CC BY-NC-ND 4.0 · Z Geburtshilfe Neonatol 2022; 226(02): 129-135
DOI: 10.1055/a-1642-1234
Original Article

Gewinnung von Stammzellen aus Nabelschnurblut: Relevanz peripartaler Faktoren für die Qualität von Transplantaten

Harvest of Stem Cells from Umbilical Cord Blood: Relevance of Perinatal Factors for the Quality of Umbilical Cord Transplant Units
Patricia Farina-Eckhardt
1   Klinik für Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin, Frauenklinik, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
,
Cristina Granado
1   Klinik für Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin, Frauenklinik, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
,
Doris Mueller-Borer
1   Klinik für Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin, Frauenklinik, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
,
Andreas Schötzau
2   Departement Biomedizin, Universität Basel, Basel, Schweiz
,
Dimitrios A. Tsakiris
3   Hämatologie, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
,
Irene Hösli
1   Klinik für Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin, Frauenklinik, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
,
Gwendolin Manegold-Brauer
1   Klinik für Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin, Frauenklinik, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Einleitung Nabelschnurblut (NSB) enthält hämatopoetische Stammzellen mit therapeutischem Potenzial und einzigartigen zellulären Eigenschaften. Aufgrund der begrenzten Anzahl an Stammzellen im NSB (Surrogatmarker total nucleated cells, TNC) eignet sich nur jede fünfte Spende für eine Transplantation. Ziel dieser Studie war es, zu untersuchen, ob prädiktive Faktoren für eine TNC-Zahl über der 99. Perzentile existieren.

Material und Methodik Retrospektive Datenanalyse der 100 größten NSB-Spenden (Top100-Kohorte) aus 2299 registrierten Einheiten. Unterschiede zwischen maternalen, fetalen und geburtshilflichen Faktoren wurden analysiert und mit einer standardisierten Kohorte von 731 NSB-Spenden verglichen.

Ergebnisse Das mütterliche Alter und der BMI in der Top100-Kohorte waren höher als in der Vergleichskohorte (32 vs. 31 Jahre, p=0,007; 30 kg/m2 vs. 29 kg/m2, p=0,024). Es gab mehr Erstgebärende (76,0 vs. 62,8%, p=0,013) und Gestationsdiabetikerinnen (5,00 vs. 1,65%, p=0,044). Die Schwangerschaftswoche, das Geburtsgewicht, der Anteil vaginal-operativer Geburten und sekundärer Sectiones war in der Top100-Kohorte höher (40+4 vs. 40+1 SSW, p=0,002), (3700 vs. 3450 g, p<0,001), (53,0 vs. 22,7%, p<0,001) (10 vs. 6,2%, p=0,014).

Fazit Für eine erfolgreiche Transplantation ist die Höhe der TNC-Zahl entscheidend. Vaginal-operative Entbindungen, sekundäre Sectiones und ein Geburtsgewicht über 3700 g sind günstige Faktoren. Gerade bei Geburten mit einem pathologischen Verlauf sollte nach sicherer Versorgung von Mutter und Kind nicht auf eine Entnahme verzichtet werden.


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Abstract

Introduction Umbilical cord blood (UCB) contains hematopoietic stem cells with therapeutic potential and unique cellular properties. Due to the limited number of stem cells in the UCB (surrogate marker total nucleated cells, TNC), only one in five donations is suitable for transplantation. The aim of this study was to investigate whether predictive factors exist for a TNC count above the 99th percentile.

Material and methods Retrospective data analysis of the 100 largest donations from 2,299 registered UCB units. Differences between maternal, fetal, and obstetric factors were analyzed and compared with a standardized cohort of 731 registered UCB units.

Results maternal age and BMI in the Top100 cohort were higher compared with the comparative cohort (32 vs. 31 years, p=0.007; 30 kg/m2 vs. 29 kg/m2, p=0.024). There were significantly more P1 (76.0 vs. 62.8%, p=0.013) and women with gestational diabetes (5.00 vs. 1.65%, p=0.044). The gestational week, birth weight, the proportion of vaginal-operative deliveries and secondary caesarean sections were higher in the Top100 cohort (40+4 vs. 40+1 wks, p=0.002), (3700 vs. 3450 g, p<0.001), (53.0 vs. 22.7%, p<0.001) (10 vs. 6.2%, p=0.014).

