Schlüsselwörter
PSMA - Mammakarzinom - Radioligandentherapie - Immunhistochemie - PET/CT
Abkürzungen
CT:
Computertomografie
ER:
Östrogenrezeptor
FOLH1:
Folathydrolase 1
FDG:
Fluordeoxyglucose
GCPI:
Glutamatcarboxypeptidase II
HR:
Hormonrezeptor
HUVEC:
Human umbilical Vein endothelial Cell
n. s.:
nicht signifikant
PET:
Positronenemissionstomografie
PR:
Progesteronrezeptor
PSMA:
prostataspezifisches Membranantigen
TNBC:
Triple negative Breast Cancer
SUV:
Standardized Uptake Value
VEGF:
Vascular endothelial Growth Factor
Einleitung
Das prostataspezifische Membranantigen (PSMA) ist für Mammakarzinompatientinnen ein
bedeutsamer, neuer Marker. Dieses Protein wurde nicht nur beim Prostatakarzinom nachgewiesen,
sondern wird auch von den Tumorzellen und den Endothelzellen der Tumorgefäße des Mammakarzinoms
exprimiert. Das PSMA spielt eine Rolle bei der Tumorprogression und Neubildung von
Tumorgefäßen. Aus diesem Grund wurden schon PSMA-gerichtete diagnostische und therapeutische
Verfahren entwickelt, welche vielversprechend zu sein scheinen.
Das PSMA könnte beim triple-negativen Mammakarzinom als Theranostik eine neue Alternative
darstellen. Dieses Review stellt eine Übersicht über die bisherige Datenlage des PSMAs
beim Mammakarzinom zusammen sowie über die bis dato verfügbaren diagnostischen und
therapeutischen Möglichkeiten, die PSMA-gerichtet sind.
Allgemeines zum PSMA
Das prostataspezifische Membranantigen (PSMA) ist ein Typ-II transmembranöses Protein,
welches auch Glutamatcarboxypeptidase II (GCPII), Folathydrolase I (FOLH1) oder N-acetyl-L-aspartyl-L-glutamat-Peptidase
I (NAALADase I) genannt wird [1]. Das PSMA kann in 3 Abschnitte unterteilt werden: 19 intrazelluläre, 24 transmembranöse
und 707 extrazelluläre Aminosäuren [2]. Das PSMA-Gen befindet sich auf dem kurzen Arm des Chromosoms 11 [3]. Es wurde erstmals auf der LNCaP-Zelllinie lokalisiert [4]. Die LNCaP-Zelllinie wurde ursprünglich aus einem tumorbefallenen Lymphknoten eines
Patienten, der an einem metastasierten Prostatakarzinom erkrankt war, isoliert [4].
Das PSMA hat unterschiedliche enzymatische Aktivitäten. Als Folathydrolase spaltet
es Polyglutamatketten von Folsäure ab [5]. Im zentralen Nervensystem entspricht es der NALAADase I [6]. Diese katabolisiert extrazelluläres N-acetyl-L-aspartyl-L-Glutamat (NAAG) in N-acetyl-Aspartat
(NAA) und Glutamat [7]. Wenn man die NALAADase inhibiert, kann die Menge an intrazerebral vorhandenem Glutamat
reduziert werden, und so auch, in präklinischen Modellen, beispielsweise bei neuropathischen
Schmerzen oder einem Schlaganfall neuroprotektiv wirken [8].
Das PSMA wird von gesundem und bösartigem Prostatagewebe exprimiert [8]. Beim Prostatakarzinom ist eine erhöhte PSMA-Expression mit negativen Prognosefaktoren,
wie beispielsweise einem höheren Tumorstadium, einem höheren Gleason Score oder der
Hormonrefraktärität des Tumors assoziiert [9], [10]. Es wird jedoch auch von weiteren Organen exprimiert, wie beispielsweise der Niere,
Blase oder den Speicheldrüsen [11], [12], [13]. Das PSMA ist bei verschiedenen Tumorentitäten auf den Tumorzellen, wie beispielsweise
dem Nieren-, Blasen-, oder Ovarialkarzinom und den tumorspezifischen Gefäßen, der
Tumorneovaskulatur, wie beispielsweise bei dem nicht kleinzelligen Lungenkarzinom,
aufzufinden [11], [14].
Bisherige Datenlage zur PSMA-Expression beim Mammakarzinom
Bisherige Datenlage zur PSMA-Expression beim Mammakarzinom
Das gesunde Brustdrüsengewebe scheint das PSMA auf den Epithelzellen, jedoch nicht
auf dem Endothel der Gefäße zu exprimieren [11], [15], [16]. Eine Übersicht über die bisherige Datenlage wurde in [Tab. 1] aufgelistet.
Tab. 1 Die Expression des prostataspezifischen Membranantigens beim Mammakarzinom und gesunden
Brustdrüsengewebe – immunhistochemischer Nachweis.
