Psychiatr Prax 2021; 48(06): 332
DOI: 10.1055/a-1540-2462
Mitteilungen BDK

Bericht aus dem Arbeitskreis Psychiatrische Institutsambulanzen (AK PIA) – Gemeinsame Arbeitsgruppe der BDK und der ACKPA

 

Die Situation 2020

Das letzte Berichtsjahr war auch im Bereich des AK-PIA geprägt durch die Pandemie und deren Auswirkungen, sowohl im Versorgungsalltag der Ambulanzen als auch in der fachlichen und strukturellen Entwicklung im Rahmen der bundesweiten Vernetzung. Sowohl eine geplante Tagung in Kloster Seeon zur Diskussion der Perspektiven ambulanter psychiatrischer Versorgung als auch die Jahrestagung im Februar 2021 in Bielefeld mussten pandemiebedingt abgesagt werden.


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PIA-bezogene Diskussionsfelder im aktuellen Berichtsjahr:

  1. Richtlinie über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte, strukturierte Versorgung nach § 92 Abs. 6b SGB V
    Ziel dieser GBA-Richtlinie ist eine Verbesserung der Versorgung von schwer psychisch kranken Patient*innen mit komplexem psychiatrischem, psychosomatischem und psychotherapeutischem Behandlungsbedarf. Ausgangspunkt hierfür war das Sachverständigenratsgutachten 2018, in dem ein Bedarf an mehr Unterstützung für schwer psychisch Kranke erkannt und beschrieben wurde.
    Da die Patientengruppe inhaltlich mit der im § 118 SGB V beschriebenen PIA-Klientel übereinstimmt (schwer psychisch Kranke mit komplexem Bedarf an Unterstützung), hätte nach unserer Sicht der Auftrag in eine Stärkung und Differenzierung der PIA-Arbeit (z. B. durch intensiv-ambulante Behandlungen, …) münden müssen. Vonseiten der Fachgesellschaften liegt ein fertiges Konzept für eine Verbesserung der ambulanten Versorgung vor – unter Beteiligung der niedergelassenen Ärzte (www.dgppn.de/presse/stellungnahmen/stellungnahmen-2020/AMBI.html). Es war unsere Hoffnung, dass durch die Politik darauf zurückgegriffen würde.
    Stattdessen entwickelten die Verbände Ideen zu Versorgungsverbünden im Bereich der niedergelassenen Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen, mit dem Anspruch, zukünftig selbst für schwer psychisch Erkrankte (PIA-Klientel!) sorgen zu wollen. Mit den projizierten neuen Strukturen wird eine Doppelstruktur avisiert und implizit die Sinnhaftigkeit und Berechtigung der PIAs angezweifelt, auch vonseiten der Kostenträger, die möglicherweise Kostenersparnisse zum Ziel haben. Der GBA wird eine Vorgabe zum Procedere machen.

  2. Telematikinfrastruktur
    Ziel der Telematik, die zunächst für die Praxen eingeführt wurde, ist die Verbesserung der Kommunikation zwischen Ärzten, Versicherten und Krankenkassen. Hierzu sind Umstellungen in den PIA-Abrechnungs- und Verordnungsstrukturen nötig, die aktuell für große Unsicherheit sorgen.
    Das „Versichertenstammdatenmanagement“ (VSDM) erfordert die Etablierung von Schnittstellen zwischen Versichertenkarten und KIS-Systemen, außerdem den Erwerb von elektronischen Heilberufsausweisen für alle verordnenden Ärzt*innen. Es werden Sanktionen fällig, sofern nicht über das VSDM abgerechnet wird.

  3. Traumaambulanzen
    Über das neue SGB XIV (Soziales Entschädigungsrecht) wurde die Basis für ein flächendeckendes Ausrollen der Traumaambulanzen in der Bundesrepublik geschaffen. Hiernach hat jeder traumatisierte Bürger Anspruch, eine Sachverhaltsaufklärung über das Opferentschädigungsgesetz in Anspruch zu nehmen. In vielen Bundesländern sind Traumaambulanzen bereits etabliert, einige Länder starten nun oder sind gehalten, sie aufzubauen.
    Zur Ausgestaltung und zu den Qualifikationen der therapeutischen Mitarbeiter*innen existiert ein Referentenentwurf.

  4. Corona
    In der ersten Pandemie-Welle gelang es in den meisten PIAs, ihre technischen Möglichkeiten aufzurüsten und Online-Therapien zu ermöglichen. Zugleich zeigte sich aber, dass die Face-to-face-Behandlung in Pandemiezeiten hohe Priorität behielt. Dies verlangte von den PIAs insbesondere in Zeiten hoher Inzidenz einen erheblichen Aufwand in den Bereichen Hygiene und Organisation.
    Die Erlösbedingungen gestalteten sich in dieser Zeit unterschiedlich, abhängig vom Finanzierungssystem: Gesamtpauschalen ermöglichten die Reduktion der Kontaktfrequenz ohne Erlösausfall. Einzelleistungsmodelle führten zu Erlösminderungen.
    Mittlerweile – mit einer Verzögerung von vielen Monaten – lässt sich bei zahlreichen Patient*innen eine Zunahme der Störungen von Stimmung und Antrieb sowie von krisenhaften Zuspitzungen der Grunderkrankungen erkennen. Die Kompensationsstrategien der Patient*innen sind offensichtlich zunehmend erschöpft.

gez. Dr. Steffi Koch-Stoecker und Prof. Dr. Martin Driessen
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ev. Klinikum Bethel


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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
07. September 2021

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