Aktuelle Dermatologie 2021; 47(11): 494-497
DOI: 10.1055/a-1547-2838
Kasuistik

Chlormethin-Gel-basierte komplette Remission einer CD30-positiven Mycosis fungoides-Plaque

Chlormethine Gel Based Complete Remission of a CD30 positive Mycosis fungoides Plaque
S. Fahlbusch
1   Hautklinik, Klinikum Dortmund gGmbH
,
S. Hüning
1   Hautklinik, Klinikum Dortmund gGmbH
,
A. Lücke
2   Pathologisches Institut, Klinikum Dortmund gGmbH
,
D. Nashan
1   Hautklinik, Klinikum Dortmund gGmbH
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Chlormethin-Gel ist seit Mai 2019 als Lokaltherapeutikum bei Erwachsenen für kutane T-Zell-Lymphome vom Typ Mycosis fungoides (MF) zugelassen. Die topische Anwendung erfolgt 1-mal täglich. Im Rahmen der Zulassungsstudie kam es nach einer mindestens 6-monatigen Behandlung mit Chlormethin-Gel bei 76,7 % der Patienten (69 von 90) zu einer ≥ 50 %-igen Verbesserung der klinischen Befunde, gemessen anhand der CAILS-Skala (Composite Assessment of Index Lesion Serverity). Eine komplette Remission wurde bei 19 % (17 von 90) der Patienten beschrieben. Etwas mehr als die Hälfte der behandelten Patienten zeigte lokale Nebenwirkungen mit Hautirritationen, Hautrötungen und auch Hautinfektionen. Weitere mögliche Hautreaktionen sind Pruritus, Blasenbildung und Geschwüre.

Im Folgenden wird von einer Patientin mit einer bekannten CD30+-Mycosis fungoides im Stadium IIB (ISCL/EORTC 2007) berichtet. Eine unter verschiedenen Systemtherapien (Bexaroten, Bade-PUVA, Brentuximab Vedotin) immer wieder rezidivierende, ca. handtellergroße Plaque an der Flanke links wurde mit Chlormethin-Gel behandelt.

Aufgrund bereits bekannter, langsam progredienter Größenzunahme und wiederholt schmerzhafter Mazerationen dieses Herdes erfolgte auch mit Blick auf mögliche Nebenwirkungen von Chlormethin-Gel die Behandlung in Absprache mit der Patientin nur jeden zweiten Tag.

Unter diesem Therapieregime zeigte sich, nach anfänglicher kurzzeitiger Hautreizung, bereits nach 3 Monaten eine komplette, histologisch gesicherte, aktuell 6 Monate anhaltende Remission der Läsion.

Diese Kasuistik soll einen eindrucksvollen Therapieverlauf unter Chlormethin-Gel in reduzierter Dosierung und bei guter Verträglichkeit präsentieren.


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Abstract

Since 2019 chlormethine gel is available as a new therapeutic option for adult patients with cutaneous T-cell lymphoma type mycosis fungoides. It is topically applied once a day. The approval was achieved through a study showing treatment for 6 months resulted in an improvement in 76,7 % of patients (69 out of 90) with at least 50 % improvement in response criteria on CAILS Scala (Composite Assessment of Index Lesion Severity). Complete remission was accomplished in 19 % (17 out of 90) of treated patients.

Slightly more than half of the patients revealed cutaneous side effects including redness, skin irritations and infections. Other possible skin reactions are pruritus, blistering and ulcers.

This case report focuses on a female patient with CD30+ mycosis fungoides stage IIB (ISCL/EORTC 2007). A palm-sized plaque on the left flank that repeatedly recurred under various systemic therapies (bexarotene, bath PUVA, brentuximab vedotin) was treated with chlormethine gel. Due to the documented slowly progressive increase in size and repeated painful macerations and considering possible side effects of chlormethine gel, the treatment was applied every second day.

After three months with this therapy regimen a complete, histologically confirmed, currently 6-month enduring remission of the lesion occurred.

This case report highlights the impressive result of a chlormethine therapy in reduced dosis with good tolerability in mycosis fungoides.


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Einleitung

Die kutanen T-Zell-Lymphome (TCL) gehören zu den Non-Hodgkin-Lymphomen mit per definitionem initialer Manifestation an der Haut. Die Inzidenz der kutanen Lymphome beträgt ca. 1:100 000. Die Mycosis fungoides zählt mit 60 % zu den häufigsten primär kutanen T-Zell-Lymphomen. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 55–60 Jahre und betrifft häufiger Männer als Frauen [1].