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Autor, Jahr der Publikation [Referenz]
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n
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Metastasen (n)
|
vorhandene PSMA-Expression in den Gefäßen
n (%)
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vorhandene PSMA-Expression in den Tumorzellen
n (%)
|
vorhandene PSMA-Expression im gesunden Brustdrüsengewebe
n (%)
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PSMA-Expression in Abhängigkeit vom Grading
|
PSMA-Expression in Abhängigkeit vom Hormonrezeptorstatus
|
PSMA-Expression in Abhängigkeit der Histologie
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allgemeines Überleben in Abhängigkeit von der PSMA-Expression
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ER: Östrogenrezeptor; PR: Progesteronrezeptor; HR: Hormonrezeptor; TNBC: Triple negative
Breast Cancer (triple-negatives Mammakarzinom); n. s.: nicht signifikant
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Tolkach, 2018 [17]
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315
|
–
|
189 (60)
|
10 (3)
|
–
|
p = 0,002
|
HR negativ: p = 1,9 × 10E-6
TNBC: p = 0,006
|
p = 0,01
|
n. s.
|
|
Kasoha, 2017 [16]
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72
|
10
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31 (46)
|
50 (72)
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26 (67)
|
p = 0,004
|
n. s.
|
p = 0,026
|
n. s.
|
|
Wernicke, 2014 [18]
|
92
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14
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68 (74)
|
keine
|
0
|
p < 0,0001
|
ER negativ: p < 0,0001
PR negativ: p = 0,03
|
n. s.
|
p = 0,05
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Kinoshita, 2006 [11]
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5
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–
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–
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1 (20)
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6 (100)
|
–
|
–
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–
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–
|
|
Ross, 2004 [19]
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10
|
–
|
7 (70)
|
–
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–
|
–
|
–
|
–
|
–
|
|
Chang, 1999 [15]
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6
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–
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5 (83)
|
0
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8 (100)
|
–
|
–
|
–
|
–
|
Die bisherige Datenlage ist hinsichtlich einer vorhandenen Expression auf den Tumorzellen
des Mammakarzinoms uneinheitlich. Die Tumorneovaskulatur scheint jedoch das PSMA relativ
konstant zu exprimieren. Diese Expression ist nicht nur auf den Tumorzellen der Primärtumoren
vorhanden, sondern auch bei den Fernmetastasen. Somit könnte das PSMA eine geeignete
Zielstruktur für eine antiangiogenetische Therapie sein.
Die Expression des PSMAs beim Mammakarzinom ist bereits in mehreren Studien untersucht
worden. Hierbei sind 3 Studien von besonderem Interesse: die Studien von Kasoha et
al., Tolkach et al. und Wernicke et al. [16], [17], [18]. Diese haben bei jeweils 72, 315 und 92 Mammakarzinompatientinnen die PSMA-Expression
des Tumors charakterisiert.
Tolkach et al. fanden bei den 315 untersuchten Proben nur in 10 Fällen (3%) eine PSMA-Expression
auf den Tumorzellen. 60% dieser Fälle (n = 189) zeigten jedoch eine PSMA-Positivität
der Tumorgefäße [17]. Die immunhistochemischen Untersuchungen dieser Studie konnten eine zytoplasmatische
PSMA-Färbung nachweisen. Wernicke et al. stellten PSMA-positive Gefäße bei 90 der
92 untersuchten Mammakarzinompatientinnen fest. In den 2 übrigen Fällen waren ebenfalls
die Gefäße des gesunden Brustdrüsengewebes PSMA-positiv. Diese Arbeitsgruppe konnte
jedoch keine PSMA-Expression auf gesundem Brustdrüsengewebe oder auf den Tumorzellen
nachweisen [18]. Bei Kasoha et al. waren bei 72% (50/70) der Fälle die Tumorzellen positiv und in
46% (31/68) die Tumorneovaskulatur. Beispiele über den immunhistochemischen Nachweis
einer PSMA-Expression in den Tumorzellen sowie in der Tumorneovaskulatur sind in den
[Abb. 1] bis [3] dargestellt.
Abb. 1 Immunhistochemische Färbung eines Primärtumorpräparats mit dem PSMA-Antikörper in
20-facher Vergrößerung – Nachweis des PSMAs in den Tumorgefäßen.
Abb. 2 Immunhistochemische Färbung einer Lymphknotenmetastase mit dem PSMA-Antikörper in
20-facher Vergrößerung – Nachweis einer PSMA-Expression in den Tumorgefäßen.
Abb. 3 Immunhistochemische Färbung einer Gehirnmetastase mit dem PSMA-Antikörper in 20-facher
Vergrößerung – Nachweis des PSMA.
Weitere Studien haben sich ebenfalls mit der PSMA-Expression von Mammakarzinomen befasst.
Chang et al. verwendeten 5 unterschiedliche PSMA-Antikörper und fanden heraus, dass
das PSMA sowohl membranständig als auch intrazytoplasmatisch bei der Tumorneovaskulatur
von 5 der 6 untersuchten Fälle exprimiert wurde. Bei 4 dieser Fälle handelte es sich
um invasiv duktale Mammakarzinome [15]. Die Tumorzellen waren in dieser Studie PSMA-negativ. Alle 8 gefärbten Präparate
mit gesundem Brustdrüsengewebe hingegen hatten eine PSMA-Expression auf dem Epithel.
Die Gefäße waren im gesunden Gewebe alle PSMA-negativ [15]. In einer anderen Studie von Kinoshita et al. war in den 6 untersuchten Fällen normalen
Brustdrüsengewebes die Farbreaktion auf den PSMA-Antikörper moderat. Eines der 5 gefärbten
invasiv duktalen Mammakarzinome zeigte eine schwache PSMA-Immunoreaktivität [11]. Ross et al. stellten
in 7 von 10 Fällen eine PSMA-Expression auf der Tumorneovaskulatur von invasiv
duktalen Mammakarzinomata fest [19]. Zudem waren die 8 von Mhawech-Fauceglia et al. untersuchten Phylloidestumoren der
Brust allesamt PSMA-negativ [20].
