Pneumologie 2021; 75(12): 928
DOI: 10.1055/a-1654-3715
Pneumo-Fokus

Welche Faktoren erhöhen das Risiko einer interstitiellen Lungenanomalie?

Buendía-Roldán I. et al.
Risk factors associated with the development of interstitial lung abnormalities.

Eur Respir J 2021; 58
DOI: 10.1183/13993003.03005-2020
 

Etwa 7–9 % der Über-50-Jährigen entwickeln eine interstitielle Lungenanomalie (ILA). Doch bislang ist nur wenig über mögliche Risikofaktoren, die zur Entstehung von ILAs beitragen, bekannt. Daher analysierte eine aktuelle Studie nun genetische, molekulare und umweltbedingte Faktoren, die mit der Entwicklung von ILAs bei respiratorisch asymptomatischen Personen in Verbindung stehen könnten.


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Eine interstitielle Lungenanomalie ist durch das Vorhandensein von Milchglas-Trübungen, retikulären Anomalien oder Traktionsbronchiektasen gekennzeichnet. Bislang gelten u. a. die Exposition gegenüber verschiedenen Dämpfen, Gasen und Staub, das Rauchen sowie erhöhte Serumspiegel der Matrixmetalloproteinase (MMP)-7 und Interleukin (IL)-6 zu den bekannten Risikofaktoren für ILA. Um weitere Faktoren für die Entwicklung einer ILA zu identifizieren, rekrutierten Wissenschaftler des Nationalen Instituts für Atemwegserkrankungen in Mexiko-City zwischen 2015 und Juli 2019 respiratorisch asymptomatische Freiwillige ≥ 60 Jahre. Mittels hochauflösender Computertomografie (HRCT) ermittelten sie aus den Teilnehmenden diejenigen, die eine ILA aufwiesen. Anschließend verglichen sie die Patienten mit einer ILA mit Kontrollpersonen, die eine unauffällige HRCT aufwiesen, um demografische und funktionelle Unterschiede zu bewerten. Dafür verwendeten sie einen Fragebogen, der u. a. Abschnitte aus dem American Thoracic Society-Division of Lung Disease Respiratory Questionnaire enthielt. Außerdem erfassten sie Informationen zum Raucherstatus, Komorbiditäten und der Exposition gegenüber Schadstoffen.

Alle Teilnehmer nahmen an Lungenfunktionstests (forcierte Vitalkapazität [FVC], forciertes exspiratorisches Volumen in 1 s und Diffusionskapazität der Lunge für Kohlenmonoxid [DLCO]) und an einem 6-Minuten-Gehtest teil. Mithilfe von Serumproben wurden zudem die Serumspiegel von MMP-7, MMP-1, IL-6, Surfactant-Protein-D, α-Klotho und Resistin quantifiziert sowie die Serumkonzentrationen von MMP-2, MMP-3, MMP-8, MMP-9, MMP-12 und MMP-13 bestimmt. Außerdem wurde DNA extrahiert und das seltenere Allel des Einzelnukleotid-Polymorphismus rs35705950 aus dem MUC5B-Promotor bestimmt.

Patienten, die eine ILA aufwiesen, wurden alle 6 Monate mit denselben Lungenfunktionstests nachuntersucht. Eine Progression lag vor, wenn die Person mindestens 2 der folgenden Bedingungen aufwies: 1. Verschlechterung der Lungenfunktionstests, 2. Beginn oder Verschlechterung der Atemwegssymptome oder 3. Zunahme der Läsionen um > 30 % im Vergleich zum vorherigen HRCT oder das Auftreten neuer Läsionen.

Ergebnisse

Von den 817 eingeschlossenen Patienten konnte bei 80 Personen (9,7 %) eine ILA festgestellt werden. Insgesamt 564 Personen dienten als Kontrollgruppe.

  • Personen mit ILA hatten im Vergleich zu den 564 Kontrollpersonen eine verminderte Lungenfunktion (geringere Diffusionskapazität der Lunge für Kohlenmonoxid und Sauerstoffsättigung), wohingegen bei der FVC keine Unterschiede beobachtet wurden.

  • Die Häufigkeit von MUC5B rs35705950 war signifikant mit ILA assoziiert (OR = 3,5, 95 %-KI 1,3–9,4; p = 0,01).

  • Personen mit ILA waren im Vergleich zu den Kontrollpersonen deutlich älter (72 ± 8 vs. 69 ± 8 Jahre; p < 0,0001), überwiegend männlich (43 % vs. 26 %; p = 0,005) und ehemalige/aktuelle Raucher (p = 0,01).

  • Bei Probanden mit ILAs waren Resistin, IL-6, SP-D, MMP-1, MMP-7 und MMP-13 signifikant erhöht, wobei Resistin (12 ± 5 vs. 9 ± 4 ng·mL–1; p = 0,0005) und MMP-13 (357 ± 143 vs. 298 ± 116 pg·mL–1; p = 0,004) die am stärksten erhöhten Biomarker waren.

  • Bei der Nachbeobachtung (24 ± 18 Monate) zeigten 18 Personen (23 %) eine Progression, die sich in einer verschlechterten Lungenfunktion, einer Zunahme der HRCT-Trübungen oder dem Auftreten von Symptomen äußerte.

  • Die Progression war mit gastroösophagealem Reflux (OR = 4,1, 95 %-KI 1,2–12,9; p = 0,02) und bei Frauen mit Diabetes mellitus (OR = 5,3, 95 %-KI 1,0–27,4; p = 0,01) assoziiert.

Fazit

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass etwa 10 % der respiratorisch asymptomatischen Personen im Alter von ≥ 60 Jahren eine interstitielle Lungenanomalie entwickeln. Weiterhin waren pro-inflammatorische Moleküle wie Resistin und MMP-13 mit ILA assoziiert. Letztere Moleküle spielen möglicherweise eine pathogene Rolle und könnten in Zukunft dazu beitragen, Personen mit einem hohen Risiko für die Entwicklung einer ILA frühzeitig zu identifizieren, so die Autorinnen und Autoren.

Leandra Metzger, Stuttgart


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Publication History

Article published online:
07 December 2021

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