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DOI: 10.1055/a-1653-2972
Verzögerte Antibiotika-Rezeptverordnung bei Atemwegsinfektionen
Mediziner der Universität von Southampton untersuchten im Rahmen einer Metaanalyse, inwieweit eine verzögerte Antibiotika-Rezeptverordnung sich auf die durchschnittliche Schwere der Symptome bei Patient*innen mit Atemwegsinfektionen insgesamt und bestimmten Untergruppen auswirkt und welche Faktoren diesen Effekt modifizieren.
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Für ihre auf Originaldaten basierende Studie (IPD-Metaanalyse) durchsuchten die Autor*innen die Datenbanken des Cochrane-Studienregisters, Ovid Medline, Ovid Embase, EBSCO CINAHL Plus und Web of Science. Ausgewählt wurden randomisierte, kontrollierte Studien und Observationsstudien in einem Setting, in dem ein Vergleich zwischen verzögerter und keiner Antibiotikaverschreibung sowie verzögerter versus sofortiger Antibiotikaverschreibung untersucht wurde. Die systematische Analyse erfolgte nach dem PROSPERO-Studienprotokoll und gemäß den PRISMA-IPD-Leitlinien.
Primärer Studienendpunkt war die durchschnittliche Symptomschwere 2–4 Tage nach der Erstkonsultation, gemessen auf einer 7-Punkte-Skala von normal bis so schlecht wie möglich. Sekundäre Endpunkte waren die Krankheitsdauer nach Erstkonsultation, Komplikationen, die zu einer Krankenhauseinweisung oder zum Tod führten, eine erneute Konsultation bei gleicher oder sich verschlimmernder Erkrankung sowie die Patientenzufriedenheit mithilfe einer Likert-Skala.
Von insgesamt 22 geeigneten Studien mit nahezu 60 000 Patient*innen konnten schlussendlich Daten aus 9 randomisierten, kontrollierten Studien und 4 Beobachtungsstudien mit insgesamt 55 682 Patient*innen ausgewertet werden. Die jeweiligen Studien umfassten zwischen 129 und 28 856 Teilnehmer*innen (median 557, Interquartilbereich 316–2690).
Hinsichtlich der Symptomschwere, gemessen mit der 7-Punkte-Skala nach Erstkonsultation, fanden sich keine Unterschiede zwischen verzögerter versus sofortiger Antibiotikagabe oder verzögerter versus keiner Antibiotikagabe.
Die Symptomdauer war bei den Patient*innen, die verzögert Antibiotika verschrieben bekamen, etwas länger als bei denjenigen, die sofort Antibiotika erhielten (11,4 vs. 10,9 Tage; HR 1,04, 95 %-KI 1,01–1,08). Die Symptomdauer bei verzögerter bzw. keiner Antibiotikagabe war vergleichbar.
Komplikationen, die zu einer Krankenhauseinweisung oder zum Tod führten, waren bei verzögerter Antibiotikagabe im Vergleich zu fehlender oder sofortiger Antibiotikagabe geringer (Odds Ratio [OR] 0,62, 95 %-KI 0,30–1,27 bzw. OR 0,78, 95 %-KI 0,53–1,13).
Die Rate einer erneuten Konsultation war bei verzögerter Antibiotikagabe im Vergleich zu keiner Gabe niedriger (13 % vs. 17 %; OR 0,72, 95 %-KI 0,60–0,87), zwischen verzögerter und sofortiger Antibiotikaverschreibung fand sich kein signifikanter Unterschied (16 %). Eine Zunahme der Patientenzufriedenheit wurde bei verzögerter bzw. fehlender Antibiotikagabe beobachtet.
Die Wirkung von verzögerter gegen sofortige und im Vergleich zu keiner Antibiotikagabe wurde durch vorangegangene Krankheitsdauer, Fieber, Komorbidität oder Schwere der Symptome nicht beeinflusst.
Bei Kindern unter 5 Jahren fand sich nach verzögerter Antibiotika-Behandlung im Vergleich zur sofortigen Behandlung eine etwas höhere Schwere der Symptome 2–4 Tage nach der Erstkonsultation. In der älteren Altersgruppe wurde dieser Effekt nicht gefunden.
Eine abwartende Antibiotika-Verschreibung ist für die meisten Patient*innen eine sichere und wirksame Strategie, auch bei denjenigen mit höherem Risiko, und könnte die Rate der erneuten Konsultationen verringern. Die Symptomdauer war vergleichbar mit der keiner Antibiotika-Verschreibung und führte, nach Auffassung der Autor*innen, zu keiner schlechteren Symptomkontrolle als nach sofortiger Antibiotika-Verschreibung.
Richard Kessing, Zeiskam
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Publication History
Article published online:
07 December 2021
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Georg Thieme Verlag KG
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