kindes, bereits im OP mit dem Bonding (Hautkontakt) beginnen.
7.10 Stillen nach einer Sectio caesarea
Konsensbasierte Empfehlung 7-10.E81
Expertenkonsens
Konsensstärke ++
Frauen, die eine Sectio hatten, soll zusätzliche Unterstützung angeboten werden, um einen leichteren Beginn des Stillens zu ermöglichen, da sie erschwert in eine Stillbeziehung eintreten.
Konsensbasierte Empfehlung 7-10.E82
Expertenkonsens
Konsensstärke ++
Das Kind soll angelegt werden, wenn die Mutter wach und ausreichend orientiert ist. Alternativ soll eine Kolostrumgewinnung erfolgen. Auch nach Vollnarkosen braucht das Kolostrum nicht verworfen zu werden.