Nicht nur die Primärtumoren exprimieren das PSMA, sondern auch die Fernmetastasen
[16], [18], [21]. Kasoha et al. testeten 12 Fernmetastasen (Knochen- und Gehirnmetastasen) und konnten
beim Vergleich zwischen dem Primärtumor und der Fernmetastase eine signifikant erhöhte
PSMA-Expression auf der Tumorneovaskulatur letzterer feststellen (p = 0,049). Dies
konnte hinsichtlich der PSMA-Expression auf den Tumorzellen jedoch nicht nachgewiesen
werden [16]. Bei den 14 von Wernicke et al. immunhistochemisch gefärbten Gehirnmetastasen wurde
in allen Fällen das PSMA auf der Tumorneovaskulatur exprimiert. Die Expression in
der Metastase war in den 10 gepaarten Fällen identisch zu der des korrespondierenden
Primärtumors. Nomura et al. konnte in den 5 getesteten Gehirnmetastasen eine 3-mal
höhere PSMA-Expression in der Tumorneovaskulatur im Vergleich zum
gesunden Gehirngewebe feststellen (p = 0,007). Die Ausprägung der PSMA-Expression
der Metastase und des Primarius war jedoch in den 4 gepaarten Fällen unterschiedlich:
bei 3 Patientinnen waren die Gehirnmetastasen weniger PSMA-positiv als deren Brusttumoren.
Beim Vergleich zwischen der PSMA-Expression und den Prognose- sowie prädiktiven Faktoren
des Mammakarzinoms ist eine vermehrte Expression signifikant mit einem höheren Grading
assoziiert [16], [17], [18]. Wernicke et al. konnten eine signifikant erhöhte PSMA-Expression in Abhängigkeit
von der Tumorgröße feststellen [18], Tolkach et al. bei den invasiv duktalen Mammakarzinomen (im Vergleich zu den invasiv
lobularen), sowie bei einem höheren T-, N- oder UICC-Stadium [17]. Kasoha et al. konnten dies hinsichtlich der Histologie bestätigen, invasiv duktale
Mammakarzinome exprimierten in dieser Studie mehr PSMA als Mammakarzinome mit einer
anderen Histologie [16]. Wernicke et al. konnten jedoch keine Assoziation zwischen der Histologie und dem
PSMA-Status nachweisen [18].
Zudem fanden Tolkach et al. eine höhere PSMA-Expression in den Tumormikrogefäßen,
vor allem bei Tumoren, die keine Hormonrezeptoren oder eine Her2/neu-Positivität aufwiesen,
oder triple-negativ (p = 1.9e-06 und p = 0,006) waren. Die PSMA-Expression der triple-negativen
Karzinome war 4,5-mal höher als bei den anderen Tumoren. Die Studie von Tolkach et
al. testete Gewebeproben von 47 (14,9%) hormonrezeptornegativen und 33 (10,5%) triple-negativen
Tumoren [17]. Wernicke et al. konnten ebenfalls eine höhere Anzahl an PSMA-positiven Gefäßen
bei östrogen- (p < 0,0001) und progesteronrezeptornegativen (p = 0,03) Tumoren nachweisen.
Sie untersuchten 12 (11%) Gewebeproben von östrogen- und n = 24 (24%) von progesteronrezeptornegativen
Tumoren [18]. Zuletzt konnten Kasoha et al. keine signifikante Assoziation zwischen dem Hormonrezeptorstatus
und der zeitgleichen Expression des PSMAs in den Tumorzellen und der
Tumorneovaskulatur nachweisen [16].
In Bezug auf das Überleben konnten nur Wernicke et al. eine geringere 10-Jahres-Überlebensrate
bei höherer PSMA-Expression nachweisen [18].
Die differenten Färbeergebnisse können einerseits durch die unterschiedliche Färbemethodik,
andererseits durch die voneinander abweichende Auswertung zu erklären sein. Methodisch
durch die Verwendung von verschiedenen Primärantikörpern, welche mehrere Epitope des
PSMAs binden, anderen Verdünnungen der Primärantikörper oder durch unterschiedliche
Antigen-Retrieval-Methoden. Bei der Quantifizierung der PSMA-positiven Gefäße sind
erhebliche Unterschiede aufzufinden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine vermehrte PSMA-Expression mit einem höheren
Grading und einem höheren UICC-Stadium vergesellschaftet zu sein scheint. Zudem exprimieren
vor allem triple-negative sowie invasiv-duktale Mammakarzinome PSMA auf den Endothelien
der tumorassoziierten Gefäße. Invasiv lobulare Mammakarzinome oder Mammakarzinome
einer anderen Histologie haben eine geringere PSMA-Expression an den Tumorgefäßen.
Auch konnte an einem Patientenkollektiv eine Assoziation zwischen der PSMA-Expression
der Gefäßendothelzelle und einem schlechteren Gesamtüberleben aufgezeigt werden [18].
