Aktuelle Rheumatologie 2021; 46(06): 561-571
DOI: 10.1055/a-1638-7663
Übersichtsarbeit

Rheumatologische Erkrankungen und der Gastrointestinaltrakt

Rheumatic Diseases and the Gastrointestinal Tract
Jochen Maul
1   Medizinische Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charite Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland
2   MVZ für Gastroenterologie am Bayerischen Platz, Berlin, Deutschland
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Die meisten rheumatologischen Krankheitsbilder können Einfluss auf den Gastrointestinaltrakt haben. Dabei können intestinale Manifestationen (z. B. rheumatoide Vaskulitis, IgG4-assoziierte Pankreatitis, IgG4-assoziierte Cholangitis, Lupus-Enteritis, Polyarteriitis nodosa, Purpura Schoenlein-Henoch, nekrotisierende Vaskulitis), assoziierte intestinale Erkrankungen (chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED), Zöliakie) und intestinale Komplikationen der rheumatologischen Erkrankung (z. B. Amyloidose, erosive Refluxerkrankung bei Sklerodermie) bzw. ihrer Behandlung (z. B. NSAR-Magenulcus, MTX-Mukositis, Soor-Ösophagitis, intestinale Tuberkulose, ulzerierende HSV-Ösophagitis, CMV-Kolitis) voneinander abgegrenzt werden. Dadurch kommen gastrointestinale Symptome bei Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen sehr häufig vor. Die Diagnosestellung (er)fordert Gastroenterologen im interdisziplinären Behandlungsnetzwerk mit Rheumatologen. Insbesondere bei Behandlung von CED ergeben sich für die überschneidenden Zulassungsindikationen der zur Verfügung stehenden Medikamente in der interdisziplinären Absprache zwischen Rheumatologen und Gastroenterologen synergistische Behandlungsoptionen.


#

Abstract

Most rheumatological disorders may have an impact on the gastrointestinal tract. In this context, intestinal manifestations of rheumatological disease (e. g., rheumatoid vasculitis, IgG4-associated pancreatitis and cholangitis, lupus enteritis, polyarteritis nodosa) should be distinguished from associated intestinal diseases (e. g., inflammatory bowel disease (IBD), celiac disease), intestinal complications of the disease (e. g., amyloidosis, reflux disease in sclerodermia) or intestinal complications of their treatment (e. g., gastrointestinal ulcers (NSAID), mucositis (MTX), oesophageal candidiasis, intestinal tuberculosis, herpes oesophagitis, CMV colitis in immunosuppressive therapy). As a result, gastrointestinal symptoms are very common in patients with rheumatological diseases. The correct diagnosis can be only established by the interdisciplinary approach of gastroenterologists and rheumatologists. Especially in the treatment of IBD, synergistic treatment options arise from the overlapping approval of the available drugs in the interdisciplinary consultation between rheumatologists and gastroenterologists.


#
Abkürzungen

CED chronisch-entzündliche Darmerkrankung

CMV Cytomegalie-Virus

COX Cyclooxigenase

CU Colitis ulcerosa

DMARD Disease-modifying anti-rheumatic drug

GI Gastrointestinaltrakt

HSV Herpes-simplex-Virus

i. v. intravenöse Applikation

MC Morbus Crohn

MTX Methotrexat

NSAR nicht-steroidale Antirheumatika

PAN Polyatheriitis nodosa

PsA Psoriasis-Arthritis

RA rheumatoide Arthritis

s.c. subkutane Applikation

SLE systemischer Lupus erythematodes

W Wochen

Einleitung

Die meisten rheumatologischen Krankheitsbilder können – als Systemerkrankungen – Einfluss auf den Gastrointestinaltrakt (GI) haben. Dabei können intestinale Manifestationen, assoziierte intestinale Erkrankungen und intestinale Komplikationen der rheumatologischen Erkrankung bzw. ihrer Behandlung pathopysiologisch voneinander abgegrenzt werden ([Tab. 1]) entsprechend dem Konzept der extraintestinalen Beteiligung bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen [1]. Bei den intestinalen Manifestationen spielen die gleichen Pathomechanismen, z. B. an intestinalen Gefäßen bei Vaskulitis, eine Rolle oder es kommt zu einem immunologischen „Cross-Talk“ zwischen rheumatisch-befallenem Organsystem und dem GI. Insbesondere der Interkation eines veränderten intestinalen Mikrobioms mit dem Immunsystem über Antigen-Präsentation, Zytokin-Produktion und Lymphozyten-Aktivierung wird hier eine Trigger-Funktion eingeräumt [2] [3]. Bei der rheumatoiden Arthritis (RA) finden sich eine Korrelation der Krankheitsaktivität (DAS28) mit LPS-produzierende Bakterien [4]. Eine veränderte Diversität des Mikrobioms bzw. eine Dysbiose korreliert zur Veränderung der Krankheitsaktivität bei systemischem Lupus erythematodes (SLE), primärem Sjögren-Syndrom oder Sklerodermie [5] [6] [7]. Assoziierte intestinale Erkrankungen wie Zöliakie oder chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) sind nicht-rheumatologisch-spezifische Erkrankungen, die durch eine – am ehesten genetisch-bedingte – Suszeptibilität auftreten. Dagegen sind intestinale Komplikationen meist strukturelle Veränderungen, die nicht durch einen immunologischen „Cross-Talk „bedingt sind, wie die gastrointestinalen Nebenwirkungen der Rheuma-Therapie.

