Schlüsselwörter
Nabelschnurblut - Öffentliche Nabelschnurblutspende - Stammzelltransplantation - Private Nabelschnurblutspende
Key words
umbilical cord blood - public umbilical cord blood banking - stem cell transplantation - private umbilical cord blood banking
Einleitung
Nabelschnurblut (NSB) enthält hämatopoetische Stammzellen mit
therapeutischem Potenzial und einzigartigen, zellulären Eigenschaften [1]. Zum Spektrum der Krankheiten, bei der eine
hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSZT) aus NSB eingesetzt wird,
gehören benigne und maligne hämatologische Erkrankungen sowie
bestimmte Immuninsuffizienzen und Stoffwechselstörungen [2]
[3].
Darunter sind vor allem die akute myeloische und lymphatische Leukämie, das
myelodysplastische Syndrom und das Non-Hodgkin-Lymphom zu nennen. Zu den benignen
Erkrankungen gehören Thalassämien, primäre Immundefizite und
die aplastische Anämie [4]. Weltweit
existieren heute über 100 öffentliche NSB-Banken mit über
800 000 eingelagerten Spenden, die zu über 40 000 HSZT aus
NSB geführt haben [5]. In privaten
NSB-Banken lagern über 4 Millionen NSB-Einheiten. Der Einsatz von NSB
für eine Transplantation war in den letzten Jahren
rückläufig, weil haplo-identische Transplantationen,
hauptsächlich bei Geschwistern, ähnliche Ergebnisse im kurzzeitigen
Follow-up gezeigt haben. Unter den HSZT wird Nabelschnurblut häufig bei
Kindern eingesetzt und ist weiterhin eine wichtige alternative Stammzellquelle
für Personen, die keinen passenden, lebenden Spender finden.
Die Entnahme von Nabelschnurblut für private und öffentliche
Nabelschnurblutbanken wird also in der Geburtshilfe seit über 30 Jahren
durchgeführt. Trotzdem wird über die Qualität dieser
gewonnenen Blutprodukte sowie deren Einsatzmöglichkeiten in den
gynäkologischen Fachgesellschaften wenig diskutiert und in
gynäkologischen Fachzeitschriften wenig publiziert. Bei der NSB-Spende
(NSBS) handelt es sich um eine zusätzliche Aufgabe mit entsprechender
Verantwortung für die betreuenden Ärzte und Hebammen rund um die
Geburt, die mit Dokumentation, Schulung und Organisation verbunden ist und in ihrer
Relevanz häufig unterschätzt wird.
Eine Kryokonservierung von Nabelschnurblut macht aus heutiger Sicht nur dann Sinn,
wenn der Gehalt an hämatopoetischen Stammzellen hoch genug ist, um
für eine HSZT genutzt zu werden. Trotz einiger entscheidender Vorteile von
NSB im Vergleich zu anderen Stammzellquellen (z. B. Knochenmark)
enthält nur jede fünfte NSBS genügend Stammzellen, um
für eine HSZT verwendet werden zu können. Für eine hohe
Qualität ist es wichtig, dass der verantwortliche Geburtshelfer die Faktoren
kennt, welche die Qualität einer NSBS beeinflusst, um geeignete Spender
erkennen und zu können. Die Einlagerung in öffentlichen
Nabelschnurblutbanken hat das Ziel, Spenden anonym aufzubewahren, zu registrieren
und weltweit Menschen zur Verfügung zu stellen, die eine HSZT
benötigen. Auch wenn die Einlagerung in privaten Banken andere Ziele,
nämlich hauptsächlich die Einlagerung zum etwaigen autologen
Gebrauch für den Spender selbst verfolgt, müssen die gleichen
Kriterien für deren Qualität gelten.
Zu den Vorteilen von Nabelschnurblut gehören die einfache Entnahme, welche
ohne Schmerzen und Risiken für Mutter und Kind einhergeht, sowie die rasche
Verfügbarkeit eines Transplantats, welches schon vollständig
aufgearbeitet und typisiert in der Bank vorrätig ist [6]. Ebenso spielen Transplantatbedingte
Infektionen kaum eine Rolle und die Graft-versus–host Erkrankung tritt
seltener auf [6].