Conclusion For a successful transplant, the amount of TNC in the UCB unit is crucial. Vaginal-operative deliveries, secondary caesarean sections, and a birth weight above 3700 g are favorable with regard to stem cell content. In cases with a complicated course of delivery, collection should not be neglected once the mother and child are safely cared for.


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Einleitung

Nabelschnurblut (NSB) enthält hämatopoetische Stammzellen mit therapeutischem Potenzial und einzigartigen, zellulären Eigenschaften [1]. Zum Spektrum der Krankheiten, bei der eine hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSZT) aus NSB eingesetzt wird, gehören benigne und maligne hämatologische Erkrankungen sowie bestimmte Immuninsuffizienzen und Stoffwechselstörungen [2] [3]. Darunter sind vor allem die akute myeloische und lymphatische Leukämie, das myelodysplastische Syndrom und das Non-Hodgkin-Lymphom zu nennen. Zu den benignen Erkrankungen gehören Thalassämien, primäre Immundefizite und die aplastische Anämie [4]. Weltweit existieren heute über 100 öffentliche NSB-Banken mit über 800 000 eingelagerten Spenden, die zu über 40 000 HSZT aus NSB geführt haben [5]. In privaten NSB-Banken lagern über 4 Millionen NSB-Einheiten. Der Einsatz von NSB für eine Transplantation war in den letzten Jahren rückläufig, weil haplo-identische Transplantationen, hauptsächlich bei Geschwistern, ähnliche Ergebnisse im kurzzeitigen Follow-up gezeigt haben. Unter den HSZT wird Nabelschnurblut häufig bei Kindern eingesetzt und ist weiterhin eine wichtige alternative Stammzellquelle für Personen, die keinen passenden, lebenden Spender finden.

Die Entnahme von Nabelschnurblut für private und öffentliche Nabelschnurblutbanken wird also in der Geburtshilfe seit über 30 Jahren durchgeführt. Trotzdem wird über die Qualität dieser gewonnenen Blutprodukte sowie deren Einsatzmöglichkeiten in den gynäkologischen Fachgesellschaften wenig diskutiert und in gynäkologischen Fachzeitschriften wenig publiziert. Bei der NSB-Spende (NSBS) handelt es sich um eine zusätzliche Aufgabe mit entsprechender Verantwortung für die betreuenden Ärzte und Hebammen rund um die Geburt, die mit Dokumentation, Schulung und Organisation verbunden ist und in ihrer Relevanz häufig unterschätzt wird.

Eine Kryokonservierung von Nabelschnurblut macht aus heutiger Sicht nur dann Sinn, wenn der Gehalt an hämatopoetischen Stammzellen hoch genug ist, um für eine HSZT genutzt zu werden. Trotz einiger entscheidender Vorteile von NSB im Vergleich zu anderen Stammzellquellen (z. B. Knochenmark) enthält nur jede fünfte NSBS genügend Stammzellen, um für eine HSZT verwendet werden zu können. Für eine hohe Qualität ist es wichtig, dass der verantwortliche Geburtshelfer die Faktoren kennt, welche die Qualität einer NSBS beeinflusst, um geeignete Spender erkennen und zu können. Die Einlagerung in öffentlichen Nabelschnurblutbanken hat das Ziel, Spenden anonym aufzubewahren, zu registrieren und weltweit Menschen zur Verfügung zu stellen, die eine HSZT benötigen. Auch wenn die Einlagerung in privaten Banken andere Ziele, nämlich hauptsächlich die Einlagerung zum etwaigen autologen Gebrauch für den Spender selbst verfolgt, müssen die gleichen Kriterien für deren Qualität gelten.

Zu den Vorteilen von Nabelschnurblut gehören die einfache Entnahme, welche ohne Schmerzen und Risiken für Mutter und Kind einhergeht, sowie die rasche Verfügbarkeit eines Transplantats, welches schon vollständig aufgearbeitet und typisiert in der Bank vorrätig ist [6]. Ebenso spielen Transplantatbedingte Infektionen kaum eine Rolle und die Graft-versus–host Erkrankung tritt seltener auf [6].

Der wesentliche Nachteil von NSB ist das begrenzte Volumen und die damit verbundene geringere Anzahl an Stammzellen, welche zu einer verzögerten hämatopoetischen Erholung beim Empfänger führt [7]. Die Chance, dass eine NSBS klinisch eingesetzt wird, hängt also neben dem HLA-Typ (Human Leukocyte Antigen) entscheidend von der Menge an gewonnenen Stammzellen ab. Als Surrogatmarker für die Anzahl an hämatopoetischen Stammzellen wird die Gesamtzahl kernhaltiger Zellen (total nucleated cells, TNC) herangezogen [8].