Tab. 1 Gastrointestinale Manifestation, assoziierte gastrointestinale Erkrankung und gastrointestinale Komplikation bei rheumatologischen Erkrankungsbildern.

gastrointestinale Manifestation

assoziierte gastrointestinale Erkrankung

gastrointestinale Komplikation

Pathomechanismus

gleicher Pathomechanismus oder immunologischer „Cross-Talk“ zwischen rheumatisch-befallenem Organsystem und Gastrointestinaltrakt

nicht-rheumatologisch-spezifische Erkrankung, die durch eine – am ehesten genetisch-bedingte – Suszeptibilität auftritt.

strukturelle Veränderung, die nicht durch einen immunologischen Cross-Talk bedingt ist

Beispiele

  • rheumatoide Vaskulitis des Gastrointestinaltraktes

  • IgG4-assoziierte Pankreatitis

  • IgG4-assoziierte Cholangitis

  • Lupus-Enteritis

  • intestinale Polyarteriitis nodosa

  • intestinale Purpura Schoenlein-Henoch

  • intestinale nekrotisierende Vaskulitis

  • CED

  • Zöliakie

  • intestinale Amyloidose bei RA

  • erosive Refluxerkrankung bei Sklerodermie

  • NSAR-Ulkus

unter Immunsuppression:

  • MTX-Mukositis

  • Soor-Ösophagitis

  • intestinale Mykobakteriose

  • ulzerierende HSV-Ösophagitis

  • CMV-Kolitis

Dabei reagiert der Gastrointestinaltrakt klinisch und endoskopisch-morphologisch mit einem begrenzten Repertoire (Bauchschmerz, Übelkeit, Erbrechen, Dysphagie, Diarrhö, Obstipation, Mangelernährung – Erythem, Erosion, Ulcera) und die Herausforderung besteht in der entsprechenden Differentialdiagnose bzw. Assoziation.

Die folgenden Ausführungen beschränken sich im Wesentlichen auf Speiseröhre sowie Magen, Dünn- und Dickdarm. Lebermanifestationen werden gesondert in einen weiteren Beitrag dieser Ausgabe besprochen.


#

Gastrointestinale Manifestation rheumatologischer Erkrankungen

Rheumatoide Arthritis

Wie bei CED können Patienten mit RA zum einen Manifestationen der Erkrankung sowie Komplikationen am GI entwickeln, zum anderen auch assoziierte Erkrankungen ([Tab. 2]).

Tab. 2 Gastrointestinale Beteiligung bei rheumatoider Arthritis [8.]

Organ

Beteiligung

Manifestation

Komplikation

Assoziation

Mund

Sjögren-Syndrom

enorale Ulzerationen

rheumatoide Vaskulitis

Ösophagus

rheumatoide Vaskulitis

Dysphagie (durch Amyloidose,Thorax-Deformität, usw.)

Magen

rheumatoide Vaskulitis

gastrointestinale Blutung, Motilitätsstörung durch Amyloidose

Dünndarm

rheumatoide Vaskulitis

Amyloidose

Zöliakie

CED

Dickdarm
Pankreas

rheumatoide Vaskulitis

Amyloidose

CED

Autoimmunpankreatitis

CED chronisch-entzündliche Darmerkrankung.

Rheumatoide Vaskulitis des GI

Die rheumatoide Vaskulitis ist eine seltene Manifestation an Dünn- und Dickdarm, meist bei Patienten mit langdauernder seropositiver, erosiver oder nodulärer RA. Das gastroenterologisch-klinische Bild zeigt meist einen Gewichtsverlust, abdominelle Schmerzen und eine Hepatosplenomegalie, manche Patienten haben Fieber. Ein Drittel der Patienten haben zudem weitere Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, teilweise auch Hämatochezie oder Teerstuhl. In der Endoskopie findet man bei einem Drittel der Patienten Ulcera, die über den gesamten GI-Trakt auftreten können, aber auch Befunde, die makroskopisch einer Pancolitis ulcerosa oder eines strikurierenden M. Crohn ähneln ([Abb. 1]). Seltene Komplikationen sind Darmischämie oder -perforation [8]. Systematische Untersuchungen zur Therapiewirksamkeit bei schwerer Manifestation existieren nicht, empirisch wird Cyclophosmamid in Kombination mit Steroiden oder Rituximab verwendet. Eine anti-TNF-Therapie wird kontrovers diskutiert, da diese ebenfalls paradox eine Vaskulitis triggern kann. Differentialdiagnostisch muss eine vaskulitische Beteiligung des Gastrointestinaltraktes bei Polyarteriitis nodosa abgegrenzt werden.

Zoom Image
Abb. 1 Endoskopisches Bild bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. a) Schwere Colitis ulcerosa (endoskopischer Schweregrad-Score Mayo 3): Verlust der Haustrierung, spontane Blutungen, Verletzlichkeit der Schleimhaut, Fibrinexsudate, Erosionen, Ulcera. b Schwerer Morbus Crohn: Verlust der Haustrierung, residuale Mukosa mit postinflammatorischen Polypen zwischen Schneckenspur-Ulcera.

#
#

Amyloidose

Die AA-Amyloidose ist eine seltene Komplikation chronisch-entzündlicher Erkrankungen, insbesondere der RA. Sie manifestiert sich bei bis zu 2/3 der Patienten auch mit Symptomen des GI wie Gewichtsverlust, Diarrhö, Bauchschmerzen, Refluxbeschwerden, Motilitätsstörungen, z. B. einer Dysphagie bei Befall des Ösophagus, oder gastrointestinalen Blutungen durch vermehrte Gefäßverletzlichkeit. Selten wurden auch ein intestinales Eiweißverlust-Syndrom oder eine Malabsorption beschrieben.