Die Rolle des PSMAs bei der Tumorprogression
Die Rolle des PSMAs bei der Tumorprogression
Die genaue Funktion des PSMAs ist bisher noch nicht vollständig geklärt. Dieses Protein
scheint jedoch auf vielfältige Art und Weise zur Tumorprogression beizutragen. Hierfür
gibt es bereits mehrere Hypothesen:
Das PSMA trägt aufgrund seiner Funktion als Folathydrolase zur Tumorprogression bei
Das PSMA besitzt nicht nur im Dünndarm, sondern auch bei Prostatakarzinomzellen die
Funktion einer Folathydrolase [22]. Yao et al. konnten bereits nachweisen, dass Prostatakarzinomzellen, die das PSMA
exprimieren, in vitro und bei Tierversuchen über ein gesteigertes Invasionspotenzial
verfügen [23]. Außerdem konnte diese Arbeitsgruppe nachweisen, dass das PSMA die Aufnahme monoglutamylierter
Folsäure nach der Hydrolyse der Polyglutamatketten ermöglicht. Somit scheint das PSMA
nicht nur an den luminalen Dünndarmzellen die Polyglutamatketten von Folsäure abzuspalten,
sondern auch bei Prostatakarzinomzellen. Diese Funktion ist eventuell mit für die
gesteigerte Invasivität und schlechtere Prognose von PSMA-exprimierenden Prostatakarzinomen
verantwortlich, da die Aufnahme der Folsäure als essenziellem Baustein für die Nukleinsäuresynthese
ermöglicht wird [23], [24].
Gordon et al. hingegen stellten die Hypothese auf, dass die PSMA-induzierte Folsäureaufnahme
für die Regeneration der endothelialen Stickoxid-Synthase (eNOS) essenziell ist, die
wiederum für die Angiogenese unabdinglich ist. Somit könnte die enzymatische Funktion
als Folathydrolase des PSMAs nicht nur den lokalen Folsäurespiegel erhöhen, sondern
auch durch dann vermehrt vorhandene Folsäure die Regeneration der eNOS unterstützen.
Über diesen Signalweg könnte das PSMA die Ausbildung von neuen Blutgefäßen unterstützen
[25].
Das PSMA trägt zur Karzinogenese bei
Bradbury et al. konnten in einem In-vitro-Modell zeigen, dass Brustkrebszelllinien,
bei denen das PSMA-Gen herunterreguliert wurde, eine niedrigere Zellproliferation,
-adhäsion und Migrationskapazität aufwiesen [26]. Dies erklären die Autoren dadurch, dass die Inaktivierung des MDM2-Gens zu einer
Verminderung der PSMA-Expression und umgekehrt führt [26]. Das MDM2 ist durch Inhibition des p53-Tumorsuppressorproteins unter anderem für
die maligne Entartung von Zellen verantwortlich [27]. Somit könnte eine geringere PSMA- mit einer verringerten MDM2-Expression assoziiert
sein.
Caromile et al. formulierten die Hypothese, dass das PSMA durch eine Assoziation mit
dem RACK1 das Signal zwischen dem β1-Integrin und dem IGF-1R unterbricht, was zu einer
vermehrten Proliferation von Tumorzellen führen könnte [28].
Das PSMA führt zur Neoangiogenese bei Tumoren
Die Arbeitsgruppe von Liu et al. hat zum Nachweis, dass die Tumormikroumgebung eine
PSMA-Expression auf Gefäßen initiiert, ein In-vitro-Modell erstellt. Humane umbilikale,
venöse Endothelzellen (Human umbilical Vein endothelial Cells, HUVEC[s]) wurden einerseits
in Endothelwachstumsfaktor (Vascular endothelial Growth Factor, VEGF) enthaltenden
Medien und andererseits in tumorkonditionierten Medien (TCM) aus verschiedenen Tumorzelllinien
hergestellt. Die HUVECs bildeten gefäßartige Rohrformationen in den TCM einer östrogenrezeptornegativen
Zelllinie. Diese Gefäße waren PSMA-positiv. Bei dem Medium aus einer östrogenrezeptorpositiven
Zelllinie wurden nur unvollständige Gefäße gebildet. Somit scheinen östrogenrezeptornegative
Zelllinien Faktoren zu sezernieren, die eine PSMA-Expression und die Neoangiogenese
fördern [29]. Diese Ergebnisse wurden von Nguyen et al. auch auf Zelllinien von weiteren Tumorentitäten
bestätigt [30].
Eine weitere Studie konnte zeigen, dass das PSMA die lamininspezifische β1-Integrin-Funktion
moduliert. Dabei ist das PSMA für die initiale Ligandenbindung des β1-Integrins verantwortlich
und nimmt an einer regulatorischen Schleife teil, bei der das β1-Integrin und das
PAK1 involviert sind, welche wiederum die Zellinvasion im Rahmen der Angiogenese unterstützen
[31].
Das PSMA beim triple-negativen Mammakarzinom
Das PSMA scheint bei den triple-negativen Mammakarzinomen von besonderem Interesse
zu sein. Wernicke et al. und Tolkach et al. konnten bereits eine vermehrte PSMA-Expression
bei diesen Karzinomen feststellen [17], [18].