Es ist bereits bekannt, dass klinische Parameter von Mutter und Kind sowie der Verlauf der Geburt die TNC-Zahl beeinflusst. Dabei spielt unter anderem das Geburtsgewicht des Kindes, das Gestationsalter und der Geburtsmodus eine Rolle [9] [10].

Für ein NSB-Engraftment beim Empfänger sollte minimal eine TNC-Zahl von 2,5–3×107/kg KG eingesetzt werden. Für eine Person, die 60 kg wiegt sind das 150–180×107 TNC. Hierfür ist bei der Entnahme in der Regel ein Beutelgewicht von mindestens 120 g nötig. Diese Menge wird nur bei ca. 20% der abgenommenen NSBS erreicht [9]. Für einen erwachsenen Empfänger, der über 60 kg wiegt, ist diese Minimalanzahl von TNC nicht ausreichend.

Ziele dieser Studie war es zu untersuchen, ob prädiktive Faktoren existieren, die zu einer TNC-Zahl über 240×107 (über der 99. Perzentile) führen, um Spender gezielt zu rekrutieren, deren NSB eine hohe Wahrscheinlichkeit haben um, auch bei Erwachsenen eingesetzt zu werden.


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Material und Methodik

Es handelt sich um eine retrospektive Datenanalyse von 2299 NSBS, welche am Universitätsspital Basel im Zeitraum von Januar 1997 bis Dezember 2014 typisiert und kryokonserviert wurden. Hierfür wurden die 100 NSBS mit der höchsten TNC-Zahl (Top100-Kohorte) mit 731 NSBS (Vergleichskohorte) verglichen. Die Vergleichskohorte waren Spenden, welche zwischen Januar 2002 und Juni 2006 kryokonserviert wurden [9]. Diese Kohorte wurde als Vergleich gewählt, da in einem längeren Zeitraum (4,5 Jahre) praktisch alle entnommenen NSBS, unabhängig von deren Menge, eingelagert wurden. Ab Juli 2006 wurde der mindest-Cut-off für eine Einlagerung in der Bank auf 80×107 erhöht und damit auf die Einlagerung von sehr kleinen NSBS verzichtet. Der Cut-off der Menge für eine Einlagerung wurde danach über die Jahre mehrmals angepasst (aktuell 150×107). Ebenso wurden die Ein- und Ausschlusskriterien der Schwangeren seit Juli 2006 geringfügig verändert.

Von den Spenden wurden maternale, geburtshilfliche und neonatale Faktoren anhand der hämatologischen Daten und der geburtshilflichen Dokumentation retrospektiv analysiert. Zu den maternalen Faktoren gehörten: Alter (Jahre), BMI (kg/m2) vor der Schwangerschaft (SS) und bei der Geburt, Gravidität und Parität, präexistenter Diabetes und Gestationsdiabetes (Ja/Nein). Zu den neonatalen Faktoren gehörten: Kindliches Geschlecht, Schwangerschaftswoche (SSW) bei der Geburt, Geburtsgewicht (g), APGAR-Werte und pH-Werte aus Nabelschnurarterie und -vene. An geburtshilflichen Faktoren wurden Geburtsmodus, Plazentagewicht (g), vorzeitiger spontaner Blasensprung (Ja/Nein), CTG-Klassifizierung nach FIGO in der Eröffnungsperiode (EP) und Austreibungsperiode (AP), Indikation für vaginal-operative Geburt oder Sectio caesarea (auffälliges CTG oder Geburtsstillstand), Dauer der EP und AP (min.), Dauer der liegenden Peridualanästhesie (PDA, min.), Dauer der Oxytocingabe (min.) und maximale Oxytocindosis (ml) ausgewertet.

Spenderrekrutierung, Entnahme und Verarbeitung

Primär wurden alle Frauen, die anamnestisch keine Ausschlusskriterien hatten, bei der Geburtsvorstellung oder bei der Aufnahme zur Geburt angefragt. Falls sich anhand des medizinischen Fragebogens keine Kontraindikationen ergaben, wurde das NSB nach der Geburt von geschultem Personal (Ärzte, Hebammen) entnommen.

