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DOI: 10.1055/a-1542-6017
Dehnen versus Krafttraining – Beweglichkeit verbessern
- Auch Krafttraining kann Beweglichkeit verbessern
- Längeres statisches Dehnen kann sich negativ auswirken
- Exzentrisches Krafttraining erhöht Bewegungsausmaß
- Langsame Ausführung steigert Bewegungskontrolle
- Kniestand bringt Muskel maximal auf Länge
- Schulterflexion in Rückenlage für Überkopf-Beweglichkeit
- Kreuzheben mit gestreckten Beinen dehnt Kniebeuger
- Bankdrücken mobilisiert Schultergürtelmuskulatur
- Mehrere Sätze pro Übung ratsam
- Krafttraining und Dehnen in Kombination
- Zusätzliche positive Effekte von Krafttraining beachten
- Literaturverzeichnis
Möchten Patient*innen oder Sportler*innen ihre Beweglichkeit verbessern, liegt das Dehnen als Maßnahme nahe. Ein Krafttraining erhöht aber genauso, wenn nicht sogar stärker, das Bewegungsausmaß und bringt dazu noch andere positive gesundheitliche Effekte mit sich. Vor allem das exzentrische Training mobilisiert das Muskel- und Bindegewebe.
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Die Beweglichkeit zu verbessern hat sowohl in der Therapie als auch im Training einen hohen Stellenwert. Neben spezifischen Bewegungsmustern in unterschiedlichen Sportarten erfordern auch grundlegende motorische Muster im Alltag ein gewisses Maß an Beweglichkeit. Eine adäquate aktive Beweglichkeit hilft, Aktivitäten des täglichen Lebens selbstständig auszuführen. So lässt sich Lebensqualität aufrechterhalten [1]. Die Verbesserung der Beweglichkeit spielt in unterschiedlichen Fachbereichen der Physiotherapie eine wichtige Rolle, zum Beispiel in der Orthopädie und Chirurgie, aber auch bei der Behandlung von Patient*innen mit neurologischen Erkrankungen. Auch im Bereich der Geriatrie ist es oft ein wichtiges Therapieziel, das Bewegungsausmaß zu erhalten. Ältere Menschen mit einer guten Beweglichkeit sowie adäquaten Kraftfähigkeiten sind weniger auf Leistungen des Gesundheitssystems angewiesen [2]. Des Weiteren ist eine ausreichende Beweglichkeit, insbesondere der unteren Extremität, ein wichtiger Faktor für die Verletzungsprävention in unterschiedlichen Sportarten. So kann beispielsweise eine verminderte Dorsalextension des oberen Sprunggelenks als aufsteigende Ursache-Folge-Kette die Kinematik des Knie- und Hüftgelenks beeinflussen [3]. Eine eingeschränkte Dorsalextension steht in Zusammenhang mit einem erhöhten Knievalgus [4], [5] und ist damit ein Risikofaktor für eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes [6]. Auch eine Patella-Tendinopathie kann durch eine verminderte Dorsalextension begünstigt werden [7].
Auch Krafttraining kann Beweglichkeit verbessern
Um die Beweglichkeit zu verbessern, werden normalerweise Dehnmethoden mit unterschiedlicher Intensität, Kontraktionsform und Ausgangsstellung durchgeführt [8], [9]. Dabei hat sich gezeigt, dass verschiedene Dehnprotokolle zu einer kurz- und langfristigen Verbesserung der Beweglichkeit (Range of Motion – ROM) führen können [10]–[12]. Dem gegenüber steht das Krafttraining, das oftmals mit einer eingeschränkten Beweglichkeit in Verbindung gebracht wird. Dennoch gibt es hinreichend Evidenz dafür, dass Krafttraining neben den Haupteffekten eines Kraft- und Muskelzuwachses [13], [14] ebenso zu einer verbesserten Beweglichkeit führen kann [15].
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Längeres statisches Dehnen kann sich negativ auswirken
Verschiedene Reviews und Metaanalysen zeigen positive Effekte des Dehnens auf die Beweglichkeit. So untersuchten der Sportwissenschaftler David Behm und seine Kolleg*innen den akuten Einfluss verschiedener Dehnmethoden auf die Beweglichkeit [10]. Die Autor*innen konnten zeigen, dass statisches und dynamisches Dehnen sowie PNF-Stretching (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation) zu einer akuten Verbesserung (< 30 min) der Beweglichkeit führen können [10]. Ein langfristiger Effekt des Dehnens auf das Bewegungsausmaß wurde in einer Metaanalyse mit 20 inkludierten Studien nachgewiesen [16]. Die Dorsalextension im oberen Sprunggelenk erhöhte sich durch statisches und PNF-Dehnen der dorsalen Unterschenkelmuskulatur. Das Bewegungsausmaß der Hüftgelenkflexion kann ebenfalls durch statisches und PNF-Stretching der ischiokruralen Muskulatur verbessert werden [16], [17]. Längeres statisches Dehnen kann sich jedoch auch negativ auf anschließende explosive Muskelkontraktionen bei Sprüngen oder Richtungswechseln auswirken [18], [19]. Besonders längeres statisches Dehnen (> 1 min) pro Muskelgruppe führt zu Leistungseinbußen bei schnellkräftigen Bewegungen [10].