Morgenroth et al. haben sich ebenfalls mit diesem Thema befasst. Sie haben nicht nur
die Expression des PSMAs auf einer triple-negativen Mammakarzinomzelllinie nachgewiesen,
sondern auch dessen gesteigertes angiogenetisches Potenzial. Hierfür wurden HUVEC
mit tumorkonditionierten Medien von einer östrogenrezeptorpositiven Mammakarzinomzelllinie
(MCF-7) und von einer triple-negativen Mammakarzinomzelllinie (MDA-MB231) inkubiert
und die Formation von tubusähnlichen Strukturen beobachtet. Es konnte beobachtet werden,
dass die HUVEC, welche den TCM der MDA-MB231 Zelllinie ausgesetzt werden, rohrähnliche
Formationen ausbilden. Außerdem waren diese Endothelzellen in der Durchflusszytometrie
PSMA-positiv. Somit scheint die Exposition der HUVEC in das TCM der triple-negativen
Zelllinie eine PSMA-Expression induziert zu haben. Bildgebend (in Form einer 68Ga Positronenemissionstomografie [PET/CT]) konnte bei Xenografts von ebendiesen Zelllinien
bei Mäusen ein
PSMA-Nachweis nur bei der triple-negativen Zelllinie erfolgen. Die Autoren haben
jedoch nicht nur die PSMA-Expression der HUVEC charakterisiert, sondern führten ebenfalls
eine PSMA-gerichtete Radioligandentherapie (mit 177Lu-PSMA-617) auf diesen tubulären, endothelialen Strukturen durch. Hierbei konnten
sie nachweisen, dass das antiangiogenetische Potenzial dieser Therapie bei den Rohrformationen,
welche in den TCM der triple-negativen Tumoren konditioniert wurden, höher war (die
Apoptoserate lag bei 48,15% vs. 15% bei denen, die dem TCM der MCF-7 ausgesetzt waren).
Morgenroth et al. stellen die interessante Hypothese auf, dass die PSMA-Expression
des triple-negativen Mammakarzinoms zu seiner verstärkten Therapieresistenz beitragen
könnte. Das triple-negative Mammakarzinom kann die Menge an intrazellulärem Glutathion
erhöhen, welches als Antioxidans gegen Sauerstoffradikale wirksam ist. Das Glutathion
ist ein Tripeptid und besteht aus Glycin, Cystein und
Glutamat. Durch die NALAADase-Aktivität des PSMAs wird Glutamat abgespalten.
Dies kann anschließend durch die Zellen der triple-negativen Mammakarzinome verwendet
werden, um Glutathion auszubilden und somit resistenter gegenüber oxidativem Stress
zu sein [32]. Zudem konnten Liu et al. in der bereits erwähnten Studie bei der östrogenrezeptornegativen
Zelllinie, nicht jedoch bei der östrogenrezeptorpositiven eine Entwicklung von (PSMA-positiven)
Gefäßen beobachten [33].
Schlussfolgernd trägt das PSMA vielfältig zur Tumorprogression und Neoangiogenese
bei. Dies scheint vorwiegend bei den triple-negativen Mammakarzinomen von großer Bedeutung
zu sein.
Somit ist das PSMA ein vielversprechendes Protein, welches gegebenenfalls als neue
Zielstruktur für die Diagnostik und/oder für eine Therapie von triple-negativen Mammakarzinomen
dienen könnte.
Das PSMA in der Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms
Das PSMA in der Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms
Die gängige immunhistochemische Diagnostik des Mammakarzinoms umfasst unter anderem
die Bestimmung der Rezeptorexpression des Östrogen-, Progesteron- und Her2/neu-Rezeptors
[34]. In der metastasierten Situation kann sich der Rezeptorbesatz in der Metastase von
dem des Primarius unterscheiden. Es kommt zum sogenannten Rezeptor-Switch [35]. Einem solchen Patientinnenkollektiv könnte zum Beispiel eine Her2/neu-gerichtete
Therapie vorenthalten bleiben. Aus diesem Grund wurden neue Moleküle wie beispielsweise
das Affibody® entwickelt. Durch eine gezielte Bindung dieses Moleküls an das Her2/neu und anschließende
Darstellung in der PET/CT kann der Her2/neu-Status nicht invasiv (ohne Biopsie der
Metastasen) bestimmt werden [36].
Hieraus können 2 wichtige Erkenntnisse geschlussfolgert werden: Einerseits ist die
Durchführung einer PET/CT zur Beurteilung des Ansprechens einer zielgerichteten Therapie
beim Mammakarzinom wegweisend, andererseits ist die genaue Bestimmung der Expression
eines Proteins in den Metastasen des Mammakarzinoms erforderlich. Die Datenlage bezüglich
der PSMA-Expression in den Metastasen des Mammakarzinoms ist nicht ausreichend genug,
um nach einem histopathologischen Nachweis im Primarius sicher auf dessen Expression
in der korrespondierenden Metastase schließen zu können. Aus diesem Grund ist eine
weitere Charakterisierung der PSMA-Expression in Metastasen des Mammakarzinoms sowohl
immunhistochemisch als auch bildgebend erforderlich.
Bisher wurde die PSMA-PET/CT nur in wenigen Fällen bei Patientinnen, die an einem
Mammakarzinom erkrankt sind, angewendet. Insgesamt sind die bisherigen Ergebnisse
jedoch vielversprechend [37]. Eine Übersicht über die bisherige Datenlage ist in [Tab. 2] aufgelistet.
