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DOI: 10.1055/a-1551-6783
Sporttherapie bei Depression
- Komorbidität und Mortalität bei Depression
- Positiveffekte körperlicher Aktivität
- Körperliches Aktivitätsniveau
- Positiveffekte kardiorespiratorischer Fitness
- Sporttherapie
- Einfluss von Sport auf die Depressionssymptomatik
- Fazit
- Literatur
Depressive Menschen sind im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung körperlich eher inaktiv. Sie leiden häufiger unter Herz- und Stoffwechselerkrankungen oder chronischen Entzündungen. Und sie sterben deutlich früher. Um die erhöhte Komorbidität und Mortalität bei Depression zu senken, eignet sich Sporttherapie. Sie fördert die körperliche Aktivität und kardiorespiratorische Fitness. Ziel ist die nachhaltige Verhaltensänderung der Betroffenen im Sinne eines aktiven Lebensstils.
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Körperliche Aktivität und Training wirken positiv auf „Körper“ und „Geist“. Bei Depression können Bewegung, Sport und Training nicht nur die Symptomatik lindern, sondern auch das Risiko für somatische Komorbidität und Sterblichkeit senken.
Körperliche Aktivität und Training
Körperliche Aktivität bezeichnet jede durch Kontraktionen der Skelettmuskulatur hervorgerufene Körperbewegung, die zu einem Energieverbrauch oberhalb des Ruheumsatzes führt. Sie umfasst körperliche Bewegungen, gezielte Übungen und Sport im Rahmen des täglichen Lebens, des Berufs oder der Freizeit [1].
Training ist ein Teilbereich der körperlichen Aktivität. Es wird geplant, strukturiert, wiederholt und zielgerichtet eingesetzt und fokussiert auf eine Verbesserung oder Erhaltung der körperlichen Fitness [1].
Komorbidität und Mortalität bei Depression
Studienlage
Komorbidität
Wer unter Depressionen leidet, hat ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen, Typ-2-Diabetes, die Entwicklung eines metabolischen Syndroms, Hyperglykämie, Hypertriglyzeridämie und Bluthochdruck [2], [3], [4], [5].
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Mortalität
Menschen mit schwerer depressiver Störung haben – ungeachtet der Todesfälle durch Suizid – ein zwei- bis dreimal höheres Risiko für einen vorzeitigen Tod als die Allgemeinbevölkerung [6]. Dies entspricht einer somatisch bedingt verkürzten Lebenserwartung von etwa zehn Jahren; Menschen mit schweren psychotischen, bipolaren und depressiven Erkrankungen sterben bis zu 20 Jahre früher [2], [7], [8].
Bewegungsmangel Die vorzeitige Sterblichkeit bei Depression resultiert hauptsächlich aus der erhöhten Prävalenz von Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen [2], [3], [4], [9]. Eine wesentliche Rolle in diesem Kontext spielen Lebensstilfaktoren wie Bewegungsmangel.
‚Sedentary Behaviour‘
‚Sedentary Behaviour‘ bezeichnet ein bewegungsarmes Verhalten mit sitzenden oder liegenden Aktivitäten im Wachzustand. Diese Aktivitäten sind mit geringen oder keinen Bewegungen assoziiert und durch einen Energieverbrauch von ≤ 1,5-fachen des Ruheumsatzes (metabolisches Äquivalent; MET) gekennzeichnet [10]. Das MET wird genutzt, um den Energieverbrauch verschiedener körperlicher Aktivitäten bezogen auf den Ruheumsatz darzustellen und damit für eine Person vergleichbar zu machen.
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Positiveffekte körperlicher Aktivität
Studienlage
Komorbidität
Starke epidemiologische Evidenz zeigt, dass regelmäßige körperliche Aktivität mit einem geringeren Risiko für Gesamtsterblichkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Schlaganfall, metabolisches Syndrom, Typ-2-Diabetes, Brust- und Darmkrebs sowie einer verringerten Sturzgefahr assoziiert ist [11].
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Mortalität
Je nach Dauer und Intensität der körperlichen Aktivität sinkt die allgemeine und kardiovaskuläre Mortalität um ca. 20 bis 35%, was einer gesteigerten Lebenserwartung von etwa zwei bis sechs Jahren entspricht [12], [13], [14].
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Aktivitätsrichtlinien
Aktuelle Aktivitätsrichtlinien empfehlen allen Erwachsenen zwischen 18 und 65 Jahren – d. h. auch denjenigen mit einer chronischen Erkrankung oder Behinderung – jede Woche mindestens 150 bis 300 Minuten körperlich aktiv zu sein. Gemeint sind aerobe Aktivitäten von moderater Intensität (Intensitätszone I). Alternativ sind mindestens 75 bis 150 Minuten aerober Aktivität von hoher Intensität (Intensitätszone ≥ II) oder eine gleichwertige Kombination beider Intensitätslevel ausreichend [15].