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Exzentrisches Krafttraining erhöht Bewegungsausmaß
Wie oben beschrieben, ist das Dehnen eine adäquate Maßnahme, um die Beweglichkeit zu erweitern. Doch auch Krafttraining kann die ROM verbessern. Der Wissenschaftler Kieran O'Sullivan und sein Team kamen in seinem systematischen Review von 2012 zu dem Ergebnis, dass exzentrisches Krafttraining der unteren Extremität zu einer erhöhten Beweglichkeit führt [15]. Alle eingeschlossenen Studien konnten einen positiven Effekt auf die ROM zeigen, außerdem erhöhte sich nachweislich die Faszikellänge. Die Faszikel-länge ist die Anzahl von Sarkomeren eines Muskels in Serie [20] ([ABB. 1]). Bei exzentrischem Training baut der Muskel als Antwort auf die hohen Zugkräfte kontraktile Elemente im Rahmen der Sarkomerogenese an [21] und erhöht dadurch seine Faszikellänge. Eine schnelle exzentrische Bewegungsausführung scheint dabei einen zusätzlichen Effekt zu haben [22]. Eine höhere Faszikellänge wiederum reduziert Muskelverletzungen [23]. Ein exzentrisch fokussiertes Trainingsprogramm der ischiokruralen Muskulatur bei Fußballer*innen reduziert die Verletzungsrate dieser Muskelgruppe und verbessert zusätzlich die Schnelligkeit [24].
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Langsame Ausführung steigert Bewegungskontrolle
Bei allen Kraftübungen werden die Zielmuskeln sowohl konzentrisch als auch exzentrisch belastet. Durch eine Betonung der exzentrischen Phase mit 3–6 Sekunden Belastungszeit können Trainierende eine gezielte Mobilisierung des Muskel- und Bindegewebes und dadurch eine Verbesserung der Beweglichkeit erreichen. Durch die langsame Ausführung verringert sich das Verletzungsrisiko, da die Bewegungskontrolle höher ist als bei einer schnellen Bewegungsgeschwindigkeit.
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Kniestand bringt Muskel maximal auf Länge
Im Kniestand beispielsweise können Trainierende den M. rectus femoris durch das eigene Körpergewicht exzentrisch belasten ([ABB. 2], S. 30). Durch die Kombination aus Hüftgelenkextension und steigender Kniegelenkflexion bringen sie den Muskel maximal auf Länge. Das Becken sollte dabei durch die Spannung der glutealen und abdominalen Muskulatur nach posterior aufgerichtet werden, um eine Vorspannung des Zielmuskels zu gewährleisten. Die Spannung ist bei dieser Übung im Kniestand besonders hoch, da das Drehmoment im Kniegelenk in der maximalen Dehnung des Muskels am höchsten ist.
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Schulterflexion in Rückenlage für Überkopf-Beweglichkeit
Für eine gute Überkopf-Beweglichkeit eignet sich die Schultergelenkflexion mit Gewicht in Rückenlage ([ABB. 3]). Ähnlich wie beim Kniestand ist auch hier das Drehmoment (im Schultergelenk) in der maximalen Dehnung der primären Zielmuskeln M. latissimus dorsi und M. teres major am höchsten. Daher wirken in der längsten Position des Muskels die größten Kräfte.
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Kreuzheben mit gestreckten Beinen dehnt Kniebeuger
Beim Kreuzheben wird die ischiokrurale Muskulatur exzentrisch belastet ([ABB. 4]). Durch eine Rotation im Knie- und Hüftgelenk kann der Fokus auf mediale oder laterale Anteile gelegt werden. Bei der einbeinigen Variante des Kreuzhebens (der Standwaage) muss das Standbein mehr stabilisierende Arbeit leisten.
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Bankdrücken mobilisiert Schultergürtelmuskulatur
Das Bankdrücken mit der Kurzhantel eignet sich zur exzentrischen Belastung der Mm. pectoralis major und minor ([ABB. 5]). In der untersten Position sollte darauf geachtet werden, dass es zu keiner Ventralisierung des Humeruskopfes kommt ([ABB. 5B]).