Tab. 2 Nachweis des prostataspezifischen Membranantigens beim Mammakarzinom mittels PET/CT.
|
Autor, Jahr der Publikation [Referenz]
|
n
|
nachgewiesene PSMA-Expression
|
Kollektiv
|
Bestätigung
|
|
PR: Progresteronrezeptor
|
|
Passah, 2018 [38]
|
1
|
vorhanden
|
33-jährige Patientin mit metastasiertem TNBC
|
18F-FDG-PET/CT
|
|
Sathekge, 2015 [39]
|
1
|
vorhanden
|
33-jährige Patientin mit metastasiertem Mammakarzinom
|
klinisch, 18F-FDG-PET/CT
|
|
Sathekge, 2017 [40]
|
19
|
Gesamterkennungsrate: 84%
|
Patientinnen mit Mammakarzinom, primär erkrankt oder rezidivierend oder metastasiert,
sowohl PR-positiv als auch PR-negativ
|
klinisch, Histologie, 18F-FDG-PET/CT (n = 7)
|
|
Kasoha, 2017 [16]
|
1
|
1
|
79-jährige Patientin mit ossär metastasiertem Mammakarzinom
|
klinisch, Histologie
|
|
Medina-Ornelas, 2020 [41]
|
21
|
76%
|
primär metastasierte Patientinnen ohne Vortherapie mit diversem Hormon- und Her2/neu-Rezeptor-Status
|
18F-FDG-PET/CT
|
Passah et al. führten eine PSMA-Liganden-PET/CT bei einer 33-jährigen Patientin mit
einem triple-negativen Mammakarzinom durch, welche Lebermetastasen und ein Thoraxwandrezidiv
nach einer operativen, Strahlen- und Chemotherapie nachweisen konnte. Hier konnten
die Ergebnisse der zum Vergleich angefertigten [18F]fluordeoxyglucose-(FDG-)PET/CTs bestätigt werden [38].
Beruhend auf dem Fallbericht von Passah et al. wurde diese Diagnostik im Jahre 2017
bei einer größeren Patientenkohorte (n = 19) wiederholt. Diese Untersuchung zeigte
vielversprechende Ergebnisse. Sathekge et al. konnten durch die PET/CT bei 84% (n = 81)
der zuvor identifizierten Tumorläsionen eine PSMA-Positivität in der PSMA-LigandenPET/CT
nachweisen. Bei 7 Patientinnen wurde zuvor eine FDG-PET-CT durchgeführt. Insgesamt
konnten in der PSMA-PET/CT 13 Primärtumoren und/oder Lokalrezidive, 15 Läsionen im
Sinne von befallenen Lymphknoten und 53 metastastische Läsionen nachgewiesen werden.
Das Tracer-Uptake der Fernmetastasen war signifikant erhöht im Vergleich zum Primarius.
Hinsichtlich der Hormonrezeptorexpression wurde nur der Progesteronrezeptorstatus
der untersuchten Patientinnen in der Studie eruiert. Insgesamt waren 6 Patientinnen
an einem progresteronrezeptorpositiven und 7 Patientinnen an einem progesteronrezeptornegativen
Mammakarzinom erkrankt. Bei 6 Patientinnen
war der Rezeptorstatus unbekannt. Sowohl in der progesteronrezeptorpositiven als
auch in der progesteronrezeptornegativen Gruppe konnten jeweils 31 positive Läsionen
in der PSMA-spezifischen Bildgebung dargestellt werden. Es konnten keine signifikanten
Unterschiede bezüglich des SUVmean nachgewiesen werden. Beim Vergleich zwischen der
PSMA-PET/CT und der FDG-PET/CT wurde eine Diskrepanz von 7 Läsionen festgestellt (6
Läsionen waren PSMA-negativ, 1 Läsion, die in der PSMA-PET/CT dargestellt werden konnte,
kam in der FDG-PET/CT nicht zur Darstellung). Des Weiteren konnte ein signifikanter
Zusammenhang zwischen den SUV-Werten der beiden Untersuchungen gezeigt werden (p = 0,015)
[39], [40].
Zudem haben Kasoha et al. ebenfalls eine PSMA-Liganden-PET/CT bei einer Patientin
mit bekannten, PSMA-positiven, ossären Läsionen eines Mammakarzinoms durchgeführt.
Die Knochenmetastasen waren ebenfalls in der PSMA-spezifischen Bildgebung PSMA-positiv
[16].
Im Jahre 2020 veröffentlichten Medina-Ornelas et al. Ergebnisse zu einem Vergleich
zwischen FDG-PET/CTs und PSMA-Liganden-PET/CTs bei primär metastasierten Mammakarzinompatientinnen
ohne Vortherapien. Insgesamt konnten diese Untersuchungen bei 21 Patientinnen durchgeführt
werden. Hiervon hatten 4 ein Luminal-A-, 4 ein Luminal-B- und Her2/neu-positives,
2 ein Luminal-B- und Her2/neu-negatives, 6 ein non-luminal HER2-positives und 5 ein
triple-negatives Karzinom. Die Detektionsrate der FDG und der PSMA-Liganden-PET/CT
wurden verglichen. Insgesamt war die Detektionsrate bei allen Patientinnen in der
PSMA-gerichteten Bildgebung geringer als in der FDG-PET/CT. Bei den Patientinnen,
die an einem triple-negativen oder HER2-positiven Mammakarzinom erkrankt waren, war
jede in der FDG-PET/CT dargestellte Läsion auch in der PSMA-Bildgebung positiv. Dies
war auch bei Knochenmetastasen, unabhängig von der Histologie, der Fall. Zusammengefasst
konnte eine In-vivo-PSMA-Positivität in 76%
der Fälle sowie eine Sensitivität von 84% und eine Spezifität von 91,8% nachgewiesen
werden [41].