Die NSB-Entnahme erfolgte unter sterilen Bedingungen direkt nach Abnabelung des Kindes und noch vor der Geburt der Plazenta. Gesammelt wurde das Blut nach Punktion der Nabelschnurvene in sterilen Auffangbeuteln (MacoPharma, Switzerland; Fenwal Belgium). Der Versand zur Weiterverarbeitung in das Stammzelllabor erfolgte innerhalb von 6 Stunden. Die TNC-Zahl wurde mittels Autoanalyse (ADVIA 210, Bayer, Basel, Schweiz) ermittelt. Die weitere Verarbeitung zur Volumenreduktion erfolgte mittels Sepax (Sepax, Biosafe SA, Eysins, Switzerland). Nach Kryokonservierung mit 7,5% Dimethylsulfoxid wurden die Spenden in flüssigem Stickstoff bei -190°C gelagert. Alle Schritte von der Rekrutierung bis zur Aufarbeitung und Registrierung sind detailliert in Standard Operating Procedures (SOP) nach den Richtlinien von Netcord und der Foundation for the Accreditation of Cellular Therapy (FACT) festgehalten.


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Statistische Analyse

Die deskriptive Statistik der Top100- und Vergleichskohorte beinhaltet Mittelwerte und Standardabweichung oder den Median mit Minimum und Maximum. P-Werte wurden bei Mittelwerten mittels T-Tests oder bei Medianwerten mittels Mann-Whitney-U-Tests ermittelt. Bei kategoriellen Variablen wurde der Chi-Quadrat-Test angewendet. Bei weniger als fünf Nennungen wurde der Fisher‘s Exact Test angewendet. Ein p-Wert<0,05 wurde als signifikant definiert.

Eine anschauliche Möglichkeit, um eine Variablenselektion und eine Vorhersage der Gruppenzugehörigkeit zu machen, ist der Entscheidungsbaum (Conditional inference tree) in [Abb. 1]. Betrachtet wurden alle Variablen, die bis unmittelbar vor der Entnahme der NSBS bekannt sind. Hierbei wird die Variable mit der größten signifikanten Assoziation im Hinblick auf das Outcome (hier Top100-Kohorte, TNC>99. Perzentile) in 2 optimale Hälften gesplittet. Man wiederholt dann in den jeweiligen Untergruppen das Verfahren, bis keine signifikanten Assoziationen mehr zu finden sind [11]. Die Statistik wurde mit dem statistischen Softwarepaket R Version 3.1.1. durchgeführt. Der Entscheidungsbaum wurde mittels der Funktion „ctree“ in der library „party“ erstellt.

Zoom Image
Abb. 1 Der Entscheidungsbaum (conditional inference tree) ist eine anschauliche Variablenselektion und soll sensibilisieren, welche Faktoren die größten signifikanten Assoziationen im Hinblick auf das Outcome (TNC-Zahl>99. Perzentile) haben. Hierbei wurden alle Faktoren, die unmittelbar vor der NSB Entnahme bekannt sind, mit einbezogen. Für eine Spende, bei der ein Kind vaginal-operativ oder per sekundärer Sectio entbunden wird und über 3780 g wiegt, ist die Chancen der Top100-Kohorte anzugehören am höchsten (38,9%). Für eine Spende nach Spontangeburt oder primärer Sectio, bei der das Kind unter 3415 g wiegt, liegt die Chance in der Top100-Kohorte zu sein unter 1,7%.

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Ergebnisse

Die mittlere TNC-Zahl lag in der Top100-Kohorte bei 303×107, gemäß der Definition der Gruppen höher als in der Vergleichskohorte mit 112×107. Das mittlere Volumen und die CD34 positiven Zellen lagen bei 179 ml und 11,2×106 in der Top100-Kohorte versus 124 ml und 3,35×106 in der Vergleichskohorte. Das maternale Alter und der BMI bei Aufnahme in den Kreissaal war in der Top100-Kohorte höher als in der Vergleichskohorte (32 vs. 31 Jahre, p=0,007 und 30 vs. 29 kg/m2 p=0,024). Unter den Frauen in der Top100-Kohorte gab es signifikant mehr Erstgravida (63 vs. 50,1%, p=0,02) und Erstgebärende (76,0 vs. 62,8%, p=0,013). Der Anteil an Frauen mit einem Gestationsdiabetes war in der Top100-Kohorte höher als in der Vergleichskohorte (5,0 vs. 1,6%, p=0,044) ([Tab. 1]).

