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DOI: 10.1055/a-1606-5844
Arzneimitteltherapie in der Gastroenterologie: Molekulare Grundlagen der CED
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) umfassen den Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa. Die Häufigkeit der CED steigt an, sodass die klinische Relevanz dieser Erkrankungen zunimmt. Zahlreiche Studien der letzten Jahre haben die komplexe Pathogenese der CED untersucht [1], [2], [3]. Diese Studien haben zweifelsfrei gezeigt, dass sowohl genetische Faktoren als auch Umweltfaktoren eine zentrale Rolle bei der Entstehung der Erkrankungen spielen. Unter den Umweltfaktoren sind insbesondere das Rauchen, die Einnahme von NSAR, Infektionen und das Mikrobiom hervorzuheben. Erste Läsionen der Epithelzellschicht führen zu einer Barrierestörung im Darm, die ein Eindringen von Bakterien der kommensalen Darmflora in die Darmwand erlaubt und die mukosale Immunantwort aktiviert. Diese Aktivierung der mukosalen Immunantwort ist durch eine Stimulation von Zellen des angeborenen und des erworbenen Immunsystems charakterisiert, wobei insbesondere Makrophagen, Granulozyten und T-Zellen von Bedeutung sind. Weiterhin konnten aktivierte Fibroblasten in der Darmwand als wichtige Zellpopulation identifiziert werden, die zu der lokalen Entzündung beitragen und den Umbau der Darmwand mit Fibrose triggern. Die Aktivierung von lokalen Zellpopulationen im Darm sowie das Eindringen von Zellen in den Darm sind zentrale Ansatzpunkte zur Behandlung der CED.
Die viele Jahre dominierende Therapie der CED mit 5-ASA, Corticosteroiden, Azathioprin, Methotrexat und Cyclosporin A/FK506 ist in den letzten Jahrzehnten zunehmend durch neuere Substanzen herausgefordert worden. Anti-TNF-Antikörper blockieren das Zytokin TNF und hemmen hierdurch die lokale und systemische Immunantwort bei CED. Eine besondere Bedeutung scheint hierbei der Neutralisation des membranständigen TNF zuzukommen. Bei den Anti-TNF-Antikörpern gibt es bei Colitis ulcerosa mehrere klinische Optionen: Infliximab, Adalimumab und Golimumab; für den Morbus Crohn sind nur die ersten beiden Optionen zugelassen. Seit einiger Zeit gibt es zudem Biosimilars für Infiximab und Adalimumab. Bei Patienten, die auf eine Anti-TNF-Therapie nicht ansprechen, scheinen Resistenzmechanismen zu existieren, bei denen eine alternative Aktivierung des Immunsystems durch andere Moleküle, wie IL-7, IL-23 oder Onkostatin-M, eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Der Antikörper Ustekinumab, der IL-12 und IL-23 neutralisiert, ist für die Behandlung der CED zugelassen und kann auch bei Versagen einer Anti-TNF-Therapie eingesetzt werden. Die Neutralisation von IL-23 scheint für den Therapieeffekt wesentlich wichtiger zu sein als die Blockade von IL-12. Entsprechend werden zurzeit spezifische Blocker von IL-23 umfangreich getestet.
Das Homing von Immunzellen in den Darm stellt ein besonders spannendes neues Feld in der CED-Therapie dar [4], [5], [6]. Der alpha4/beta7-Blocker Vedolizumab ist für die Therapie der CED zugelassen worden. Somit sind Medikamente, die das Homing sowie ggf. die Retention von Immunzellen im Darm steuern, für die Therapie der Erkrankung von Interesse. Vedolizumab hemmt das Eindringen von Immunzellen, also insbesondere Effektor-T-Zellen, in den Darm. Weitere Konzepte befinden sich in klinischer Testung. Der beta7-Integrin-Antikörper Etrolizumab blockiert sowohl alpha4/beta7 sowie das Integrin alphaE/beta7 und wird derzeit in klinischen Phase-3-Studien bei CED getestet. Hemmer für sog S1P1-Rezeptoren sind aktuell ebenfalls in klinischen Studien bei CED. Hierzu gehören beispielsweise Etrasimod und Ozanimod, welche die Retention von Immunzellen in Lymphknoten steuern. Diese Substanzen sind jedoch noch nicht zur CED-Therapie zugelassen, hierbei sind die Daten der Phase-3-Studie abzuwarten.
Beim Feld der Zytokinhemmung gilt aktuell das besondere Interesse der klinischen Entwicklung von Hemmern von Janus-Kinasen. Am weitesten fortgeschritten ist hier die klinische Entwickung von Tofacitinib, wobei hierzu positive Ergebnisse aus Phase-3-Studien vorliegen, eine Zulassung für die Colitis ulcerosa ist erfolgt. Die Jak1-Hemmer Filgotinib und Upadacitinib werden in Phase-3-Studien getestet.
Die neuen Therapieansätze basieren auf einem verbesserten Verständnis der Pathogenese und der Therapie; weitere neue Therapiekonzepte sind in Kürze zu erwarten.
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Interessenkonflikt
Beratung von Abbvie, MSD, Janssen, Roche, Takeda, Pentax, PPM.
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Literatur
- 1 Danese S, Fiocchi C. Ulcerative colitis. N Engl J Med 2011; 365: 1713-1725
- 2 Sandborn WJ, Gasink C, Gao LL. et al. Ustekinumab induction and maintenance therapy in refractory Crohnʼs disease. N Engl J Med 2012; 367: 1519-1528
- 3 Neurath MF. Targeting immune cell circuits and trafficking in inflammatory bowel disease. Nat Immunol 2019; 20: 970-979
- 4 Feagan BG, Rutgeerts P, Sands BE. et al. Vedolizumab as induction and maintenance therapy for ulcerative colitis. N Engl J Med 2013; 369: 699-710
- 5 Sandborn WJ, Feagan BG, Rutgeerts P. et al. Vedolizumab as induction and maintenance therapy for Crohnʼs disease. N Engl J Med 2013; 369: 711-721
- 6 Fischer A, Zundler S, Atreya R. et al. Differential effects of alpha4beta7 and GPR15 on homing of effector and regulatory T cells from patients with UC to the inflamed gut in vivo. Gut 2016; 65: 1642-1664
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Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
17. November 2021
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Literatur
- 1 Danese S, Fiocchi C. Ulcerative colitis. N Engl J Med 2011; 365: 1713-1725
- 2 Sandborn WJ, Gasink C, Gao LL. et al. Ustekinumab induction and maintenance therapy in refractory Crohnʼs disease. N Engl J Med 2012; 367: 1519-1528
- 3 Neurath MF. Targeting immune cell circuits and trafficking in inflammatory bowel disease. Nat Immunol 2019; 20: 970-979
- 4 Feagan BG, Rutgeerts P, Sands BE. et al. Vedolizumab as induction and maintenance therapy for ulcerative colitis. N Engl J Med 2013; 369: 699-710
- 5 Sandborn WJ, Feagan BG, Rutgeerts P. et al. Vedolizumab as induction and maintenance therapy for Crohnʼs disease. N Engl J Med 2013; 369: 711-721
- 6 Fischer A, Zundler S, Atreya R. et al. Differential effects of alpha4beta7 and GPR15 on homing of effector and regulatory T cells from patients with UC to the inflamed gut in vivo. Gut 2016; 65: 1642-1664