Pneumologie 2021; 75(11): 835-836
DOI: 10.1055/a-1654-5661
Referiert – kommentiert

Nicht-kleinzelliger Lungenkrebs: Trastuzumab-Deruxtecan wirkt krebshemmend

Li BT. et al.
Trastuzumab Deruxtecan in HER2-Mutant Non-Small-Cell Lung Cancer.

N Engl J Med 2021;
 

Etwa 3 % der nicht-kleinzelligen Lungenkarzinome (non-small-cell lung cancer, NSCLC) werden durch Mutationen im Gen, das für den humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor 2 (HER2) kodiert, verursacht. Während es u. a. für Brustkrebspatienten bereits Therapien gibt, die sich gegen HER2 richten, sind diese für Patienten mit NSCLC nicht zugelassen – auch weil die Wirksamkeit und Sicherheit von Trastuzumab-Deruxtecan bislang unklar sind.


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Trastuzumab-Deruxtecan ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, bestehend aus einem humanisierten monoklonalen Anti-HER2-Antikörper, der mit einem Topoisomerase-I-Inhibitor verbunden ist. Durch die Bindung an HER2 aktiviert Trastuzumab-Deruxtecan Zellen des Immunsystems, die dann die Tumorzellen abtöten. In einer multizentrischen Phase-2-Studie untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun die Wirksamkeit und Sicherheit von Trastuzumab-Deruxtecan bei Patienten mit HER2-überexprimiertem oder HER2-mutiertem NSCLC. Dafür rekrutierten sie an 21 Zentren in Nordamerika, Japan und Europa zwischen dem 30. Mai 2018 und dem 21. Juli 2020 91 Studienteilnehmende. Teilnahmeberechtigt waren Erwachsene mit metastasiertem, HER2-mutiertem NSCLC, die nicht auf eine Standardbehandlung ansprachen. Trastuzumab-Deruxtecan wurde alle 3 Wochen intravenös in einer Dosis von 6,4 mg pro Kilogramm Körpergewicht verabreicht.

Als primäres Ergebnis galt das objektive Ansprechen, das durch eine unabhängige zentrale Prüfung auf Grundlage von RECIST (Response Evaluation Criteria in Solid Tumors) beurteilt wurde. Sekundär erfassten die Forschenden die Dauer des Ansprechens, die Krankheitskontrolle (definiert als vollständiges Ansprechen, teilweises Ansprechen oder stabile Erkrankung nach 6 Wochen ohne Progression), das progressionsfreie Überleben, das Gesamtüberleben und die Sicherheit. In explorativen Analysen untersuchten sie potenzielle Biomarker für das Ansprechen.

Ergebnisse

Insgesamt umfasste die Studie 91 Patienten. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung (3. Mai 2021) betrug die mittlere Behandlungsdauer 6,9 Monate (Spanne von 0,7–26,4); bei 15 Patienten (16 %) war die Behandlung noch nicht abgeschlossen. Die mittlere Nachbeobachtungsdauer lag bei 13,1 Monaten (Spanne von 0,7–29,1).

  • Von den 91 Patienten wiesen 50 Patienten (55 %) ein objektives Ansprechen auf (95 %-KI 44–65). Ein Patient hatte ein vollständiges Ansprechen, 49 Patienten ein partielles Ansprechen. Bei den meisten Patienten (92 %, 95 %-KI 85–97) war die Krankheit unter Kontrolle und der Tumor verkleinert.

  • Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 9,3 Monate (95 %-KI 5,7–14,7).

  • Das durchschnittliche progressionsfreie Überleben betrug 8,2 Monate (95 %-KI 6,0–11,9) und das mittlere Gesamtüberleben 17,8 Monate (95 %-KI 13,8–22,1).

  • Das Sicherheitsprofil entsprach im Allgemeinen dem früherer Studien. Insgesamt wiesen 88 Patienten (97 %) mindestens ein unerwünschtes arzneimittelbedingtes Ereignis auf. Die meisten unerwünschten Nebenwirkungen waren von Grad 1 oder 2. Bei 46 % der Patienten traten unerwünschte Ereignisse des Grades 3 oder höher auf. Die häufigsten arzneimittelbedingten unerwünschten Nebenwirkungen von Grad 3 oder höher waren Neutropenie (19 %) und Anämie (10 %). Bei 2 Patienten traten unerwünschte arzneimittelbedingte Ereignisse von Grad 5 auf.

  • Eine arzneimittelbedingte interstitielle Lungenerkrankung trat bei 26 % der Patienten auf und führte bei 2 Patienten zum Tod.

  • Das Ansprechen auf die Behandlung wurde bei Patienten mit verschiedenen HER2-Mutationssubtypen sowie bei Patienten, bei denen keine HER2-Expression oder HER2-Amplifikation nachweisbar war, beobachtet.

Fazit

In dieser Phase-2-Studie bewirkte die Behandlung mit Trastuzumab-Deruxtecan bei einem hohen Prozentsatz der Patienten mit fortgeschrittenem HER2-mutiertem NSCLC ein Ansprechen. Zudem stimme das beobachtete Sicherheitsprofil mit dem früherer Studien überein – wobei die interstitielle Lungenerkrankung ein Risiko bleibe, so die Autorinnen und Autoren. Dennoch unterstütze die Studie den klinischen Nutzen von Trastuzumab-Deruxtecan bei Patienten mit HER2-mutiertem NSCLC.