Tab. 1 Deskriptive Statistik aller maternalen und neonatalen Faktoren der Top100-Kohorte und der Vergleichskohorte. Metrische oder ordinale Daten werden als Mittelwert (Standardabweichung) oder Median (Min, Max) angegeben. Bei kategoriellen Daten wurde die Anzahl in n und der Anteil in % angegeben.

Vergleichskohorte n=731

Top100-Kohorte n=100

p-Wert

n 831

Volumen (ml)

124

(21,4)

179

(28,6)

<0,001

830

Total nucleated cells (107)

112

(44,4)

303

(40,8)

<0,001

831

CD 34+(106)

3,35

(2,79)

11.2

(7.06)

<0,001

830

Maternale Faktoren

 Mütterliches Alter (Jahre)

30

(5,36)

32

(5,17)

0,007

831

 BMI vor SS (kg/m2)

23

(4,13)

23

(3,86)

0,236

784

 BMI bei Aufnahme (kg/m2)

29

(4,50)

30

(3,84)

0,024

797

 Gravidität

0,020

831

  G1

366

50,1%

63

63,0%

  >G1

365

49,9%

37

37,0%

 Parität

0,013

831

  P1

459

62,8%

76

76,0%

  >P1

272

37,2%

24

24,0%

 VSBS

0,652

830

  Nein

594

81,3%

78

78,8%

  Ja

137

18,7%

21

21,2%

 Präexistenter Diabetes

1,000

829

  Nein

728

9,99%

100

100%

  Ja

1

0,1%

0

0%

 Gestationsdiabetes

0,044

829

  Nein

717

98,4%

95

95%

  Ja

12

1,6%

5

5%

Neonatale Faktoren

 Geschlecht

0,091

831

  Männlich

354

48,4%

58

58,0%

  Weiblich

377

51,6%

42

42,0%

 Schwangerschaftswoche

40+1

(33+2–42+1)

40+4

(36+4–42+1)

0,002

831

 Geburtsgewicht (g)

3450

(2170–4990)

3700

(2750–4630)

<0,001

830

 APGAR Score

732

  1 min.

8

(1,41)

7

(1,84)

<0.001

  5 min.

10

(0,81)

9

(1,04)

<0.001

831

  10 min.

10

(0.37)

10

(0,39)

<0.001

831

 Arterieller Nabelschnur pH

<0,001

732

  >7,19

498

78,2%

56

58,9%

  7,15–7,19

79

12,4%

24

25,3%

  <7,15

60

9,4%

15

15,8%

 Venöser Nabelschnur pH

0,064

814

  >7,19

696

96,9%

89

92,7%

  7,15–7,19

15

2,1%

5

5,2%

  <7,15

7

1,0%

2

2,1%

Bei den fetalen Faktoren zeigten sich signifikante Unterschiede beim Gestationsalter, Geburtsgewicht, APGAR-Werten und bei den arteriellen pH-Werten. Die Schwangerschaftswoche und das Geburtsgewicht war in der Top100-Kohorte höher als in der Vergleichskohorte (40+4 vs. 40+1 SSW, p=0,002), (3700 vs. 3450 g,<0,001). Die mittleren APGAR-Werte aller 3 Zeitpunkte (1, 5 und 10 Minuten) sowie der arterielle pH (pHa) aus dem NSB waren in der Top100-Kohorte signifikant tiefer als in der Vergleichskohorte (p<0,001) ([Tab. 1]).

Bei den geburtshilflichen Faktoren gab es in der Top100-Kohorte mehr vaginal-operativen Geburten (53,0 vs. 22,7%) sowie mehr sekundäre Sectiones (10,0 vs. 6,2%). Demgegenüber waren in der Vergleichskohorte mehr Spontangeburten (62,1 vs. 36,0%) und primäre Sectiones (9,0 vs. 1,0%). In der Top100-Kohorte gab es signifikant mehr suspekte oder pathologische CTGs nach FIGO, sowohl in der EP als auch in der AP (EP: 25,5 vs. 15,7%, p=0,023, AP: 65,6 vs. 40,3%, p<0,001). Die durchschnittliche Dauer der AP war in der Top100-Kohorte länger (107 Minuten versus 73 Minuten, p<0,001) und ein Geburtsstillstand kam mit 25,0 versus 11,6% (p<0,001) häufiger vor als in der Vergleichskohorte. Eine Intervention aufgrund eines suspekten oder pathologischen CTGs war in der Top100-Kohorte häufiger als in der Vergleichskohorte (21,0 versus 9,0%, p<0,001). Das Plazentagewicht war in der Top100-Kohorte signifikant höher (600 vs. 520 g, p<0,001) ([Tab. 2]).