Chlormethin-Gel 0,02 % steht seit 05/2019 in Deutschland als lokale Therapieoption für Patienten mit kutanem T-Zell-Lymphom vom Typ Mycosis fungoides zur Verfügung. Eine 1-mal tägliche Applikation führt nach 6-monatiger Behandlung zu einer deutlichen Verbesserung der kutanen Befunde. Auch komplette Remissionen konnten in 19 % (n = 90) der Fälle erreicht werden [2]. Allerdings weist die lokale Therapie deutliche kutane Nebenwirkungen auf [2] [3].


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Kasuistik

Die Patientin hatte bereits seit 8 Jahren vereinzelte Hautveränderungen bemerkt und wurde initial unter der Diagnose einer Psoriasis vulgaris behandelt. Trotz wiederholter Therapiemaßnahmen war der Verlauf progredient und bei zunehmend erosiven Hautveränderungen erfolgte die weitere Abklärung. Histopathologisch wurde die Diagnose einer CD30+-Mycosis fungoides gesichert. Bei der 60-jährigen Patientin lag bei Diagnosestellung das Stadium IIB nach ISCL/EORTC 2007 (T3 N0 M0 B0) vor.

Unter einer anfänglichen Therapie mit Bexaroten wurde ein partielles Ansprechen erreicht. Als Nebenwirkungen entwickelten sich Hypothyreose, Hypercholesterinämie und Hypertriglyceridämie bis 710 mg/dl (Referenz < 150), sodass die subjektiv gut vertragene Therapie abgesetzt wurde. Eine anschließende Therapie mit Re-UVA/UVB (Acitretin + UVA/UVB) zeigte kein adäquates Ansprechen.

Nach erneuter histologischer Sicherung reichlich eingestreuter, teilweise auch gruppiert CD30-exprimierender Infiltrat-Zellen wurde eine Systemtherapie mit Brentuximab Vedotin eingeleitet. Darunter kam es nach dem 1. Zyklus zu einem Transaminasenanstieg (GOT 107 U/l [< 35], GPT 260 U/l [< 35], GGT 168 U/l [< 40]) und zur Ausbildung lichenoid psoriasiformer Hauteffloreszenzen. Unter Dosisreduktion auf 1,2 mg/kg und bei deutlicher Besserung der kutanen Nebenwirkungen musste Brentuximab Vedotin bei partiellem Ansprechen wegen beginnender Polyneuropathie sowie gastrointestinalen Nebenwirkungen nach dem 5. Zyklus abgesetzt werden.

Im Stadium IIB nach ISCL/EORTC 2007 (T3 N0 M0 B0) erfolgte die Wiedereinleitung einer Low-dose-Therapie mit Bexaroten unter engmaschiger Kontrolle der Laborparameter. In niedriger Dosierung mit 75 mg 1 × täglich wurde die Therapie von der Patientin subjektiv und laborchemisch gut vertragen. Zusätzlich zu den verschiedenen Systemtherapien wurden lokale Steroide wie auch lokale intraläsionale Triamcinolon-Injektionen einzelner Plaques eingesetzt. Im Verlauf wiederholte Untersuchungen erbrachten keine Hinweise auf eine systemische Beteiligung der Mycosis fungoides.

An der Flanke links blieb unter den o. g. Therapien jedoch eine hartnäckige, persistierende und sich langsam vergrößernde Plaque, während andere Plaques und Tumorknoten unter den Systemtherapien rückläufig waren. Die histologische Sicherung dieses Herdes erbrachte eine ausgedehnte, diffuse, epidermotrope Infiltration durch das vorbekannte kutane T-Zell-Lymphom (vgl. [Abb. 1] und [Abb. 4]).

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Abb. 1 Infiltrierte, krustig belegte Plaque auf erythematösem Grund an der Flanke links, vor Beginn der Therapie.
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Abb. 2 Glänzend irritierte, leicht inflammatorisch erythematöse Plaque an der Flanke links, 6 Wochen nach Therapiebeginn mit Chlormethin-Gel.
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Abb. 3 Klinisch vollständige Remission, postinflammatorische, hyperpigmentierte Makula an der Flanke links 12 Wochen nach Therapiebeginn mit Chlormethin-Gel, histologisch verifiziert (vgl. [Abb. 5]).
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Abb. 4 H&E-Färbung (100-fache Vergrößerung) linke Flanke vor Therapiebeginn: ortho- und parakeratotisch verhornende Haut mit Akanthose und einer ausgedehnten diffusen epidermotropen Infiltration durch das vorbekannte kutane T-Zell-Lymphom.