Der bildgebende Nachweis einer Metastasierung ist nicht nur aus diagnostischen Gründen
von besonderem Interesse, sondern kann auch hinsichtlich des möglichen Ansprechens
auf eine PSMA-gerichtete Therapie wertvolle Informationen liefern. Die Patientinnen,
die in der Bildgebung PSMA-positive Läsionen haben, könnten von einer auf das PSMA
zielgerichtete Therapie profitieren.
Daraus kann man schließen, dass vor einer PSMA-gerichteten Therapie eine Darstellung
der PSMA-Expression erfolgen muss. Dies kann im Primarius als immunhistochemische
Untersuchung durchgeführt werden. Zur Erfassung der PSMA-Expression in den Metastasen
steht jedoch in vielen Fällen kein Gewebe, welches analysiert werden könnte, zur Verfügung.
Außerdem zeigen die bisherigen Ergebnisse der Studien, welche die Expression des PSMAs
in Primarius und in den korrespondierenden Metastasen verglichen haben, dass man nicht
vom PSMA-Status des Primärtumors auf eine mögliche Expression in den Fernmetastasen
schließen kann. Der Nachweis einer PSMA-Positivität in Primarius oder Metastase durch
eine PSMA-PET/CT könnte diese diagnostische Lücke schließen. Noch dazu können die
durch die Biopsie zur histologischen Sicherung einer Läsion vergesellschafteten Nebenwirkungen,
wie beispielsweise eine Stichkanalmetastasierung, Infektion oder ein Hämatom vermieden
werden. Zuletzt könnte diese
Bildgebung zum Therapiemonitoring verwendet werden.
Weitere Alternativen zur PSMA-Diagnostik
Weitere Alternativen zur PSMA-Diagnostik
Zudem scheint der PSMA-Status eines Mammakarzinoms auch durch die Analyse von zirkulierenden
Tumorzellen (CTCs, circulating tumor cells) nachweisbar zu sein. Bei n = 41 Patientinnen,
die an einem triple-negativen Mammakarzinom erkrankt waren, konnte in 15% (6/41) der
Fälle eine PSMA-Expression auf CTCs nachgewiesen werden. Die Patientinnen, die vor
dem Erhalt einer Chemotherapie PSMA-positive CTCs hatten, erreichten nach jener Therapie
weniger häufig pathologische Komplettremissionen. Bei einer Expression des PSMAs kam
es früher zu einem Rezidiv (p = 00 039) und zu einem geringeren Gesamtüberleben (p = 0,0059)
[42]. Gegebenenfalls könnte eine Evaluation des PSMA-Status auf CTCs das Ansprechen einer
PSMA-gerichteten Therapie beim triple-negativen Mammakarzinom vorhersagen. Zirkulierende
Tumorzellen zu analysieren ist eine minimalinvasive Methode, die eine Alternative
zur Biopsie einer Metastase sein könnte. Hinsichtlich des Her2-Status scheint
die Prädiktion einer Her2-Überexpression auf Metastasen anhand der Analyse von
CTCs möglich [43]. Insgesamt scheint das Expressionsmuster der CTCs den Metastasen ähnlicher zu sein
als dem Primärtumor [43], [44], [45]. Somit scheinen CTCs eine gute Alternative zu sein, um nichtinvasiv die etwaige
PSMA-Expression eines metastasierten Mammakarzinoms zu eruieren. Hierbei könnte auch
der PSMA-Status der Metastasen evaluiert werden. Dies könnte eine Alternative zur
PET/CT darstellen, wenn hiermit eine ebenso gute Darstellung möglich wäre. Hierzu
wurden allerdings noch keine Studien durchgeführt. Es wäre nicht nur diagnostisch
von besonderem Interesse, sondern könnte hinsichtlich des Ansprechens auf eine PSMA-gerichtete
Therapie wertvolle Informationen liefern.
PSMA-gerichtete Therapien
PSMA-gerichtete Therapien
Da Liganden des PSMAs nach Bindung internalisiert werden [28], ist dieses Protein eine geeignete Zielstruktur für eine Therapie mit Radionukliden.
PSMA-gerichtete Radioligandentherapien haben ihren Nutzen beim Prostatakarzinom bereits
bewiesen [46], [47]. Bei der Studie von Yadav et al. zum Beispiel wurde bei 90 Patienten mit einem metastasierten,
kastrationsresistenten Prostatakarzinom eine PSMA-Radioligandentherapie durchgeführt.
Insgesamt konnte bei n = 56 (62,2%) der Patienten ein Abfall des PSA-Levels nachgewiesen
werden. Neunzehn (27,5%) Patienten zeigten eine partielle Remission, 30 (43,5%) eine
stabile Erkrankung und 20 (29%) zeigten eine Progression.
Untersuchungen beim Prostatakarzinom konnten nachweisen, dass auch nach Durchführung
einer Radioligandentherapie die Wiederholung dieser Therapie bei Progress und initialem
Ansprechen erneut zu einem Ansprechen führt [48].
Eine Limitation der PSMA-gerichteten Radioligandentherapie ist die teilweise bestehende
heterogene Expression des PSMAs, die zu einem verminderten Uptake der Liganden und
einer somit verringerten Therapiewirksamkeit führen kann [49]. Eine PSMA-Radioligandentherapie ist daher bei heterogener PSMA-Expression obsolet.
Da die PET/CT jedoch vor der Applikation einer Therapie durchgeführt werden sollte,
kann die Entscheidung zu einer Radioligandentherapie vor Applikation nuklearmedizinisch
evaluiert werden.