Der wesentliche Nachteil von NSB ist das begrenzte Volumen und die damit verbundene
geringere Anzahl an Stammzellen, welche zu einer verzögerten
hämatopoetischen Erholung beim Empfänger führt [7]. Die Chance, dass eine NSBS klinisch
eingesetzt wird, hängt also neben dem HLA-Typ (Human Leukocyte Antigen)
entscheidend von der Menge an gewonnenen Stammzellen ab. Als Surrogatmarker
für die Anzahl an hämatopoetischen Stammzellen wird die Gesamtzahl
kernhaltiger Zellen (total nucleated cells, TNC) herangezogen [8].
Es ist bereits bekannt, dass klinische Parameter von Mutter und Kind sowie der
Verlauf der Geburt die TNC-Zahl beeinflusst. Dabei spielt unter anderem das
Geburtsgewicht des Kindes, das Gestationsalter und der Geburtsmodus eine Rolle [9]
[10].
Für ein NSB-Engraftment beim Empfänger sollte minimal eine TNC-Zahl
von 2,5–3×107/kg KG eingesetzt werden.
Für eine Person, die 60 kg wiegt sind das
150–180×107 TNC. Hierfür ist bei der Entnahme
in der Regel ein Beutelgewicht von mindestens 120 g nötig. Diese
Menge wird nur bei ca. 20% der abgenommenen NSBS erreicht [9]. Für einen erwachsenen
Empfänger, der über 60 kg wiegt, ist diese Minimalanzahl von
TNC nicht ausreichend.
Ziele dieser Studie war es zu untersuchen, ob prädiktive Faktoren existieren,
die zu einer TNC-Zahl über 240×107 (über der 99.
Perzentile) führen, um Spender gezielt zu rekrutieren, deren NSB eine hohe
Wahrscheinlichkeit haben um, auch bei Erwachsenen eingesetzt zu werden.
Material und Methodik
Es handelt sich um eine retrospektive Datenanalyse von 2299 NSBS, welche am
Universitätsspital Basel im Zeitraum von Januar 1997 bis Dezember 2014
typisiert und kryokonserviert wurden. Hierfür wurden die 100 NSBS mit der
höchsten TNC-Zahl (Top100-Kohorte) mit 731 NSBS (Vergleichskohorte)
verglichen. Die Vergleichskohorte waren Spenden, welche zwischen Januar 2002 und
Juni 2006 kryokonserviert wurden [9]. Diese
Kohorte wurde als Vergleich gewählt, da in einem längeren Zeitraum
(4,5 Jahre) praktisch alle entnommenen NSBS, unabhängig von deren Menge,
eingelagert wurden. Ab Juli 2006 wurde der mindest-Cut-off für eine
Einlagerung in der Bank auf 80×107 erhöht und damit auf
die Einlagerung von sehr kleinen NSBS verzichtet. Der Cut-off der Menge für
eine Einlagerung wurde danach über die Jahre mehrmals angepasst (aktuell
150×107). Ebenso wurden die Ein- und Ausschlusskriterien der
Schwangeren seit Juli 2006 geringfügig verändert.
Von den Spenden wurden maternale, geburtshilfliche und neonatale Faktoren anhand der
hämatologischen Daten und der geburtshilflichen Dokumentation retrospektiv
analysiert. Zu den maternalen Faktoren gehörten: Alter (Jahre), BMI
(kg/m2) vor der Schwangerschaft (SS) und bei der Geburt,
Gravidität und Parität, präexistenter Diabetes und
Gestationsdiabetes (Ja/Nein). Zu den neonatalen Faktoren gehörten:
Kindliches Geschlecht, Schwangerschaftswoche (SSW) bei der Geburt, Geburtsgewicht
(g), APGAR-Werte und pH-Werte aus Nabelschnurarterie und -vene. An geburtshilflichen
Faktoren wurden Geburtsmodus, Plazentagewicht (g), vorzeitiger spontaner
Blasensprung (Ja/Nein), CTG-Klassifizierung nach FIGO in der
Eröffnungsperiode (EP) und Austreibungsperiode (AP), Indikation für
vaginal-operative Geburt oder Sectio caesarea (auffälliges CTG oder
Geburtsstillstand), Dauer der EP und AP (min.), Dauer der liegenden
Peridualanästhesie (PDA, min.), Dauer der Oxytocingabe (min.) und maximale
Oxytocindosis (ml) ausgewertet.