Tab. 2 Deskriptive Statistik aller geburtshilflicher Faktoren der Top100-Kohorte und der Vergleichskohorte. Metrische oder ordinale Daten werden als Mittelwert (Standardabweichung) oder Median (Min, Max) angegeben. Bei kategoriellen Daten wurde die Anzahl in n und der Anteil in % angegeben. Ein p-Wert<0,05 wurde als signifikant definiert.

Geburtshilfliche Faktoren

Vergleichskohorte

Top100-Kohorte

p-Wert

n

n=731

n=100

831

Geburtsmodus

<0,001

831

 Spontangeburt

454

62,1%

36

36,0%

 Vaginal-operative Geburt

166

22,7%

53

53,0%

 Primäre Sectio caesarea

66

9,0%

1

1,0%

 Sekundäre Sectio caesarea

45

6,2%

10

10,0%

Plazentagewicht (g)

520

(200–870)

600

(385–1020)

<0,001

500

CTG (FIGO) in der Eröffnungsphase

0,023

766

 Normal

563

84,3%

73

74,5%

 Suspekt/pathologisch

105

15,7%

25

25,5%

CTG (FIGO) in der Austreibungsphase

<0,001

726

 Normal

378

59,7%

32

34,4%

 Suspekt/pathologisch

255

40,3%

61

65,6%

Indikation für assistierte Geburten

<0,001

831

 Spontangeburt

454

62,1%

36

36,0%

 Geburtsstillstand

85

11,6%

25

25,0%

 Suspektes/pathologisches CTG

66

9,0%

21

21,0%

 Kombination Geburtsstillstand und Suspektes/pathologisches CTG

60

8,2%

17

17,0%

 Primärer Sectio caesarea

66

9,0%

1

1,0%

Dauer Eröffnungsphase (min.)

152

(186)

161

(207)

0,656

753

Dauer Austreibungsphase (min.)

73

(77)

107

(84)

<0,001

724

Dauer der PDA (min.)

275

(212)

231

(228)

0,073

509

Dauer der Oxytocingabe (min.)

191

(195)

220

(205)

0,209

579

Maximale Oxytocindosis (ml/h)

39

(45)

48

(45,7)

0,086

561

Der Entscheidungsbaum bezieht alle Faktoren, die vor der NSB-Entnahme eingeschätzt werden können, mit ein ([Abb. 1]). Der wichtigste Prädiktor für eine Nabelschurblutspende mit einer TNC-Zahl aus der Top100-Kohorte ist der Geburtsmodus. Danach spielt das Kindsgewicht eine große Rolle. Für eine Spende, bei der ein Kind vaginal-operativ oder per sekundärer Sectio entbunden wird und über 3780 g wiegt, ist die Chancen der Top100-Kohorte anzugehören am höchsten (38,9%). Bei einem Kindsgewicht kleiner oder gleich 3780 g, aber einem mütterlichen Alter von über 29 Jahre, liegt die Chance bei 25,6%. Für eine Spende nach Spontangeburt oder primärer Sectio, bei der das Kind unter 3415 g wiegt, liegt die Chance in der Top100-Kohorte zu sein bei 1,7% ([Abb. 1]).


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Diskussion

In dieser retrospektiven Datenanalyse wurden peripartale Faktoren analysiert, welche als Prädiktoren für sehr hohen Stammzellgehalt im NSB dienen und damit eine hohe Chance haben, für eine HSZT eingesetzt zu werden. In dieser Studie wurden 100 NSB-Spenden mit der höchsten Stammzellzahl (Surrogatmarker TNC) aus insgesamt 2.299 NSB-Einheiten ausgewählt und analysiert. Verglichen wurden die peripartalen Faktoren mit einer standardisierten Kohorte, die dem Kollektiv entspricht, welches typischerweise für eine NSBS in der Schwangerschaft angefragt wird. Die Vergleichskohorte stammt aus einer Zeit, in der praktisch alle korrekt entnommenen Spenden kryokonserviert wurden. Die Analyse der größten NSB-Einheiten erschien relevant, weil die Höhe der TNC-Zahl mit der Zeit bis zum Engraftment und dem Erfolg der Transplantation korreliert [12] [13] und eine minimale TNC-Zahl von 3×107 kg KG für Transplantationen empfohlen wird (entsprechend 180×107 bei einem Erwachsenen mit 60 kg) [14].

