Aktuelle Rheumatologie 2021; 46(06): 498
DOI: 10.1055/a-1547-2061
Für Sie notiert

Arthrose in Deutschland: Wie häufig wird Physiotherapie in Anspruch genommen?

Contributor(s):
Judith Lorenz
Jacobs H. et al.
Use of Physical Therapy in Patients With Osteoarthritis in Germany: An Analysis of a Linkage of Claims and Survey Data.

Arthritis Care Res (Hoboken) 2021;
23 (07) 1013-1022
DOI: 10.1002/acr.24365
 

Eine wichtige Therapiesäule bei Arthrose ist die Physiotherapie: Sie lindert Schmerzen und erhält die Gelenkbeweglichkeit. Doch wie viele Arthrosekranke nehmen diese Behandlungsoption tatsächlich in Anspruch? Dieser Frage ging ein deutsches Forscherteam im Rahmen einer Querschnittstudie nach.


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Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifizierten mithilfe einer großen gesetzlichen Krankenversicherung mehr als 657 000 Personen im Alter zwischen 30 und 79 Jahren, die 2016 an einer Hüft- und/oder Kniegelenkarthrose litten. Aus diesem Kollektiv wählten sie per Zufallsstichprobe – stratifiziert nach Alter, Geschlecht und Diagnose – 8995 Patientinnen und Patienten aus, die sie mittels eines Fragebogens zu ihrem Krankheitsstatus (z. B. WOMAC/Western Ontario and McMaster Universities Ostreoarthritis Index) sowie zu demografischen und sozioökonomischen Parametern befragten. Anhand der Versicherungsdaten prüften sie anschließend, wie viele Betroffene im Jahr 2016 Physiotherapie erhalten hatten, welche ärztlichen Fachdisziplinen diese verschrieben hatten und welche Behandlungen dabei im Einzelnen erfolgten (z. B. Massage, Lymphdrainage, Übungstherapie, manuelle Therapie, Elektrotherapie, Thermotherapie). Ferner untersuchte das Forscherteam, welche Faktoren die Inanspruchnahme physiotherapeutischer Behandlungen beeinflussten.

Ergebnisse

3564 Patientinnen und Patienten beantworteten den Fragebogen und flossen in die Analyse ein. Sie waren im Schnitt 66,5 Jahre alt und mehrheitlich (69%) weiblich. 50% der Befragten hatten im Jahr 2016 mindestens einmal eine physiotherapeutische Behandlung absolviert. Am häufigsten rezeptierten Orthopädinnen und Orthopäden die Therapie (45%), gefolgt von Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern (32%). Rheumatologinnen und Rheumatologen hatten nur in 3% der Fälle die Verschreibung übernommen. Die am häufigsten rezeptierten Interventionen waren Übungsbehandlungen (36%), gefolgt von der manuellen Therapie (16%) und der Thermotherapie (13%). Frauen nahmen im Vergleich zu Männern häufiger eine entsprechende Behandlung in Anspruch (54 vs. 43%). Die multivariate logistische Regressionsanalyse ergab: Weibliches Geschlecht, eine Mehrgelenkarthrose, stärkere funktionelle Einschränkungen, eine stärkere Krankheitsaktivität (höhere Anzahl schmerzhafter Gelenke), ein höheres Haushaltseinkommen sowie ein Wohnort im Osten, Süden oder Westen Deutschlands gingen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine Physiotherapie einher.

Fazit

Obwohl in Deutschland ein großer Anteil der Arthrosekranken Physiotherapie in Anspruch nimmt, hat – entgegen der Leitlinienempfehlungen – mehr als ein Drittel der Betroffenen trotz starker funktioneller Einschränkungen und/oder Schmerzen in den vorangegangenen 12 Monaten keine entsprechende Behandlung erhalten, unterstreichen die Autorinnen und Autoren. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, meinen sie. Insbesondere Männer und Personen mit geringem Einkommen müssen dabei angesprochen werden.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell


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Publication History

Article published online:
02 December 2021

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