Wirkung
Bereits das Erreichen nur eines Drittels der in den Leitlinien empfohlenen Aktivitätsuntergrenze ist mit positiven Gesundheitsergebnissen assoziiert. Das vollständige Erfüllen der Aktivitätsrichtlinien senkt die Sterblichkeit sowie das kardiovaskuläre Risiko auf etwa 75% des maximalen Nutzens, der durch körperliche Aktivität erzielt werden kann [16]. Ein täglich einstündiger Trainingsumfang führt zur Abnahme des Risikos der Gesamtmortalität um etwa 24%, bei Aktivitäten mit hoher Intensität um ca. 34% [12], [13], [14].
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Risikoschwelle
Die entscheidende Risikominderung erfolgt beim Übergang von Bewegungsmangel zu mäßiger körperlicher Aktivität. Die Schwelle, oberhalb derer eine nachhaltige präventive Wirkung eintritt, liegt wahrscheinlich bei 120 bis 150 Minuten moderater körperlicher Aktivität pro Woche [12]. Dies entspricht in etwa einem täglich 20-minütigem Gehen im zügigen Tempo. Werden körperliche Aktivitäten mit höherer Intensität (Intensitätszone ≥ II) durchgeführt, reduziert sich der zeitliche Umfang merklich.
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Körperliche Inaktivität bei Depression
Bei Depression besteht eine Reihe von Hindernissen für körperliche Aktivität. Zum einen bedingt die depressive Symptomatik selbst die körperliche Inaktivität, zum anderen die somatische Komorbidität, eine geringe Selbstwirksamkeit und ein höherer Fettmassenanteil [17].
Der Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Depression erscheint bidirektional: Einerseits sind Menschen mit depressiver Störung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eher inaktiv und zeigen ein ausgeprägtes sitzendes Verhalten. Andererseits erhöht eine geringere körperliche Aktivität das Risiko für eine Depression [18], [19].
Bewegungsmangel
Sehr viele Menschen mit schwerer Depression erfüllen die allgemeinen Aktivitätsleitlinien nicht. Objektiven Messungen zufolge erreichen etwa 80% aller Betroffenen keine ausreichende Menge an wöchentlicher Aktivität [20].
Physioedukation
In Anbetracht der erhöhten Prävalenz kardiovaskulärer Risiken, metabolischer Dysfunktionen und chronischer Entzündungen und angesichts des präventiven und kurativen Potenzials von körperlicher Aktivität, sollte depressiven Patienten das Wissen um die elementaren Zusammenhänge zwischen Bewegung und Gesundheit vermittelt werden. Mittel der Wahl ist die Physioedukation. Flankierend zur Sporttherapie werden geeignete Strategien vorgestellt, die bewegungsarmes Verhalten (‚Sedentary Behaviour‘) reduzieren und das tägliche Aktivitätsniveau steigern. Die Zunahme des Sterblichkeitsrisikos mit zunehmender „Sitz-Zeit“ wird durch körperliche Aktivität erheblich abgeschwächt oder sogar eliminiert [21].
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Körperliches Aktivitätsniveau
Das objektive Beurteilen der körperlichen Aktivität eines Menschen ist komplex. Häufig wird das Aktivitätsniveau durch Fragebogen oder über die Anzahl der täglichen Schritte erfasst. Beide Verfahren berücksichtigen allerdings nur unzureichend die Intensität einer körperlichen Belastung.
‚Personal Activity Intelligence‘
Als Alternative zu Fragebogen und Schrittzähler entwickelten Ulrik Wisløff und sein Team einen validierten Algorithmus für das Tracking von körperlicher Aktivität [22]. Die ‚Personal Activity Intelligence‘ (PAI) basiert auf Interaktionen zwischen körperlicher Aktivität und kardiorespiratorischer Fitness.
Kardiorespiratorische Fitness
Die kardiorespiratorische Fitness beschreibt die Fähigkeit der Atmung und des Herz-Kreislauf-Systems, der beanspruchten Muskulatur ausreichend Sauerstoff zur aeroben Energiegewinnung zur Verfügung zu stellen. Sie wird angegeben als relative maximale Sauerstoffaufnahme (V̇O2max; ml · min−1 · kg−1 oder als metabolisches Äquivalent (MET). 1 MET entspricht per Konvention einer Sauerstoffaufnahme (V̇O2) von 3,5 ml · min−1 · kg−1.