Eine PSMA-Radioligandentherapie ist mit geringen bis moderaten Nebenwirkungen vergesellschaftet.
Hier sind insbesondere die Xerostomie und die Anämie von klinischer Relevanz. Zudem
können Leuko- oder Thrombozytopenien sowie Anstiege der Leberwerte oder der renalen
Retentionsparameter Fatigue, Übelkeit, Erbrechen oder Diarrhö auftreten [46], [47], [48]. Generell ist die PSMA-Radioligandentherapie jedoch gut verträglich. Grad-3- und
-4-Toxizitäten treten fast nicht auf [48].
Nicht nur die PSMA-gerichtete Radioligandentherapie ist von besonderem Interesse.
Es wurden bereits weitere therapeutische Ansätze entwickelt, welche sich die enzymatische
Funktion dieses Proteins zunutze machen.
Hierfür wurde das Folate-HBPE(CT20p) entwickelt. Die Entwicklung dieses Nanocarriers
basiert auf der Annahme, dass das PSMA nicht nur als Folathydrolase polyglutamylierte
Folsäure spaltet, sondern auch die Aufnahme von Folsäure in malignen Zellen ermöglicht.
Dies konnte in der Studie von Flores et al. bestätigt werden. Es konnte nicht nur
nachgewiesen werden, dass Folsäure-konjugierte Therapeutika gezielt von PSMA-positiven
Zellen aufgenommen werden, sondern auch, dass ebendiese dann eine Veränderung der
Zellmorphologie induzieren können [50]. Diese Methode könnte auch bei Patientinnen, die an einem Mammakarzinom erkrankt
sind, von besonderem Interesse sein. Das therapeutische Peptid, welches angewendet
wird (CT20p) und zu einer morphologischen Veränderung des Zytoskeletts sowie zu beeinträchtigten
Mitochondrienbewegungen und Aktinpolymerisationen führt, wurde bereits in Brustkrebsmodellen
erforscht. Hierbei konnte eine Reduktion der
Zellinvasivität gezeigt werden [50].
Ein neuer therapeutischer Ansatz, der aktuell beim Prostatakarzinom weiter entwickelt
wird, ist die strahlengeführte Chirurgie. Dies wird bisher als „Salvage“-Operation
bei Patienten angewendet, welche nach radikaler Prostatektomie noch PSMA-positive
Läsionen im 68Ga PSMA PET/CT aufweisen. Hierfür wird eine radioaktive Substanz verwendet, welche
das PSMA spezifisch bindet. Die bisherigen Studien zeigen vielversprechende Ergebnisse
mit einer akkuraten Resektion von bereits in der PET/CT nachgewiesenen, PSMA-positiven
Läsionen und einer in 66% der Fällen erreichten biochemischen Remission bei den Patienten,
die diese Therapie erhalten haben [51]. Bei dem postoperativen Vergleich zwischen der mit der Gammasonde gemessenen Aktivität
und der Histologie zeigt sich, dass in den meisten Fällen eine Metastase korrekt identifiziert
werden konnte [52].
Dieser Therapieansatz ist für Patienten, die an einem Prostatakarzinom erkrankt sind,
von besonderem Interesse, da Lymphknoten auch außerhalb des üblichen Resektionsgebiets
der erweiterten pelvinen Lymphadenektomie vorhanden sein können. Zudem kann nach einer
primären (operativen) Therapie der Lymphabfluss verändert sein und Metastasen können
an unüblichen Stellen auftreten [51]. Inwiefern diese Methode bei Mammakarzinompatientinnen angewendet werden könnte,
ist bisher unklar.
In einigen Fallberichten wird auch die Anwendung einer PSMA-gerichteten Therapie bei
Patientinnen mit einem Mammakarzinom beschrieben. Tolkach et al. zum Beispiel, verwendeten
eine PSMA-Radioligandentherapie bei einer 38-jährigen Patientin, die an einem triple-negativen
Mammakarzinom erkrankt war. Diese Therapie wurde zwar gut toleriert, aber nach 4 Wochen
trat ein neuer Progress auf. Aus diesem Grund wurden keine weiteren Zyklen der Therapie
verabreicht [17]. Von Hoff et al. testeten eine Docetaxel-BIND-014-Therapie, bei der das PSMA die
Zielstruktur eines Docetaxel-enthaltenden Nanopartikels ist, ebenfalls bei einer Brustkrebspatientin.
Diese 39-jährige Patientin zeigte ein partielles Ansprechen hierauf [53].
Schlussfolgerung
Zusammenfassend ist das PSMA ein vielversprechendes Protein, welches nicht nur im
Primärtumor, sondern auch in den Fernmetastasen des Mammakarzinoms exprimiert wird.
Die Expression scheint auf die Tumorneovaskulatur beschränkt zu sein. Das PSMA trägt
vielseitig zur Tumorprogression und zur Neoangiogenese bei. Dies ist insbesondere
bei den triple-negativen Mammakarzinomen der Fall. Die PSMA-spezifische Diagnostik
und Therapie ist beim Prostatakarzinom bereits etabliert. Die wenigen Fälle, bei denen
ein etwaiger Nutzen dieser Methoden beim Mammakarzinom untersucht wurde, zeigen vielversprechende
Ergebnisse. Eine Fortführung dieser Forschung könnte eine neue Alternative zur Diagnostik
und Therapie von insbesondere triple-negativen Mammakarzinompatientinnen etablieren.