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Mehrere Sätze pro Übung ratsam
Betrachtet man Studien, die Parameter wie Trainingsumfang, -frequenz und -intensität in Bezug auf die Beweglichkeit untersuchen, so lassen sich einige Trends erkennen. Eine höhere Trainingsfrequenz pro Woche (3x) sowie eine höhere Satzanzahl (3 Sätze pro Übung) zeigen einen höheren Effekt als ein Einsatztraining oder eine geringe Frequenz von 1x pro Woche [25], [26]. Ein Ganzkörpertraining an Geräten, das entweder mit einem oder mit 3 Arbeitssätzen durchgeführt wird, konnte im Vergleich zu einer passiven Kontrollgruppe signifikante Zuwächse im Sit-and-Reach-Test aufweisen. Dabei zeigte sich, dass die Gruppe mit 3 Sätzen pro Übung ihre Beweglichkeit mehr verbesserte als die Gruppe, die nur einen Satz ausführte [25]. Ein Großteil der Studien untersucht ein Krafttraining mit einer Bewegungsgeschwindigkeit, bei der die konzentrische und exzentrische Phase gleich lang ausgeführt werden. Dabei konnte gezeigt werden, dass zwischen einem Krafttraining und einem Dehnprogramm (statisch oder dynamisch) kein signifikanter Unterschied in der Verbesserung der ROM besteht [26]–[28]. Exzentrisch betontes Training ([ABB. 2]–[4]) zeigt sogar signifikant bessere Effekte auf die Beweglichkeit als reines Dehnen [15], [29]. Betrachtet man die Trainingsintensität, gibt es eine Studie mit älteren Proband*innen, die zu dem Schluss kam, dass Lasten über 80 Prozent der Maximalkraft bessere Effekte hervorrufen als geringere Intensitäten unter 60 Prozent [30].
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Krafttraining und Dehnen in Kombination
Wenn Krafttraining die Beweglichkeit verbessert, stellt sich die Frage, ob ein zusätzlich durchgeführtes Dehnprogramm den Effekt erhöht. Dazu gibt es in der Literatur einige Untersuchungen, die eine Kombination aus Krafttraining und Stretching durchführen. Wissenschaftler*innen untersuchten den Einfluss von statischem Dehnen des M. quadriceps femoris (2 × 25 Sekunden) vor einem Krafttraining. Das Dehnen (in Form einer passiven Knieflexion in Bauchlage durch einen Therapeuten) vor dem Krafttraining führte zu einer zusätzlichen Verbesserung der ROM im Vergleich zum reinen Krafttraining [31]. Die kombinierte Gruppe konnte die ROM um 10,1 Prozent verbessern, die Kraftgruppe nur um 2,1 Prozent. Gemessen wurde die aktive Kniegelenkflexion im Stand. Hier ist anzumerken, dass das zusätzliche Dehnprogramm jedoch zu einem geringeren Trainingsvolumen und Muskelquerschnitt (gemessen im M. vastus lateralis) führte. Auch die Ergebnisse anderer Autor*innen kommen zu dem Schluss, dass Stretching vor einem Krafttraining zu einem geringeren Trainingsvolumen (weniger Wiederholungen pro Satz) führt [32]. Steht also bei Patient*innen die Bewegungserweiterung im Fokus, als Sekundärziel soll aber auch eine Hypertrophie erzielt werden, so können vor dem Krafttraining Stretching-Übungen durchgeführt werden. Steht jedoch der Aufbau von Muskelmasse ohne explizite Erweiterung der ROM im Vordergrund, sollte kein längeres statisches Dehnprogramm vor dem Training aufgrund der genannten Effekte stattfinden.
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Zusätzliche positive Effekte von Krafttraining beachten
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl Krafttraining als auch Dehnen zu einer verbesserten Beweglichkeit führt. Ergebnisse aus der Forschung konnten vereinzelt zeigen, dass Krafttraining im Vergleich zu Dehnen sogar einen besseren Effekt auf die Beweglichkeit haben kann [25], [26], [33]. Krafttraining bringt außerdem zusätzliche positive Effekte wie Hypertrophie und Kraftzuwachs [13], Verbesserung der Knochendichte [34], Schmerzreduktion [35] und Verletzungsprävention [36] mit sich. Ein Krafttraining stellt demnach eine sinnvolle Alternative zu reinem Dehnen dar, um die Beweglichkeit zu verbessern. Hinsichtlich der Dosierung scheinen eine Trainingsfrequenz von 3 Einheiten pro Woche pro Muskelgruppe sowie ein 3-Satz-Training gute Effekte zu erzielen [27], [28]. Als Arbeitsweise oder Kontraktionsform der Muskulatur bietet sich ein exzentrisch betontes Training an, um bewegungserweiternde Effekte zu erzeugen [15], [29].
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Literaturverzeichnis
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Publication History
Article published online:
18 October 2021
© 2021. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literaturverzeichnis
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