Die kardiorespiratorische Fitness dient als Indikator für die allgemeine, dynamische aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit und ist der leistungsbegrenzende Parameter bei hohen Belastungsintensitäten längerer Dauer (> 2 min).
PAI-Wert
Die PAI berücksichtigt das Niveau der kardiorespiratorischen Fitness anhand von Alter, Geschlecht, Ruhe- und maximaler Herzfrequenz. Anhand der Pulsmessung z. B. mit einem Fitnesstracker werden die relative Belastungsintensität via Herzfrequenzreserve-Methode sowie die Dauer verschiedener körperlicher Aktivitäten erfasst. Aus diesen Daten errechnet sich eine einfache geschlechtsspezifische und persönliche Punktzahl, der PAI-Wert.
Je höher die kardiorespiratorische Fitness eines Patienten, umso mehr körperliche Aktivität muss er aufbringen, um den gleichen PAI-Wert zu erreichen. Im Umkehrschluss muss ein Patient mit geringer kardiorespiratorischer Fitness für den gleichen PAI weniger körperlich aktiv sein.
PAI 100
Nach einer Studie der ‚Norwegian University of Science and Technology‘ leben Menschen im Durchschnitt acht Jahre länger, wenn sie über längere Zeit allwöchentlich einen PAI-Wert von mindestens 100 erreichten. Je höher der Score, desto niedriger war das Risiko für Herzerkrankungen, Typ-2-Diabetes oder Bluthochdruck [22].
Weitere Informationen zu PAI unter: https://www.ntnu.edu/cerg/personal-activity-intelligence
Selbst Personen, welche die angeführten Aktivitätsrichtlinien nicht erfüllten, aber den wöchentlichen PAI 100 erreichten, verringerten ihr Sterblichkeitsrisiko. Wurden die Aktivitätsempfehlungen befolgt, der PAI 100 trotz dessen aber verfehlt, änderte sich das Mortalitätsrisiko nicht. Auch Personen, die jede Woche nur einen PAI 50 erreichten, hatten erhebliche gesundheitliche Vorteile im Vergleich zu jenen, die inaktiv blieben [22].
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Positiveffekte kardiorespiratorischer Fitness
Studienlage
Obwohl es einen Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und kardiorespiratorischer Fitness gibt und beide teilweise miteinander agieren, haben sie voneinander unabhängige Auswirkungen auf die Reduzierung des Erkrankungs- und Mortalitätsrisikos.
Bedeutung der kardiorespiratorischen Fitness
Die kardiorespiratorische Fitness wirkt sich fast doppelt so stark auf die Reduzierung des kardiovaskulären Risikos aus wie körperliche Aktivität [24].
Komorbidität
In der Allgemeinbevölkerung gibt es solide epidemiologische und klinische Evidenz, dass eine geringe kardiorespiratorische Fitness ein starker und unabhängiger Prädiktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gesamtmortalität ist und dass Menschen mit guter im Vergleich zu Personen mit niedriger kardiorespiratorischer Fitness nicht so oft an chronischen Krankheiten erkranken [25], [26], [27].
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Mortalität
Eine Verbesserung der kardiorespiratorischen Fitness ist – unabhängig von den Faktoren Alter, Rauchen und Körperzusammensetzung – mit einem geringeren Mortalitätsrisiko durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden [28]. Eine V̇O2max-Zunahme um 1 MET führt zur relevanten Reduktion der Gesamtmortalität um ca. 13% sowie der kardiovaskulären Mortalität um ca. 15% [25].
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Sporttherapie
Sporttherapie
Sporttherapie ist „eine bewegungstherapeutische Maßnahme, die (…) gestörte körperliche, psychische und soziale Funktionen kompensiert, regeneriert, Sekundärschäden vorbeugt und gesundheitlich orientiertes Verhalten fördert. Sie (…) bezieht besonders Elemente pädagogischer, psychologischer und sozialtherapeutischer Verfahren ein und versucht, eine überdauernde Gesundheitskompetenz zu erzielen“ [23].
Bei schwerer Depression können sportliche Interventionen die kardiorespiratorische Fitness signifikant und klinisch relevant verbessern [29], [30]. Da sich die kardiorespiratorische Fitness unabhängig von Veränderungen des Body-Mass-Index oder der Körperzusammensetzung verbessert und die bereits angeführten Zusammenhänge zur somatischen Komorbidität und Mortalität bestehen, sollte eine verbesserte kardiorespiratorische Fitness – und nicht in erster Linie die Reduktion der Fettleibigkeit – ein wichtiger Ergebnisindikator für sporttherapeutische Interventionen darstellen, die darauf abzielen, das kardiometabolische Risiko zu reduzieren.
Steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit
Die kardiorespiratorische Fitness lässt sich durch motivationsunabhängige, submaximale Belastungstests oder mithilfe von Fragebögen grob abschätzen [31], [32]. Zur Steigerung der Ausdauerleistungsfähigkeit ist ein Mindestmaß der kardiorespiratorischen Beanspruchung notwendig ([Tab. 1]).
Leistungsniveau zu Trainingsbeginn |
Initiale maximale Sauerstoffaufnahme (V̇O2max)1 |
Mindestintensität ausgedrückt in Prozent der Sauerstoffaufnahmereserve2 bzw. Herzfrequenzreserve3 |
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1 Die maximale Sauerstoffaufnahme (V̇O2max) entspricht der maximalen Sauerstoffmenge, welche pro Zeiteinheit dem Organismus über Atmung, Herz und Kreislauf zugeführt und über die Muskulatur umgesetzt werden kann. Die V̇O2max ist das leistungsbegrenzende Bruttokriterium der kardiorespiratorischen Fitness. 2 Unter Sauerstoffaufnahmereserve (V̇O2max − V̇O2Ruhe) versteht man die Differenz zwischen maximaler Sauerstoffaufnahme (V̇O2max) und dem Sauerstoffbedarf unter körperlicher Ruhe (V̇O2Ruhe). 3 Die Herzfrequenzreserve entspricht der Differenz zwischen der maximalen Herzfrequenz (HFmax) und der Ruheherzfrequenz (HFRuhe). Sie findet u. a. Verwendung bei der Bestimmung von Trainingsherzfrequenzen (z. B. bei der ‚Karvonen-Formel’). |
||
geringe kardiorespiratorische Fitness |
V̇O2max < 40 ml · min− 1 · kg− 1
|
ca. 30 bis 35% |
durchschnittliche und gute kardiorespiratorische Fitness |
V̇O2max ≥ 40 ml · min−1 · kg− 1
|
ca. 45% |
Fallbeispiele Bei einem untrainierten Patienten mit einer V̇O2max von 28 ml · min−1 · kg−1 (8 MET) beginnt die trainingswirksame Intensität (ca. 35% der V̇O2Reserve) bei einer Sauerstoffaufnahme von 12 ml · min−1 · kg−1 (3,5 MET). Dies entspricht in etwa einem langsamen Gehen auf dem Laufband mit einer Geschwindigkeit von 3,2 km/h und einer Steigung von 5%.
Eine Patientin mit einer V̇O2max von 42 ml · min−1 · kg−1 (12 MET) müsste dagegen mit 4,8 km/h bei 7,5% Steigung marschieren. Dies entspricht einer Sauerstoffaufnahme von ca. 21 ml · min−1 · kg−1 (6 MET).
Steigerung der Intensität
Belastungen mit höherer Intensität führen zu deutlicheren Anpassungen: Die kardiorespiratorische Fitness scheint stärker auf eine Steigerung der Intensität (z. B. Intensitätszonen II und III) zu reagieren als auf eine Zunahme der Belastungsdauer oder -häufigkeit. Ein praktikables Beispiel wäre ein 20- bis 30-minütiges Intervall-Walking mit Belastungs- und Erholungsintervallen von jeweils 1 bis 3 Minuten Dauer (Intensitätszonen II/III, BORG-Skala 15 bis 17 bzw. Intensitätszone I, BORG-Skala 9 bis 10).
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Einfluss von Sport auf die Depressionssymptomatik
Neben den Standardbehandlungen Psychopharmakologie und/oder Psychotherapie werden sporttherapeutische Maßnahmen eingesetzt, um akuten oder Residualsymptomen der Depression oder einem Rückfall nach Absetzen der Medikamente effektiv entgegenzuwirken.
Studienlage
Ausreichende körperliche Aktivität scheint Depressionssymptome zu lindern [34]. Die therapeutische Effektstärke körperlicher Aktivität liegt bei Patienten mit klinischer Depression – im Vergleich zu Kontroll- oder Placebogruppen – zwischen 0,34 und 0,8; in methodisch robusten Studien fallen die Effektstärken deutlich kleiner aus [35], [36], [37], [38], [39], [40]. Der ursprünglich erhoffte deutliche Benefit hinsichtlich der Reduktion depressiver Symptome konnte wissenschaftlich nicht belegt werden bzw. ist nur moderat vorhanden. Zudem fand man, dass körperliche Aktivität – im Vergleich zur psychologischen oder pharmakologischen Therapie – lediglich vergleichbare, jedoch keine überlegenen Effekte erwarten lässt [35], [41].