Die Behandlung umfasst in erster Linie die Therapie der Grunderkrankung, zudem können TNFalpha- u. IL-6-Rezeptor-Inhibitoren zur Behandlung eingesetzt werden [8].


#

Axiale Spondylarthritis

Entzündliche gastrointestinale Prozesse und Mukosa-Läsionen werden ileokolonoskopisch bei 30 bis 60% der Patienten, vor allem bei HLA-B-27-negativen Spondylarthritis-Patienten gefunden.


#

IgG4-assoziierte Erkrankungen

Darmbeteiligungen im Rahmen einer IgG4-assoziierten Erkrankung sind im Gegensatz zu Gallengangs- oder Pankreasmanifestationen sehr selten und äußern sich dann meist als gastrointestinale Blutung.


#

Polyarteriitis nodosa (PAN)

Die PAN, als nekrotisierende fokal-segmentale Vaskulitis, involviert bei 14–65% der Patienten auch den GI, dabei neben der Gallenblase meist den Dünndarm. Patienten haben durch die dadurch versursachte mesenteriale Ischämie häufig postprandiale Bauchschmerzen („Angina abdominalis“). Zudem können Übelkeit, Erbrechen, Teerstuhl, Hämatochezie, Diarrhö oder Obstipation auftreten. Bei transmuraler Ischämie des Darmes kann sich eine Nekrose bis zur Perforation, die mit einer hohen Letalität verbunden ist, entwickeln. Diagnostisch fallen bei der abdominellen Angiographie Mikroaneurysmen auf, die Diagnose kann histologisch bestätigt werden [9].


#

Purpura Schoenlein-Henoch

Bei der Purpura Schoenlein-Henoch des GI haben die Patienten Bauchschmerzen, Erbrechen und Diarrhö und können massive rektale Blutungen zeigen [10]. Endoskopische Korrelate der Purpura können sich über den GI als multiple Rötungen, Erosionen und insbesondere im Duodenum als Ulzerationen zeigen [11].


#

Sjögren-Syndrom

Sowohl das primäre als auch insbesondere das mit der RA vorkommende sekundäre Sjögren-Sydnrom zeigen gastrointestinale Beteiligungen. Durch die Xerostermie kann es zu einer Dysphagie kommen, aber auch zu einer generellen Molititätsstörung des Ösophagus. Bei Sjögren-Patienten findet sich manchmal eine chronisch-atrophe Gastritis mit konsekutiver Achlorhydrie, Hypopepsinogenämie und substitutionsbedürftigem Vitamin-B12-Mangel, selten eine intestinale Beteiligung mit intestinalem Eiweißverlustsyndrom [8].


#

Sklerodermie

Zur Pathophysiologie der Sklerodermie am GI wird eine Neuropathie, die über eine Myopathie zur Fibrose fortscheiten kann, vorgeschlagen. Dabei spielen fibro-proliferative vaskuläre Läsionen mit der Produktion von Zytokinen und profibrotischen Wachstumsfaktoren eine Rolle [12]. Bei Beteiligung der Mundhöhle kann die periorale Fibrose, sublinguale Frenulum-Verdickung oder ein sekundäres Sjögren-Syndrom durch die eingeschränkte Mundöffnung zur Mangelernährung führen. Der Ösophagus ist bei bis zu 90% der Patienten betroffen und es findet sich als typischer Befund in der Ösophagusmanometrie eine verminderte Peristaltik der unteren zwei Drittel des Ösophagus mit Tonusverminderung des unteren Ösophagussphinkters. Jedoch beklagen nur 2/3 der Patienten Sodbrennen, Regurgitation oder Dysphagie. Die konsekutive erosive Refluxerkrankung (GERD) kann zu chronischem Husten, Asthma, sowie zu Ösophagusstenosen und zum Barrett-Ösophagus mit erhöhtem Ösophaguskarzinom-Risiko führen. Barrett-Patienten sollten regelmäßig eine Vorsorge-Ösophagogastroskopie erhalten. Eine Gastroparese, die zu einem schnellen Sättigungsgefühl, Übelkeit und Bauchschmerzen führt, kann mit Magenentleerungsuntersuchungen (Magenentleerungsszintigraphie oder Oktansäure-Exhalationstest) diagnostiziert werden. Es kann auch zur Ausbildung eines GAVE-Syndroms (gastrale antrale vaskuläre Ektasien [Abb. 2]). kommen, welches zu einer Eisenmangelanämie führen kann. Ein GAVE-Syndrom wird meist durch endoskopische Argon-Plasma-Koagulation (APC) oder Gummiband-Ligatur behandelt. Eine verminderte Magensäuresekretion und Hypomotilität führt bei 50% der Patienten zu einer bakteriellen Fehlbesiedlung des Dünndarms (SIBO). Die Diagnose wird über Atemtests gestellt und antibiotisch behandelt. Zur Motilitätssteigerung des oberen Gastrointestinaltraktes können Prokinetika (z. B. Metoclopramid, Domperidon) eingesetzt werden. Bei Dickdarm-Symptomatik steht eine Obstipation im Vordergrund, selten kommt es zur Impaktation, Megakolon, Transversum- u. Sigmavolvulus, Stenosen oder Teleangiektasien. Bis zu 40% der Patienten berichten über eine Stuhlinkontinenz durch Beteiligung des inneren Schließmuskel-Apparates.