Spenderrekrutierung, Entnahme und Verarbeitung
Primär wurden alle Frauen, die anamnestisch keine Ausschlusskriterien
hatten, bei der Geburtsvorstellung oder bei der Aufnahme zur Geburt angefragt.
Falls sich anhand des medizinischen Fragebogens keine Kontraindikationen
ergaben, wurde das NSB nach der Geburt von geschultem Personal (Ärzte,
Hebammen) entnommen.
Die NSB-Entnahme erfolgte unter sterilen Bedingungen direkt nach Abnabelung des
Kindes und noch vor der Geburt der Plazenta. Gesammelt wurde das Blut nach
Punktion der Nabelschnurvene in sterilen Auffangbeuteln (MacoPharma,
Switzerland; Fenwal Belgium). Der Versand zur Weiterverarbeitung in das
Stammzelllabor erfolgte innerhalb von 6 Stunden. Die TNC-Zahl wurde mittels
Autoanalyse (ADVIA 210, Bayer, Basel, Schweiz) ermittelt. Die weitere
Verarbeitung zur Volumenreduktion erfolgte mittels Sepax (Sepax, Biosafe SA,
Eysins, Switzerland). Nach Kryokonservierung mit 7,5% Dimethylsulfoxid
wurden die Spenden in flüssigem Stickstoff bei -190°C gelagert.
Alle Schritte von der Rekrutierung bis zur Aufarbeitung und Registrierung sind
detailliert in Standard Operating Procedures (SOP) nach den Richtlinien von
Netcord und der Foundation for the Accreditation of Cellular Therapy (FACT)
festgehalten.
Statistische Analyse
Die deskriptive Statistik der Top100- und Vergleichskohorte beinhaltet
Mittelwerte und Standardabweichung oder den Median mit Minimum und Maximum.
P-Werte wurden bei Mittelwerten mittels T-Tests oder bei Medianwerten mittels
Mann-Whitney-U-Tests ermittelt. Bei kategoriellen Variablen wurde der
Chi-Quadrat-Test angewendet. Bei weniger als fünf Nennungen wurde der
Fisher‘s Exact Test angewendet. Ein p-Wert<0,05 wurde als
signifikant definiert.
Eine anschauliche Möglichkeit, um eine Variablenselektion und eine
Vorhersage der Gruppenzugehörigkeit zu machen, ist der Entscheidungsbaum
(Conditional inference tree) in [Abb. 1].
Betrachtet wurden alle Variablen, die bis unmittelbar vor der Entnahme der NSBS
bekannt sind. Hierbei wird die Variable mit der größten
signifikanten Assoziation im Hinblick auf das Outcome (hier Top100-Kohorte,
TNC>99. Perzentile) in 2 optimale Hälften gesplittet. Man
wiederholt dann in den jeweiligen Untergruppen das Verfahren, bis keine
signifikanten Assoziationen mehr zu finden sind [11]. Die Statistik wurde mit dem statistischen Softwarepaket R
Version 3.1.1. durchgeführt. Der Entscheidungsbaum wurde mittels der
Funktion „ctree“ in der library „party“
erstellt.
Abb. 1 Der Entscheidungsbaum (conditional inference tree) ist eine
anschauliche Variablenselektion und soll sensibilisieren, welche
Faktoren die größten signifikanten Assoziationen im
Hinblick auf das Outcome (TNC-Zahl>99. Perzentile) haben.