Wir begannen zusätzlich zur laufenden Therapie mit Bexaroten eine Lokaltherapie mit Chlormethin-Gel an der Flanke links. Unter Berücksichtigung der sensiblen bis stark schmerzenden erosiven Plaque, möglicher Nebenwirkungen und entsprechend des Wunsches der Patientin wurde die Behandlung konsequent jeden zweiten Tag durchgeführt. Bei nur kurzzeitigen Hautirritationen (CTC-Grad 1–2) (vgl. [Abb. 2]) kam es bereits nach 3 Monaten zu einer kompletten, klinischen und histologisch gesicherten, aktuell 6 Monate anhaltenden Remission (vgl. [Abb. 3] und [Abb. 5]).

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Abb. 5 H&E-Färbung (100-fache Vergrößerung) linke Flanke nach Beendigung der Therapie: atrophische, orthokeratotisch verhornende Rumpfhaut mit ödematöser Auflockerung der oberen Dermis.

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Diskussion

Bereits seit den 50er-Jahren wird Nitrogen Mustard bzw. Chlormethin angewendet. Der Einsatz der lokalen Therapie war jedoch häufig durch kutane Hypersensitivitäten limitiert. Durch Weiterentwicklung der Substanz zu Chlormethin-Gel konnten die Adhärenz und dadurch auch die Effizienz deutlich verbessert werden [4] [5]. Die Ansprechraten bei MF variieren von 59–83 % und korrelieren mit der Dauer der Anwendung des Gels. Außerdem bestehen bessere Ansprech- und komplette Remissionsraten in frühen Stadien der Mycosis fungoides. In der Literatur variieren die Anwendungen von 1 × täglich bis zu 2 × wöchentlich, mit einer längeren durchschnittlichen Behandlungsdauer von 6–12 Monaten [5].

Der Behandlungsverlauf dieser Patientin zeigt die Chronizität der Erkrankung, das relevante Nebenwirkungsmanagement, die notwendigen Therapieumstellungen und die begrenzten Therapieerfolge bei einer CD30-positiven MF. Die Kombination von systemischer Bexaroten-Gabe mit lokaler Applikation von Chlormethin-Gel jeden zweiten Tag war bei dieser Patientin erfolgreich. Bereits nach 3 Monaten wurde, klinisch und histologisch verifiziert, ein anhaltender Behandlungserfolg erzielt.

Die Ergänzung einer systemischen Therapie mit Chlormethin-Gel kann eine effektive Behandlung bei rezidivierenden Plaques der Mycosis fungoides sein.

Die Lokalbehandlung mit Chlormethin-Gel sollte nach einem individuell angepassten Therapieregime, ggf. in reduzierter Frequenz der Applikation, erfolgen.


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Interessenkonflikt

Frau Dr. Hüning war als Berater tätig und/oder hat Reiseunterstützung erhalten von BMS, Kyowa Kirin, MSD, Novartis, Pierre-Fabre, Roche, Sun Pharma, Takeda; außerhalb der eingereichten Arbeit.
Frau Prof. Nashan war als Berater tätig und erhielt Honorare von MSD, BMS, Novartis, Roche, Almirall, Mylan, Sanofi.


Korrespondenzadresse

Dr. Sera Selina Fahlbusch
Hautklinik, Klinikum Dortmund
Beurhausstr. 40
44137 Dortmund
Deutschland   

Publication History

Article published online:
19 November 2021

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Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Infiltrierte, krustig belegte Plaque auf erythematösem Grund an der Flanke links, vor Beginn der Therapie.
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Abb. 2 Glänzend irritierte, leicht inflammatorisch erythematöse Plaque an der Flanke links, 6 Wochen nach Therapiebeginn mit Chlormethin-Gel.
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Abb. 3 Klinisch vollständige Remission, postinflammatorische, hyperpigmentierte Makula an der Flanke links 12 Wochen nach Therapiebeginn mit Chlormethin-Gel, histologisch verifiziert (vgl. [Abb. 5]).
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Abb. 4 H&E-Färbung (100-fache Vergrößerung) linke Flanke vor Therapiebeginn: ortho- und parakeratotisch verhornende Haut mit Akanthose und einer ausgedehnten diffusen epidermotropen Infiltration durch das vorbekannte kutane T-Zell-Lymphom.
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Abb. 5 H&E-Färbung (100-fache Vergrößerung) linke Flanke nach Beendigung der Therapie: atrophische, orthokeratotisch verhornende Rumpfhaut mit ödematöser Auflockerung der oberen Dermis.