Kridin K.
et al.
Assessment of Treatment Approaches and Outcomes in Stevens-Johnson Syndrome and Toxic Epidermal Necrolysis: Insights From a Pan-European Multicenter Study.
JAMA Dermatol 2021;
DOI:
10.1001/jamadermatol.2021.3154
Die paneuropäische retrospektive Multizenterstudie von Khalaf Kridin vom Institut für Experimentelle Dermatologie der Universität Lübeck und Kollegen umfasste 212 dokumentierte Erwachsene mit SJS oder TEN, die zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 31. Dezember 2019 in 13 Zentren der ToxiTEN-Subgruppe zu SJS/TEN der europäischen Haut-Referenzzentren (ERN-skin) betreut wurden. Es lagen Daten aus einer Beobachtungszeit von 6 Wochen vor.
Der Schwerpunkt der Analyse war die Identifikation von Risikofaktoren für schwere akute Komplikationen (akutes Nierenversagen, Sepsis und Notwendigkeit der mechanischen Beatmung) und die Untersuchung der Mortalität 6 Wochen nach stationärer Aufnahme. Als ein Instrument zur Beurteilung des Schweregrads von SJS/TEN wurde der „Score of Toxic Epidermal Necrolysis“ (SCORTEN) verwendet, der die Werte von 0–7 annehmen kann, mit 7 als dem höchsten Schweregrad.
Patienten und Auslöser
Fast zwei Drittel der 212 Patienten (134 von 211; 63,7 %) waren weiblich, das mittlere Alter lag bei 51,0 (± 19,3) Jahren. Im Mittel waren 27 % (± 23,8 %) der Körperoberfläche von der epidermalen Ablösung betroffen.
Bei 176 Betroffenen (83,0 %) konnte der wahrscheinliche Auslöser identifiziert werden. Bei mehr als jedem Fünften (21,2 %) handelte es sich dabei um ein Antibiotikum, bei 18,9 % um ein Antikonvulsivum, bei 11,8 % um nichtsteroidale antientzündliche Wirkstoffe, bei 11,3 % um Allopurinol und bei 10,4 % um Sulfonamide inklusive Sulfonamid-Antibiotika. Unter den Antibiotika wurden am häufigsten Betalaktame (44 %) und Fluorochinolone (35,6 %) angeschuldigt, SJS/TEN ausgelöst zu haben.
Therapie
Die Behandlung der Patienten erfolgte häufig in dermatologischen Abteilungen, 48,3 % der Patienten wurden auf Intensivstationen und 19,3 % in Verbrennungseinheiten versorgt. Die mittlere stationäre Aufenthaltsdauer lag bei 25,0 Tagen.
Die Therapiestrategie war sehr unterschiedlich. Eine supportive Therapie alleine erhielten 38,2 % der Patienten, systemische Glukokortikoide 35,4 %, intravenöse Immunoglobuline (IVIG) 23,6 %, Cyclosporin 10,4 % und gegen Tumornekrosefaktor-α gerichtete Wirkstoffe 3,3 %. Fast Zwei Drittel der Patienten (63,7 %) entwickelten schwere Akute-Phase-Komplikationen, am häufigsten eine Sepsis (27,8 %), eine pulmonale Infektion (27,3 %) oder ein akutes Nierenversagen (20,3 %). 31,6 % der Patienten mussten mechanisch beatmet werden. Jeder fünfte Patient verstarb innerhalb von 6 Wochen (6-Wochen-Mortalitätsrate 20,8 %).
Eine Beteiligung an der epidermalen Ablösung von ≥ 30 % der Körperoberfläche war in der multifaktoriellen Analyse unabhängig assoziiert mit schweren Akute-Phase-Komplikationen. Die voll adjustierte Odds Ratio (OR) lag bei 2,49 (95 %-Konfidenzintervall [KI] 1,21–5,12; p = 0,01). Ein SCORTEN-Wert ≥ 2 war signifikant mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert (voll adjustierte OR 10,30; 95 %-KI 3,82–27,78; p < 0,001).
Die Gabe von Cyclosporin zeigte sowohl eine Assoziation mit einer größeren Häufigkeit eines Anstiegs der betroffene Körperoberfläche um ≥ 20 % in der akuten Phase (adjustierte OR 3,44; 95 %-KI 1,12–10,52; p = 0,03) als auch mit einem erhöhten Infektionsrisiko (adjustierte OR 7,16; 95 %-KI 1,52–33,74; p = 0,01). Bei Behandlung mit systemischen Glukokortikoiden und IVIG fand sich dagegen eine Assoziation mit einem verringerten Infektionsrisiko (adjustierte OR 0,40; 95 %-KI 0,18–0,88; p = 0,02). Unterschiede in der 6-Wochen-Mortalität in Abhängigkeit von der Behandlung ließen sich nicht identifizieren.
Die Studie war nicht dafür geeignet, die Überlegenheit von einer über eine andere Therapie zu zeigen, betonten die Autoren. Die Ergebnisse machen aber deutlich, wie notwendig die Generierung einer besseren Datengrundlage ist, um die Therapie von SJS/TEN zu verbessern. Dazu können prospektive Register wie auch klinische Studien beitragen.
Friederike Klein, München