Zoom Image
Abb. 2 GAVE-Syndrom (gastrale antrale vaskuläre Ektasien; Abbildung zur Verfügung gestellt von PD Dr. Christian Bojarski, Charité – Campus Benjamin Franklin, Berlin)

#

Systemischer Lupus erythematodes

Eine gastrointestinale Beteiligung bei Lupus ist eher selten (0,2–5,8% der Lupus-Patienten). Die Lupus-Enteritis manifestiert sich als mesenteriale Vaskulitis oder als intestinale Pseudoobstruktion (Motilitätsstörung ohne Nachweisbare organischer, systemischer oder metabolischer Störungen oder fassbaren Verschluss) und geht mit abdominellen Scherzen einher. Zudem kann es zu einer Eiweiß-Verlust-Enteropathie (Ödeme mit sekundärer Hypalbuminämie durch Eiweißverlust über den GI) kommen. Sie betrifft in erster Linie den Dünndarm und geht mit abdominellen Schmerzen einher [13].


#

Granulomatose mit Polyangiitis (ehemals Wegener-Granulomatose)

Beteiligungen des GI durch eine nekrotisierende Vaskultis werden kasuistisch als schwere Krankheitsverläufe berichtet. Im Vordergrund stehen beim Patienten starke abdominelle Schmerzen [14].


#
#

Häufige mit rheumatologischen Erkrankungen assoziierte gastrointestinale Erkrankungen

CED

Häufig werden sich CED-Patienten beim Rheumatologen wegen extraintestinalen Manifestationen der CED vorstellen ([Tab. 3]). Dabei werden extraintestinale Manifestationen von CED-assoziierten Erkrankungen und Komplikationen der CED unterschieden [1].

Tab. 3 Häufige rheumatologische extraintestinale Manifestationen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

Arthritis

periphere Arthritis

Spondylarthritis

Sakroileitis

ankylosierende Spondylitis

Unterschiedliche Pathomechanismen werden mit der Entstehung einer extraintestinalen Manifestation in Zusammenhang gebracht, u. a. Kreuzreaktivität auf mikrobielle Antigene, Expression von Darmadhäsionsmolekülen und Chemokinen außerhalb des Gastrointestinaltraktes, Antigen-Mimikry, zirkulierende Antikörper, unspezifisch-vermittelte T-Zell-Migration, oder systemische Veränderungen des angeborenen Immunsystems – insbesondere über genetische Varianten [15].

Gelenkmanifestationen – Spondylarthritiden (SpA) – sind sehr häufige extraintestinalen Manifestationen und treten bei bis zu 13% der Patienten mit CED auf. Am häufigsten sind periphere Arthritiden (13%) gefolgt von der Sakroileitis (10%). Seltener ist die ankylosierende Spondylitis/der M. Bechterew (3%).

Die periphere Arthritis/Arthralgie bei CED-Patienten ist klinisch eine seronegative Arthritis und im Gegensatz zu anderen spezifischen Arthritis-Formen wie bei der RA oder Psoriasis-Arthritis (PsA) nur selten bzw. gering destruktiv [16] [17]. Zwar findet die Einteilung in eine Typ-1- (pauciartikulärer Typ - meist maximal 5 Gelenke betroffen; Gelenkentzündung geht mit CED-Aktivität einher) und Typ-2-Arthritis (polyartikulärer Typ - mehr als 5 Gelenke betroffen; Gelenkentzündung korreliert nicht mit CED-Aktivität) v. a. unter Gastroenterologen immer noch Anwendung, wird aber zunehmend von der ASAS-Klassifikation, die eine periphere von einer axialen Manifestation unterscheidet, abgelöst [18]. Die axiale SpA (Sakroileitis) äußert sich durch den entzündlichen Rückenschmerz, Manifestationen der peripheren SpA sind Arthritis (bei CED-Patienten eher große Gelenke betroffen), Enthesitis (meist Achilles-Sehe oder Fascia plantaris) und die bei CED selten auftretende Daktylitis [19]. Da fast 10% der Morbus-Crohn (MC)-Patienten als assoziierte Erkrankung eine Psoriasis haben, findet sich auch ein erhöhtes Risiko (RR 1,52) für eine PsA bei diesen Patienten.

Bei axialer SpA sind bekanntermaßen intensive Physiotherapie und kurzzeitige NSAR-Gaben Effektiv, eine Langzeitgabe wird insbesondere wegen des Auslösens von Schüben der CED vermieden. Dabei können selektive COX2-Inhibitoren von CED-Patienten häufig besser toleriert werden. Sulfasalzin und MTX sind nur wenig wirksam, so dass eine frühzeitige anti-TNFalpha-Therapie im Vordergrund steht. Im Gegensatz dazu können MTX und Sulfasalzain bei der peripheren Arthritis hilfreich sein, aber auch kurzzeitige orale Steroid- oder NSAR-Gaben oder lokale Steroid-Injektionen. Oft genügt meist die effektive Behandlung der zugrunde liegenden CED. Bei Therapie-resistenten Fällen spielt auch hier eine anti-TNF-Therapie eine Rolle [20].

Zwar scheint es eine Assoziation von SLE und MC zu geben. Davon muss jedoch ein durch eine anti-TNF-Therapie induziertes Lupus-like-Syndrom bei CED abgegrenzt werden [13].

Die anti-TNF-Therapie ist eine Standardtherapie für CED-Patienten mit Biologika-Indikation. Eine Biologika-Indikation kann bei CED gestellt werden, wenn die Erkrankung bei mäßig bis schwergradiger Aktivität auf eine konventionelle Therapie (Steroide, Azathioprin, MTX) unzureichend angesprochen hat oder nicht mehr darauf anspricht bzw. wenn Unverträglichkeiten oder Kontraindikationen für eine entsprechende Behandlung vorliegen.