Hierbei wurden alle Faktoren, die unmittelbar vor der NSB Entnahme
bekannt sind, mit einbezogen. Für eine Spende, bei der ein Kind
vaginal-operativ oder per sekundärer Sectio entbunden wird und
über 3780 g wiegt, ist die Chancen der Top100-Kohorte
anzugehören am höchsten (38,9%). Für
eine Spende nach Spontangeburt oder primärer Sectio, bei der das
Kind unter 3415 g wiegt, liegt die Chance in der Top100-Kohorte
zu sein unter 1,7%.
Ergebnisse
Die mittlere TNC-Zahl lag in der Top100-Kohorte bei 303×107,
gemäß der Definition der Gruppen höher als in der
Vergleichskohorte mit 112×107. Das mittlere Volumen und die CD34
positiven Zellen lagen bei 179 ml und 11,2×106 in der
Top100-Kohorte versus 124 ml und 3,35×106 in der
Vergleichskohorte. Das maternale Alter und der BMI bei Aufnahme in den Kreissaal war
in der Top100-Kohorte höher als in der Vergleichskohorte (32 vs. 31 Jahre,
p=0,007 und 30 vs. 29 kg/m2 p=0,024). Unter den
Frauen in der Top100-Kohorte gab es signifikant mehr Erstgravida (63 vs.
50,1%, p=0,02) und Erstgebärende (76,0 vs. 62,8%,
p=0,013). Der Anteil an Frauen mit einem Gestationsdiabetes war in der
Top100-Kohorte höher als in der Vergleichskohorte (5,0 vs. 1,6%,
p=0,044) ([Tab. 1]).
Tab. 1 Deskriptive Statistik aller maternalen und neonatalen
Faktoren der Top100-Kohorte und der Vergleichskohorte. Metrische oder
ordinale Daten werden als Mittelwert (Standardabweichung) oder Median
(Min, Max) angegeben. Bei kategoriellen Daten wurde die Anzahl in n und
der Anteil in % angegeben.
|
Vergleichskohorte n=731
|
Top100-Kohorte n=100
|
p-Wert
|
n 831
|
Volumen (ml)
|
124
|
(21,4)
|
179
|
(28,6)
|
<0,001
|
830
|
Total nucleated cells (107)
|
112
|
(44,4)
|
303
|
(40,8)
|
<0,001
|
831
|
CD 34+(106)
|
3,35
|
(2,79)
|
11.2
|
(7.06)
|
<0,001
|
830
|
Maternale Faktoren
|
|
|
|
|
|
|
Mütterliches Alter (Jahre)
|
30
|
(5,36)
|
32
|
(5,17)
|
0,007
|
831
|
BMI vor SS (kg/m2)
|
23
|
(4,13)
|
23
|
(3,86)
|
0,236
|
784
|
BMI bei Aufnahme (kg/m2)
|
29
|
(4,50)
|
30
|
(3,84)
|
0,024
|
797
|
Gravidität
|
|
|
|
|
0,020
|
831
|
G1
|
366
|
50,1%
|
63
|
63,0%
|
|
|
>G1
|
365
|
49,9%
|
37
|
37,0%
|
|
|
Parität
|
|
|
|
|
0,013
|
831
|
P1
|
459
|
62,8%
|
76
|
76,0%
|
|
|
>P1
|
272
|
37,2%
|
24
|
24,0%
|
|
|
VSBS
|
|
|
|
|
0,652
|
830
|
Nein
|
594
|
81,3%
|
78
|
78,8%
|
|
|
Ja
|
137
|
18,7%
|
21
|
21,2%
|
|
|
Präexistenter Diabetes
|
|
|
|
|
1,000
|
829
|
Nein
|
728
|
9,99%
|
100
|
100%
|
|
|
Ja
|
1
|
0,1%
|
0
|
0%
|
|
|
Gestationsdiabetes
|
|
|
|
|
0,044
|
829
|
Nein
|
717
|
98,4%
|
95
|
95%
|
|
|
Ja
|
12
|
1,6%
|
5
|
5%
|
|
|
Neonatale Faktoren
|
|
|
|
|
|
|
Geschlecht
|
|
|
|
|
0,091
|
831
|
Männlich
|
354
|
48,4%
|
58
|
58,0%
|
|
|
Weiblich
|
377
|
51,6%
|
42
|
42,0%
|
|
|
Schwangerschaftswoche
|
40+1
|
(33+2–42+1)
|
40+4
|
(36+4–42+1)
|
0,002
|
831
|
Geburtsgewicht (g)
|
3450
|
(2170–4990)
|
3700
|
(2750–4630)
|
<0,001
|
830
|
APGAR Score
|
|
|
|
|
|
732
|
1 min.