Es ist bekannt, dass Faktoren von Mutter und Kind sowie der Geburtsverlauf die Stammzellzahlen im Nabelschnurblut beeinflussen [9] [10] [15]. Die Betreuung der Gebärenden unter der Geburt ist nur von medizinischen Gesichtspunkten abhängig und wird durch die geplante Nabelschnurblutspende weder modifiziert oder beeinflusst. In unserer Studie konnten wir zeigen, dass es mehrere Faktoren gibt, die prädiktiv für eine Spende mit sehr hoher TNC-Zahl sind. Dabei ist eine vaginal-operative Entbindung und eine sekundäre Sectio für den Stammzellgehalt günstig. Über den Zusammenhang von Geburtsmodus und TNC-Zahl sind in der Literatur widersprüchliche Angaben zu finden. Die Widersprüche lassen sich am ehesten durch unterschiedlich detaillierte Angaben zum Geburtsmodus erklären. Während einige Studien eine höhere TNC-Zahl bei vaginalen Geburten im Vergleich zu Sectiones berichten [10] [16] [17], hatten die vorliegende Studie und Vorstudien [9] [15] die Modi detaillierter betrachtet. Im Gegensatz zu unserer Vorstudie wurden hier nicht nur pränatal abschätzbare Faktoren betrachtet, sondern alle Variablen miteinbezogen, die zum Zeitpunkt der Entnahme des NSBs bekannt sind (z. B. Geburtsmodus). Die Vorstudien hatten das Kriterium für eine Einlagerung des NSBs in der NSB-Bank zum Ziel (TNC-Zahl>150×107). In der aktuellen Analyse ging es darum herauszufinden, ob es prädisponierende Faktoren gibt, bei denen man mit einer deutlich größeren NSBS-Spende (TNC>99. Perzentile) rechnen kann. Page et. al untersuchte den Zusammenhang zwischen vaginaler Geburt und Sectio caesarea und konnte zeigen, dass eine vaginale Geburt zu einer höheren TNC-Zahl im Vergleich zu Sectio caesarea führt [18]. Ob vaginal-operative Entbindungen inkludiert waren, bleibt unklar. Zudem wurde hier nicht zwischen primärer Sectio caesarea und sekundärer Sectio caesarea unterschieden. Wir konnten in dieser Studie und in Voruntersuchungen [9] [15] zeigen, dass der Anteil an sekundären Sectiones und vaginal-operativen Geburten in der Top100-Kohorte höher und signifikant unterschiedlich war. Dass fetaler Stress unter der Geburt mit einer höheren TNC-Zahl assoziiert ist, zeigt sich bei der Indikation zur operativen Entbindung wegen pathologischem CTG (21% in der Top100-Kohorte versus 9% in der Vergleichskohorte) sowie bei dem Anteil der Kinder, die ein suspektes oder pathologisches CTG in der AP hatten (65,6% in der Top100-Kohorte versus 40,3% in der Vergleichskohorte). Ebenso sind die APGAR- und arteriellen pH-Werte in der Top100-Kohorte tiefer als in der Vergleichskohorte ([Tab. 1], [2]). Wie in anderen Studien auch [19], korreliert das Kindsgewicht mit der TNC-Zahl und spielt nach dem Geburtsmodus im Entscheidungsbaum, sowohl in der Gruppe der Spontangeburten als auch in der Gruppe der Sectiones und vaginal-operativen Geburten, eine Rolle. Der Entscheidungsbaum soll Geburtshelfer sensibilisieren Situationen zu erkennen, in denen sich die NSBS-Entnahme besonders lohnt. Liegt bei einer Spontangeburt das Kindsgewicht unter 3415 g, kann praktisch nicht damit gerechnet werden, dass die TNC-Zahl, die der Top100-Kohorte erreicht. ([Abb. 1]). Wenn hingegen eine sekundäre Sectio caesarea oder eine vaginal-operative Entbindung durchgeführt wird und das Kind über 3780 g wiegt, liegt die Chance, eine TNC-Zahl aus der Top100-Kohorte zu erreichen, bei 38,9% ([Abb. 1]).