Während Infliximab und Adalimumab für die Therapie von M. Crohn u. Colitis ulcerosa zugelassen sind, liegt für Golimumab nur eine Zulassung für die Behandlung der Colitis ulcerosa vor. Die Dosierungen zur CED-Therapie, insbesondere in der Induktionstherapie, liegen in der Regel über den Dosierungen für rheumatologische Erkrankungen ([Tab. 4]). Dies gilt u. a. auch für Ustekinumab, das ebenfalls für M. Crohn und Colitis ulcerosa zugelassen ist. Zudem kann der Jak-Inhibitor Tofacitinib – ebenfalls in einer höheren Induktions- u. ggf. Erhaltungsdosis als in der Rheumatologie üblich (10 mg 2x/Tag) - für die Behandlung der Colitis ulcerosa eingesetzt werden. So ergeben sich für die überschneidenden Zulassungen der CED- und Rheuma-Medikation in der interdisziplinären Absprache synergistische Behandlungsoptionen.

Tab. 4 Zugelasssene Biologika zur CED-Therapie.

MC

CU

zugelassene Dosierung

Induktion

Erhaltung

Eskalation

Infliximab i. v., s.c.

X

X

5 mg/kg KG
Woche 0, 2, 6

i. v. 5 mg/kg KG
alle 8 w
s.c. 120 mg
alle 2 w

10 mg/kg KG
alle 8 w
od. 5 mg/kg
alle 4 w

Adalimumab s.c.

X

X

160–80–80 mg/14 d
80–80–40 mg/14 d

40 mg/14 d

40 mg/7 d
80 mg/14 d

Golimumab s.c.

X

200 bzw. 100 mg/14 d
in abh. des KG

<80 kg:
50 mg/4 w
>80 kg:
100 mg/4 w

<80 kg:
100 mg/4 w

Vedolizumab i. v., s.c.

X

X

i. v. 300 mg
Woche 0, 2, 6

i. v. 300 mg/8 w
s.c. 108 mg/2w

i. v. 300 mg/4 w

Ustekinumab Induktion: i. v., Erhaltung: s.c.

X

X

6 mg/kg KG
einmalig i. v.

s.c. 90 mg/12 w

s.c. 90 mg/8 w

CU Colitis ulcerosa; MC Morbus Crohn; i. v. intravenöse Applikation; w Wochen; s.c. subkutane Applikation.

Als weiteres Biologikum, das ausschließlich zur CED-Therapie zugelassen ist, steht Vedolizumab zur Verfügung – ein α4β7-Integrin-Antikörper, der das Einwandern von Leukozyten über MAdCAM-Rezeptoren in den Darm verhindert ([Tab. 4]).[21] [22]

Zöliakie

Das klassische klinische Bild mit Malnutrition und chronischer Diarrhö liegt heute nur noch selten vor – man kann eine Verschiebung der Patientenpopulation hin zu etwas älteren, wenig bis asymptomatischen Patienten beobachten, bei denen extraintestinale Symptome, z. B. Hautveränderungen, Leber-/Laborwerterhöhungen, endoskopisches Bild bei der Ösophagogastroduodenoskopie ([Abb. 3]), usw. initial auffallen.

Zoom Image
Abb. 3 Endoskopisches Bild normaler Dünndarmschleimhaut und bei Zöliakie. a Normale Dünndarmschleimhaut mit zartem Zottenrelief (bei 8 Uhr Papilla major). b Verplumpt-wirkende Schleimhaut mit fehlendem Zottenrelief bei Zöliakie.

Es besteht eine Assoziation der Zöliakie mit der RA, juveniler/idiopathischer Arthritis, SLE, Weichteilrheuma, wobei das Sjögren-Syndrom am häufigsten mit einer Zöliakie assoziiert ist. Interessanterweise sind mehr als die Hälfte der Sjögren-Syndrom-Patienten HLA-DQ2 positiv- wie ein Großteil der Zöliakie-Patienten. Auf der anderen Seite werden rheumatologische Symptome wie Arthritis/Arthralgie, Morgensteifigkeit, entzündlicher Rückenschmerz, Enthesiopathie, subklinische Synovitis und Sakroileitis bei Zöliakie-Patienten beschrieben [23]. Zur Diagnosestellung der Zöliakie gehören normalerweise positive Gewebs-Transglutaminase-IgA-Antikörper (tTG-IgA-Ak) oder Endomysium-IgA-Antikörper (EmA-IgA-Ak). Die Bestimmung von Antikörpern gegen natives Gliadin sollte wegen der deutlich schlechteren Sensitivität und Spezifität nicht mehr durchgeführt werden. Zur Diagnosesicherung gehört zudem eine positive Histologie (Marsh 2 oder Marsh 3) und die serologischen Besserung unter Gluten-freier Diät (GFD).


#
#
#

Gastrointestinale Nebenwirkungen bei rheumatologischer Therapie

Eine Übersicht findet sich in [Tab. 5].

Tab. 5 Gastrointestinale Nebenwirkungen bei rheumatologischer Therapie.