|
8
|
(1,41)
|
7
|
(1,84)
|
<0.001
|
|
5 min.
|
10
|
(0,81)
|
9
|
(1,04)
|
<0.001
|
831
|
10 min.
|
10
|
(0.37)
|
10
|
(0,39)
|
<0.001
|
831
|
Arterieller Nabelschnur pH
|
|
|
|
|
<0,001
|
732
|
>7,19
|
498
|
78,2%
|
56
|
58,9%
|
|
|
7,15–7,19
|
79
|
12,4%
|
24
|
25,3%
|
|
|
<7,15
|
60
|
9,4%
|
15
|
15,8%
|
|
|
Venöser Nabelschnur pH
|
|
|
|
|
0,064
|
814
|
>7,19
|
696
|
96,9%
|
89
|
92,7%
|
|
|
7,15–7,19
|
15
|
2,1%
|
5
|
5,2%
|
|
|
<7,15
|
7
|
1,0%
|
2
|
2,1%
|
|
|
Bei den fetalen Faktoren zeigten sich signifikante Unterschiede beim Gestationsalter,
Geburtsgewicht, APGAR-Werten und bei den arteriellen pH-Werten. Die
Schwangerschaftswoche und das Geburtsgewicht war in der Top100-Kohorte höher
als in der Vergleichskohorte (40+4 vs. 40+1 SSW, p=0,002),
(3700 vs. 3450 g,<0,001). Die mittleren APGAR-Werte aller 3
Zeitpunkte (1, 5 und 10 Minuten) sowie der arterielle pH (pHa) aus dem NSB waren in
der Top100-Kohorte signifikant tiefer als in der Vergleichskohorte (p<0,001)
([Tab. 1]).
Bei den geburtshilflichen Faktoren gab es in der Top100-Kohorte mehr
vaginal-operativen Geburten (53,0 vs. 22,7%) sowie mehr sekundäre
Sectiones (10,0 vs. 6,2%). Demgegenüber waren in der
Vergleichskohorte mehr Spontangeburten (62,1 vs. 36,0%) und primäre
Sectiones (9,0 vs. 1,0%). In der Top100-Kohorte gab es signifikant mehr
suspekte oder pathologische CTGs nach FIGO, sowohl in der EP als auch in der AP (EP:
25,5 vs. 15,7%, p=0,023, AP: 65,6 vs. 40,3%,
p<0,001). Die durchschnittliche Dauer der AP war in der Top100-Kohorte
länger (107 Minuten versus 73 Minuten, p<0,001) und ein
Geburtsstillstand kam mit 25,0 versus 11,6% (p<0,001)
häufiger vor als in der Vergleichskohorte. Eine Intervention aufgrund eines
suspekten oder pathologischen CTGs war in der Top100-Kohorte häufiger als in
der Vergleichskohorte (21,0 versus 9,0%, p<0,001). Das
Plazentagewicht war in der Top100-Kohorte signifikant höher (600 vs.
520 g, p<0,001) ([Tab.
2]).
Tab. 2 Deskriptive Statistik aller geburtshilflicher Faktoren
der Top100-Kohorte und der Vergleichskohorte. Metrische oder ordinale
Daten werden als Mittelwert (Standardabweichung) oder Median (Min, Max)
angegeben. Bei kategoriellen Daten wurde die Anzahl in n und der Anteil
in % angegeben. Ein p-Wert<0,05 wurde als signifikant
definiert.