Leandra Metzger, Stuttgart

Studien-Kommentar

Derzeit sind zielgerichtete Substanzen bei aktivierenden molekularen Alterationen bei folgenden Rezeptoren zugelassen: EGFR, ALK, ROS1, RET, BRAF V600E und NRTK. Darüber hinaus gibt es aber auch weitere, zumeist eher selten vorkommende Alterationen. Diese können einen erheblichen Einfluss auf den therapeutischen Verlauf nehmen wie bspw. durch eine möglicherweise geringe Wirksamkeit von Immun-Checkpointinhibitoren [1]. Umso wichtiger ist daher die Entwicklung zielgerichteter Therapieansätze, um die Abhängigkeit der Tumorzellen von der molekularen Alteration therapeutisch zu nutzen. Die im Artikel von Li et al. beschriebene Studie zu Trastuzumab-Deruxtecan beim HER2-mutierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom ist hierbei in verschiedener Hinsicht bemerkenswert [2]: Her2-Mutationen werden beim NSCLC im Stadium IV mit 3 % eher selten entdeckt; die Patienten sind häufiger weiblich, Nieraucher, eher jünger bei Erstdiagnose und entwickeln häufiger Hirnmetastasen als Wildtyp-Patienten. Bei Trastuzumab-Derutecan handelt es sich auch nicht um einen oral applizierten Tyrosinkinaseinhibitor sondern um einen Antikörper, an den ein Topoisomerase-I-Inhibitor gebunden ist. Dieser wird intravenös gegeben, stellt also eine andere therapeutische Situation dar als die oralen Tyrosinkinaseinhibitoren. Schließlich ist der Antikörper aufgrund des gebundenen Topoisomerase-I-Inhibitors besonders: Durch diese zytotoxische Wirkung soll die klinische Effektivität verstärkt werden. In dieser Studie konnte eine sehr vielversprechende klinische Aktivität beobachtet werden: objektives Ansprechen von 55 % bei einem durchschnittlichen progressionsfreien Überleben von 8,2 Monaten und einem mittleren Gesamtüberleben von 17,8 Monaten. Allerdings muss auf die Entwicklung von Nebenwirkungen insbesondere einer Pneumonitis geachtet werden, die in der Studie bei 26 % der Patienten auftrat und bei 2 Patienten mit tödlichem Ausgang verbunden war. So sollten beim Einsatz von Trastuzumab-Deruxtecan hier erfahrene Therapeuten in die Behandlung eingebunden sein. Als klinische Konsequenz muss zudem schon heute die breite Testung molekularer Veränderungen beim metastasierten NSCLC gefordert werden, die über die minimal notwendigen Veränderungen (siehe oben) hinausgehen. Zukünftige Studien müssen den Einsatz der Substanz näher definieren – ob als Erstlinientherapie oder nach Vortherapie. In der vorliegenden Studie hatten fast alle Patienten mindestens eine Vortherapie, 14 % sogar einen anti-HER2-Tyrosinkinaseinhibitor. Möglicherweise kann auch die eingesetzte Dosis in klinischen Studien überprüft werden, die hier höher war als bspw. bei Her2-mutiertem Mammakarzinom und dort zu einer niedrigeren Inzidenz von Pneumonitiden führte [3].

Fazit

Zusammenfassend zeigt die Studie von Li und Kollegen eindrucksvoll die zunehmende Therapievielfalt beim NSCLC und die damit verbundenen verbesserten Optionen für definierte NSCLC Subgruppen. Trastuzumab-Deruxtecan ist eine neue Therapieoption beim HER2-mutierten NSCLC, die allerdings in Europa hierfür noch nicht zugelassen ist.


Interessenkonflikt


N. Reinmuth erhielt Honoraria für Beratungs- und Vortragsleistungen von Amgen, AstraZeneca, Bristol-Myers Squibb, Boehringer-Ingelheim, Daiichi-Sankyo, Hoffmann-La Roche, Lilly, MSD, Merck, Pfizer und Takeda.


Autorinnen/Autoren

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PD Dr. med. Niels Reinmuth Chefarzt Thorakale Onkologie, Asklepios Fachkliniken München-Gauting
n.reinmuth@asklepios.com

Literatur


[1] Guisier F, Dubos-Arvis C, Viñas F et al. Efficacy and Safety of Anti-PD-1 Immunotherapy in Patients With Advanced NSCLC With BRAF, HER2, or MET Mutations or RET Translocation: GFPC 01-2018. J Thorac Oncol 2020; 15: 628–636. doi:10.1016/j.jtho.2019.12.129.


[2] Li BT, Smit EF, Goto Y et al. DESTINY-Lung01 Trial Investigators. Trastuzumab Deruxtecan in HER2-Mutant Non-Small-Cell Lung Cancer. N Engl J Med 2021. doi:10.1056/NEJMoa2112431


[3] Modi S, Saura C, Yamashita T et al.; DESTINY-Breast01 Investigators. Trastuzumab Deruxtecan in Previously Treated HER2-Positive Breast Cancer. N Engl J Med 2020; 382: 610–621. doi:10.1056/NEJMoa1914510


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Publication History

Article published online:
17 November 2021

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PD Dr. med. Niels Reinmuth Chefarzt Thorakale Onkologie, Asklepios Fachkliniken München-Gauting
n.reinmuth@asklepios.com