NSAR

Ulzera

gastrointestinale Blutung

NSAR-assoziierte Kolitis

Steroide

Soorösophagitis

Ulzera (in Kombination mit NSAR)

Darmperforation (in Kombination mit NSAR od. Immunsuppressiva)

DMARD

 MTX

Übelkeit, Bauchschmerzen, Diarrhö

 Leflunomid

Übelkeit, Bauchschmerzen, Diarrhö

 Hydrocholoroquin

Übelkeit, Bauchschmerzen

 Sulfasalazin

Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Diarrhö

 Azathioprin

JAK-Inhibitor

 Tofacitinib

Übelkeit, Bauchschmerzen, Diarrhö

Gastritis

GI-Infektionen

Darmperforation

Biologika

 IL-17-Inhibitoren (Brodalimumab, Ixekizumab, Secukinumab)

„Demaskierung“/Exazerbation einer CED

 TNF-Inhibitoren (Adalimumab, Etanercept, Infliximab, Golimumab, Certolizumab) im Speziellen Etancercept

Übelkeit, Bauchschmerzen

GI-Infektionen

„Demaskierung“/Exazerbation einer CED

Abatacept

Dyspepsie

Rituximab

Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Diarrhö

intestinale Obstruktion

Darmperforation

(persistierende) GI-Infektionen

Tocilizumab

Bauchschmerzen

Gastritis

Darmperforation

GI-Infektionen

CED chronisch-entzündliche Darmerkrankung; DMARD Disease-modifying anti-rheumatic drug; GI Gastrointestinaltrakt; MTX Methotrexat.

NSAR

NSAR sind bekannt für gastrointestinale Nebenwirkungen wie Ulzera oder konsekutive gastrointestinale Blutungen [24]. Dabei können die Läsionen endoskopisch einer CED-Manifestation ähneln ([Abb. 1]). Sie hemmen die Cycoloxigenase (COX)-1und führen damit zur Inhibition der Mukosa-protektiven Prostaglandinsynthese, während COX-2-Isoformen Entzündung mediieren. Auf der anderen Seite werden vermehrte kardiovaskuläre Ereignisse unter reinen COX2-Inhibitoren wie Celecoxib und Etoricoxib in Metaanalysen vermutet [24] [25] [26]. In zwei älteren Studien zur NSAR-Therapie der Arthritis/Osteoarthritis wurde bereits gezeigt, dass es zu weniger gastrointestinalen Ulzerationen unter selektiven COX2-Inhibitoren im Vergleich zu nicht COX-selektiven NSAR kommt [27] [28]. In der CLASS-Studie, bei der Celecoxib mit der Einnahme von Ibuprofen und Diclofenac bezüglich des Ulkus-Auftretens verglichen wurde, war ein statistisch signifikanter Benefit für Celecoxib nur nachzuweisen, wenn niedrigdosiertes Aspirin vermieden wurde [29]. In der PRECISION-Studie zeigte Celecoxib (100–200 mg 3x/Tag) im Vergleich mit Ibuprofen (600–800 mg 3x/Tag) oder Naproxen (375–500 mg 2x/Tag) bei einer mittleren Einnahme von fast zwei Jahren in einer modifizierten Intention-to-Treat (ITT)-Analyse ein geringeres Auftreten gastrointestinaler Nebenwirkungen (HR Celecoxib vs Ibuprofen 0,43 (95%; CI 0,27–0,68, P=0,0003; Celecoxib vs Naproxen 0,51; 95% CI 0,32–0,81, P=0,004) – unabhängig von einer konkomitanten niedrig-dosierten Aspirin- oder PPI-Einnahme (NB: in der ITT-Analyse kein Unterschied der drei Arme). Auch das Auftreten einer Eisenmangelanämie als Surrogat für gastrointestinale Blutungen war in einem ähnlichen Ausmaß für Celecoxib im Vergleich zu Ibuprofen u. Naproxen reduziert (HR 0,43; 95% CI 0,27–0,68, P=0,0003) vs Ibuprofen; 0,40; 95%CI 0,25–0,62; P<0.0001) vs Naproxen). Ergänzend ist zu erwähnen, dass Patienten mit einer vorausgegangnene GI-Blutung unter NSAR ein deutliches erneute Blutungsrisiko bei Wiederaufnahme der NSAR-Medikation haben [30].

Kortikosteroid

Das Risiko von gastrointestinalen Ulzerationen unter alleiniger Steroid-Therapie ist entgegen einer häufigen Annahme gering [31], jedoch besteht in Kombination mit NSAR ein deutlich höheres Risiko (bis zu fünffach erhöht) für gastrointestinale Blutungsereignisse [32]. Auch ein erhöhtes Risiko für Perforationen, insbesondere in der Kombinationstherapie mit anderen Immunsuppressiva oder NSAR lässt sich darstellen. Eine Assoziation der oralen Steroid-Therapie mit dem vermehrten Auftreten von akuten Pankreatitiden bzw. einer Soor-Ösophagitis wird diskutiert [31] [33] [34].


#
#

DMARD

MTX

Bekannter Weise sind die häufigen von den Patienten angegebenen Nebenwirkungen eine gastrointestinale Symptomatik mit Diarrhö und Übelkeit, insbesondere auch im Vergleich zu Leflunomid (OR 1,44; 95%CI 1,17–1,79) [35]. Endoskopisch kann eine Mukositis gesehen werden.


#

Leflunomid

Unter Leflonamid wird als häufigste Nebenwirkung Diarrhö von den Patienten angegeben [35].


#
#

Biologika

aTNF

Eine anti-TNFa-Therapie kann Übelkeit, Bauchschmerzen und opportunistische GI-Infektionen bei Patienten verursachen. Während Adalimumab, Infliximab, Golimumab, und Certolizumab anti-TNF-Antikörper sind und auch für die CED-Therapie eingesetzt werden (keine Zulassung von Certolizumab zur CED-Therapie in Deutschland), ist Etanercept ein löslicher aTNF-Rezeptor und mit einem erhöhten Risiko für die Manifestation einer CED assoziiert [36].