Geburtshilfliche Faktoren
|
Vergleichskohorte
|
Top100-Kohorte
|
p-Wert
|
n
|
n=731
|
n=100
|
831
|
Geburtsmodus
|
|
|
|
|
<0,001
|
831
|
Spontangeburt
|
454
|
62,1%
|
36
|
36,0%
|
|
|
Vaginal-operative Geburt
|
166
|
22,7%
|
53
|
53,0%
|
|
|
Primäre Sectio caesarea
|
66
|
9,0%
|
1
|
1,0%
|
|
|
Sekundäre Sectio caesarea
|
45
|
6,2%
|
10
|
10,0%
|
|
|
Plazentagewicht (g)
|
520
|
(200–870)
|
600
|
(385–1020)
|
<0,001
|
500
|
CTG (FIGO) in der Eröffnungsphase
|
|
|
|
|
0,023
|
766
|
Normal
|
563
|
84,3%
|
73
|
74,5%
|
|
|
Suspekt/pathologisch
|
105
|
15,7%
|
25
|
25,5%
|
|
|
CTG (FIGO) in der Austreibungsphase
|
|
|
|
|
<0,001
|
726
|
Normal
|
378
|
59,7%
|
32
|
34,4%
|
|
|
Suspekt/pathologisch
|
255
|
40,3%
|
61
|
65,6%
|
|
|
Indikation für assistierte Geburten
|
|
|
|
|
<0,001
|
831
|
Spontangeburt
|
454
|
62,1%
|
36
|
36,0%
|
|
|
Geburtsstillstand
|
85
|
11,6%
|
25
|
25,0%
|
|
|
Suspektes/pathologisches CTG
|
66
|
9,0%
|
21
|
21,0%
|
|
|
Kombination Geburtsstillstand und
Suspektes/pathologisches CTG
|
60
|
8,2%
|
17
|
17,0%
|
|
|
Primärer Sectio caesarea
|
66
|
9,0%
|
1
|
1,0%
|
|
|
Dauer Eröffnungsphase (min.)
|
152
|
(186)
|
161
|
(207)
|
0,656
|
753
|
Dauer Austreibungsphase (min.)
|
73
|
(77)
|
107
|
(84)
|
<0,001
|
724
|
Dauer der PDA (min.)
|
275
|
(212)
|
231
|
(228)
|
0,073
|
509
|
Dauer der Oxytocingabe (min.)
|
191
|
(195)
|
220
|
(205)
|
0,209
|
579
|
Maximale Oxytocindosis (ml/h)
|
39
|
(45)
|
48
|
(45,7)
|
0,086
|
561
|
Der Entscheidungsbaum bezieht alle Faktoren, die vor der NSB-Entnahme
eingeschätzt werden können, mit ein ([Abb. 1]). Der wichtigste Prädiktor
für eine Nabelschurblutspende mit einer TNC-Zahl aus der Top100-Kohorte ist
der Geburtsmodus. Danach spielt das Kindsgewicht eine große Rolle.
Für eine Spende, bei der ein Kind vaginal-operativ oder per
sekundärer Sectio entbunden wird und über 3780 g wiegt, ist
die Chancen der Top100-Kohorte anzugehören am höchsten
(38,9%). Bei einem Kindsgewicht kleiner oder gleich 3780 g, aber
einem mütterlichen Alter von über 29 Jahre, liegt die Chance bei
25,6%. Für eine Spende nach Spontangeburt oder primärer
Sectio, bei der das Kind unter 3415 g wiegt, liegt die Chance in der
Top100-Kohorte zu sein bei 1,7% ([Abb.
1]).