Das mütterliche Alter scheint als Faktor in einer selektierten Untergruppe, bei vaginal-operativer Entbindung von Kindern unter 3780 g eine Rolle zu spielen. Hier erhöht sich die Chance, eine sehr große Spende zu erreichen von 4,9 auf 25,6%, wenn die Mutter über 29 Jahre alt ist ([Abb. 1]). Zu Korrelation von TNC und mütterlichem Alter existieren in der Literatur widersprüchliche Daten. Im Gegensatz zu uns fanden Ballen et al. eine negative Korrelation zwischen maternalem Alter und TNC [20]. Anderen Studien wiederum unterstützen hier unsere Ergebnisse der Variablenselektion. Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die TNC-Zahl des NSB von Müttern zwischen 30–34 signifikant höher ist als bei Müttern zwischen 20–24 [21] und das Volumen von NSBS bei Frauen unter 30, im Vergleich zu Frauen über 30 Jahren, erhöht ist [22]. Der biologische bzw. physiologische Mechanismus dieses Phänomens ist unbekannt.

In Hinblick auf das plazentare Gewicht zeigte sich in bisherigen Studien zwar eine Korrelation von der plazentaren Größe und dem Volumen, aber nicht mit der TNC-Zahl [19]. Für die analysierte Top100-Kohorte der größten 100 Einheiten in unserem Register ist jetzt das plazentare Gewicht signifikant unterschiedlich gegenüber der Vergleichskohorte (600 g in der Top100-Kohorte versus 520 g in der Vergleichskohorte) und könnte damit im Gegensatz zu den anderen peripartalen Faktoren nur in der Gruppe der hohen TNC-Zahlen über der 99. Perzentile relevant sein. Da das plazentare Gewicht oder Volumen üblicherweise nicht vor der Geburt ermittelt wird, eignet sich dieser Faktor allerdings klinisch nicht in der Spenderselektion. Neue sonographische Methoden mit einer plazentaren Volumenanalyse wären technisch durchführbar, werden aber im Alltag nicht in standardisierter Form verwendet.

Fazit

Nur etwa jede fünfte NSBS enthält genug Stammzellen, um für eine Transplantation bei einem erkrankten Kind oder Erwachsenen verwendet zu werden. Bei einer NSBS sollte versucht werden, möglichst große Volumina zu erreichen. In der Analyse der größten 100 NSBS der Bank wurden peripartale Faktoren herausgearbeitet, die eine sehr große TNC-Zahl begünstigen. Hierzu gehören, wie im Entscheidungsbaum veranschaulicht, vor allem vaginal-operative Entbindungen und sekundären Sectiones. Es ist also gerade der pathologische Geburtsverlauf, der die Chancen für eine NSBS mit hohen TNC-Zahlen erhöht. Sobald Mutter und Kind versorgt sind, lohnt es sich gerade in diesen Fällen, an die Entnahme von NSB zu denken.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

The authors thank the collaborators at “Stammzelllabor Universitätsspital Basel” for their assistance in data collection and their administrative support throughout the duration of the study. We also thank the midwives and physicians participating in recruitment of patients and collection of cord blood for this study.


Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Gwendolin Manegold-Brauer
Klinik für Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin
Universitätsspital Basel
Spitalstraße 21
4031 Basel
Schweiz   
Phone: + 41 61 265 9046   
Fax: 0041612659185   

Publication History

Received: 22 April 2021

Accepted after revision: 26 August 2021

Article published online:
27 September 2021

© 2021. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

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Abb. 1 Der Entscheidungsbaum (conditional inference tree) ist eine anschauliche Variablenselektion und soll sensibilisieren, welche Faktoren die größten signifikanten Assoziationen im Hinblick auf das Outcome (TNC-Zahl>99. Perzentile) haben. Hierbei wurden alle Faktoren, die unmittelbar vor der NSB Entnahme bekannt sind, mit einbezogen. Für eine Spende, bei der ein Kind vaginal-operativ oder per sekundärer Sectio entbunden wird und über 3780 g wiegt, ist die Chancen der Top100-Kohorte anzugehören am höchsten (38,9%). Für eine Spende nach Spontangeburt oder primärer Sectio, bei der das Kind unter 3415 g wiegt, liegt die Chance in der Top100-Kohorte zu sein unter 1,7%.