#

Anti-IL17

Die anti-IL17A-Inhibioren Ixekizumab und Secukinumab sind in Deutschland neben der Psoriasis auch für die Behandlung der PsA und axialen SpA zugelassen. Die IL-23-/TH17-Achse ist an der Immunabwehr der Schleimhaut und der epithelialen Regeneration beteiligt. Präklinische Studien belegen eine protektive Rolle von IL-17- und IL-17-produzierenden γδ-T-Zellen im Darm. In klinischen Studien zu IL-17-Inhibitoren sind neu auftretende Fälle sowie Exazerbationen von MC und CU beobachtet worden [37]. Zudem kann es auch zu einer „Demaskierung“ einer bisher inapparenten CED kommen. Vermutlich handelt es sich um einen Gruppeneffekt, so dass auch Brodalimumab, welches nur zur Therapie der schweren Psoriasis zugelassen ist, ähnliche Effekte haben könnte. Das Risiko liegt dabei nach Auswertung von Daten zu Ixekizumab vermutlich bei unter 1%. Trotzdem sollten Patienten vor der Behandlung mit einem anti-IL-17(A)-Antikörper gezielt nach CED-Symptomen (Diarrhö, chronisch-rezidivierende abdominelle Schmerzen) befragt werden und ggf. diesbezüglich abgeklärt werden (Ileokoloskopie) [38]. Ein Calprotectin-Screening vor Therapie-Beginn in diesem Zusammenhang wird diskutiert [39].


#

Rituximab

Unter der Therapie mit dem anti-CD20-Antikörper Rituximab können Patienten über Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Diarrhö berichten. Die intestinale Obstruktion ist eher eine Komplikation bei der onkologischen Therapie. Gastrointestinale Infektionen oder Perforationen unter Rituximab wurden bei rheumatologischen Erkrankungen insbesondere in der Kombination mit Steroiden gesehen [40] [41]. Zudem kann es durch einen prolongierten Immunglobulin-Mangel zu persistierenden GI-Infektionen, z. B. Norovirus-Infektion, kommen.


#

Tocilizumab

Tocilizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor zur Behandlung der RA, der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis und der Riesenzellarteriitis. Neben Bauchschmerzen und gastritischen Beschwerden kommt es unter Tocilizumab bei der Behandlung einer RA signifikant häufiger zu einer Perforation im Kolon als unter anti-TNFalpha-Therapie [41] [42]. Risikofaktoren hierfür sind höheres Alter (HR 1,16 pro 5 Jahre; 95% CI 1,10–1,22), Divertikulitis/andere GI-Erkrankungen (HR 3,25; 95% CI 1,62–6,50) und begleitende Steroid-Einnahme>7,5 mg/d (HR 2,29; 95% CI 1,39–3,78) [42].


#

Tofacitinib

Patienten, die mit dem JAK-Inhibitor Tofacitinib, der auch für die Behandlung der CU zugelassen ist, behandelt werden, berichten vermehrt über Übelkeit, Bauchschmerzen, Diarrhö und gastritischen Beschwerden. Im Vergleich zur aTNF-Therapie deuten Studien auch auf ein erhöhtes Risiko für eine gastrointestinale Perforation hin [42].


#
#
#

Gastrointestinale Infektionen unter Immunsuppression

Soorösophagitis

Die häufigste opportunistische Infektion des Ösophagus unter Immunsuppression ist die Soorösophagitis. Die Patienten beklagen dabei retrosternale Schmerzen, Dysphagie, Odyonophagie oder Refluxbeschwerden. Endoskopisch ist die Soorösophagitis meist eine Blickdiagnose mit weißlichen abstreifbaren Belägen auf der Ösophagusschleimhaut und kann durch eine Biopsie bestätigt werden. Im Gegensatz zur oropharyngealen Candidose ist eine topische Therapie häufig nicht erfolgreich, sodass primär eine systemische antimykotische Therapie erfolgen sollte (Fluconazol) [43]. Bei unzureichendem Ansprechen der Therapie sollte eine Resistenztestung mit gezielter Therapie erfolgen.


#

Mykobakterien-Infektion

Eine extrapulmonale Tuberkulose bzw. atypische Mykobakteriose mit Beteiligung des Gastrointestinaltraktes findet sich bei Patienten unter Immunsuppression häufiger als bei Patienten ohne immunsuppressive Therapie. Die Symptome der intestinalen Tuberkulose sind unspezifisch mit kolikartigen Bauchschmerzen durch eine Obstruktion (90–100%), Gewichtsverlust (66%), Fieber und veränderten Stuhlgewohnheiten. Zudem können Malabsorption, Übelkeit, Erbrechen oder gastrointestinale Blutungen auftreten [44]. In der Endoskopie finden sich mutlisegmentale, teils knotig-imponierde Ulcera ([Abb. 4]). Die Morphologie kann mit einer Manifestation eines M. Crohn verwechselt werden ([Abb. 1]). Die Diagnose-Sicherung erfolgt molekularbiologisch (PCR) oder immunhistologisch aus der Biopsie einer Läsion. Manchmal ist zum Nachweis auch eine Stuhl-Kultur (6–8 Wochen Kultur-Zeit!) nötig. Zur Therapie sind, wie bei der Tuberkulose-Behandlung üblich, anti-tuberkulöse Mehrfachantibiosen über einen längeren Zeitraum nötig [45].

Zoom Image
Abb. 4 Intestinale Myobakterien-Infektion mit knotig-imponierenden Ulcera.