Diskussion
In dieser retrospektiven Datenanalyse wurden peripartale Faktoren analysiert, welche
als Prädiktoren für sehr hohen Stammzellgehalt im NSB dienen und
damit eine hohe Chance haben, für eine HSZT eingesetzt zu werden. In dieser
Studie wurden 100 NSB-Spenden mit der höchsten Stammzellzahl (Surrogatmarker
TNC) aus insgesamt 2.299 NSB-Einheiten ausgewählt und analysiert. Verglichen
wurden die peripartalen Faktoren mit einer standardisierten Kohorte, die dem
Kollektiv entspricht, welches typischerweise für eine NSBS in der
Schwangerschaft angefragt wird. Die Vergleichskohorte stammt aus einer Zeit, in der
praktisch alle korrekt entnommenen Spenden kryokonserviert wurden. Die Analyse der
größten NSB-Einheiten erschien relevant, weil die Höhe der
TNC-Zahl mit der Zeit bis zum Engraftment und dem Erfolg der Transplantation
korreliert [12]
[13] und eine minimale TNC-Zahl von
3×107 kg KG für Transplantationen empfohlen
wird (entsprechend 180×107 bei einem Erwachsenen mit
60 kg) [14].
Es ist bekannt, dass Faktoren von Mutter und Kind sowie der Geburtsverlauf die
Stammzellzahlen im Nabelschnurblut beeinflussen [9]
[10]
[15]. Die Betreuung der Gebärenden unter
der Geburt ist nur von medizinischen Gesichtspunkten abhängig und wird durch
die geplante Nabelschnurblutspende weder modifiziert oder beeinflusst. In unserer
Studie konnten wir zeigen, dass es mehrere Faktoren gibt, die prädiktiv
für eine Spende mit sehr hoher TNC-Zahl sind. Dabei ist eine
vaginal-operative Entbindung und eine sekundäre Sectio für den
Stammzellgehalt günstig. Über den Zusammenhang von Geburtsmodus und
TNC-Zahl sind in der Literatur widersprüchliche Angaben zu finden. Die
Widersprüche lassen sich am ehesten durch unterschiedlich detaillierte
Angaben zum Geburtsmodus erklären. Während einige Studien eine
höhere TNC-Zahl bei vaginalen Geburten im Vergleich zu Sectiones berichten
[10]
[16]
[17], hatten die vorliegende
Studie und Vorstudien [9]
[15] die Modi detaillierter betrachtet. Im
Gegensatz zu unserer Vorstudie wurden hier nicht nur pränatal
abschätzbare Faktoren betrachtet, sondern alle Variablen miteinbezogen, die
zum Zeitpunkt der Entnahme des NSBs bekannt sind (z. B. Geburtsmodus). Die
Vorstudien hatten das Kriterium für eine Einlagerung des NSBs in der
NSB-Bank zum Ziel (TNC-Zahl>150×107). In der aktuellen
Analyse ging es darum herauszufinden, ob es prädisponierende Faktoren gibt,
bei denen man mit einer deutlich größeren NSBS-Spende
(TNC>99. Perzentile) rechnen kann. Page et. al untersuchte den Zusammenhang
zwischen vaginaler Geburt und Sectio caesarea und konnte zeigen, dass eine vaginale
Geburt zu einer höheren TNC-Zahl im Vergleich zu Sectio caesarea
führt [18]. Ob vaginal-operative
Entbindungen inkludiert waren, bleibt unklar. Zudem wurde hier nicht zwischen
primärer Sectio caesarea und sekundärer Sectio caesarea
unterschieden. Wir konnten in dieser Studie und in Voruntersuchungen [9]
[15]
zeigen, dass der Anteil an sekundären Sectiones und vaginal-operativen
Geburten in der Top100-Kohorte höher und signifikant unterschiedlich war.