Sport und Depressionssymptome
Prinzipiell kann körperliches Training als eine effektive Therapiemaßnahme bei Depression angesehen werden. Anders als bei den positiven Effekten zur Risikoreduktion für Mortalität und somatische Morbidität scheint es hinsichtlich der Linderung depressiver Symptome bezüglich der Art des Trainings (Kraft- oder Ausdauertraining) keine klinisch relevanten Unterschiede zu geben [40].
Auch für „Mind-Body-Therapien“ wie bspw. Yoga liegt eine gute Evidenz bezüglich der Reduktion der Schwere von Depressionssymptomen vor [42], [43].
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Therapieplanung
Körperliche Aktivität und kardiorespiratorische Fitness haben hinsichtlich der Depression und der Reduktion krankheitsassoziierter Symptome teils voneinander unabhängige Effekte. Diese Unterschiede sollten bei der Planung therapeutischer Maßnahmen berücksichtigt werden.
Jüngere Untersuchungen deuten erstmals darauf hin, dass Menschen mit niedriger und mittlerer kardiorespiratorischer Fitness ein erhöhtes Risiko haben, eine Depression zu entwickeln und dass die kardiorespiratorische Fitness umgekehrt mit der Schwere der Symptome assoziiert ist; die zugrunde liegenden potentiellen pathophysiologischen Mechanismen sind nicht vollständig geklärt [44], [45], [46].
Belastungsdosierung
Die optimalen Belastungsnormativa – d. h. Intensität, Frequenz, Typ, Dauer und Häufigkeit des Trainings – sind für die Behandlung der Depression insofern unbekannt, weil der Zusammenhang zwischen der „Dosis“ der körperlichen Belastung und dem therapeutischen Ansprechverhalten noch ungenügend erforscht ist. Ungeachtet dessen gibt es Richtlinien zur Belastungsdosierung, die sowohl auf empirischer Evidenz als auch auf klinischer Erfahrung beruhen [47].
Trainingsparameter
Für die sporttherapeutische Behandlung der Depression scheint ein aerobes Training, das bis zu einem gewissen Grad überwacht wird und drei- bis viermal wöchentlich mit moderater (Intensitätszone I) oder selbstgewählter Intensität für 30 bis 40 Minuten über einen Zeitraum von mindestens neun Wochen durchgeführt wird, wirksam zu sein [47].
Diese Richtlinien leiten sich in erster Linie von Leitlinien zur Verbesserung und Erhaltung der körperlichen Fitness und der kardiometabolischen Gesundheit in der Allgemeinbevölkerung ab.
Körperliche Fitness
Der Begriff der körperlichen Fitness ist kontextabhängig zu betrachten und lässt sich daher nur schwer eindeutig definieren. Im Allgemeinen beschreibt die körperliche Fitness die Eignung bzw. Tauglichkeit für bestimmte körperliche Beanspruchungsformen. Sie ist die Befähigung, tägliche Aufgaben mit eigener ausreichender Energie/Kraft und Aufmerksamkeit ohne übermäßige Ermüdung zu bewältigen, selbst wenn unvorhergesehene schwierige Situationen eintreten [1].
Im engeren Sinne bezeichnet körperliche Fitness die Kombination aus den messbaren gesundheits- und fähigkeitsbezogenen Attributen der kardiorespiratorischen Fitness (Ausdauer), Muskelkraft, Flexibilität, Koordination und Schnelligkeit [1].
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Fazit
Körperliche Aktivität und kardiorespiratorische Fitness sind eigenständige und modifizierbare Ressourcen für die körperliche und geistige Gesundheit von Menschen mit psychischen Störungen.
Die große sporttherapeutische Herausforderung besteht darin, für jeden Patienten ein Bewegungsprogramm zu erarbeiten und umzusetzen, welches nicht nur die individuellen physischen und psychischen Voraussetzungen und Beeinträchtigungen des Patienten berücksichtigt, sondern auch dessen persönliche Vorlieben. Das wichtigste Ziel besteht in einer längerfristigen Verhaltensänderung im Sinne eines körperlich aktiven Lebensstils ([Abb. 1]).
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Dr. Marco Herbsleb
ist Sportwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Sportmedizin und Gesundheitsförderung der Friedrich-Schiller-Universität Jena und leitet dort den Bereich ‚Clinical Exercise Physiology‘. Wissenschaftliches Schwerpunktfeld ist die Klinische Leistungsphysiologie.
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Literatur
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Publication History
Article published online:
19 October 2021
© 2021. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
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