#

Herpes-Simplex-Infektion

Eine HSV-Infektion des GI unter immunsuppressiver Therapie äußert sich meist als ulzerierende Ösophagitis oder Proktitis; ein Befall von Magen, Dünndarm oder Kolon ist selten [8]. Insbesondere die Manifestation als Proktitis kann leicht vom endoskopischen Aspekt her mit der Manifestation einer CED verwechselt werden [46]. Die Behandlung erfolgt durch eine systemische antivirale Therapie (Aciclovir, Valaciclovir).


#

CMV

Eine CMV-Infektion des GI unter Immunsuppression ist selten, kann jedoch den gesamten Magen-Darm-Trakt betreffen (Ösophagitis, Gastritis ([Abb. 5]), Ileitis, Appendizitis, Kolitis). Klinische Symptome sind Fieber und in Abhängigkeit der Lokalisation der Manifestation Dysphagie, Bauchschmerz, Diarrhö, Übelkeit/Erbrechen und Teerstuhl/Hämatochezie [8] [47]. Bei CED-Patienten kommt es jedoch häufiger zu einer CMV-Reaktivierung mit Kolitis [22]. Endoskopisch finden sich typischerweise multiple aphtöse oder serpinginöse Ulzerationen. Die Diagnose erfolgt typischerweise immunhistochemisch ([Abb. 5]) oder über eine PCR aus der Biopsie einer Läsion. Die Therapie erfolgt antiviral-systemisch (Ganciclovir, Valganciclovir; Forscarnet in schweren Fällen) [47].

Zoom Image
Abb. 5 CMV-Infektion des Magens. a unspezifisches Bild mit chronischen Erosionen und fleckige Rötung im Antrum (zentral: Pylorus). b immunhistochemische Darstellung von pp65-positiven Zellen in der Magenschleimhaut (Abbildung zur Verfügung gestellt von Prof. Christoph Loddenkemper, PathoTres, Berlin).

#
#

Zusammenfasssung

Gastrointestinale Symptome bei Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen kommen sehr häufig vor. Die Diagnosestellung (er)fordert Gastroenterologen im interdisziplinären Behandlungsnetzwerk mit Rheumatologen. Insbesondere bei Behandlung von CED ergeben sich für die überschneidenden Zulassungsindikationen der zur Verfügung stehenden Medikamente in der interdisziplinären Absprache zwischen Rheumatologen und Gastroenterologen synergistische Behandlungsoptionen.


#
#

Interessenkonflikt

Jochen Maul hat Berater-Honorar von Abbvie, AstraZeneca, Janssen-Cilag, und Takeda sowie Referenten-Honorar und Reisekosten-Erstattungen von Abbvie, Cellgene, Falk Foundation, Ferring, Fujifilm, Janssen-Cilag, MSD, Pfizer und Takeda erhalten. Er ist Sprecher des Berlin-Brandenburger Entzündungsnetzwerks (BEN-NET), Schatzmeister der Gesellschaft für Gastroenterologie Berlin-Brandenburg (GGHBB), Lehrbeauftragter und Gastwissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Referent, Gutachter u. Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- u. Stoffwechselerkrankungen (DGVS), Referent u. Mitglied des Berufsverbandes Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands (bng), Gutachter für die European Crohnʼs and Colitis Organisation (ECCO), Mitglied im Kompetenznetz CED (KN-CED) und Mitglied der German IBD Study Group (GISG).

Danksagung

PD Dr. Hildrun Haibel für die Diskussion relevanter Aspekte des Manuskripts, PD Dr. Christian Bojarski für endoskopisches Bildmaterial ([Abb. 2]) – beide Medizinische Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin; sowie Prof. Dr. Christoph Loddenkemper, PathoTres, Berlin, für histologisches Bildmaterial ([Abb. 5]).


Korrespondenzadresse

Dr. Jochen Maul
Gastroenterologie am Bayerischen Platz
Innsbrucker Str. 58
10825 Berlin
Deutschland   
Phone: +49/30/81459190   
Fax: +49/30/814591999   

Publication History

Article published online:
10 November 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom Image
Abb. 1 Endoskopisches Bild bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. a) Schwere Colitis ulcerosa (endoskopischer Schweregrad-Score Mayo 3): Verlust der Haustrierung, spontane Blutungen, Verletzlichkeit der Schleimhaut, Fibrinexsudate, Erosionen, Ulcera. b Schwerer Morbus Crohn: Verlust der Haustrierung, residuale Mukosa mit postinflammatorischen Polypen zwischen Schneckenspur-Ulcera.
Zoom Image
Abb. 2 GAVE-Syndrom (gastrale antrale vaskuläre Ektasien; Abbildung zur Verfügung gestellt von PD Dr. Christian Bojarski, Charité – Campus Benjamin Franklin, Berlin)
Zoom Image
Abb. 3 Endoskopisches Bild normaler Dünndarmschleimhaut und bei Zöliakie. a Normale Dünndarmschleimhaut mit zartem Zottenrelief (bei 8 Uhr Papilla major). b Verplumpt-wirkende Schleimhaut mit fehlendem Zottenrelief bei Zöliakie.
Zoom Image
Abb. 4 Intestinale Myobakterien-Infektion mit knotig-imponierenden Ulcera.
Zoom Image
Abb. 5 CMV-Infektion des Magens. a unspezifisches Bild mit chronischen Erosionen und fleckige Rötung im Antrum (zentral: Pylorus). b immunhistochemische Darstellung von pp65-positiven Zellen in der Magenschleimhaut (Abbildung zur Verfügung gestellt von Prof. Christoph Loddenkemper, PathoTres, Berlin).