Dass fetaler Stress unter der Geburt mit einer höheren TNC-Zahl assoziiert
ist, zeigt sich bei der Indikation zur operativen Entbindung wegen pathologischem
CTG (21% in der Top100-Kohorte versus 9% in der Vergleichskohorte)
sowie bei dem Anteil der Kinder, die ein suspektes oder pathologisches CTG in der AP
hatten (65,6% in der Top100-Kohorte versus 40,3% in der
Vergleichskohorte). Ebenso sind die APGAR- und arteriellen pH-Werte in der
Top100-Kohorte tiefer als in der Vergleichskohorte ([Tab. 1], [2]). Wie in anderen Studien auch [19], korreliert das Kindsgewicht mit der TNC-Zahl und spielt nach dem
Geburtsmodus im Entscheidungsbaum, sowohl in der Gruppe der Spontangeburten als auch
in der Gruppe der Sectiones und vaginal-operativen Geburten, eine Rolle. Der
Entscheidungsbaum soll Geburtshelfer sensibilisieren Situationen zu erkennen, in
denen sich die NSBS-Entnahme besonders lohnt. Liegt bei einer Spontangeburt das
Kindsgewicht unter 3415 g, kann praktisch nicht damit gerechnet werden, dass
die TNC-Zahl, die der Top100-Kohorte erreicht. ([Abb. 1]). Wenn hingegen eine sekundäre Sectio caesarea oder eine
vaginal-operative Entbindung durchgeführt wird und das Kind über
3780 g wiegt, liegt die Chance, eine TNC-Zahl aus der Top100-Kohorte zu
erreichen, bei 38,9% ([Abb. 1]).
Das mütterliche Alter scheint als Faktor in einer selektierten Untergruppe,
bei vaginal-operativer Entbindung von Kindern unter 3780 g eine Rolle zu
spielen. Hier erhöht sich die Chance, eine sehr große Spende zu
erreichen von 4,9 auf 25,6%, wenn die Mutter über 29 Jahre alt ist
([Abb. 1]). Zu Korrelation von TNC und
mütterlichem Alter existieren in der Literatur widersprüchliche
Daten. Im Gegensatz zu uns fanden Ballen et al. eine negative Korrelation zwischen
maternalem Alter und TNC [20]. Anderen Studien
wiederum unterstützen hier unsere Ergebnisse der Variablenselektion. Es
konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die TNC-Zahl des NSB von Müttern
zwischen 30–34 signifikant höher ist als bei Müttern
zwischen 20–24 [21] und das Volumen
von NSBS bei Frauen unter 30, im Vergleich zu Frauen über 30 Jahren,
erhöht ist [22]. Der biologische bzw.
physiologische Mechanismus dieses Phänomens ist unbekannt.
In Hinblick auf das plazentare Gewicht zeigte sich in bisherigen Studien zwar eine
Korrelation von der plazentaren Größe und dem Volumen, aber nicht
mit der TNC-Zahl [19]. Für die
analysierte Top100-Kohorte der größten 100 Einheiten in unserem
Register ist jetzt das plazentare Gewicht signifikant unterschiedlich
gegenüber der Vergleichskohorte (600 g in der Top100-Kohorte versus
520 g in der Vergleichskohorte) und könnte damit im Gegensatz zu den
anderen peripartalen Faktoren nur in der Gruppe der hohen TNC-Zahlen über
der 99. Perzentile relevant sein. Da das plazentare Gewicht oder Volumen
üblicherweise nicht vor der Geburt ermittelt wird, eignet sich dieser Faktor
allerdings klinisch nicht in der Spenderselektion. Neue sonographische Methoden mit
einer plazentaren Volumenanalyse wären technisch durchführbar,
werden aber im Alltag nicht in standardisierter Form verwendet.
Nur etwa jede fünfte NSBS enthält genug Stammzellen, um
für eine Transplantation bei einem erkrankten Kind oder Erwachsenen
verwendet zu werden. Bei einer NSBS sollte versucht werden, möglichst
große Volumina zu erreichen. In der Analyse der größten
100 NSBS der Bank wurden peripartale Faktoren herausgearbeitet, die eine sehr
große TNC-Zahl begünstigen. Hierzu gehören, wie im
Entscheidungsbaum veranschaulicht, vor allem vaginal-operative Entbindungen und
sekundären Sectiones. Es ist also gerade der pathologische
Geburtsverlauf, der die Chancen für eine NSBS mit hohen TNC-Zahlen
erhöht. Sobald Mutter und Kind versorgt sind, lohnt es sich gerade in
diesen Fällen, an die Entnahme von NSB zu denken.